Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 12. Augsburg, 12. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite


Europa an die der alten polnischen Nationalität und die mißachteten Garantien zu erinnern, welche die Tractate einem edelherzigen Volk gaben, dessen Leiden die Zeit noch zu vermehren scheint!" ...

Während der Kreuzung der Fregatte Venus im stillen Meer wurden der Capitän Dupetit-Thouars und Hr. Mörhent provisorisch zu französischen Consuln auf Otaheite und den Sandwich-Inseln ernannt. Der Moniteur enthält jetzt die Bestätigung dieser Ernennungen.

Der Marquis von Londonderry ist am 5 Jan. in Paris angekommen.

Die Zahl der Taubstummen in Frankreich beträgt etwa 16,000. Es kommt sonach durchschnittlich einer auf 2000 Einwohner.

Der Entwurf zur Adresse der Deputirtenkammer hat ziemlich Alles überrascht, da er parlamentarischer und kräftiger ist, als man sich hatte versprechen können. Man berührt in der Adresse auf sehr kräftige Weise Polen, Algier, die Conversion der Renten und sogar die Nothwendigkeit einer vollen Anwendung des parlamentarischen Princips auf die Regierung. Die drei letzten Punkte erzeugten in der Versammlung eine lebhafte Beifallsäußerung. In den Conferenzsälen der Kammer war man deßhalb sehr aufgeregt. Jedermann erwartete eine lebhafte Discussion. Die ersten Redner der Kammer werden daran Antheil nehmen, und dieselbe verspricht um so pikanter zu werden, als der Krieg zwischen Hrn. v. Mole und Dufaure in der Pairskammer gestern offen erklärt worden. - Der in der gestern hier eingetroffenen Nummer Ihres Blattes enthaltene Artikel, datirt aus Paris, über den Marquis v. Chanel, wäre sicher von der hiesigen Presse nicht unberücksichtigt geblieben, wenn das Uebersetzungsbureau des Hrn. Avas nicht die bezeichnendsten Stellen unterdrückt hätte. Dieser Umstand hat mehr wie je die oft ausgesprochene Vermuthung bestätigt, daß dieß Uebersetzungsbureau sowohl für seine Journalauszüge wie für seine Correspondenzen unter einer Censur steht, weßhalb stark davon die Rede ist, ihm eine unabhängige Concurrenz entgegen zu stellen.


Belgien.

Die Anreden an den König bei Gelegenheit des neuen Jahrs sind sehr verschieden von denen, welche vor einem Jahre bei demselben Anlasse gehalten wurden. Damals athmeten einige einen kriegerischen Geist; es schien, als wolle man sich mit ganz Europa messen, doch konnte man sich die Schwierigkeit, oder vielmehr Unhaltbarkeit dieser Stellung nicht verheimlichen, und schon kündigte sich in Handel und Gewerben das Verderbliche einer solchen Schilderhebung gegen die Mächte, in deren Händen die Entscheidung lag, von allen Seiten an. Jetzt ist das Schwerste überstanden; ein kleiner Theil Belgiens ist, um den größern zu retten, abgetreten worden; um diesen Preis haben alle Mächte Belgien anerkannt, und traten zu ihm in freundschaftliche Verhältnisse; der übermäßige Kriegsfuß der Armee hat aufgehört; die Finanzen des Staats gehen ihrem Normalzustand entgegen, und wenn gleich der leidende Zustand verschiedener Zweige noch nicht vorüber ist, so blickt man doch mit einem Vertrauen in die Zukunft, das sich in allen dießjährigen Reden zuversichtlich ausspricht. So stellt sich Belgien zu Anfange des Jahrs 1840, des ersten seiner von keiner Seite mehr angefochtenen nationalen Selbstständigkeit, dar. Es ist indessen noch nicht lange her, daß gewisse Publicisten die Anerkennung Belgiens von Seite des Königs Wilhelm als einen Meisterstreich der Politik dieses Fürsten schilderten, indem nämlich gerade hiedurch Belgien aus der günstigen Stellung, die es der Convention vom 20 Mai 1833 verdankte, herausgeworfen und in eine definitive Stellung hineingedrängt worden, worin es sich bald genöthigt sehen werde, die Wiedervereinigung mit Holland als das einzige Heilmittel seiner stets wachsenden Uebel zu begehren. Blickt man aber auf die gegenwärtigen Vorgänge in Holland und namentlich auf die financiellen Verlegenheiten, deren Schleier seit der Eröffnung der Session der Generalstaaten, wenn gleich nur zum Theil, gelüftet worden, so überzeugt man sich, daß die Unmöglichkeit, einen so gespannten, alle Ressourcen im voraus verschlingenden Zustand länger auszuhalten, der wahre Beweggrund der endlich eingetretenen Nachgiebigkeit des ehemaligen Souveräns Belgiens gewesen ist, und so erklärt es sich auch, wie dieser Fürst, indem er den Vertrag vom 19 April 1839 ratificirt, sogar mit ungünstigeren Bedingungen sich zufrieden geben konnte, als diejenigen, die er acht Jahre lang standhaft abgelehnt hatte. Man kann sich leicht denken, daß die Verhandlungen der Generalstaaten, und ihre fast einstimmige Opposition gegen die Finanzvorschläge der Regierung hier große Aufmerksamkeit erregt haben. Man verfolgte sie fast mit derselben Theilnahme wie zur Zeit der Vereinigung, und fand in den hervorstechendsten Stellen der bei jenem Anlasse gehaltenen Reden nur eine Bestätigung dessen, was vor der Revolution von 1830 die belgischen Deputirten in den Generalstaaten so oft gesagt hatten. Es sind dieselben Abweichungen von der verfassungsmäßigen Ordnung, worauf sie so oft die Aufmerksamkeit ihrer nördlichen Collegen gelenkt, wogegen sie so oft protestirt, woraus sie so oft über kurz oder lang den Ruin der Finanzen vorhergesagt. Hätten damals die holländischen Deputirten mit den belgischen zusammengehalten, es wäre manchem Uebel bei Zeiten vorgebeugt worden, und vielleicht bestände noch jetzt das Gesammtkönigreich in seiner Blüthe und Kraft. Aber aus Parteigeist hielten sie mit der Regierung, und bestärkten diese in einer Richtung, gegen die sie sich nun, nachdem ihre verderblichen Folgen aufs Höchste gestiegen und durch die Zeitumstände in beschleunigter Progression angehäuft worden, um so gewaltsamer, und fast mit Gefährdung der Ruhe des Staats, anstemmen müssen. Und die Finanzverlegenheiten sind es nicht allein, die so Manches, was vor vielen Jahren von den belgischen Gliedern der Generalstaaten aber- und abermals vorgetragen worden, rechtfertigen. Wird man einmal an eine Revision des Grundgesetzes gehen, so werden nach der Reihe die wesentlichsten Punkte verfassungsmäßiger Garantien zur Sprache kommen, die auch damals den Gegenstand der Discussion bildeten, und wir dürften noch oft im Munde der Holländer den Argumenten begegnen, die ihnen im Munde der Belgier so mißtönig schienen. Schwerlich wird man sich mit den Vorschlägen, die in dieser Hinsicht von Seite der Regierung kürzlich ausgegangen sind, begnügen wollen, auch erheben sich schon in den öffentlichen Blättern Stimmen, die als eine Einleitung in die Einwürfe anzusehen sind, welche man in den Kammern dagegen erheben wird. Unter diesen Umständen zeigt sich die nächste Zukunft der nördlichen Niederlande in einem wenig erfreulichen Lichte, daher auch hier die Gemüther nicht ohne Besorgnisse sind. Nur ein guter Wille von beiden Seiten wird ernstlichen Störungen der öffentlichen Ruhe vorbeugen können.


Deutschland.

Das Ergebniß der heutigen Wahl für die Mitglieder des 5ten Ausschusses "zur Prüfung von Beschwerden über Verletzung der Staatsverfassung" ist folgendes: I. Scrutin, absolute Majorität 56. Die Abg. 1) v. Landgraf mit 94 Stimmen; 2) Ritter v. Flembach mit 74 St.;


Europa an die der alten polnischen Nationalität und die mißachteten Garantien zu erinnern, welche die Tractate einem edelherzigen Volk gaben, dessen Leiden die Zeit noch zu vermehren scheint!“ ...

Während der Kreuzung der Fregatte Venus im stillen Meer wurden der Capitän Dupetit-Thouars und Hr. Mörhent provisorisch zu französischen Consuln auf Otaheite und den Sandwich-Inseln ernannt. Der Moniteur enthält jetzt die Bestätigung dieser Ernennungen.

Der Marquis von Londonderry ist am 5 Jan. in Paris angekommen.

Die Zahl der Taubstummen in Frankreich beträgt etwa 16,000. Es kommt sonach durchschnittlich einer auf 2000 Einwohner.

Der Entwurf zur Adresse der Deputirtenkammer hat ziemlich Alles überrascht, da er parlamentarischer und kräftiger ist, als man sich hatte versprechen können. Man berührt in der Adresse auf sehr kräftige Weise Polen, Algier, die Conversion der Renten und sogar die Nothwendigkeit einer vollen Anwendung des parlamentarischen Princips auf die Regierung. Die drei letzten Punkte erzeugten in der Versammlung eine lebhafte Beifallsäußerung. In den Conferenzsälen der Kammer war man deßhalb sehr aufgeregt. Jedermann erwartete eine lebhafte Discussion. Die ersten Redner der Kammer werden daran Antheil nehmen, und dieselbe verspricht um so pikanter zu werden, als der Krieg zwischen Hrn. v. Molé und Dufaure in der Pairskammer gestern offen erklärt worden. – Der in der gestern hier eingetroffenen Nummer Ihres Blattes enthaltene Artikel, datirt aus Paris, über den Marquis v. Chanel, wäre sicher von der hiesigen Presse nicht unberücksichtigt geblieben, wenn das Uebersetzungsbureau des Hrn. Avas nicht die bezeichnendsten Stellen unterdrückt hätte. Dieser Umstand hat mehr wie je die oft ausgesprochene Vermuthung bestätigt, daß dieß Uebersetzungsbureau sowohl für seine Journalauszüge wie für seine Correspondenzen unter einer Censur steht, weßhalb stark davon die Rede ist, ihm eine unabhängige Concurrenz entgegen zu stellen.


Belgien.

Die Anreden an den König bei Gelegenheit des neuen Jahrs sind sehr verschieden von denen, welche vor einem Jahre bei demselben Anlasse gehalten wurden. Damals athmeten einige einen kriegerischen Geist; es schien, als wolle man sich mit ganz Europa messen, doch konnte man sich die Schwierigkeit, oder vielmehr Unhaltbarkeit dieser Stellung nicht verheimlichen, und schon kündigte sich in Handel und Gewerben das Verderbliche einer solchen Schilderhebung gegen die Mächte, in deren Händen die Entscheidung lag, von allen Seiten an. Jetzt ist das Schwerste überstanden; ein kleiner Theil Belgiens ist, um den größern zu retten, abgetreten worden; um diesen Preis haben alle Mächte Belgien anerkannt, und traten zu ihm in freundschaftliche Verhältnisse; der übermäßige Kriegsfuß der Armee hat aufgehört; die Finanzen des Staats gehen ihrem Normalzustand entgegen, und wenn gleich der leidende Zustand verschiedener Zweige noch nicht vorüber ist, so blickt man doch mit einem Vertrauen in die Zukunft, das sich in allen dießjährigen Reden zuversichtlich ausspricht. So stellt sich Belgien zu Anfange des Jahrs 1840, des ersten seiner von keiner Seite mehr angefochtenen nationalen Selbstständigkeit, dar. Es ist indessen noch nicht lange her, daß gewisse Publicisten die Anerkennung Belgiens von Seite des Königs Wilhelm als einen Meisterstreich der Politik dieses Fürsten schilderten, indem nämlich gerade hiedurch Belgien aus der günstigen Stellung, die es der Convention vom 20 Mai 1833 verdankte, herausgeworfen und in eine definitive Stellung hineingedrängt worden, worin es sich bald genöthigt sehen werde, die Wiedervereinigung mit Holland als das einzige Heilmittel seiner stets wachsenden Uebel zu begehren. Blickt man aber auf die gegenwärtigen Vorgänge in Holland und namentlich auf die financiellen Verlegenheiten, deren Schleier seit der Eröffnung der Session der Generalstaaten, wenn gleich nur zum Theil, gelüftet worden, so überzeugt man sich, daß die Unmöglichkeit, einen so gespannten, alle Ressourcen im voraus verschlingenden Zustand länger auszuhalten, der wahre Beweggrund der endlich eingetretenen Nachgiebigkeit des ehemaligen Souveräns Belgiens gewesen ist, und so erklärt es sich auch, wie dieser Fürst, indem er den Vertrag vom 19 April 1839 ratificirt, sogar mit ungünstigeren Bedingungen sich zufrieden geben konnte, als diejenigen, die er acht Jahre lang standhaft abgelehnt hatte. Man kann sich leicht denken, daß die Verhandlungen der Generalstaaten, und ihre fast einstimmige Opposition gegen die Finanzvorschläge der Regierung hier große Aufmerksamkeit erregt haben. Man verfolgte sie fast mit derselben Theilnahme wie zur Zeit der Vereinigung, und fand in den hervorstechendsten Stellen der bei jenem Anlasse gehaltenen Reden nur eine Bestätigung dessen, was vor der Revolution von 1830 die belgischen Deputirten in den Generalstaaten so oft gesagt hatten. Es sind dieselben Abweichungen von der verfassungsmäßigen Ordnung, worauf sie so oft die Aufmerksamkeit ihrer nördlichen Collegen gelenkt, wogegen sie so oft protestirt, woraus sie so oft über kurz oder lang den Ruin der Finanzen vorhergesagt. Hätten damals die holländischen Deputirten mit den belgischen zusammengehalten, es wäre manchem Uebel bei Zeiten vorgebeugt worden, und vielleicht bestände noch jetzt das Gesammtkönigreich in seiner Blüthe und Kraft. Aber aus Parteigeist hielten sie mit der Regierung, und bestärkten diese in einer Richtung, gegen die sie sich nun, nachdem ihre verderblichen Folgen aufs Höchste gestiegen und durch die Zeitumstände in beschleunigter Progression angehäuft worden, um so gewaltsamer, und fast mit Gefährdung der Ruhe des Staats, anstemmen müssen. Und die Finanzverlegenheiten sind es nicht allein, die so Manches, was vor vielen Jahren von den belgischen Gliedern der Generalstaaten aber- und abermals vorgetragen worden, rechtfertigen. Wird man einmal an eine Revision des Grundgesetzes gehen, so werden nach der Reihe die wesentlichsten Punkte verfassungsmäßiger Garantien zur Sprache kommen, die auch damals den Gegenstand der Discussion bildeten, und wir dürften noch oft im Munde der Holländer den Argumenten begegnen, die ihnen im Munde der Belgier so mißtönig schienen. Schwerlich wird man sich mit den Vorschlägen, die in dieser Hinsicht von Seite der Regierung kürzlich ausgegangen sind, begnügen wollen, auch erheben sich schon in den öffentlichen Blättern Stimmen, die als eine Einleitung in die Einwürfe anzusehen sind, welche man in den Kammern dagegen erheben wird. Unter diesen Umständen zeigt sich die nächste Zukunft der nördlichen Niederlande in einem wenig erfreulichen Lichte, daher auch hier die Gemüther nicht ohne Besorgnisse sind. Nur ein guter Wille von beiden Seiten wird ernstlichen Störungen der öffentlichen Ruhe vorbeugen können.


Deutschland.

Das Ergebniß der heutigen Wahl für die Mitglieder des 5ten Ausschusses „zur Prüfung von Beschwerden über Verletzung der Staatsverfassung“ ist folgendes: I. Scrutin, absolute Majorität 56. Die Abg. 1) v. Landgraf mit 94 Stimmen; 2) Ritter v. Flembach mit 74 St.;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="0092"/><lb/>
Europa an die der alten polnischen Nationalität und die mißachteten Garantien zu erinnern, welche die Tractate einem edelherzigen Volk gaben, dessen Leiden die Zeit noch zu vermehren scheint!&#x201C; ...</p><lb/>
          <p>Während der Kreuzung der Fregatte Venus im stillen Meer wurden der Capitän Dupetit-Thouars und Hr. Mörhent provisorisch zu französischen Consuln auf Otaheite und den Sandwich-Inseln ernannt. Der <hi rendition="#g">Moniteur</hi> enthält jetzt die Bestätigung dieser Ernennungen.</p><lb/>
          <p>Der Marquis von Londonderry ist am 5 Jan. in Paris angekommen.</p><lb/>
          <p>Die Zahl der Taubstummen in Frankreich beträgt etwa 16,000. Es kommt sonach durchschnittlich einer auf 2000 Einwohner.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>**</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 7 Jan.</dateline>
          <p> Der Entwurf zur Adresse der Deputirtenkammer hat ziemlich Alles überrascht, da er parlamentarischer und kräftiger ist, als man sich hatte versprechen können. Man berührt in der Adresse auf sehr kräftige Weise Polen, Algier, die Conversion der Renten und sogar die Nothwendigkeit einer vollen Anwendung des parlamentarischen Princips auf die Regierung. Die drei letzten Punkte erzeugten in der Versammlung eine lebhafte Beifallsäußerung. In den Conferenzsälen der Kammer war man deßhalb sehr aufgeregt. Jedermann erwartete eine lebhafte Discussion. Die ersten Redner der Kammer werden daran Antheil nehmen, und dieselbe verspricht um so pikanter zu werden, als der Krieg zwischen Hrn. v. Molé und Dufaure in der Pairskammer gestern offen erklärt worden. &#x2013; Der in der gestern hier eingetroffenen Nummer Ihres Blattes enthaltene Artikel, datirt aus Paris, über den Marquis v. Chanel, wäre sicher von der hiesigen Presse nicht unberücksichtigt geblieben, wenn das Uebersetzungsbureau des Hrn. Avas nicht die bezeichnendsten Stellen unterdrückt hätte. Dieser Umstand hat mehr wie je die oft ausgesprochene Vermuthung bestätigt, daß dieß Uebersetzungsbureau sowohl für seine Journalauszüge wie für seine Correspondenzen unter einer Censur steht, weßhalb stark davon die Rede ist, ihm eine unabhängige Concurrenz entgegen zu stellen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Belgien.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>&#x271D;</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Brüssel,</hi> 4 Jan.</dateline>
          <p> Die Anreden an den König bei Gelegenheit des neuen Jahrs sind sehr verschieden von denen, welche vor einem Jahre bei demselben Anlasse gehalten wurden. Damals athmeten einige einen kriegerischen Geist; es schien, als wolle man sich mit ganz Europa messen, doch konnte man sich die Schwierigkeit, oder vielmehr Unhaltbarkeit dieser Stellung nicht verheimlichen, und schon kündigte sich in Handel und Gewerben das Verderbliche einer solchen Schilderhebung gegen die Mächte, in deren Händen die Entscheidung lag, von allen Seiten an. Jetzt ist das Schwerste überstanden; ein kleiner Theil Belgiens ist, um den größern zu retten, abgetreten worden; um diesen Preis haben alle Mächte Belgien anerkannt, und traten zu ihm in freundschaftliche Verhältnisse; der übermäßige Kriegsfuß der Armee hat aufgehört; die Finanzen des Staats gehen ihrem Normalzustand entgegen, und wenn gleich der leidende Zustand verschiedener Zweige noch nicht vorüber ist, so blickt man doch mit einem Vertrauen in die Zukunft, das sich in allen dießjährigen Reden zuversichtlich ausspricht. So stellt sich Belgien zu Anfange des Jahrs 1840, des ersten seiner von keiner Seite mehr angefochtenen nationalen Selbstständigkeit, dar. Es ist indessen noch nicht lange her, daß gewisse Publicisten die Anerkennung Belgiens von Seite des Königs Wilhelm als einen Meisterstreich der Politik dieses Fürsten schilderten, indem nämlich gerade hiedurch Belgien aus der günstigen Stellung, die es der Convention vom 20 Mai 1833 verdankte, herausgeworfen und in eine definitive Stellung hineingedrängt worden, worin es sich bald genöthigt sehen werde, die Wiedervereinigung mit Holland als das einzige Heilmittel seiner stets wachsenden Uebel zu begehren. Blickt man aber auf die gegenwärtigen Vorgänge in Holland und namentlich auf die financiellen Verlegenheiten, deren Schleier seit der Eröffnung der Session der Generalstaaten, wenn gleich nur zum Theil, gelüftet worden, so überzeugt man sich, daß die Unmöglichkeit, einen so gespannten, alle Ressourcen im voraus verschlingenden Zustand länger auszuhalten, der wahre Beweggrund der endlich eingetretenen Nachgiebigkeit des ehemaligen Souveräns Belgiens gewesen ist, und so erklärt es sich auch, wie dieser Fürst, indem er den Vertrag vom 19 April 1839 ratificirt, sogar mit ungünstigeren Bedingungen sich zufrieden geben konnte, als diejenigen, die er acht Jahre lang standhaft abgelehnt hatte. Man kann sich leicht denken, daß die Verhandlungen der Generalstaaten, und ihre fast einstimmige Opposition gegen die Finanzvorschläge der Regierung hier große Aufmerksamkeit erregt haben. Man verfolgte sie fast mit derselben Theilnahme wie zur Zeit der Vereinigung, und fand in den hervorstechendsten Stellen der bei jenem Anlasse gehaltenen Reden nur eine Bestätigung dessen, was vor der Revolution von 1830 die belgischen Deputirten in den Generalstaaten so oft gesagt hatten. Es sind dieselben Abweichungen von der verfassungsmäßigen Ordnung, worauf sie so oft die Aufmerksamkeit ihrer nördlichen Collegen gelenkt, wogegen sie so oft protestirt, woraus sie so oft über kurz oder lang den Ruin der Finanzen vorhergesagt. Hätten damals die holländischen Deputirten mit den belgischen zusammengehalten, es wäre manchem Uebel bei Zeiten vorgebeugt worden, und vielleicht bestände noch jetzt das Gesammtkönigreich in seiner Blüthe und Kraft. Aber aus Parteigeist hielten sie mit der Regierung, und bestärkten diese in einer Richtung, gegen die sie sich nun, nachdem ihre verderblichen Folgen aufs Höchste gestiegen und durch die Zeitumstände in beschleunigter Progression angehäuft worden, um so gewaltsamer, und fast mit Gefährdung der Ruhe des Staats, anstemmen müssen. Und die Finanzverlegenheiten sind es nicht allein, die so Manches, was vor vielen Jahren von den belgischen Gliedern der Generalstaaten aber- und abermals vorgetragen worden, rechtfertigen. Wird man einmal an eine Revision des Grundgesetzes gehen, so werden nach der Reihe die wesentlichsten Punkte verfassungsmäßiger Garantien zur Sprache kommen, die auch damals den Gegenstand der Discussion bildeten, und wir dürften noch oft im Munde der Holländer den Argumenten begegnen, die ihnen im Munde der Belgier so mißtönig schienen. Schwerlich wird man sich mit den Vorschlägen, die in dieser Hinsicht von Seite der Regierung kürzlich ausgegangen sind, begnügen wollen, auch erheben sich schon in den öffentlichen Blättern Stimmen, die als eine Einleitung in die Einwürfe anzusehen sind, welche man in den Kammern dagegen erheben wird. Unter diesen Umständen zeigt sich die nächste Zukunft der nördlichen Niederlande in einem wenig erfreulichen Lichte, daher auch hier die Gemüther nicht ohne Besorgnisse sind. Nur ein guter Wille von beiden Seiten wird ernstlichen Störungen der öffentlichen Ruhe vorbeugen können.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>*&#x0332;</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 10 Jan.</dateline>
          <p> Das Ergebniß der heutigen Wahl für die Mitglieder des 5ten Ausschusses &#x201E;zur Prüfung von Beschwerden über Verletzung der Staatsverfassung&#x201C; ist folgendes: I. Scrutin, absolute Majorität 56. Die Abg. 1) v. Landgraf mit 94 Stimmen; 2) Ritter v. Flembach mit 74 St.;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092/0004] Europa an die der alten polnischen Nationalität und die mißachteten Garantien zu erinnern, welche die Tractate einem edelherzigen Volk gaben, dessen Leiden die Zeit noch zu vermehren scheint!“ ... Während der Kreuzung der Fregatte Venus im stillen Meer wurden der Capitän Dupetit-Thouars und Hr. Mörhent provisorisch zu französischen Consuln auf Otaheite und den Sandwich-Inseln ernannt. Der Moniteur enthält jetzt die Bestätigung dieser Ernennungen. Der Marquis von Londonderry ist am 5 Jan. in Paris angekommen. Die Zahl der Taubstummen in Frankreich beträgt etwa 16,000. Es kommt sonach durchschnittlich einer auf 2000 Einwohner. ** Paris, 7 Jan. Der Entwurf zur Adresse der Deputirtenkammer hat ziemlich Alles überrascht, da er parlamentarischer und kräftiger ist, als man sich hatte versprechen können. Man berührt in der Adresse auf sehr kräftige Weise Polen, Algier, die Conversion der Renten und sogar die Nothwendigkeit einer vollen Anwendung des parlamentarischen Princips auf die Regierung. Die drei letzten Punkte erzeugten in der Versammlung eine lebhafte Beifallsäußerung. In den Conferenzsälen der Kammer war man deßhalb sehr aufgeregt. Jedermann erwartete eine lebhafte Discussion. Die ersten Redner der Kammer werden daran Antheil nehmen, und dieselbe verspricht um so pikanter zu werden, als der Krieg zwischen Hrn. v. Molé und Dufaure in der Pairskammer gestern offen erklärt worden. – Der in der gestern hier eingetroffenen Nummer Ihres Blattes enthaltene Artikel, datirt aus Paris, über den Marquis v. Chanel, wäre sicher von der hiesigen Presse nicht unberücksichtigt geblieben, wenn das Uebersetzungsbureau des Hrn. Avas nicht die bezeichnendsten Stellen unterdrückt hätte. Dieser Umstand hat mehr wie je die oft ausgesprochene Vermuthung bestätigt, daß dieß Uebersetzungsbureau sowohl für seine Journalauszüge wie für seine Correspondenzen unter einer Censur steht, weßhalb stark davon die Rede ist, ihm eine unabhängige Concurrenz entgegen zu stellen. Belgien. ✝ Brüssel, 4 Jan. Die Anreden an den König bei Gelegenheit des neuen Jahrs sind sehr verschieden von denen, welche vor einem Jahre bei demselben Anlasse gehalten wurden. Damals athmeten einige einen kriegerischen Geist; es schien, als wolle man sich mit ganz Europa messen, doch konnte man sich die Schwierigkeit, oder vielmehr Unhaltbarkeit dieser Stellung nicht verheimlichen, und schon kündigte sich in Handel und Gewerben das Verderbliche einer solchen Schilderhebung gegen die Mächte, in deren Händen die Entscheidung lag, von allen Seiten an. Jetzt ist das Schwerste überstanden; ein kleiner Theil Belgiens ist, um den größern zu retten, abgetreten worden; um diesen Preis haben alle Mächte Belgien anerkannt, und traten zu ihm in freundschaftliche Verhältnisse; der übermäßige Kriegsfuß der Armee hat aufgehört; die Finanzen des Staats gehen ihrem Normalzustand entgegen, und wenn gleich der leidende Zustand verschiedener Zweige noch nicht vorüber ist, so blickt man doch mit einem Vertrauen in die Zukunft, das sich in allen dießjährigen Reden zuversichtlich ausspricht. So stellt sich Belgien zu Anfange des Jahrs 1840, des ersten seiner von keiner Seite mehr angefochtenen nationalen Selbstständigkeit, dar. Es ist indessen noch nicht lange her, daß gewisse Publicisten die Anerkennung Belgiens von Seite des Königs Wilhelm als einen Meisterstreich der Politik dieses Fürsten schilderten, indem nämlich gerade hiedurch Belgien aus der günstigen Stellung, die es der Convention vom 20 Mai 1833 verdankte, herausgeworfen und in eine definitive Stellung hineingedrängt worden, worin es sich bald genöthigt sehen werde, die Wiedervereinigung mit Holland als das einzige Heilmittel seiner stets wachsenden Uebel zu begehren. Blickt man aber auf die gegenwärtigen Vorgänge in Holland und namentlich auf die financiellen Verlegenheiten, deren Schleier seit der Eröffnung der Session der Generalstaaten, wenn gleich nur zum Theil, gelüftet worden, so überzeugt man sich, daß die Unmöglichkeit, einen so gespannten, alle Ressourcen im voraus verschlingenden Zustand länger auszuhalten, der wahre Beweggrund der endlich eingetretenen Nachgiebigkeit des ehemaligen Souveräns Belgiens gewesen ist, und so erklärt es sich auch, wie dieser Fürst, indem er den Vertrag vom 19 April 1839 ratificirt, sogar mit ungünstigeren Bedingungen sich zufrieden geben konnte, als diejenigen, die er acht Jahre lang standhaft abgelehnt hatte. Man kann sich leicht denken, daß die Verhandlungen der Generalstaaten, und ihre fast einstimmige Opposition gegen die Finanzvorschläge der Regierung hier große Aufmerksamkeit erregt haben. Man verfolgte sie fast mit derselben Theilnahme wie zur Zeit der Vereinigung, und fand in den hervorstechendsten Stellen der bei jenem Anlasse gehaltenen Reden nur eine Bestätigung dessen, was vor der Revolution von 1830 die belgischen Deputirten in den Generalstaaten so oft gesagt hatten. Es sind dieselben Abweichungen von der verfassungsmäßigen Ordnung, worauf sie so oft die Aufmerksamkeit ihrer nördlichen Collegen gelenkt, wogegen sie so oft protestirt, woraus sie so oft über kurz oder lang den Ruin der Finanzen vorhergesagt. Hätten damals die holländischen Deputirten mit den belgischen zusammengehalten, es wäre manchem Uebel bei Zeiten vorgebeugt worden, und vielleicht bestände noch jetzt das Gesammtkönigreich in seiner Blüthe und Kraft. Aber aus Parteigeist hielten sie mit der Regierung, und bestärkten diese in einer Richtung, gegen die sie sich nun, nachdem ihre verderblichen Folgen aufs Höchste gestiegen und durch die Zeitumstände in beschleunigter Progression angehäuft worden, um so gewaltsamer, und fast mit Gefährdung der Ruhe des Staats, anstemmen müssen. Und die Finanzverlegenheiten sind es nicht allein, die so Manches, was vor vielen Jahren von den belgischen Gliedern der Generalstaaten aber- und abermals vorgetragen worden, rechtfertigen. Wird man einmal an eine Revision des Grundgesetzes gehen, so werden nach der Reihe die wesentlichsten Punkte verfassungsmäßiger Garantien zur Sprache kommen, die auch damals den Gegenstand der Discussion bildeten, und wir dürften noch oft im Munde der Holländer den Argumenten begegnen, die ihnen im Munde der Belgier so mißtönig schienen. Schwerlich wird man sich mit den Vorschlägen, die in dieser Hinsicht von Seite der Regierung kürzlich ausgegangen sind, begnügen wollen, auch erheben sich schon in den öffentlichen Blättern Stimmen, die als eine Einleitung in die Einwürfe anzusehen sind, welche man in den Kammern dagegen erheben wird. Unter diesen Umständen zeigt sich die nächste Zukunft der nördlichen Niederlande in einem wenig erfreulichen Lichte, daher auch hier die Gemüther nicht ohne Besorgnisse sind. Nur ein guter Wille von beiden Seiten wird ernstlichen Störungen der öffentlichen Ruhe vorbeugen können. Deutschland. *̲ München, 10 Jan. Das Ergebniß der heutigen Wahl für die Mitglieder des 5ten Ausschusses „zur Prüfung von Beschwerden über Verletzung der Staatsverfassung“ ist folgendes: I. Scrutin, absolute Majorität 56. Die Abg. 1) v. Landgraf mit 94 Stimmen; 2) Ritter v. Flembach mit 74 St.;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_012_18400112
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_012_18400112/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 12. Augsburg, 12. Januar 1840, S. 0092. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_012_18400112/4>, abgerufen am 29.04.2024.