Allgemeine Zeitung. Nr. 10. Augsburg, 10. Januar 1840.
Paris, 4 Jan. Die afrikanischen Verhältnisse fangen an, eine günstigere Gestalt zu bekommen, und mit den letzten Nachrichten über einige unlängst errungene Vortheile leben bei uns neue, vielleicht selbst zu voreilige Hoffnungen auf. Marschall Valee ist in der That jetzt schon stark genug, den wild und planlos umherschweifenden Schaaren Abd-El-Kaders die Spitze zu bieten, gewinnt nach und nach die verlornen Positionen wieder, und wird, wie man glaubt, in kurzem wieder Herr der Ebene Metidscha seyn. Hierauf werden sich vorläufig seine Operationen beschränken, bis er durch die dazu erforderlichen Streitkräfte in den Stand gesetzt worden ist, die Offensive in einem größeren Maaßstabe und nach einem bestimmten, umfassenderen Plane zu ergreifen. Zur Ausführung dieses Plans, woran in den Bureaux des Ministeriums des Kriegs fortwährend mit Eifer gearbeitet wird, kann es in keinem Falle vor künftigem Frühjahr kommen. Denn außerdem, daß größere Operationen in Afrika während des Winters höchst mißlich sind, ist man auch mit den Vorbereitungen zu einem größeren und entscheidenden Feldzuge noch sehr zurück. Die Mobilisirung eines solchen Armeecorps, welches zum Theil in sehr kleinen Abtheilungen aus allen Gegenden Frankreichs zusammen gezogen werden muß, geht nur sehr langsam von Statten, die Ueberfahrt nach Afrika ist gerade in dieser Jahreszeit mit besondern Schwierigkeiten verknüpft, und hat man einmal die Truppen wirklich zur Stelle geschafft, so fehlt es an den gehörigen Vorkehrungen zur Verpflegung und zum Unterhalt derselben. Gerade in dieser Hinsicht hat man bei dem bevorstehenden Feldzuge mit unendlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, da in Afrika selbst die kaum eröffneten Hülfsquellen in Folge der jüngsten Ereignisse fast sämmtlich versiegt sind, und die Verproviantirung des ganzen Expeditionscorps nur von Frankreich aus geschehen kann. Das ist aber gewiß keine Kleinigkeit, auf diese Weise einem Armeecorps, welches bestimmt ist, durch verödetes Land vielleicht bis an den Saum der Wüste vorzudringen, im voraus so die Zufuhr zu sichern, daß keine Unterbrechung, kein Mangel eintrete. Und wer kann da alle Zufälligkeiten, alle Gefahren, ja selbst die ungefähre Dauer des Feldzugs voraussehen? Ein gut angelegter und mit Präcision durchgeführter Operationsplan ist auch in dieser Beziehung dringend nothwendig, und kann Alles entscheiden. Anfangs war man Willens, Marschall Valee hierin völlig freie Hand zu lassen, später aber hielt es das Ministerium für angemessener, sich eine Controle vorzubehalten, welche es ihm möglich mache, sich wegen der am Ende doch ihm zukommenden Verantwortlichkeit gehörig sicher zu stellen. Seitdem wird die Sache im größten Style betrieben, d. h. die letzte Entscheidung über alle dabei in Betracht kommenden Fragen steht dem Kriegsminister zu, welcher darüber vorläufig mit dem Ministerrathe conferirt, in welchem natürlich in solchen Dingen Marschall Soult das große Wort führt, der wiederum den Winken Ludwig Philipps folgt, sich aber auch persönlich sehr für den ganzen Feldzug interessirt, und sich dabei gleichsam noch einmal in die schönste Zeit seiner Heldenlaufbahn zu versetzen scheint. Diese Verfahrungsart hat nun zwar den unläugbaren Vortheil, daß man mit großer Sicherheit zu Werke geht, Alles reiflich erwägt, und sich, im Fall des Mißlingens vor den Kammern und dem Lande im voraus den Rückzug deckt; allein auf der andern Seite erkennt man nur zu klar die damit verknüpften Nachtheile, welche sich im Wesentlichen am Ende auf die von der ministeriellen Einmischung bei Kriegsoperationen unzertrennlichen Langsamkeit concentriren. Napoleon war ein abgesagter Feind der Kriegführung, deren Triebfedern in den Bureaux seiner Minister ruhten, und haßte die Strategie auf dem Papiere wie die Nacht, er entwarf seinen Operationsplan an Ort und Stelle, neben dem Feuer eines Pikets auf der Fläche seines Hutes, und ließ seinen Feldherren, wo er persönlich nicht unmittelbar einwirken konnte, möglichst freie Hand. Von diesem Napoleonischen System, welchem Frankreich zum großen Theil seine Siege und seinen militärischen Ruhm verdankt, ist man aber längst zurückgekommen, wie die Feldzüge in Afrika und vor Allem die erste Expedition nach Constantine - wobei man mit Marschall Clauzel um jeden Mann, jedes Bund Stroh feilschte, und am Ende doch nicht einmal wußte, ob man ihn ziehen lassen solle oder nicht - zur Genüge bewiesen haben. Heutzutage beginnt man damit, daß man auf dem Depot des Krieges eine Menge sehr ins Einzelne und Kleinliche gehende Plane des Terrains entwerfen läßt, wo die Armee operiren soll, diese dann in ziemlich großem Maaßstabe lithographirt, und, wenn es etwa verlangt werden sollte, den Kammern vorlegt. Das Alles kostet Zeit, viel Zeit. Ich habe in diesen Tagen dergleichen Plane gesehen, auf welchen die verschiedenen Lagerplätze Abd-El-Kaders, alle bei dem bevorstehenden Feldzuge in Betracht kommenden militärisch-wichtigen Positionen genau verzeichnet, alle Marschrouten bis ins Innere des Landes fast bis auf den Meter abgecirkelt und berechnet sind. Daß dabei auch Verrechnungen vorkommen, und in der Wirklichkeit überhaupt Manches ganz anders aussieht, als auf dem Papiere, versteht sich von selbst. Zunächst aber hält man sich nothgedrungen an das Papier, bestimmt darnach den Operationsplan, die Stärke des Expeditionscorps und das System der Zufuhr und der Verpflegung, unterhandelt dann darüber mit Marschall Valee, welcher seine Gegenvorstellungen macht, und wenn man am
Paris, 4 Jan. Die afrikanischen Verhältnisse fangen an, eine günstigere Gestalt zu bekommen, und mit den letzten Nachrichten über einige unlängst errungene Vortheile leben bei uns neue, vielleicht selbst zu voreilige Hoffnungen auf. Marschall Valée ist in der That jetzt schon stark genug, den wild und planlos umherschweifenden Schaaren Abd-El-Kaders die Spitze zu bieten, gewinnt nach und nach die verlornen Positionen wieder, und wird, wie man glaubt, in kurzem wieder Herr der Ebene Metidscha seyn. Hierauf werden sich vorläufig seine Operationen beschränken, bis er durch die dazu erforderlichen Streitkräfte in den Stand gesetzt worden ist, die Offensive in einem größeren Maaßstabe und nach einem bestimmten, umfassenderen Plane zu ergreifen. Zur Ausführung dieses Plans, woran in den Bureaux des Ministeriums des Kriegs fortwährend mit Eifer gearbeitet wird, kann es in keinem Falle vor künftigem Frühjahr kommen. Denn außerdem, daß größere Operationen in Afrika während des Winters höchst mißlich sind, ist man auch mit den Vorbereitungen zu einem größeren und entscheidenden Feldzuge noch sehr zurück. Die Mobilisirung eines solchen Armeecorps, welches zum Theil in sehr kleinen Abtheilungen aus allen Gegenden Frankreichs zusammen gezogen werden muß, geht nur sehr langsam von Statten, die Ueberfahrt nach Afrika ist gerade in dieser Jahreszeit mit besondern Schwierigkeiten verknüpft, und hat man einmal die Truppen wirklich zur Stelle geschafft, so fehlt es an den gehörigen Vorkehrungen zur Verpflegung und zum Unterhalt derselben. Gerade in dieser Hinsicht hat man bei dem bevorstehenden Feldzuge mit unendlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, da in Afrika selbst die kaum eröffneten Hülfsquellen in Folge der jüngsten Ereignisse fast sämmtlich versiegt sind, und die Verproviantirung des ganzen Expeditionscorps nur von Frankreich aus geschehen kann. Das ist aber gewiß keine Kleinigkeit, auf diese Weise einem Armeecorps, welches bestimmt ist, durch verödetes Land vielleicht bis an den Saum der Wüste vorzudringen, im voraus so die Zufuhr zu sichern, daß keine Unterbrechung, kein Mangel eintrete. Und wer kann da alle Zufälligkeiten, alle Gefahren, ja selbst die ungefähre Dauer des Feldzugs voraussehen? Ein gut angelegter und mit Präcision durchgeführter Operationsplan ist auch in dieser Beziehung dringend nothwendig, und kann Alles entscheiden. Anfangs war man Willens, Marschall Valée hierin völlig freie Hand zu lassen, später aber hielt es das Ministerium für angemessener, sich eine Controle vorzubehalten, welche es ihm möglich mache, sich wegen der am Ende doch ihm zukommenden Verantwortlichkeit gehörig sicher zu stellen. Seitdem wird die Sache im größten Style betrieben, d. h. die letzte Entscheidung über alle dabei in Betracht kommenden Fragen steht dem Kriegsminister zu, welcher darüber vorläufig mit dem Ministerrathe conferirt, in welchem natürlich in solchen Dingen Marschall Soult das große Wort führt, der wiederum den Winken Ludwig Philipps folgt, sich aber auch persönlich sehr für den ganzen Feldzug interessirt, und sich dabei gleichsam noch einmal in die schönste Zeit seiner Heldenlaufbahn zu versetzen scheint. Diese Verfahrungsart hat nun zwar den unläugbaren Vortheil, daß man mit großer Sicherheit zu Werke geht, Alles reiflich erwägt, und sich, im Fall des Mißlingens vor den Kammern und dem Lande im voraus den Rückzug deckt; allein auf der andern Seite erkennt man nur zu klar die damit verknüpften Nachtheile, welche sich im Wesentlichen am Ende auf die von der ministeriellen Einmischung bei Kriegsoperationen unzertrennlichen Langsamkeit concentriren. Napoleon war ein abgesagter Feind der Kriegführung, deren Triebfedern in den Bureaux seiner Minister ruhten, und haßte die Strategie auf dem Papiere wie die Nacht, er entwarf seinen Operationsplan an Ort und Stelle, neben dem Feuer eines Pikets auf der Fläche seines Hutes, und ließ seinen Feldherren, wo er persönlich nicht unmittelbar einwirken konnte, möglichst freie Hand. Von diesem Napoleonischen System, welchem Frankreich zum großen Theil seine Siege und seinen militärischen Ruhm verdankt, ist man aber längst zurückgekommen, wie die Feldzüge in Afrika und vor Allem die erste Expedition nach Constantine – wobei man mit Marschall Clauzel um jeden Mann, jedes Bund Stroh feilschte, und am Ende doch nicht einmal wußte, ob man ihn ziehen lassen solle oder nicht – zur Genüge bewiesen haben. Heutzutage beginnt man damit, daß man auf dem Depot des Krieges eine Menge sehr ins Einzelne und Kleinliche gehende Plane des Terrains entwerfen läßt, wo die Armee operiren soll, diese dann in ziemlich großem Maaßstabe lithographirt, und, wenn es etwa verlangt werden sollte, den Kammern vorlegt. Das Alles kostet Zeit, viel Zeit. Ich habe in diesen Tagen dergleichen Plane gesehen, auf welchen die verschiedenen Lagerplätze Abd-El-Kaders, alle bei dem bevorstehenden Feldzuge in Betracht kommenden militärisch-wichtigen Positionen genau verzeichnet, alle Marschrouten bis ins Innere des Landes fast bis auf den Meter abgecirkelt und berechnet sind. Daß dabei auch Verrechnungen vorkommen, und in der Wirklichkeit überhaupt Manches ganz anders aussieht, als auf dem Papiere, versteht sich von selbst. 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Da haben wir nun diese starren gewaltigen Naturen Guizot und Thiers: Guizot, welcher ein Ministerium mit dem Marschall Soult zu bilden eingeht; Thiers, welcher ein Ministerium mit dem Grafen Molé einzugehen bereit ist; nach all dem Lärm ein fahrender Scholast, das ist des Pudels Kern. – So ist es mit den Menschen, deßwegen steifen sie sich in ihren Grundsätzen, posaunen Incompatibilitäten aus, ewige Unmöglichkeiten, geben vor, nach Principien zu handeln, mischen aber die Principien wie die Karten, ihre Interessen wie die Principien, spielen falsch, klug, dummklug, allerlei Spiel, spannen heute die vollen Segel auf, laviren dann wieder, und vermeinen doch nicht, daß sie auf die Länge um allen Credit kommen, daß man zuletzt irgend einem andern Geiste als dem Buchstaben der Gewalt folge. Wo haben sie sich jemals über den Geist der Intrigue erhoben? Wodurch unterscheiden sich diese hommes graves von den Scapins? Wo ist ihr Ernst? wo ihr Scherz? O Eitelkeiten! – Es gibt Gegenden in Frankreich, wo die Bauern nicht haben säen wollen, weil doch das Ende der Welt am Tage der heiligen drei Könige erfolgen würde. Das ganze Quartier Marais in Paris macht ein ernstes Gesicht, und bis der sechste vorüber ist, werden alle Herzen klopfen. Es wäre spaßhaft, wenn am Ende der Welt ein Ministerium Soult-Guizot oder gar ein Ministerium Thiers-Molé geboren würde, das hieße mit einer witzigen Persiflage den Garaus der Welt bezeichnen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>∗</byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 4 Jan.</dateline> <p> Die afrikanischen Verhältnisse fangen an, eine günstigere Gestalt zu bekommen, und mit den letzten Nachrichten über einige unlängst errungene Vortheile leben bei uns neue, vielleicht selbst zu voreilige Hoffnungen auf. Marschall Valée ist in der That jetzt schon stark genug, den wild und planlos umherschweifenden Schaaren Abd-El-Kaders die Spitze zu bieten, gewinnt nach und nach die verlornen Positionen wieder, und wird, wie man glaubt, in kurzem wieder Herr der Ebene Metidscha seyn. Hierauf werden sich vorläufig seine Operationen beschränken, bis er durch die dazu erforderlichen Streitkräfte in den Stand gesetzt worden ist, die Offensive in einem größeren Maaßstabe und nach einem bestimmten, umfassenderen Plane zu ergreifen. Zur Ausführung dieses Plans, woran in den Bureaux des Ministeriums des Kriegs fortwährend mit Eifer gearbeitet wird, kann es in keinem Falle vor künftigem Frühjahr kommen. Denn außerdem, daß größere Operationen in Afrika während des Winters höchst mißlich sind, ist man auch mit den Vorbereitungen zu einem größeren und entscheidenden Feldzuge noch sehr zurück. Die Mobilisirung eines solchen Armeecorps, welches zum Theil in sehr kleinen Abtheilungen aus allen Gegenden Frankreichs zusammen gezogen werden muß, geht nur sehr langsam von Statten, die Ueberfahrt nach Afrika ist gerade in dieser Jahreszeit mit besondern Schwierigkeiten verknüpft, und hat man einmal die Truppen wirklich zur Stelle geschafft, so fehlt es an den gehörigen Vorkehrungen zur Verpflegung und zum Unterhalt derselben. Gerade in dieser Hinsicht hat man bei dem bevorstehenden Feldzuge mit unendlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, da in Afrika selbst die kaum eröffneten Hülfsquellen in Folge der jüngsten Ereignisse fast sämmtlich versiegt sind, und die Verproviantirung des ganzen Expeditionscorps nur von Frankreich aus geschehen kann. Das ist aber gewiß keine Kleinigkeit, auf diese Weise einem Armeecorps, welches bestimmt ist, durch verödetes Land vielleicht bis an den Saum der Wüste vorzudringen, im voraus so die Zufuhr zu sichern, daß keine Unterbrechung, kein Mangel eintrete. Und wer kann da alle Zufälligkeiten, alle Gefahren, ja selbst die ungefähre Dauer des Feldzugs voraussehen? Ein gut angelegter und mit Präcision durchgeführter Operationsplan ist auch in dieser Beziehung dringend nothwendig, und kann Alles entscheiden. Anfangs war man Willens, Marschall Valée hierin völlig freie Hand zu lassen, später aber hielt es das Ministerium für angemessener, sich eine Controle vorzubehalten, welche es ihm möglich mache, sich wegen der am Ende doch ihm zukommenden Verantwortlichkeit gehörig sicher zu stellen. Seitdem wird die Sache im größten Style betrieben, d. h. die letzte Entscheidung über alle dabei in Betracht kommenden Fragen steht dem Kriegsminister zu, welcher darüber vorläufig mit dem Ministerrathe conferirt, in welchem natürlich in solchen Dingen Marschall Soult das große Wort führt, der wiederum den Winken Ludwig Philipps folgt, sich aber auch persönlich sehr für den ganzen Feldzug interessirt, und sich dabei gleichsam noch einmal in die schönste Zeit seiner Heldenlaufbahn zu versetzen scheint. Diese Verfahrungsart hat nun zwar den unläugbaren Vortheil, daß man mit großer Sicherheit zu Werke geht, Alles reiflich erwägt, und sich, im Fall des Mißlingens vor den Kammern und dem Lande im voraus den Rückzug deckt; allein auf der andern Seite erkennt man nur zu klar die damit verknüpften Nachtheile, welche sich im Wesentlichen am Ende auf die von der ministeriellen Einmischung bei Kriegsoperationen unzertrennlichen Langsamkeit concentriren. Napoleon war ein abgesagter Feind der Kriegführung, deren Triebfedern in den Bureaux seiner Minister ruhten, und haßte die Strategie auf dem Papiere wie die Nacht, er entwarf seinen Operationsplan an Ort und Stelle, neben dem Feuer eines Pikets auf der Fläche seines Hutes, und ließ seinen Feldherren, wo er persönlich nicht unmittelbar einwirken konnte, möglichst freie Hand. Von diesem Napoleonischen System, welchem Frankreich zum großen Theil seine Siege und seinen militärischen Ruhm verdankt, ist man aber längst zurückgekommen, wie die Feldzüge in Afrika und vor Allem die erste Expedition nach Constantine – wobei man mit Marschall Clauzel um jeden Mann, jedes Bund Stroh feilschte, und am Ende doch nicht einmal wußte, ob man ihn ziehen lassen solle oder nicht – zur Genüge bewiesen haben. Heutzutage beginnt man damit, daß man auf dem Depot des Krieges eine Menge sehr ins Einzelne und Kleinliche gehende Plane des Terrains entwerfen läßt, wo die Armee operiren soll, diese dann in ziemlich großem Maaßstabe lithographirt, und, wenn es etwa verlangt werden sollte, den Kammern vorlegt. Das Alles kostet Zeit, viel Zeit. Ich habe in diesen Tagen dergleichen Plane gesehen, auf welchen die verschiedenen Lagerplätze Abd-El-Kaders, alle bei dem bevorstehenden Feldzuge in Betracht kommenden militärisch-wichtigen Positionen genau verzeichnet, alle Marschrouten bis ins Innere des Landes fast bis auf den Meter abgecirkelt und berechnet sind. Daß dabei auch Verrechnungen vorkommen, und in der Wirklichkeit überhaupt Manches ganz anders aussieht, als auf dem Papiere, versteht sich von selbst. Zunächst aber hält man sich nothgedrungen an das Papier, bestimmt darnach den Operationsplan, die Stärke des Expeditionscorps und das System der Zufuhr und der Verpflegung, unterhandelt dann darüber mit Marschall Valée, welcher seine Gegenvorstellungen macht, und wenn man am<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076/0004]
Recht gebührt. Es ist keinem Zweifel unterlegen, es spukt etwas in der moralischen Atmosphäre eines Landes, wo man reiche Gutsbesitzer der legitimistischen Partei ihre Güter verkaufen, und nach Freiburg in der Schweiz zum Hrn. Omahony ziehen sieht, um dort das Weltende zu erwarten, während der National dem Ouvrier die Prophezeiung des Nostradamus, große Weltänderungen zu erwarten oder aus sich herauszugebären, in das Herz ruft. Nur Hr. Guizot läßt nicht den Muth sinken, um das Bataillon des Juste-Milieu zu reformiren. Da haben wir nun diese starren gewaltigen Naturen Guizot und Thiers: Guizot, welcher ein Ministerium mit dem Marschall Soult zu bilden eingeht; Thiers, welcher ein Ministerium mit dem Grafen Molé einzugehen bereit ist; nach all dem Lärm ein fahrender Scholast, das ist des Pudels Kern. – So ist es mit den Menschen, deßwegen steifen sie sich in ihren Grundsätzen, posaunen Incompatibilitäten aus, ewige Unmöglichkeiten, geben vor, nach Principien zu handeln, mischen aber die Principien wie die Karten, ihre Interessen wie die Principien, spielen falsch, klug, dummklug, allerlei Spiel, spannen heute die vollen Segel auf, laviren dann wieder, und vermeinen doch nicht, daß sie auf die Länge um allen Credit kommen, daß man zuletzt irgend einem andern Geiste als dem Buchstaben der Gewalt folge. Wo haben sie sich jemals über den Geist der Intrigue erhoben? Wodurch unterscheiden sich diese hommes graves von den Scapins? Wo ist ihr Ernst? wo ihr Scherz? O Eitelkeiten! – Es gibt Gegenden in Frankreich, wo die Bauern nicht haben säen wollen, weil doch das Ende der Welt am Tage der heiligen drei Könige erfolgen würde. Das ganze Quartier Marais in Paris macht ein ernstes Gesicht, und bis der sechste vorüber ist, werden alle Herzen klopfen. Es wäre spaßhaft, wenn am Ende der Welt ein Ministerium Soult-Guizot oder gar ein Ministerium Thiers-Molé geboren würde, das hieße mit einer witzigen Persiflage den Garaus der Welt bezeichnen.
∗ Paris, 4 Jan. Die afrikanischen Verhältnisse fangen an, eine günstigere Gestalt zu bekommen, und mit den letzten Nachrichten über einige unlängst errungene Vortheile leben bei uns neue, vielleicht selbst zu voreilige Hoffnungen auf. Marschall Valée ist in der That jetzt schon stark genug, den wild und planlos umherschweifenden Schaaren Abd-El-Kaders die Spitze zu bieten, gewinnt nach und nach die verlornen Positionen wieder, und wird, wie man glaubt, in kurzem wieder Herr der Ebene Metidscha seyn. Hierauf werden sich vorläufig seine Operationen beschränken, bis er durch die dazu erforderlichen Streitkräfte in den Stand gesetzt worden ist, die Offensive in einem größeren Maaßstabe und nach einem bestimmten, umfassenderen Plane zu ergreifen. Zur Ausführung dieses Plans, woran in den Bureaux des Ministeriums des Kriegs fortwährend mit Eifer gearbeitet wird, kann es in keinem Falle vor künftigem Frühjahr kommen. Denn außerdem, daß größere Operationen in Afrika während des Winters höchst mißlich sind, ist man auch mit den Vorbereitungen zu einem größeren und entscheidenden Feldzuge noch sehr zurück. Die Mobilisirung eines solchen Armeecorps, welches zum Theil in sehr kleinen Abtheilungen aus allen Gegenden Frankreichs zusammen gezogen werden muß, geht nur sehr langsam von Statten, die Ueberfahrt nach Afrika ist gerade in dieser Jahreszeit mit besondern Schwierigkeiten verknüpft, und hat man einmal die Truppen wirklich zur Stelle geschafft, so fehlt es an den gehörigen Vorkehrungen zur Verpflegung und zum Unterhalt derselben. Gerade in dieser Hinsicht hat man bei dem bevorstehenden Feldzuge mit unendlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, da in Afrika selbst die kaum eröffneten Hülfsquellen in Folge der jüngsten Ereignisse fast sämmtlich versiegt sind, und die Verproviantirung des ganzen Expeditionscorps nur von Frankreich aus geschehen kann. Das ist aber gewiß keine Kleinigkeit, auf diese Weise einem Armeecorps, welches bestimmt ist, durch verödetes Land vielleicht bis an den Saum der Wüste vorzudringen, im voraus so die Zufuhr zu sichern, daß keine Unterbrechung, kein Mangel eintrete. Und wer kann da alle Zufälligkeiten, alle Gefahren, ja selbst die ungefähre Dauer des Feldzugs voraussehen? Ein gut angelegter und mit Präcision durchgeführter Operationsplan ist auch in dieser Beziehung dringend nothwendig, und kann Alles entscheiden. Anfangs war man Willens, Marschall Valée hierin völlig freie Hand zu lassen, später aber hielt es das Ministerium für angemessener, sich eine Controle vorzubehalten, welche es ihm möglich mache, sich wegen der am Ende doch ihm zukommenden Verantwortlichkeit gehörig sicher zu stellen. Seitdem wird die Sache im größten Style betrieben, d. h. die letzte Entscheidung über alle dabei in Betracht kommenden Fragen steht dem Kriegsminister zu, welcher darüber vorläufig mit dem Ministerrathe conferirt, in welchem natürlich in solchen Dingen Marschall Soult das große Wort führt, der wiederum den Winken Ludwig Philipps folgt, sich aber auch persönlich sehr für den ganzen Feldzug interessirt, und sich dabei gleichsam noch einmal in die schönste Zeit seiner Heldenlaufbahn zu versetzen scheint. Diese Verfahrungsart hat nun zwar den unläugbaren Vortheil, daß man mit großer Sicherheit zu Werke geht, Alles reiflich erwägt, und sich, im Fall des Mißlingens vor den Kammern und dem Lande im voraus den Rückzug deckt; allein auf der andern Seite erkennt man nur zu klar die damit verknüpften Nachtheile, welche sich im Wesentlichen am Ende auf die von der ministeriellen Einmischung bei Kriegsoperationen unzertrennlichen Langsamkeit concentriren. Napoleon war ein abgesagter Feind der Kriegführung, deren Triebfedern in den Bureaux seiner Minister ruhten, und haßte die Strategie auf dem Papiere wie die Nacht, er entwarf seinen Operationsplan an Ort und Stelle, neben dem Feuer eines Pikets auf der Fläche seines Hutes, und ließ seinen Feldherren, wo er persönlich nicht unmittelbar einwirken konnte, möglichst freie Hand. Von diesem Napoleonischen System, welchem Frankreich zum großen Theil seine Siege und seinen militärischen Ruhm verdankt, ist man aber längst zurückgekommen, wie die Feldzüge in Afrika und vor Allem die erste Expedition nach Constantine – wobei man mit Marschall Clauzel um jeden Mann, jedes Bund Stroh feilschte, und am Ende doch nicht einmal wußte, ob man ihn ziehen lassen solle oder nicht – zur Genüge bewiesen haben. Heutzutage beginnt man damit, daß man auf dem Depot des Krieges eine Menge sehr ins Einzelne und Kleinliche gehende Plane des Terrains entwerfen läßt, wo die Armee operiren soll, diese dann in ziemlich großem Maaßstabe lithographirt, und, wenn es etwa verlangt werden sollte, den Kammern vorlegt. Das Alles kostet Zeit, viel Zeit. Ich habe in diesen Tagen dergleichen Plane gesehen, auf welchen die verschiedenen Lagerplätze Abd-El-Kaders, alle bei dem bevorstehenden Feldzuge in Betracht kommenden militärisch-wichtigen Positionen genau verzeichnet, alle Marschrouten bis ins Innere des Landes fast bis auf den Meter abgecirkelt und berechnet sind. Daß dabei auch Verrechnungen vorkommen, und in der Wirklichkeit überhaupt Manches ganz anders aussieht, als auf dem Papiere, versteht sich von selbst. Zunächst aber hält man sich nothgedrungen an das Papier, bestimmt darnach den Operationsplan, die Stärke des Expeditionscorps und das System der Zufuhr und der Verpflegung, unterhandelt dann darüber mit Marschall Valée, welcher seine Gegenvorstellungen macht, und wenn man am
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