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Allgemeine Zeitung. Nr. 5. Augsburg, 5. Januar 1840.

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befördert ihn nur bis zu dem Punkte des Courses, der dem Bestimmungsort am nächsten liegt, und überläßt ihn dort seinem Schicksal. Neben- oder Verbindungs-Course im Innern der Provinzen sind auf großen Strecken nur wenige, und diese unzureichend, in Wales, in den nördlichen Gebieten, in Schottland und Irland gar keine.

Auch in Frankreich gibt es (oder gab es noch vor wenigen Jahren) große Flächen von 10 bis 15 Quadratmeilen ohne alle Postanstalten, z. B. zwischen Lyon, Chalons und Moulins, zwischen Grenoble, Valence, Avignon und Gap, zwischen Nimes, Narbonne, Toulouse, Aurillac, zwischen Limoges, Poitiers, Tours und Chateaurour, zwischen Niort, Saumur und Potiers etc. Auf dieser Fläche sind 75 Städte, jede mit mehr als 10,000 Einwohnern, ohne Posten. Im Jahr 1829 hatten nach officiellen Angaben 1300 Hauptorte in den Cantons und 35,587 Gemeinden keine Postanstalten. Die Briefe dahin mußten durch Privatangelegenheiten besorgt werden. Erst seit dem 1 April 1830 sollen zu diesem Zweck 5000 Landpostboten bestellt seyn.

In Preußen dagegen ist kein Ort, sey er auch noch so klein, der nicht in Postverbindung stände, kein abgelegenes Haus in dem fernsten Theile der Monarchie, wohin nicht Briefe mit derselben Sicherheit zu bestellen wären, wie nach der Hauptstadt. Auch schützt das Eintragen jeden einzelnen Briefes in die Postkarte gegen Verlust, und erstattet die Controle der Versendung bis an den Bestimmungsort -- eine Einrichtung, die bei den Taxis'schen Posten vermißt wird, und die als entschiedener Vorzug der preußischen Postverwaltung angesehen werden muß.

In Preußen kann man also nur wünschen, daß die Postreform ohne gleichzeitige Einbuße der großen Vortheile eintrete, welche das Publicum gegenwärtig genießt, und die es einer ausgezeichneten Administration verdankt. Daß dieß möglich sey, ist bereits gezeigt. Keine financielle, keine gewerblich Richtung! Gewinnt dieses Axiom die gebührende Anerkennung, so kann die Reform nicht ausbleiben.

Aber es ist nicht zu erwarten, daß ein einzelner deutscher Staat zu einer Maaßregel schreite, deren Segen erst recht fühlbar werden kann, wenn sich alle verbunden haben. So wird z. B. Preußen schon seiner geographischen Lage wegen sich schwerlich allein dazu entschließen, wenn es nicht auf gleiche Bereitwilligkeit seitens der andern deutschen Staaten zu rechnen hat.

Wenn je ein Gegenstand, so eignet sich dieser zu Gemeinsamkeit und da nicht der Bundestag die Förderung der großen materiellen Volksinteressen, sondern der Zollverein dieselbe übernommen hat, so ist von diesem auch die Postreform zu erwarten, der die außerhalb stehenden deutschen Staaten sich dann ebenfalls entziehen können.

Wie natürlich würde die Abfindung von Thurn und Taxis vorausgehen müssen. Da aber nicht zu zweifeln ist, daß alle Staaten, welche, statt die Posten nach Auflösung des Reichsverbandes in unmittelbare Verwaltung zu nehmen, aus dem Regal ein Thronlehen gemacht und damit Thurn und Taxis beliehen haben, schon mehr oder minder zu Ueberzeugung gelangt sind, daß die natürliche Tendenz des Leheninhabers, seine Einnahme zu vermehren, mit dem Interesse ihrer Länder nicht in nothwendigem Einklange stehe, so wird die Geneigtheit zu einem solchen Schritte so wenig zu bezweifeln seyn, als seiner Zweckmäßigkeit die Anerkennung versagt werden dürfte. Wir hoffen daher früher oder später auf einen Postcongreß.

Sarrans über England und Frankreichs Föderativ-Interessen.

(De la decadence de l'Angleterre et des interets federatifs de la France, par P. Sarrans jeune.)

Dieß ist eine wohl schwerlich zufällig gerade jetzt erscheinende Flugschrift; der Zeitpunkt der Erscheinung ist besonders gut ausgewählt, und sie soll in gewisser Beziehung vielleicht der Pentarchie als Antwort und als eine Erklärung der Stellung dienen, welche Frankreich einzunehmen gedenke. Titel und Form des Buchs sind gleich zweckmäßig, um, "da dem Menschen die Sprache verliehen ist, seine Gedanken zu verbergen", dasselbe nicht als das erscheinen zu lassen, was es wirklich ist. Der Verfall Englands ist weitschweifig abgehandelt, und den Föderativinteressen Frankreichs nur Ein mäßig langes Capitel gewidmet; das erstere soll wohl in Verbindung mit dem höchst überflüssigen Anhang ganz bekannter Actenstücke dem Buch ein etwas gelehrtes Ansehen geben, und die in Frankreich noch immer ziemlich zahlreichen Anhänger einer englischen Allianz, d. h. einer constitutionell westeuropäischen, im Gegensatz gegen die der sogenannten nordischen Mächte, eines Andern zu belehren, und sie zu überführen, daß bei einem Bündniß mit dem alternden England nicht mehr viel Seide zu spinnen sey. Der Verfasser -- wer er auch immer seyn mag -- muß indeß das Publicum, auf welches er einwirken will, nicht sehr hoch stellen, da er die insipid gewordenen Napoleonischen Phrasen gegen England, die zu jener Zeit einen Zweck, und somit einen Sinn hatten, immer wieder aufwärmt. Auch der Oppositionston gegen die eigene Regierung ist vielleicht nur Maske, denn der ganze Inhalt des Buchs stimmt mit der von der Regierung seit einiger Zeit eingeschlagenen Bahn so vollkommen überein, daß die bekannte Phraseologie von einem systeme depourvu de toute notion de droits et d'interets francais gar keinen Sinn mehr hat.

Wir können die ersten acht Capitel über England und seinen Verfall völlig überspringen, da einestheils dieselben nur auf französisches Publicum berechnet sind, und wir anderntheils keinen Beruf in uns fühlen, die vielen wahren, halbwahren, schiefen und ganz verfehlten Ansichten über England auseinander zu legen, da ohnehin aus dem Ganzen am Ende doch nur das Resultat hervorgeht, daß England in keiner sehr beneidenswerthen Lage ist - eine Wahrheit, an der schon vor Hrn. Sarrans kein Vernünftiger zweifelte. Uebrigens möchten wir doch dem Hrn. Sarrans bemerken, daß der alte Leopard noch nicht so schwach ist, um nicht dem gallischen Hahne doch noch einige Federn auszurupfen; ein zu voreiliger Bruch mit England dürfte immerhin für Frankreich ein harter Schlag werden. Diesen offenen Bruch sucht man freilich vorerst zu vermeiden, um England gleichsam mürbe zu machen und zu erschöpfen, während dieser Zeit aber wo möglich die Föderativinteressen zu pflegen und groß zu ziehen. Es ist wohl kein zufälliger Umstand, daß die neuen französischen Broschüren über die europäische Politik es immer als eine Art Grundsatz, über den man gar nicht mehr streiten könne, voranstellen, "daß der gegenwärtige Zustand Europa's ein gezwungener, die Verhältnisse der Staaten unter einander unnatürlich seyen", und das "öffentliche Recht Europa's" oder wie Andere es ausdrücken, die "Territorialausgleichung" in Europa baldigst eine vollkommene Aenderung erleiden müsse. Alle diese auf die verschiedenste Weise vorgebrachten Ansichten lassen sich im Grunde immer auf die dürren Worte zurückführen: "Die Gränzen, worein die Verträge von 1814 und 1815 uns eingeschlossen haben, sind uns unleidlich geworden." Das verflossene Jahr ist in mancher Hinsicht, namentlich

befördert ihn nur bis zu dem Punkte des Courses, der dem Bestimmungsort am nächsten liegt, und überläßt ihn dort seinem Schicksal. Neben- oder Verbindungs-Course im Innern der Provinzen sind auf großen Strecken nur wenige, und diese unzureichend, in Wales, in den nördlichen Gebieten, in Schottland und Irland gar keine.

Auch in Frankreich gibt es (oder gab es noch vor wenigen Jahren) große Flächen von 10 bis 15 Quadratmeilen ohne alle Postanstalten, z. B. zwischen Lyon, Chalons und Moulins, zwischen Grenoble, Valence, Avignon und Gap, zwischen Nimes, Narbonne, Toulouse, Aurillac, zwischen Limoges, Poitiers, Tours und Chateaurour, zwischen Niort, Saumur und Potiers etc. Auf dieser Fläche sind 75 Städte, jede mit mehr als 10,000 Einwohnern, ohne Posten. Im Jahr 1829 hatten nach officiellen Angaben 1300 Hauptorte in den Cantons und 35,587 Gemeinden keine Postanstalten. Die Briefe dahin mußten durch Privatangelegenheiten besorgt werden. Erst seit dem 1 April 1830 sollen zu diesem Zweck 5000 Landpostboten bestellt seyn.

In Preußen dagegen ist kein Ort, sey er auch noch so klein, der nicht in Postverbindung stände, kein abgelegenes Haus in dem fernsten Theile der Monarchie, wohin nicht Briefe mit derselben Sicherheit zu bestellen wären, wie nach der Hauptstadt. Auch schützt das Eintragen jeden einzelnen Briefes in die Postkarte gegen Verlust, und erstattet die Controle der Versendung bis an den Bestimmungsort — eine Einrichtung, die bei den Taxis'schen Posten vermißt wird, und die als entschiedener Vorzug der preußischen Postverwaltung angesehen werden muß.

In Preußen kann man also nur wünschen, daß die Postreform ohne gleichzeitige Einbuße der großen Vortheile eintrete, welche das Publicum gegenwärtig genießt, und die es einer ausgezeichneten Administration verdankt. Daß dieß möglich sey, ist bereits gezeigt. Keine financielle, keine gewerblich Richtung! Gewinnt dieses Axiom die gebührende Anerkennung, so kann die Reform nicht ausbleiben.

Aber es ist nicht zu erwarten, daß ein einzelner deutscher Staat zu einer Maaßregel schreite, deren Segen erst recht fühlbar werden kann, wenn sich alle verbunden haben. So wird z. B. Preußen schon seiner geographischen Lage wegen sich schwerlich allein dazu entschließen, wenn es nicht auf gleiche Bereitwilligkeit seitens der andern deutschen Staaten zu rechnen hat.

Wenn je ein Gegenstand, so eignet sich dieser zu Gemeinsamkeit und da nicht der Bundestag die Förderung der großen materiellen Volksinteressen, sondern der Zollverein dieselbe übernommen hat, so ist von diesem auch die Postreform zu erwarten, der die außerhalb stehenden deutschen Staaten sich dann ebenfalls entziehen können.

Wie natürlich würde die Abfindung von Thurn und Taxis vorausgehen müssen. Da aber nicht zu zweifeln ist, daß alle Staaten, welche, statt die Posten nach Auflösung des Reichsverbandes in unmittelbare Verwaltung zu nehmen, aus dem Regal ein Thronlehen gemacht und damit Thurn und Taxis beliehen haben, schon mehr oder minder zu Ueberzeugung gelangt sind, daß die natürliche Tendenz des Leheninhabers, seine Einnahme zu vermehren, mit dem Interesse ihrer Länder nicht in nothwendigem Einklange stehe, so wird die Geneigtheit zu einem solchen Schritte so wenig zu bezweifeln seyn, als seiner Zweckmäßigkeit die Anerkennung versagt werden dürfte. Wir hoffen daher früher oder später auf einen Postcongreß.

Sarrans über England und Frankreichs Föderativ-Interessen.

(De la décadence de l'Angleterre et des intérêts féderatifs de la France, par P. Sarrans jeune.)

Dieß ist eine wohl schwerlich zufällig gerade jetzt erscheinende Flugschrift; der Zeitpunkt der Erscheinung ist besonders gut ausgewählt, und sie soll in gewisser Beziehung vielleicht der Pentarchie als Antwort und als eine Erklärung der Stellung dienen, welche Frankreich einzunehmen gedenke. Titel und Form des Buchs sind gleich zweckmäßig, um, “da dem Menschen die Sprache verliehen ist, seine Gedanken zu verbergen”, dasselbe nicht als das erscheinen zu lassen, was es wirklich ist. Der Verfall Englands ist weitschweifig abgehandelt, und den Föderativinteressen Frankreichs nur Ein mäßig langes Capitel gewidmet; das erstere soll wohl in Verbindung mit dem höchst überflüssigen Anhang ganz bekannter Actenstücke dem Buch ein etwas gelehrtes Ansehen geben, und die in Frankreich noch immer ziemlich zahlreichen Anhänger einer englischen Allianz, d. h. einer constitutionell westeuropäischen, im Gegensatz gegen die der sogenannten nordischen Mächte, eines Andern zu belehren, und sie zu überführen, daß bei einem Bündniß mit dem alternden England nicht mehr viel Seide zu spinnen sey. Der Verfasser — wer er auch immer seyn mag — muß indeß das Publicum, auf welches er einwirken will, nicht sehr hoch stellen, da er die insipid gewordenen Napoleonischen Phrasen gegen England, die zu jener Zeit einen Zweck, und somit einen Sinn hatten, immer wieder aufwärmt. Auch der Oppositionston gegen die eigene Regierung ist vielleicht nur Maske, denn der ganze Inhalt des Buchs stimmt mit der von der Regierung seit einiger Zeit eingeschlagenen Bahn so vollkommen überein, daß die bekannte Phraseologie von einem système dépourvu de toute notion de droits et d'intérêts français gar keinen Sinn mehr hat.

Wir können die ersten acht Capitel über England und seinen Verfall völlig überspringen, da einestheils dieselben nur auf französisches Publicum berechnet sind, und wir anderntheils keinen Beruf in uns fühlen, die vielen wahren, halbwahren, schiefen und ganz verfehlten Ansichten über England auseinander zu legen, da ohnehin aus dem Ganzen am Ende doch nur das Resultat hervorgeht, daß England in keiner sehr beneidenswerthen Lage ist – eine Wahrheit, an der schon vor Hrn. Sarrans kein Vernünftiger zweifelte. Uebrigens möchten wir doch dem Hrn. Sarrans bemerken, daß der alte Leopard noch nicht so schwach ist, um nicht dem gallischen Hahne doch noch einige Federn auszurupfen; ein zu voreiliger Bruch mit England dürfte immerhin für Frankreich ein harter Schlag werden. Diesen offenen Bruch sucht man freilich vorerst zu vermeiden, um England gleichsam mürbe zu machen und zu erschöpfen, während dieser Zeit aber wo möglich die Föderativinteressen zu pflegen und groß zu ziehen. Es ist wohl kein zufälliger Umstand, daß die neuen französischen Broschüren über die europäische Politik es immer als eine Art Grundsatz, über den man gar nicht mehr streiten könne, voranstellen, „daß der gegenwärtige Zustand Europa's ein gezwungener, die Verhältnisse der Staaten unter einander unnatürlich seyen“, und das „öffentliche Recht Europa's“ oder wie Andere es ausdrücken, die „Territorialausgleichung“ in Europa baldigst eine vollkommene Aenderung erleiden müsse. Alle diese auf die verschiedenste Weise vorgebrachten Ansichten lassen sich im Grunde immer auf die dürren Worte zurückführen: „Die Gränzen, worein die Verträge von 1814 und 1815 uns eingeschlossen haben, sind uns unleidlich geworden.“ Das verflossene Jahr ist in mancher Hinsicht, namentlich

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[0035/0011] befördert ihn nur bis zu dem Punkte des Courses, der dem Bestimmungsort am nächsten liegt, und überläßt ihn dort seinem Schicksal. Neben- oder Verbindungs-Course im Innern der Provinzen sind auf großen Strecken nur wenige, und diese unzureichend, in Wales, in den nördlichen Gebieten, in Schottland und Irland gar keine. Auch in Frankreich gibt es (oder gab es noch vor wenigen Jahren) große Flächen von 10 bis 15 Quadratmeilen ohne alle Postanstalten, z. B. zwischen Lyon, Chalons und Moulins, zwischen Grenoble, Valence, Avignon und Gap, zwischen Nimes, Narbonne, Toulouse, Aurillac, zwischen Limoges, Poitiers, Tours und Chateaurour, zwischen Niort, Saumur und Potiers etc. Auf dieser Fläche sind 75 Städte, jede mit mehr als 10,000 Einwohnern, ohne Posten. Im Jahr 1829 hatten nach officiellen Angaben 1300 Hauptorte in den Cantons und 35,587 Gemeinden keine Postanstalten. Die Briefe dahin mußten durch Privatangelegenheiten besorgt werden. Erst seit dem 1 April 1830 sollen zu diesem Zweck 5000 Landpostboten bestellt seyn. In Preußen dagegen ist kein Ort, sey er auch noch so klein, der nicht in Postverbindung stände, kein abgelegenes Haus in dem fernsten Theile der Monarchie, wohin nicht Briefe mit derselben Sicherheit zu bestellen wären, wie nach der Hauptstadt. Auch schützt das Eintragen jeden einzelnen Briefes in die Postkarte gegen Verlust, und erstattet die Controle der Versendung bis an den Bestimmungsort — eine Einrichtung, die bei den Taxis'schen Posten vermißt wird, und die als entschiedener Vorzug der preußischen Postverwaltung angesehen werden muß. In Preußen kann man also nur wünschen, daß die Postreform ohne gleichzeitige Einbuße der großen Vortheile eintrete, welche das Publicum gegenwärtig genießt, und die es einer ausgezeichneten Administration verdankt. Daß dieß möglich sey, ist bereits gezeigt. Keine financielle, keine gewerblich Richtung! Gewinnt dieses Axiom die gebührende Anerkennung, so kann die Reform nicht ausbleiben. Aber es ist nicht zu erwarten, daß ein einzelner deutscher Staat zu einer Maaßregel schreite, deren Segen erst recht fühlbar werden kann, wenn sich alle verbunden haben. So wird z. B. Preußen schon seiner geographischen Lage wegen sich schwerlich allein dazu entschließen, wenn es nicht auf gleiche Bereitwilligkeit seitens der andern deutschen Staaten zu rechnen hat. Wenn je ein Gegenstand, so eignet sich dieser zu Gemeinsamkeit und da nicht der Bundestag die Förderung der großen materiellen Volksinteressen, sondern der Zollverein dieselbe übernommen hat, so ist von diesem auch die Postreform zu erwarten, der die außerhalb stehenden deutschen Staaten sich dann ebenfalls entziehen können. Wie natürlich würde die Abfindung von Thurn und Taxis vorausgehen müssen. Da aber nicht zu zweifeln ist, daß alle Staaten, welche, statt die Posten nach Auflösung des Reichsverbandes in unmittelbare Verwaltung zu nehmen, aus dem Regal ein Thronlehen gemacht und damit Thurn und Taxis beliehen haben, schon mehr oder minder zu Ueberzeugung gelangt sind, daß die natürliche Tendenz des Leheninhabers, seine Einnahme zu vermehren, mit dem Interesse ihrer Länder nicht in nothwendigem Einklange stehe, so wird die Geneigtheit zu einem solchen Schritte so wenig zu bezweifeln seyn, als seiner Zweckmäßigkeit die Anerkennung versagt werden dürfte. Wir hoffen daher früher oder später auf einen Postcongreß. Sarrans über England und Frankreichs Föderativ-Interessen. (De la décadence de l'Angleterre et des intérêts féderatifs de la France, par P. Sarrans jeune.) Dieß ist eine wohl schwerlich zufällig gerade jetzt erscheinende Flugschrift; der Zeitpunkt der Erscheinung ist besonders gut ausgewählt, und sie soll in gewisser Beziehung vielleicht der Pentarchie als Antwort und als eine Erklärung der Stellung dienen, welche Frankreich einzunehmen gedenke. Titel und Form des Buchs sind gleich zweckmäßig, um, “da dem Menschen die Sprache verliehen ist, seine Gedanken zu verbergen”, dasselbe nicht als das erscheinen zu lassen, was es wirklich ist. Der Verfall Englands ist weitschweifig abgehandelt, und den Föderativinteressen Frankreichs nur Ein mäßig langes Capitel gewidmet; das erstere soll wohl in Verbindung mit dem höchst überflüssigen Anhang ganz bekannter Actenstücke dem Buch ein etwas gelehrtes Ansehen geben, und die in Frankreich noch immer ziemlich zahlreichen Anhänger einer englischen Allianz, d. h. einer constitutionell westeuropäischen, im Gegensatz gegen die der sogenannten nordischen Mächte, eines Andern zu belehren, und sie zu überführen, daß bei einem Bündniß mit dem alternden England nicht mehr viel Seide zu spinnen sey. Der Verfasser — wer er auch immer seyn mag — muß indeß das Publicum, auf welches er einwirken will, nicht sehr hoch stellen, da er die insipid gewordenen Napoleonischen Phrasen gegen England, die zu jener Zeit einen Zweck, und somit einen Sinn hatten, immer wieder aufwärmt. Auch der Oppositionston gegen die eigene Regierung ist vielleicht nur Maske, denn der ganze Inhalt des Buchs stimmt mit der von der Regierung seit einiger Zeit eingeschlagenen Bahn so vollkommen überein, daß die bekannte Phraseologie von einem système dépourvu de toute notion de droits et d'intérêts français gar keinen Sinn mehr hat. Wir können die ersten acht Capitel über England und seinen Verfall völlig überspringen, da einestheils dieselben nur auf französisches Publicum berechnet sind, und wir anderntheils keinen Beruf in uns fühlen, die vielen wahren, halbwahren, schiefen und ganz verfehlten Ansichten über England auseinander zu legen, da ohnehin aus dem Ganzen am Ende doch nur das Resultat hervorgeht, daß England in keiner sehr beneidenswerthen Lage ist – eine Wahrheit, an der schon vor Hrn. Sarrans kein Vernünftiger zweifelte. Uebrigens möchten wir doch dem Hrn. Sarrans bemerken, daß der alte Leopard noch nicht so schwach ist, um nicht dem gallischen Hahne doch noch einige Federn auszurupfen; ein zu voreiliger Bruch mit England dürfte immerhin für Frankreich ein harter Schlag werden. Diesen offenen Bruch sucht man freilich vorerst zu vermeiden, um England gleichsam mürbe zu machen und zu erschöpfen, während dieser Zeit aber wo möglich die Föderativinteressen zu pflegen und groß zu ziehen. Es ist wohl kein zufälliger Umstand, daß die neuen französischen Broschüren über die europäische Politik es immer als eine Art Grundsatz, über den man gar nicht mehr streiten könne, voranstellen, „daß der gegenwärtige Zustand Europa's ein gezwungener, die Verhältnisse der Staaten unter einander unnatürlich seyen“, und das „öffentliche Recht Europa's“ oder wie Andere es ausdrücken, die „Territorialausgleichung“ in Europa baldigst eine vollkommene Aenderung erleiden müsse. Alle diese auf die verschiedenste Weise vorgebrachten Ansichten lassen sich im Grunde immer auf die dürren Worte zurückführen: „Die Gränzen, worein die Verträge von 1814 und 1815 uns eingeschlossen haben, sind uns unleidlich geworden.“ Das verflossene Jahr ist in mancher Hinsicht, namentlich

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 5. Augsburg, 5. Januar 1840, S. 0035. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_005_18400105/11>, abgerufen am 24.11.2024.