Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 10. Augsburg, 10. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite


wird, mitgewirkt hat. Ich glaube mich nicht geirrt zu haben, als ich von Anfang an behauptete, die Mission des Hrn. v. Brunnow sey eine der glücklichsten zu nennen, und als ich gegen mehrere Ihrer Correspondenten, die sie als unzeitig und verfehlt bezeichnen wollten, mich frei aussprach.

Mit Bezug auf meinen Brief vom 24 v. M. (Allg. Z. 3 Jan.) glaube ich Ihnen mittheilen zu müssen, daß nach der Ansicht der unterrichtetsten Personen die Ratificationen des von den Bevollmächtigten der Großmächte ohne Frankreichs Mitwirkung und Theilnahme hier getroffenen Uebereinkommens hinsichtlich der Lösung der orientalischen Frage von den respectiven Regierungen nicht so bald erfolgen dürften. Es scheinen sich nämlich einige Bedenken über die Statthaftigkeit einer so geringschätzigen Behandlung, wie man sie Frankreich durch dessen Ausschließung von den gepflogenen Verhandlungen zu Theil werden ließ, erhoben zu haben, da von mehreren Seiten der Beitritt Frankreichs zu den gefaßten Beschlüssen als besonders wünschenswerth angesehen wird. Eine östliche Macht scheint vorzugsweise sich zu diesen Ansichten zu bekennen, und es einigermaßen zu bedauern, daß Frankreich nicht von vornherein an den Verhandlungen Schritt für Schritt Theil genommen. Man will gleichfalls wissen, daß von derselben östlichen Macht hinsichtlich der Art und des Maaßes der gegen den Vicekönig zu ergreifenden Zwangsmaaßregeln so wie hinsichtlich der Art ihrer Ausführung nicht ganz unwichtige Modificationen in Vorschlag gebracht werden sollen. Es scheint überhaupt der Wunsch vorzuwalten, ein Verfahren in dieser Hinsicht befolgt zu sehen, daß Frankreich die Einstimmung in die Londoner Beschlüsse nicht unmöglich gemacht, vielmehr ihm dieselbe so viel als möglich erleichtert werde, wiewohl man andererseits nicht gesonnen seyn soll, in den Bestimmungen über die Abgränzung der Besitzungen des Vicekönigs irgend eine weitere Annäherung an die französischen Ideen eintreten zu lassen. Als bemerkenswerth kann die umgekehrte Ordnung erwähnt werden, nach der man dießmal die zu entscheidenden Fragen in Erörterung genommen hat. Man fand es für gut, mit der türkisch-ägyptischen den Anfang zu machen, und schenkte diesem Theil der orientalischen Wirren sowohl in Bezug auf Territorium als auf die der Pforte in Aegypten zustehenden Hoheitsrechte eine bei weitem größere Aufmerksamkeit als der Dardanellenfrage, welche ziemlich leicht, und ohne daß besondere Schwierigkeiten sich in dieser Hinsicht erhoben hätten, behandelt wurde.

Frankreich.

(Sonntag.)

Der neueste Moniteur meldet amtlich die Ankunft des Grafen Sercey am 8 Dec. in Trapezunt nach einer sehr stürmischen Ueberfahrt auf dem schwarzen Meere, wobei das Dampfboot Veloce einige Beschädigungen erlitten habe, die aber der Capitän Beichameil bald zu repariren hoffe, um dann sogleich wieder nach Konstantinopel zurückzufahren. Der Moniteur setzt hinzu: "Graf Sercey, der nach dem Datum seiner letzten Briefe sammt allen Personen seiner Botschaft sich wohl befand, war im Begriff, seinen Weg nach Teheran fortzusetzen. Ein Abgesandter des Shahs erwartete ihn mit einem zahlreichen Gefolge an der persischen Gränze, wo Anstalten getroffen waren, ihn mit allen seinem Rang gebührenden Ehrenbezeugungen zu empfangen."

Hr. J. J. Breard, vormaliger Deputirter des Nationalconvents, Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, ist nach einer kurzen Krankheit gestorben.

Hr. Cottier, Präsident der Pariser Handelskammer, hatte in seiner Neujahrsgratulationsrede dem Könige den Wunsch ausgedrückt, daß die bisher gegen Errichtung von Eisenbahnen bestandenen Schwierigkeiten bald durch die Legislatur gehoben werden möchten. Auch hatte er bei diesem Anlaß die Anzeige gemacht, daß die Totalsumme der bei der Pariser Sparcasse niedergelegten Gelder jetzt 68 Millionen betrage. Der König antwortete ihm: "Ich höre mit Vergnügen das, was Sie mir über die Lage der Sparcasse sagen: dieß ist ein großes Symptom der Wohlfahrt der arbeitenden Classe; es ist ein Beweis von dem Fortschritt des Vertrauens, das die Grundlage des Erfolgs aller Handelsoperationen und die Quelle der öffentlichen Wohlfahrt ist. Ich wünsche mit Ihnen die Errichtung jener Eisenbahnen, welche der Handelskammer so sehr am Herzen liegen. Meine Regierung ist geneigt, alle ihre Bemühungen dahin zu richten, daß Frankreich in dieser Hinsicht nicht hinter andern Ländern zurückbleibe, und ich hoffe, daß es unter Mitwirkung der Kammern bald die Vortheile genießen werde, welche diese großen und raschen Communicationen dem Handel versprechen."

(Temps.) Man spricht in den Salons der Pairie viel von einer nächstens zu haltenden Rede des Hrn. v. Noailles. Hr. v. Chateaubriand soll die Vorlesung derselben gehört und sie für ein Meisterstück erklärt haben. Man rechnet darauf, daß sie eine große Wirkung hervorbringen werde.

Die Eröffnung des Processes für die zweite Kategorie der Maiangeklagten, die von dem Pairshofe gerichtet werden sollen, scheint definitiv auf den 13 Jan. festgesetzt zu seyn.

George Sand (Madame Dudevant) gab vor einigen Tagen im Siecle einen in ihrem glänzenden Styl geschriebenen Artikel über die polnische Emigration. Nach ihrer Angabe leben in Frankreich noch etwa 5500 Polen; 500 haben eigenes Vermögen, 3000 arbeiten beim Chausseebau, in Fabriken etc., 450 besuchen Bildungsanstalten, und 1100, Greise, Frauen und Waisen, bedürfen mildthätiger Unterstützung. Diesen ist die Fürstin Czartoryiska ein helfender Engel. Sie selbst, vormals von königlicher Pracht umgeben, lebt jetzt in einfacher, fast ärmlicher Häuslichkeit. Aber das ganze Jahr widmet sie weiblichen Arbeiten, um diese dann zum Besten der hülfsbedürftigen Polen zu verkaufen. Ihre Stickereien sind von solcher Eleganz und mit so bewunderungswürdiger Kunst gearbeitet, daß man selbst in Frankreich früher nichts Aehnliches kannte.

(Independant de la Moselle.) Aus der Artillerieschule von Metz sind nach Afrika Raketen, mit Kugeln und Kartätschen geladen, abgegangen, welche unter der arabischen Cavallerie furchtbare Verheerungen anrichten werden. Die arabischen Reiter halten sich gewöhnlich außer Kanonenschußweite, aber diese neuen Raketen, welche viermal so weit als die gewöhnlichen Geschosse reichen, werden diese kluge Vorsicht der Feinde vereiteln. Die Raketen platzen auf der Erde und tödten und verwunden Alles, was sich in dem weiten Umkreis der Stelle findet, wo sie fallen.

Ein altes Jahr ist in den Schooß der Vergangenheit hinabgesunken; ein neues Jahr wird mit besorgten Blicken aus dem Schooß der Zukunft heraufgehoben; die Wächter umstehen es und verkünden Zeter über Zion, prophetisiren wüst in den Tag hinein, drücken aber nichts desto weniger allgemein Besorgnisse aus, denn Nostradamus hat mit dem Jahr 1840 ein allgemeines Unglück prophezeit. Stark- wie Leichtgläubige zweifeln und spotten, glauben aber doch alle halb und halb an Nostradamus. Nebst dem Lütticher Mathieu Laensberg, dem Wetterpropheten, ist der alte Magus aus der Provence der allerbekannteste und populärste von den Schriftstellern des hochgebildeten Frankreichs! Das ist die Kindernatur aller Menschen, welcher auch in der Ueberweisheit ihr


wird, mitgewirkt hat. Ich glaube mich nicht geirrt zu haben, als ich von Anfang an behauptete, die Mission des Hrn. v. Brunnow sey eine der glücklichsten zu nennen, und als ich gegen mehrere Ihrer Correspondenten, die sie als unzeitig und verfehlt bezeichnen wollten, mich frei aussprach.

Mit Bezug auf meinen Brief vom 24 v. M. (Allg. Z. 3 Jan.) glaube ich Ihnen mittheilen zu müssen, daß nach der Ansicht der unterrichtetsten Personen die Ratificationen des von den Bevollmächtigten der Großmächte ohne Frankreichs Mitwirkung und Theilnahme hier getroffenen Uebereinkommens hinsichtlich der Lösung der orientalischen Frage von den respectiven Regierungen nicht so bald erfolgen dürften. Es scheinen sich nämlich einige Bedenken über die Statthaftigkeit einer so geringschätzigen Behandlung, wie man sie Frankreich durch dessen Ausschließung von den gepflogenen Verhandlungen zu Theil werden ließ, erhoben zu haben, da von mehreren Seiten der Beitritt Frankreichs zu den gefaßten Beschlüssen als besonders wünschenswerth angesehen wird. Eine östliche Macht scheint vorzugsweise sich zu diesen Ansichten zu bekennen, und es einigermaßen zu bedauern, daß Frankreich nicht von vornherein an den Verhandlungen Schritt für Schritt Theil genommen. Man will gleichfalls wissen, daß von derselben östlichen Macht hinsichtlich der Art und des Maaßes der gegen den Vicekönig zu ergreifenden Zwangsmaaßregeln so wie hinsichtlich der Art ihrer Ausführung nicht ganz unwichtige Modificationen in Vorschlag gebracht werden sollen. Es scheint überhaupt der Wunsch vorzuwalten, ein Verfahren in dieser Hinsicht befolgt zu sehen, daß Frankreich die Einstimmung in die Londoner Beschlüsse nicht unmöglich gemacht, vielmehr ihm dieselbe so viel als möglich erleichtert werde, wiewohl man andererseits nicht gesonnen seyn soll, in den Bestimmungen über die Abgränzung der Besitzungen des Vicekönigs irgend eine weitere Annäherung an die französischen Ideen eintreten zu lassen. Als bemerkenswerth kann die umgekehrte Ordnung erwähnt werden, nach der man dießmal die zu entscheidenden Fragen in Erörterung genommen hat. Man fand es für gut, mit der türkisch-ägyptischen den Anfang zu machen, und schenkte diesem Theil der orientalischen Wirren sowohl in Bezug auf Territorium als auf die der Pforte in Aegypten zustehenden Hoheitsrechte eine bei weitem größere Aufmerksamkeit als der Dardanellenfrage, welche ziemlich leicht, und ohne daß besondere Schwierigkeiten sich in dieser Hinsicht erhoben hätten, behandelt wurde.

Frankreich.

(Sonntag.)

Der neueste Moniteur meldet amtlich die Ankunft des Grafen Sercey am 8 Dec. in Trapezunt nach einer sehr stürmischen Ueberfahrt auf dem schwarzen Meere, wobei das Dampfboot Veloce einige Beschädigungen erlitten habe, die aber der Capitän Beichameil bald zu repariren hoffe, um dann sogleich wieder nach Konstantinopel zurückzufahren. Der Moniteur setzt hinzu: „Graf Sercey, der nach dem Datum seiner letzten Briefe sammt allen Personen seiner Botschaft sich wohl befand, war im Begriff, seinen Weg nach Teheran fortzusetzen. Ein Abgesandter des Shahs erwartete ihn mit einem zahlreichen Gefolge an der persischen Gränze, wo Anstalten getroffen waren, ihn mit allen seinem Rang gebührenden Ehrenbezeugungen zu empfangen.“

Hr. J. J. Breard, vormaliger Deputirter des Nationalconvents, Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, ist nach einer kurzen Krankheit gestorben.

Hr. Cottier, Präsident der Pariser Handelskammer, hatte in seiner Neujahrsgratulationsrede dem Könige den Wunsch ausgedrückt, daß die bisher gegen Errichtung von Eisenbahnen bestandenen Schwierigkeiten bald durch die Legislatur gehoben werden möchten. Auch hatte er bei diesem Anlaß die Anzeige gemacht, daß die Totalsumme der bei der Pariser Sparcasse niedergelegten Gelder jetzt 68 Millionen betrage. Der König antwortete ihm: „Ich höre mit Vergnügen das, was Sie mir über die Lage der Sparcasse sagen: dieß ist ein großes Symptom der Wohlfahrt der arbeitenden Classe; es ist ein Beweis von dem Fortschritt des Vertrauens, das die Grundlage des Erfolgs aller Handelsoperationen und die Quelle der öffentlichen Wohlfahrt ist. Ich wünsche mit Ihnen die Errichtung jener Eisenbahnen, welche der Handelskammer so sehr am Herzen liegen. Meine Regierung ist geneigt, alle ihre Bemühungen dahin zu richten, daß Frankreich in dieser Hinsicht nicht hinter andern Ländern zurückbleibe, und ich hoffe, daß es unter Mitwirkung der Kammern bald die Vortheile genießen werde, welche diese großen und raschen Communicationen dem Handel versprechen.“

(Temps.) Man spricht in den Salons der Pairie viel von einer nächstens zu haltenden Rede des Hrn. v. Noailles. Hr. v. Chateaubriand soll die Vorlesung derselben gehört und sie für ein Meisterstück erklärt haben. Man rechnet darauf, daß sie eine große Wirkung hervorbringen werde.

Die Eröffnung des Processes für die zweite Kategorie der Maiangeklagten, die von dem Pairshofe gerichtet werden sollen, scheint definitiv auf den 13 Jan. festgesetzt zu seyn.

George Sand (Madame Dudevant) gab vor einigen Tagen im Siècle einen in ihrem glänzenden Styl geschriebenen Artikel über die polnische Emigration. Nach ihrer Angabe leben in Frankreich noch etwa 5500 Polen; 500 haben eigenes Vermögen, 3000 arbeiten beim Chausséebau, in Fabriken etc., 450 besuchen Bildungsanstalten, und 1100, Greise, Frauen und Waisen, bedürfen mildthätiger Unterstützung. Diesen ist die Fürstin Czartoryiska ein helfender Engel. Sie selbst, vormals von königlicher Pracht umgeben, lebt jetzt in einfacher, fast ärmlicher Häuslichkeit. Aber das ganze Jahr widmet sie weiblichen Arbeiten, um diese dann zum Besten der hülfsbedürftigen Polen zu verkaufen. Ihre Stickereien sind von solcher Eleganz und mit so bewunderungswürdiger Kunst gearbeitet, daß man selbst in Frankreich früher nichts Aehnliches kannte.

(Indépendant de la Moselle.) Aus der Artillerieschule von Metz sind nach Afrika Raketen, mit Kugeln und Kartätschen geladen, abgegangen, welche unter der arabischen Cavallerie furchtbare Verheerungen anrichten werden. Die arabischen Reiter halten sich gewöhnlich außer Kanonenschußweite, aber diese neuen Raketen, welche viermal so weit als die gewöhnlichen Geschosse reichen, werden diese kluge Vorsicht der Feinde vereiteln. Die Raketen platzen auf der Erde und tödten und verwunden Alles, was sich in dem weiten Umkreis der Stelle findet, wo sie fallen.

Ein altes Jahr ist in den Schooß der Vergangenheit hinabgesunken; ein neues Jahr wird mit besorgten Blicken aus dem Schooß der Zukunft heraufgehoben; die Wächter umstehen es und verkünden Zeter über Zion, prophetisiren wüst in den Tag hinein, drücken aber nichts desto weniger allgemein Besorgnisse aus, denn Nostradamus hat mit dem Jahr 1840 ein allgemeines Unglück prophezeit. Stark- wie Leichtgläubige zweifeln und spotten, glauben aber doch alle halb und halb an Nostradamus. Nebst dem Lütticher Mathieu Laensberg, dem Wetterpropheten, ist der alte Magus aus der Provence der allerbekannteste und populärste von den Schriftstellern des hochgebildeten Frankreichs! Das ist die Kindernatur aller Menschen, welcher auch in der Ueberweisheit ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="0075"/><lb/>
wird, mitgewirkt hat. Ich glaube mich nicht geirrt zu haben, als ich von Anfang an behauptete, die Mission des Hrn. v. Brunnow sey eine der glücklichsten zu nennen, und als ich gegen mehrere Ihrer Correspondenten, die sie als unzeitig und verfehlt bezeichnen wollten, mich frei aussprach.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>&#x2642;</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 2 Jan.</dateline>
          <p> Mit Bezug auf meinen Brief vom 24 v. M. (Allg. Z. 3 Jan.) glaube ich Ihnen mittheilen zu müssen, daß nach der Ansicht der unterrichtetsten Personen die Ratificationen des von den Bevollmächtigten der Großmächte ohne Frankreichs Mitwirkung und Theilnahme hier getroffenen Uebereinkommens hinsichtlich der Lösung der orientalischen Frage von den respectiven Regierungen nicht so bald erfolgen dürften. Es scheinen sich nämlich einige Bedenken über die Statthaftigkeit einer so geringschätzigen Behandlung, wie man sie Frankreich durch dessen Ausschließung von den gepflogenen Verhandlungen zu Theil werden ließ, erhoben zu haben, da von mehreren Seiten der Beitritt Frankreichs zu den gefaßten Beschlüssen als besonders wünschenswerth angesehen wird. Eine östliche Macht scheint vorzugsweise sich zu diesen Ansichten zu bekennen, und es einigermaßen zu bedauern, daß Frankreich nicht von vornherein an den Verhandlungen Schritt für Schritt Theil genommen. Man will gleichfalls wissen, daß von derselben östlichen Macht hinsichtlich der Art und des Maaßes der gegen den Vicekönig zu ergreifenden Zwangsmaaßregeln so wie hinsichtlich der Art ihrer Ausführung nicht ganz unwichtige Modificationen in Vorschlag gebracht werden sollen. Es scheint überhaupt der Wunsch vorzuwalten, ein Verfahren in dieser Hinsicht befolgt zu sehen, daß Frankreich die Einstimmung in die Londoner Beschlüsse nicht unmöglich gemacht, vielmehr ihm dieselbe so viel als möglich erleichtert werde, wiewohl man andererseits nicht gesonnen seyn soll, in den Bestimmungen über die Abgränzung der Besitzungen des Vicekönigs irgend eine weitere Annäherung an die französischen Ideen eintreten zu lassen. Als bemerkenswerth kann die umgekehrte Ordnung erwähnt werden, nach der man dießmal die zu entscheidenden Fragen in Erörterung genommen hat. Man fand es für gut, mit der türkisch-ägyptischen den Anfang zu machen, und schenkte diesem Theil der orientalischen Wirren sowohl in Bezug auf Territorium als auf die der Pforte in Aegypten zustehenden Hoheitsrechte eine bei weitem größere Aufmerksamkeit als der Dardanellenfrage, welche ziemlich leicht, und ohne daß besondere Schwierigkeiten sich in dieser Hinsicht erhoben hätten, behandelt wurde.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 5 Jan.</dateline>
          <p> (Sonntag.)</p><lb/>
          <p>Der neueste <hi rendition="#g">Moniteur</hi> meldet amtlich die Ankunft des Grafen Sercey am 8 Dec. in Trapezunt nach einer sehr stürmischen Ueberfahrt auf dem schwarzen Meere, wobei das Dampfboot Veloce einige Beschädigungen erlitten habe, die aber der Capitän Beichameil bald zu repariren hoffe, um dann sogleich wieder nach Konstantinopel zurückzufahren. Der Moniteur setzt hinzu: &#x201E;Graf Sercey, der nach dem Datum seiner letzten Briefe sammt allen Personen seiner Botschaft sich wohl befand, war im Begriff, seinen Weg nach Teheran fortzusetzen. Ein Abgesandter des Shahs erwartete ihn mit einem zahlreichen Gefolge an der persischen Gränze, wo Anstalten getroffen waren, ihn mit allen seinem Rang gebührenden Ehrenbezeugungen zu empfangen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Hr. J. J. Breard, vormaliger Deputirter des Nationalconvents, Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, ist nach einer kurzen Krankheit gestorben.</p><lb/>
          <p>Hr. Cottier, Präsident der Pariser Handelskammer, hatte in seiner Neujahrsgratulationsrede dem Könige den Wunsch ausgedrückt, daß die bisher gegen Errichtung von Eisenbahnen bestandenen Schwierigkeiten bald durch die Legislatur gehoben werden möchten. Auch hatte er bei diesem Anlaß die Anzeige gemacht, daß die Totalsumme der bei der Pariser Sparcasse niedergelegten Gelder jetzt 68 Millionen betrage. Der <hi rendition="#g">König</hi> antwortete ihm: &#x201E;Ich höre mit Vergnügen das, was Sie mir über die Lage der Sparcasse sagen: dieß ist ein großes Symptom der Wohlfahrt der arbeitenden Classe; es ist ein Beweis von dem Fortschritt des Vertrauens, das die Grundlage des Erfolgs aller Handelsoperationen und die Quelle der öffentlichen Wohlfahrt ist. Ich wünsche mit Ihnen die Errichtung jener Eisenbahnen, welche der Handelskammer so sehr am Herzen liegen. Meine Regierung ist geneigt, alle ihre Bemühungen dahin zu richten, daß Frankreich in dieser Hinsicht nicht hinter andern Ländern zurückbleibe, und ich hoffe, daß es unter Mitwirkung der Kammern bald die Vortheile genießen werde, welche diese großen und raschen Communicationen dem Handel versprechen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Temps</hi>.) Man spricht in den Salons der Pairie viel von einer nächstens zu haltenden Rede des Hrn. v. Noailles. Hr. v. Chateaubriand soll die Vorlesung derselben gehört und sie für ein Meisterstück erklärt haben. Man rechnet darauf, daß sie eine große Wirkung hervorbringen werde.</p><lb/>
          <p>Die Eröffnung des Processes für die zweite Kategorie der Maiangeklagten, die von dem Pairshofe gerichtet werden sollen, scheint definitiv auf den 13 Jan. festgesetzt zu seyn.</p><lb/>
          <p>George Sand (Madame Dudevant) gab vor einigen Tagen im <hi rendition="#g">Siècle</hi> einen in ihrem glänzenden Styl geschriebenen Artikel über die polnische Emigration. Nach ihrer Angabe leben in Frankreich noch etwa 5500 Polen; 500 haben eigenes Vermögen, 3000 arbeiten beim Chausséebau, in Fabriken etc., 450 besuchen Bildungsanstalten, und 1100, Greise, Frauen und Waisen, bedürfen mildthätiger Unterstützung. Diesen ist die Fürstin Czartoryiska ein helfender Engel. Sie selbst, vormals von königlicher Pracht umgeben, lebt jetzt in einfacher, fast ärmlicher Häuslichkeit. Aber das ganze Jahr widmet sie weiblichen Arbeiten, um diese dann zum Besten der hülfsbedürftigen Polen zu verkaufen. Ihre Stickereien sind von solcher Eleganz und mit so bewunderungswürdiger Kunst gearbeitet, daß man selbst in Frankreich früher nichts Aehnliches kannte.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Indépendant de la Moselle</hi>.) Aus der Artillerieschule von Metz sind nach Afrika Raketen, mit Kugeln und Kartätschen geladen, abgegangen, welche unter der arabischen Cavallerie furchtbare Verheerungen anrichten werden. Die arabischen Reiter halten sich gewöhnlich außer Kanonenschußweite, aber diese neuen Raketen, welche viermal so weit als die gewöhnlichen Geschosse reichen, werden diese kluge Vorsicht der Feinde vereiteln. Die Raketen platzen auf der Erde und tödten und verwunden Alles, was sich in dem weiten Umkreis der Stelle findet, wo sie fallen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>&#x2640;</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 3 Jan.</dateline>
          <p> Ein altes Jahr ist in den Schooß der Vergangenheit hinabgesunken; ein neues Jahr wird mit besorgten Blicken aus dem Schooß der Zukunft heraufgehoben; die Wächter umstehen es und verkünden Zeter über Zion, prophetisiren wüst in den Tag hinein, drücken aber nichts desto weniger allgemein Besorgnisse aus, denn Nostradamus hat mit dem Jahr 1840 ein allgemeines Unglück prophezeit. Stark- wie Leichtgläubige zweifeln und spotten, glauben aber doch alle halb und halb an Nostradamus. Nebst dem Lütticher Mathieu Laensberg, dem Wetterpropheten, ist der alte Magus aus der Provence der allerbekannteste und populärste von den Schriftstellern des hochgebildeten Frankreichs! Das ist die Kindernatur aller Menschen, welcher auch in der Ueberweisheit ihr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0075/0003] wird, mitgewirkt hat. Ich glaube mich nicht geirrt zu haben, als ich von Anfang an behauptete, die Mission des Hrn. v. Brunnow sey eine der glücklichsten zu nennen, und als ich gegen mehrere Ihrer Correspondenten, die sie als unzeitig und verfehlt bezeichnen wollten, mich frei aussprach. ♂ London, 2 Jan. Mit Bezug auf meinen Brief vom 24 v. M. (Allg. Z. 3 Jan.) glaube ich Ihnen mittheilen zu müssen, daß nach der Ansicht der unterrichtetsten Personen die Ratificationen des von den Bevollmächtigten der Großmächte ohne Frankreichs Mitwirkung und Theilnahme hier getroffenen Uebereinkommens hinsichtlich der Lösung der orientalischen Frage von den respectiven Regierungen nicht so bald erfolgen dürften. Es scheinen sich nämlich einige Bedenken über die Statthaftigkeit einer so geringschätzigen Behandlung, wie man sie Frankreich durch dessen Ausschließung von den gepflogenen Verhandlungen zu Theil werden ließ, erhoben zu haben, da von mehreren Seiten der Beitritt Frankreichs zu den gefaßten Beschlüssen als besonders wünschenswerth angesehen wird. Eine östliche Macht scheint vorzugsweise sich zu diesen Ansichten zu bekennen, und es einigermaßen zu bedauern, daß Frankreich nicht von vornherein an den Verhandlungen Schritt für Schritt Theil genommen. Man will gleichfalls wissen, daß von derselben östlichen Macht hinsichtlich der Art und des Maaßes der gegen den Vicekönig zu ergreifenden Zwangsmaaßregeln so wie hinsichtlich der Art ihrer Ausführung nicht ganz unwichtige Modificationen in Vorschlag gebracht werden sollen. Es scheint überhaupt der Wunsch vorzuwalten, ein Verfahren in dieser Hinsicht befolgt zu sehen, daß Frankreich die Einstimmung in die Londoner Beschlüsse nicht unmöglich gemacht, vielmehr ihm dieselbe so viel als möglich erleichtert werde, wiewohl man andererseits nicht gesonnen seyn soll, in den Bestimmungen über die Abgränzung der Besitzungen des Vicekönigs irgend eine weitere Annäherung an die französischen Ideen eintreten zu lassen. Als bemerkenswerth kann die umgekehrte Ordnung erwähnt werden, nach der man dießmal die zu entscheidenden Fragen in Erörterung genommen hat. Man fand es für gut, mit der türkisch-ägyptischen den Anfang zu machen, und schenkte diesem Theil der orientalischen Wirren sowohl in Bezug auf Territorium als auf die der Pforte in Aegypten zustehenden Hoheitsrechte eine bei weitem größere Aufmerksamkeit als der Dardanellenfrage, welche ziemlich leicht, und ohne daß besondere Schwierigkeiten sich in dieser Hinsicht erhoben hätten, behandelt wurde. Frankreich. Paris, 5 Jan. (Sonntag.) Der neueste Moniteur meldet amtlich die Ankunft des Grafen Sercey am 8 Dec. in Trapezunt nach einer sehr stürmischen Ueberfahrt auf dem schwarzen Meere, wobei das Dampfboot Veloce einige Beschädigungen erlitten habe, die aber der Capitän Beichameil bald zu repariren hoffe, um dann sogleich wieder nach Konstantinopel zurückzufahren. Der Moniteur setzt hinzu: „Graf Sercey, der nach dem Datum seiner letzten Briefe sammt allen Personen seiner Botschaft sich wohl befand, war im Begriff, seinen Weg nach Teheran fortzusetzen. Ein Abgesandter des Shahs erwartete ihn mit einem zahlreichen Gefolge an der persischen Gränze, wo Anstalten getroffen waren, ihn mit allen seinem Rang gebührenden Ehrenbezeugungen zu empfangen.“ Hr. J. J. Breard, vormaliger Deputirter des Nationalconvents, Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, ist nach einer kurzen Krankheit gestorben. Hr. Cottier, Präsident der Pariser Handelskammer, hatte in seiner Neujahrsgratulationsrede dem Könige den Wunsch ausgedrückt, daß die bisher gegen Errichtung von Eisenbahnen bestandenen Schwierigkeiten bald durch die Legislatur gehoben werden möchten. Auch hatte er bei diesem Anlaß die Anzeige gemacht, daß die Totalsumme der bei der Pariser Sparcasse niedergelegten Gelder jetzt 68 Millionen betrage. Der König antwortete ihm: „Ich höre mit Vergnügen das, was Sie mir über die Lage der Sparcasse sagen: dieß ist ein großes Symptom der Wohlfahrt der arbeitenden Classe; es ist ein Beweis von dem Fortschritt des Vertrauens, das die Grundlage des Erfolgs aller Handelsoperationen und die Quelle der öffentlichen Wohlfahrt ist. Ich wünsche mit Ihnen die Errichtung jener Eisenbahnen, welche der Handelskammer so sehr am Herzen liegen. Meine Regierung ist geneigt, alle ihre Bemühungen dahin zu richten, daß Frankreich in dieser Hinsicht nicht hinter andern Ländern zurückbleibe, und ich hoffe, daß es unter Mitwirkung der Kammern bald die Vortheile genießen werde, welche diese großen und raschen Communicationen dem Handel versprechen.“ (Temps.) Man spricht in den Salons der Pairie viel von einer nächstens zu haltenden Rede des Hrn. v. Noailles. Hr. v. Chateaubriand soll die Vorlesung derselben gehört und sie für ein Meisterstück erklärt haben. Man rechnet darauf, daß sie eine große Wirkung hervorbringen werde. Die Eröffnung des Processes für die zweite Kategorie der Maiangeklagten, die von dem Pairshofe gerichtet werden sollen, scheint definitiv auf den 13 Jan. festgesetzt zu seyn. George Sand (Madame Dudevant) gab vor einigen Tagen im Siècle einen in ihrem glänzenden Styl geschriebenen Artikel über die polnische Emigration. Nach ihrer Angabe leben in Frankreich noch etwa 5500 Polen; 500 haben eigenes Vermögen, 3000 arbeiten beim Chausséebau, in Fabriken etc., 450 besuchen Bildungsanstalten, und 1100, Greise, Frauen und Waisen, bedürfen mildthätiger Unterstützung. Diesen ist die Fürstin Czartoryiska ein helfender Engel. Sie selbst, vormals von königlicher Pracht umgeben, lebt jetzt in einfacher, fast ärmlicher Häuslichkeit. Aber das ganze Jahr widmet sie weiblichen Arbeiten, um diese dann zum Besten der hülfsbedürftigen Polen zu verkaufen. Ihre Stickereien sind von solcher Eleganz und mit so bewunderungswürdiger Kunst gearbeitet, daß man selbst in Frankreich früher nichts Aehnliches kannte. (Indépendant de la Moselle.) Aus der Artillerieschule von Metz sind nach Afrika Raketen, mit Kugeln und Kartätschen geladen, abgegangen, welche unter der arabischen Cavallerie furchtbare Verheerungen anrichten werden. Die arabischen Reiter halten sich gewöhnlich außer Kanonenschußweite, aber diese neuen Raketen, welche viermal so weit als die gewöhnlichen Geschosse reichen, werden diese kluge Vorsicht der Feinde vereiteln. Die Raketen platzen auf der Erde und tödten und verwunden Alles, was sich in dem weiten Umkreis der Stelle findet, wo sie fallen. ♀ Paris, 3 Jan. Ein altes Jahr ist in den Schooß der Vergangenheit hinabgesunken; ein neues Jahr wird mit besorgten Blicken aus dem Schooß der Zukunft heraufgehoben; die Wächter umstehen es und verkünden Zeter über Zion, prophetisiren wüst in den Tag hinein, drücken aber nichts desto weniger allgemein Besorgnisse aus, denn Nostradamus hat mit dem Jahr 1840 ein allgemeines Unglück prophezeit. Stark- wie Leichtgläubige zweifeln und spotten, glauben aber doch alle halb und halb an Nostradamus. Nebst dem Lütticher Mathieu Laensberg, dem Wetterpropheten, ist der alte Magus aus der Provence der allerbekannteste und populärste von den Schriftstellern des hochgebildeten Frankreichs! Das ist die Kindernatur aller Menschen, welcher auch in der Ueberweisheit ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_010_18400110
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_010_18400110/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 10. Augsburg, 10. Januar 1840, S. 0075. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_010_18400110/3>, abgerufen am 29.04.2024.