Allgemeine Zeitung. Nr. 3. Augsburg, 3. Januar 1840.gerathen werde, kann nur die nächste Zukunft entscheiden. So viel darf indessen als gewiß angenommen werden, daß man den Ansichten der andern Mächte zwar beitreten, jedoch nie an den Zwangsmaaßregeln Theil nehmen wird, die etwa gegen den Vicekönig in Anwendung kommen sollten. Paris, 29 Dec. In der Wahl der Commission zur Beantwortung der Thronrede hatte das Ministerium das Glück, seine Anhänger beinahe ausschließlich gewählt zu sehen; nur ein Mitglied der Commission, Hr. v. Maleville, gehört der Opposition an: von dem Theile des Tiers-Parti, der nicht mit dem Ministerium hält, wurde Niemand gewählt. Das Ministerium hatte alle erforderlichen Vorsichtsmaaßregeln getroffen, namentlich jedem seiner Anhänger einen Zettel zustecken lassen, der die Namen von zwei Mitgliedern desselben Bureau's enthielt; der zweite war für den Fall bezeichnet, daß der erste nicht Stimmen genug haben würde. Dieser letztere Fall kam mehrmals vor, so daß die Mehrheit der Commission nur aus laueren Anhängern des Ministeriums besteht. Auf jeden Fall wird aber der Entwurf der Adresse keine Aehnlichkeit mit dem des vorigen Jahrs haben. Das Ministerium läßt das Gerücht verbreiten, Hr. Guizot sey zum Botschafter am englischen Hofe ernannt. Dieses Gerücht findet aber keinen Glauben, weil man weiß, daß schon vor der Versammlung der Kammern Hr. Guizot diese Ernennung abgelehnt hat, da er der Bildung eines von ihm präsidirten Cabinets entgegensieht. - Der König hat den fremden Gesandten die Versicherung ertheilt, sobald die Adresse von beiden Kammern votirt sey, werde er dem Ueberzug des Don Carlos von Bourges nach Salzburg kein Hinderniß mehr entgegensetzen. - Eine kürzlich anonym erschienene Druckschrift: "Le roi et les chambres" scheint einen ausschließlichen Freund der HH. v. Mole und Salvandy zum Verfasser zu haben; Alles dreht sich um den Satz, nur der König und jene beide Herren seyen im Stande das Ruder des Staats zu lenken. Thiers, Guizot und Duchatel, dann Montalivet, werden stark mitgenommen. Paris, 28 Dec. Es ist zur Zeit nirgends in Frankreich Consequenz, Beharrlichkeit, System, als bei dem sogenannten System, welches wir voriges Jahr das Beharrsystem genannt haben. Alles Andere ist zu Atomen aufgelöst oder in der Auflösung begriffen. Das Ministerium von der Linken zur Rechten übergegangen, aber von dieser verlassen, hat nichts hinter sich und nichts vor sich. Dennoch bleibt es und bezeichnet unter den Vicepräsidenten seine Candidaten. Einen aus den 213 - verworfen. Einen aus den 221 - verworfen. Dagegen steht Einer vom 15 April - ernannt. Das Alles kümmert das Ministerium wenig, und es hat dazu seine guten Gründe. Hr. Dufaure gibt dem Hrn. Lefebvre gegen Thiers seine Stimme, bricht also offen mit der Partei, welcher er scheinbar angehört. Dazu hat Hr. Dufaure gleichfalls seine guten Gründe. Die so eben erschienene Broschüre: König und Kammern, Ministerium und Land, wirft ein helles Licht auf dieses Chaos. Offenbar hat das System seine Plane nie aufgegeben; es ist nur für einen Augenblick der Nothwendigkeit gewichen; es hat die Creation vom 12 Mai nur als eine provisorische betrachtet, es fängt jetzt an wieder allmählich in das verlassene Geleise einzulenken. Man kann nicht klarer über das System des Systems sprechen, als die fragliche Broschüre. Dem König gehört die Initiative und die unbeschränkte vollziehende Gewalt. Die Minister sind seine Gehülfen, die Kammern haben gute Rathschläge zu ertheilen. Nur so kann Frankreichs Wohlfahrt gesichert werden. Nur wann seit 1830 diese Ordnung der Dinge praktisch bestanden, ist der Staatswagen gut gefahren; immer ist Unheil erfolgt, so oft man diesen Weg verlassen. Es war traurig, daß man die Kammerauflösung und den 12 Mai nachgegeben. Soll aber nicht wieder geschehen. Der Augenblick zum Einlenken ist gekommen, nur müssen die Kammern und die Nation Vertrauen in die Lenker hegen. Warum sollten sie auch nicht? Was jetzt noth thut, ist eine entschiedene conservative Majorität in der Kammer, und Hr. v. Mole an der Spitze des Cabinets und dem Hofe ergebener Männer ihm zur Seite. Thiers? von dem ist nicht zu reden. Hat er sich doch gegen die königliche Allgewalt aufgelehnt, und, sich freventlich dem König gegenüber stellend, in der Kammer gesagt: "der König wollte das, ich wollte das." Hat er doch sogar in seinem Salon von Mattmachen gesprochen und - ein zweiter Danton - revolutionäre Gesten dazu gemacht. Guizot? der Pedant - der Dogmatiker - der spitzige, schneidige, unlenksame, eingebildete, aufgeblasene Schulmann mit seinem Schweif von jungen anspruchsvollen Schulpedäntchen - wie sollte man ernstlicherweise von dem noch sprechen? An die Tiers-Parti-Männer ist vollends nicht zu denken; die sind elende Intriganten - die schlimmsten von Allen. Aber woher sonst noch Ministerialgehülfen nehmen? Die Statisten des 15 Aprils - Hrn. Barth, jenen fahrläßigen Ex-Carbonaro, der keinen einzigen Freund in der Kammer hatte? oder Montalivet, der zu träge war, die Actenstücke zu unterzeichnen? Eher noch die sanftmüthigen, geschmeidigen und brauchbaren Lacave Laplagne und Salvandy. Auch Hr. Dufaure scheint sich so übel nicht zu machen. O der Anmaßung des Hrn. Thiers, der diesen talentvollen Hrn. Dufaure zur Staffel seines ministeriellen Thrones machen wollte! Wohl fühlte aber Hr. Dufaure selbst, er sey von dem Holze, wovon man die Minister macht. Wahrhaftig ein ganz anderer Mann als jener indolente, obstinate, hinterhaltige, engherzige, alles nur von der financiellen Seite betrachtende, poröse und vor dem Tadel der Oppositionsblätter erbleichende Duchatel, dessen ganzes Gewicht darin besteht, daß er Jedermann in der Kammer ein freundliches Gesicht machen kann. Die Wohlfahrt des Landes erfordert vor Allem die Beihülfe wohldenkender, arbeitsamer, ergebener und lenksamer Männer, die sich dahin zu stellen wissen, wo sie hin gehören, und nicht vom Dämon des Widerspruchs besessen sind, und eine nationale, monarchische Majorität in der Kammer, von welcher die Abtheilung Jaqueminot den natürlichen Kern zu bilden hätte. - So die Broschüre. Sie ist ganz klar und verständlich. Die Sachen stehen also ungefähr da, wo sie vor der Coalition gestanden. Nur scheint der Kriegsmuth von Haupt und Gliedern der Opposition gewichen zu seyn. Die Armeecorps sind nicht mehr an ihrer Uniform erkennbar, und die Anführer befinden sich bei der Bagage. Algier, 21 Dec. Privatberichte aus Belida geben noch folgende Nachträge über die dort vorgefallenen Gefechte. Die mobile Colonne 2500 Mann stark unter dem Commando des Generals Rulhieres wurde von 5 bis 6000 Arabern angegriffen, welche, ermuthigt durch die Gegenwart der regulären Armee Abd-El-Kaders sich tapfer und in derselben Ordnung wie disciplinirte Truppen schlugen. Eine Kanone wurde mehrmals genommen und wieder genommen, und nur das heftige Feuer der Artillerie nöthigte die 500 Araber, welche die Kanone fortschleppten, sie fahren zu lassen. Tags darauf bemächtigten sich die Araber eines der Thore von Belida, konnten aber nicht in die Stadt eindringen. Unsere Soldaten machten Löcher in die Mauern, um sich besser zu vertheidigen. Ein Tambour der regulären Armee des Emirs näherte sich unsern Tirailleurs, und rief ihnen zu: sagt dem Capitän (er nannte ihn beim Namen) des 24sten Regiments, daß wir ihn erwarten. gerathen werde, kann nur die nächste Zukunft entscheiden. So viel darf indessen als gewiß angenommen werden, daß man den Ansichten der andern Mächte zwar beitreten, jedoch nie an den Zwangsmaaßregeln Theil nehmen wird, die etwa gegen den Vicekönig in Anwendung kommen sollten. Paris, 29 Dec. In der Wahl der Commission zur Beantwortung der Thronrede hatte das Ministerium das Glück, seine Anhänger beinahe ausschließlich gewählt zu sehen; nur ein Mitglied der Commission, Hr. v. Maleville, gehört der Opposition an: von dem Theile des Tiers-Parti, der nicht mit dem Ministerium hält, wurde Niemand gewählt. Das Ministerium hatte alle erforderlichen Vorsichtsmaaßregeln getroffen, namentlich jedem seiner Anhänger einen Zettel zustecken lassen, der die Namen von zwei Mitgliedern desselben Bureau's enthielt; der zweite war für den Fall bezeichnet, daß der erste nicht Stimmen genug haben würde. Dieser letztere Fall kam mehrmals vor, so daß die Mehrheit der Commission nur aus laueren Anhängern des Ministeriums besteht. Auf jeden Fall wird aber der Entwurf der Adresse keine Aehnlichkeit mit dem des vorigen Jahrs haben. Das Ministerium läßt das Gerücht verbreiten, Hr. Guizot sey zum Botschafter am englischen Hofe ernannt. Dieses Gerücht findet aber keinen Glauben, weil man weiß, daß schon vor der Versammlung der Kammern Hr. Guizot diese Ernennung abgelehnt hat, da er der Bildung eines von ihm präsidirten Cabinets entgegensieht. – Der König hat den fremden Gesandten die Versicherung ertheilt, sobald die Adresse von beiden Kammern votirt sey, werde er dem Ueberzug des Don Carlos von Bourges nach Salzburg kein Hinderniß mehr entgegensetzen. – Eine kürzlich anonym erschienene Druckschrift: „Le roi et les chambres“ scheint einen ausschließlichen Freund der HH. v. Molé und Salvandy zum Verfasser zu haben; Alles dreht sich um den Satz, nur der König und jene beide Herren seyen im Stande das Ruder des Staats zu lenken. Thiers, Guizot und Duchatel, dann Montalivet, werden stark mitgenommen. Paris, 28 Dec. Es ist zur Zeit nirgends in Frankreich Consequenz, Beharrlichkeit, System, als bei dem sogenannten System, welches wir voriges Jahr das Beharrsystem genannt haben. Alles Andere ist zu Atomen aufgelöst oder in der Auflösung begriffen. Das Ministerium von der Linken zur Rechten übergegangen, aber von dieser verlassen, hat nichts hinter sich und nichts vor sich. Dennoch bleibt es und bezeichnet unter den Vicepräsidenten seine Candidaten. Einen aus den 213 – verworfen. Einen aus den 221 – verworfen. Dagegen steht Einer vom 15 April – ernannt. Das Alles kümmert das Ministerium wenig, und es hat dazu seine guten Gründe. Hr. Dufaure gibt dem Hrn. Lefebvre gegen Thiers seine Stimme, bricht also offen mit der Partei, welcher er scheinbar angehört. Dazu hat Hr. Dufaure gleichfalls seine guten Gründe. Die so eben erschienene Broschüre: König und Kammern, Ministerium und Land, wirft ein helles Licht auf dieses Chaos. Offenbar hat das System seine Plane nie aufgegeben; es ist nur für einen Augenblick der Nothwendigkeit gewichen; es hat die Creation vom 12 Mai nur als eine provisorische betrachtet, es fängt jetzt an wieder allmählich in das verlassene Geleise einzulenken. Man kann nicht klarer über das System des Systems sprechen, als die fragliche Broschüre. Dem König gehört die Initiative und die unbeschränkte vollziehende Gewalt. Die Minister sind seine Gehülfen, die Kammern haben gute Rathschläge zu ertheilen. Nur so kann Frankreichs Wohlfahrt gesichert werden. Nur wann seit 1830 diese Ordnung der Dinge praktisch bestanden, ist der Staatswagen gut gefahren; immer ist Unheil erfolgt, so oft man diesen Weg verlassen. Es war traurig, daß man die Kammerauflösung und den 12 Mai nachgegeben. Soll aber nicht wieder geschehen. Der Augenblick zum Einlenken ist gekommen, nur müssen die Kammern und die Nation Vertrauen in die Lenker hegen. Warum sollten sie auch nicht? Was jetzt noth thut, ist eine entschiedene conservative Majorität in der Kammer, und Hr. v. Molé an der Spitze des Cabinets und dem Hofe ergebener Männer ihm zur Seite. Thiers? von dem ist nicht zu reden. Hat er sich doch gegen die königliche Allgewalt aufgelehnt, und, sich freventlich dem König gegenüber stellend, in der Kammer gesagt: „der König wollte das, ich wollte das.“ Hat er doch sogar in seinem Salon von Mattmachen gesprochen und – ein zweiter Danton – revolutionäre Gesten dazu gemacht. Guizot? der Pedant – der Dogmatiker – der spitzige, schneidige, unlenksame, eingebildete, aufgeblasene Schulmann mit seinem Schweif von jungen anspruchsvollen Schulpedäntchen – wie sollte man ernstlicherweise von dem noch sprechen? An die Tiers-Parti-Männer ist vollends nicht zu denken; die sind elende Intriganten – die schlimmsten von Allen. Aber woher sonst noch Ministerialgehülfen nehmen? Die Statisten des 15 Aprils – Hrn. Barth, jenen fahrläßigen Ex-Carbonaro, der keinen einzigen Freund in der Kammer hatte? oder Montalivet, der zu träge war, die Actenstücke zu unterzeichnen? Eher noch die sanftmüthigen, geschmeidigen und brauchbaren Lacave Laplagne und Salvandy. Auch Hr. Dufaure scheint sich so übel nicht zu machen. O der Anmaßung des Hrn. Thiers, der diesen talentvollen Hrn. Dufaure zur Staffel seines ministeriellen Thrones machen wollte! Wohl fühlte aber Hr. Dufaure selbst, er sey von dem Holze, wovon man die Minister macht. Wahrhaftig ein ganz anderer Mann als jener indolente, obstinate, hinterhaltige, engherzige, alles nur von der financiellen Seite betrachtende, poröse und vor dem Tadel der Oppositionsblätter erbleichende Duchatel, dessen ganzes Gewicht darin besteht, daß er Jedermann in der Kammer ein freundliches Gesicht machen kann. Die Wohlfahrt des Landes erfordert vor Allem die Beihülfe wohldenkender, arbeitsamer, ergebener und lenksamer Männer, die sich dahin zu stellen wissen, wo sie hin gehören, und nicht vom Dämon des Widerspruchs besessen sind, und eine nationale, monarchische Majorität in der Kammer, von welcher die Abtheilung Jaqueminot den natürlichen Kern zu bilden hätte. – So die Broschüre. Sie ist ganz klar und verständlich. Die Sachen stehen also ungefähr da, wo sie vor der Coalition gestanden. Nur scheint der Kriegsmuth von Haupt und Gliedern der Opposition gewichen zu seyn. Die Armeecorps sind nicht mehr an ihrer Uniform erkennbar, und die Anführer befinden sich bei der Bagage. Algier, 21 Dec. Privatberichte aus Belida geben noch folgende Nachträge über die dort vorgefallenen Gefechte. Die mobile Colonne 2500 Mann stark unter dem Commando des Generals Rulhieres wurde von 5 bis 6000 Arabern angegriffen, welche, ermuthigt durch die Gegenwart der regulären Armee Abd-El-Kaders sich tapfer und in derselben Ordnung wie disciplinirte Truppen schlugen. Eine Kanone wurde mehrmals genommen und wieder genommen, und nur das heftige Feuer der Artillerie nöthigte die 500 Araber, welche die Kanone fortschleppten, sie fahren zu lassen. Tags darauf bemächtigten sich die Araber eines der Thore von Belida, konnten aber nicht in die Stadt eindringen. Unsere Soldaten machten Löcher in die Mauern, um sich besser zu vertheidigen. Ein Tambour der regulären Armee des Emirs näherte sich unsern Tirailleurs, und rief ihnen zu: sagt dem Capitän (er nannte ihn beim Namen) des 24sten Regiments, daß wir ihn erwarten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0004" n="0020"/> gerathen werde, kann nur die nächste Zukunft entscheiden. 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Das Ministerium hatte alle erforderlichen Vorsichtsmaaßregeln getroffen, namentlich jedem seiner Anhänger einen Zettel zustecken lassen, der die Namen von zwei Mitgliedern desselben Bureau's enthielt; der zweite war für den Fall bezeichnet, daß der erste nicht Stimmen genug haben würde. Dieser letztere Fall kam mehrmals vor, so daß die Mehrheit der Commission nur aus laueren Anhängern des Ministeriums besteht. Auf jeden Fall wird aber der Entwurf der Adresse keine Aehnlichkeit mit dem des vorigen Jahrs haben. Das Ministerium läßt das Gerücht verbreiten, Hr. Guizot sey zum Botschafter am englischen Hofe ernannt. Dieses Gerücht findet aber keinen Glauben, weil man weiß, daß schon vor der Versammlung der Kammern Hr. Guizot diese Ernennung abgelehnt hat, da er der Bildung eines von ihm präsidirten Cabinets entgegensieht. – Der König hat den fremden Gesandten die Versicherung ertheilt, sobald die Adresse von beiden Kammern votirt sey, werde er dem Ueberzug des Don Carlos von Bourges nach Salzburg kein Hinderniß mehr entgegensetzen. – Eine kürzlich anonym erschienene Druckschrift: „Le roi et les chambres“ scheint einen ausschließlichen Freund der HH. v. Molé und Salvandy zum Verfasser zu haben; Alles dreht sich um den Satz, nur der König und jene beide Herren seyen im Stande das Ruder des Staats zu lenken. 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Lefebvre gegen Thiers seine Stimme, bricht also offen mit der Partei, welcher er scheinbar angehört. Dazu hat Hr. Dufaure gleichfalls seine guten Gründe. Die so eben erschienene Broschüre: König und Kammern, Ministerium und Land, wirft ein helles Licht auf dieses Chaos. Offenbar hat das System seine Plane nie aufgegeben; es ist nur für einen Augenblick der Nothwendigkeit gewichen; es hat die Creation vom 12 Mai nur als eine provisorische betrachtet, es fängt jetzt an wieder allmählich in das verlassene Geleise einzulenken. Man kann nicht klarer über das System des Systems sprechen, als die fragliche Broschüre. Dem König gehört die Initiative und die unbeschränkte vollziehende Gewalt. Die Minister sind seine Gehülfen, die Kammern haben gute Rathschläge zu ertheilen. Nur so kann Frankreichs Wohlfahrt gesichert werden. Nur wann seit 1830 diese Ordnung der Dinge praktisch bestanden, ist der Staatswagen gut gefahren; immer ist Unheil erfolgt, so oft man diesen Weg verlassen. Es war traurig, daß man die Kammerauflösung und den 12 Mai nachgegeben. Soll aber nicht wieder geschehen. Der Augenblick zum Einlenken ist gekommen, nur müssen die Kammern und die Nation Vertrauen in die Lenker hegen. Warum sollten sie auch nicht? Was jetzt noth thut, ist eine entschiedene conservative Majorität in der Kammer, und Hr. v. Molé an der Spitze des Cabinets und dem Hofe ergebener Männer ihm zur Seite. Thiers? von dem ist nicht zu reden. Hat er sich doch gegen die königliche Allgewalt aufgelehnt, und, sich freventlich dem König gegenüber stellend, in der Kammer gesagt: „der König wollte das, ich wollte das.“ Hat er doch sogar in seinem Salon von Mattmachen gesprochen und – ein zweiter Danton – revolutionäre Gesten dazu gemacht. Guizot? der Pedant – der Dogmatiker – der spitzige, schneidige, unlenksame, eingebildete, aufgeblasene Schulmann mit seinem Schweif von jungen anspruchsvollen Schulpedäntchen – wie sollte man ernstlicherweise von dem noch sprechen? An die Tiers-Parti-Männer ist vollends nicht zu denken; die sind elende Intriganten – die schlimmsten von Allen. Aber woher sonst noch Ministerialgehülfen nehmen? Die Statisten des 15 Aprils – Hrn. Barth, jenen fahrläßigen Ex-Carbonaro, der keinen einzigen Freund in der Kammer hatte? oder Montalivet, der zu träge war, die Actenstücke zu unterzeichnen? Eher noch die sanftmüthigen, geschmeidigen und brauchbaren Lacave Laplagne und Salvandy. Auch Hr. Dufaure scheint sich so übel nicht zu machen. O der Anmaßung des Hrn. Thiers, der diesen talentvollen Hrn. Dufaure zur Staffel seines ministeriellen Thrones machen wollte! Wohl fühlte aber Hr. Dufaure selbst, er sey von dem Holze, wovon man die Minister macht. Wahrhaftig ein ganz anderer Mann als jener indolente, obstinate, hinterhaltige, engherzige, alles nur von der financiellen Seite betrachtende, poröse und vor dem Tadel der Oppositionsblätter erbleichende Duchatel, dessen ganzes Gewicht darin besteht, daß er Jedermann in der Kammer ein freundliches Gesicht machen kann. Die Wohlfahrt des Landes erfordert vor Allem die Beihülfe wohldenkender, arbeitsamer, ergebener und lenksamer Männer, die sich dahin zu stellen wissen, wo sie hin gehören, und nicht vom Dämon des Widerspruchs besessen sind, und eine nationale, monarchische Majorität in der Kammer, von welcher die Abtheilung Jaqueminot den natürlichen Kern zu bilden hätte. – So die Broschüre. Sie ist ganz klar und verständlich. Die Sachen stehen also ungefähr da, wo sie vor der Coalition gestanden. Nur scheint der Kriegsmuth von Haupt und Gliedern der Opposition gewichen zu seyn. 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Unsere Soldaten machten Löcher in die Mauern, um sich besser zu vertheidigen. Ein Tambour der regulären Armee des Emirs näherte sich unsern Tirailleurs, und rief ihnen zu: sagt dem Capitän (er nannte ihn beim Namen) des 24sten Regiments, daß wir ihn erwarten.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020/0004]
gerathen werde, kann nur die nächste Zukunft entscheiden. So viel darf indessen als gewiß angenommen werden, daß man den Ansichten der andern Mächte zwar beitreten, jedoch nie an den Zwangsmaaßregeln Theil nehmen wird, die etwa gegen den Vicekönig in Anwendung kommen sollten.
_ Paris, 29 Dec. In der Wahl der Commission zur Beantwortung der Thronrede hatte das Ministerium das Glück, seine Anhänger beinahe ausschließlich gewählt zu sehen; nur ein Mitglied der Commission, Hr. v. Maleville, gehört der Opposition an: von dem Theile des Tiers-Parti, der nicht mit dem Ministerium hält, wurde Niemand gewählt. Das Ministerium hatte alle erforderlichen Vorsichtsmaaßregeln getroffen, namentlich jedem seiner Anhänger einen Zettel zustecken lassen, der die Namen von zwei Mitgliedern desselben Bureau's enthielt; der zweite war für den Fall bezeichnet, daß der erste nicht Stimmen genug haben würde. Dieser letztere Fall kam mehrmals vor, so daß die Mehrheit der Commission nur aus laueren Anhängern des Ministeriums besteht. Auf jeden Fall wird aber der Entwurf der Adresse keine Aehnlichkeit mit dem des vorigen Jahrs haben. Das Ministerium läßt das Gerücht verbreiten, Hr. Guizot sey zum Botschafter am englischen Hofe ernannt. Dieses Gerücht findet aber keinen Glauben, weil man weiß, daß schon vor der Versammlung der Kammern Hr. Guizot diese Ernennung abgelehnt hat, da er der Bildung eines von ihm präsidirten Cabinets entgegensieht. – Der König hat den fremden Gesandten die Versicherung ertheilt, sobald die Adresse von beiden Kammern votirt sey, werde er dem Ueberzug des Don Carlos von Bourges nach Salzburg kein Hinderniß mehr entgegensetzen. – Eine kürzlich anonym erschienene Druckschrift: „Le roi et les chambres“ scheint einen ausschließlichen Freund der HH. v. Molé und Salvandy zum Verfasser zu haben; Alles dreht sich um den Satz, nur der König und jene beide Herren seyen im Stande das Ruder des Staats zu lenken. Thiers, Guizot und Duchatel, dann Montalivet, werden stark mitgenommen.
_ Paris, 28 Dec. Es ist zur Zeit nirgends in Frankreich Consequenz, Beharrlichkeit, System, als bei dem sogenannten System, welches wir voriges Jahr das Beharrsystem genannt haben. Alles Andere ist zu Atomen aufgelöst oder in der Auflösung begriffen. Das Ministerium von der Linken zur Rechten übergegangen, aber von dieser verlassen, hat nichts hinter sich und nichts vor sich. Dennoch bleibt es und bezeichnet unter den Vicepräsidenten seine Candidaten. Einen aus den 213 – verworfen. Einen aus den 221 – verworfen. Dagegen steht Einer vom 15 April – ernannt. Das Alles kümmert das Ministerium wenig, und es hat dazu seine guten Gründe. Hr. Dufaure gibt dem Hrn. Lefebvre gegen Thiers seine Stimme, bricht also offen mit der Partei, welcher er scheinbar angehört. Dazu hat Hr. Dufaure gleichfalls seine guten Gründe. Die so eben erschienene Broschüre: König und Kammern, Ministerium und Land, wirft ein helles Licht auf dieses Chaos. Offenbar hat das System seine Plane nie aufgegeben; es ist nur für einen Augenblick der Nothwendigkeit gewichen; es hat die Creation vom 12 Mai nur als eine provisorische betrachtet, es fängt jetzt an wieder allmählich in das verlassene Geleise einzulenken. Man kann nicht klarer über das System des Systems sprechen, als die fragliche Broschüre. Dem König gehört die Initiative und die unbeschränkte vollziehende Gewalt. Die Minister sind seine Gehülfen, die Kammern haben gute Rathschläge zu ertheilen. Nur so kann Frankreichs Wohlfahrt gesichert werden. Nur wann seit 1830 diese Ordnung der Dinge praktisch bestanden, ist der Staatswagen gut gefahren; immer ist Unheil erfolgt, so oft man diesen Weg verlassen. Es war traurig, daß man die Kammerauflösung und den 12 Mai nachgegeben. Soll aber nicht wieder geschehen. Der Augenblick zum Einlenken ist gekommen, nur müssen die Kammern und die Nation Vertrauen in die Lenker hegen. Warum sollten sie auch nicht? Was jetzt noth thut, ist eine entschiedene conservative Majorität in der Kammer, und Hr. v. Molé an der Spitze des Cabinets und dem Hofe ergebener Männer ihm zur Seite. Thiers? von dem ist nicht zu reden. Hat er sich doch gegen die königliche Allgewalt aufgelehnt, und, sich freventlich dem König gegenüber stellend, in der Kammer gesagt: „der König wollte das, ich wollte das.“ Hat er doch sogar in seinem Salon von Mattmachen gesprochen und – ein zweiter Danton – revolutionäre Gesten dazu gemacht. Guizot? der Pedant – der Dogmatiker – der spitzige, schneidige, unlenksame, eingebildete, aufgeblasene Schulmann mit seinem Schweif von jungen anspruchsvollen Schulpedäntchen – wie sollte man ernstlicherweise von dem noch sprechen? An die Tiers-Parti-Männer ist vollends nicht zu denken; die sind elende Intriganten – die schlimmsten von Allen. Aber woher sonst noch Ministerialgehülfen nehmen? Die Statisten des 15 Aprils – Hrn. Barth, jenen fahrläßigen Ex-Carbonaro, der keinen einzigen Freund in der Kammer hatte? oder Montalivet, der zu träge war, die Actenstücke zu unterzeichnen? Eher noch die sanftmüthigen, geschmeidigen und brauchbaren Lacave Laplagne und Salvandy. Auch Hr. Dufaure scheint sich so übel nicht zu machen. O der Anmaßung des Hrn. Thiers, der diesen talentvollen Hrn. Dufaure zur Staffel seines ministeriellen Thrones machen wollte! Wohl fühlte aber Hr. Dufaure selbst, er sey von dem Holze, wovon man die Minister macht. Wahrhaftig ein ganz anderer Mann als jener indolente, obstinate, hinterhaltige, engherzige, alles nur von der financiellen Seite betrachtende, poröse und vor dem Tadel der Oppositionsblätter erbleichende Duchatel, dessen ganzes Gewicht darin besteht, daß er Jedermann in der Kammer ein freundliches Gesicht machen kann. Die Wohlfahrt des Landes erfordert vor Allem die Beihülfe wohldenkender, arbeitsamer, ergebener und lenksamer Männer, die sich dahin zu stellen wissen, wo sie hin gehören, und nicht vom Dämon des Widerspruchs besessen sind, und eine nationale, monarchische Majorität in der Kammer, von welcher die Abtheilung Jaqueminot den natürlichen Kern zu bilden hätte. – So die Broschüre. Sie ist ganz klar und verständlich. Die Sachen stehen also ungefähr da, wo sie vor der Coalition gestanden. Nur scheint der Kriegsmuth von Haupt und Gliedern der Opposition gewichen zu seyn. Die Armeecorps sind nicht mehr an ihrer Uniform erkennbar, und die Anführer befinden sich bei der Bagage.
_ Algier, 21 Dec. Privatberichte aus Belida geben noch folgende Nachträge über die dort vorgefallenen Gefechte. Die mobile Colonne 2500 Mann stark unter dem Commando des Generals Rulhieres wurde von 5 bis 6000 Arabern angegriffen, welche, ermuthigt durch die Gegenwart der regulären Armee Abd-El-Kaders sich tapfer und in derselben Ordnung wie disciplinirte Truppen schlugen. Eine Kanone wurde mehrmals genommen und wieder genommen, und nur das heftige Feuer der Artillerie nöthigte die 500 Araber, welche die Kanone fortschleppten, sie fahren zu lassen. Tags darauf bemächtigten sich die Araber eines der Thore von Belida, konnten aber nicht in die Stadt eindringen. Unsere Soldaten machten Löcher in die Mauern, um sich besser zu vertheidigen. Ein Tambour der regulären Armee des Emirs näherte sich unsern Tirailleurs, und rief ihnen zu: sagt dem Capitän (er nannte ihn beim Namen) des 24sten Regiments, daß wir ihn erwarten.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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