Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 18. Augsburg, 18. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Ostindien, China und Lahore.

Sie werden aus dem Bombay Courier die Nachrichten ersehen haben, welche aus Canton gekommen sind, daß die Engländer wegen Weigerung, einen Matrosen, der einen Chinesen getödtet hatte, auszuliefern, gezwungen worden sind, sich einzuschiffen, und daß Elliot die Feindseligkeiten begonnen hat, weil die Chinesen ihm Proviant verweigerten. Der Schrecken ist unter dem hiesigen Handelsstande sehr groß, denn das confiscirte Opium, das von hier aus nach China geschickt war, gehörte bona fide den persischen Häusern hier, während das bengalische Opium großentheils Londoner Häusern gehörte, welche große Capitalien in diesem Handel stecken hatten, seitdem die Bankerotte der Calcuttaer Agentenhäuser den dortigen Handel fast ganz in englische Hände geworfen haben, so daß die Confiscation viel schwerer auf Bombay als auf Calcutta lastet. Der Opiumhandel steht zwar nicht still, da viel für Schmuggeln an der Küste ausgeführt wird, aber die Preise sind auf die Hälfte gefallen. Daneben hat das Einschiffen von Suratbaumwolle für China fast aufgehört, was nächst Opium der größte Ausfuhrartikel nach China war, während der kurze Stapel der einheimischen Baumwolle nicht erlaubt, sie mit Vortheil nach England auszuführen, wo die Maschinenspinnerei lange Wolle verlangt, was bei der Handspinnerei in China nicht nöthig ist. Die Production langer Baumwolle nimmt zwar zu, aber da sie einen andern Boden verlangt, als die einheimische, so kann diese Revolution in der Cultur nicht so schnell gehen, daß sie in dieser plötzlichen Krisis und Unterbrechung der gewohnten Handelswege sogleich helfen könnte. Das Gerücht, daß eine englische Flotte an die Küste von China geschickt werde, wird täglich allgemeiner, und nach den letzten Ereignissen ist kaum daran zu zweifeln. Die Vertheidiger von Elliot triumphiren, daß die Vertreibung der Engländer aus Makao wegen der Verweigerung der Auslieferung des Matrosen dem Streit mit China eine neue Wendung gebe, und es ist auch richtig, daß bis jetzt alle europäischen Nationen sich geweigert haben, ihre Unterthanen der chinesischen Justiz zu überlassen, welche keinen Unterschied zwischen absichtlichem und zufälligem Todtschlag macht. Aber dieß hätte ohne Alles, was vorhergegangen ist, nicht zu heftigen Demonstrationen von Seite der Chinesen geführt, denn die Compagnie hat in ähnlichen Fällen immer die Auslieferung verweigert, und es hat nie zu etwas mehr als augenblicklicher Unterbrechung des Handels geführt. Der Opiumstreit bleibt immer die Hauptsache, und wenn England darüber Krieg mit China beginnt, so kann man nicht umhin, der Meinung der Chinesen über die "rothhaarigen Barbaren" beizutreten. Der Generalgouverneur von Calcutta hat vor einigen Wochen einen Bericht von Bruce, dem Thee-Inspector in Assam, drucken lassen, in welchem man eine merkwürdige Stelle über den Einfluß des Opiumrauchens findet: "Ich muß hier bemerken, sagt Bruce, daß die Regierung Assam eine bleibende Wohlthat erweisen würde, wenn unmittelbar strenge Maaßregeln genommen würden, die Cultur von Opium in Assam und seine Einführung aus Bengalen durch hohe Steuern zu verhindern. Wenn etwas dergleichen nicht geschieht und bald geschieht, so werden die Tausende von Einwanderern, welche die Theecultur aus den Ebenen nach Assam ziehen wird, ebenfalls mit der Opiumwuth befallen werden, dieser entsetzlichen Pest, welche das schöne Land entvölkert, es in eine Wüste voll wilder Thiere verwandelt und die Assamesen aus einer schönen Menschenrace zu dem schlechtesten, sklavischsten, listigsten und demoralisirtesten Stamm in Indien gemacht hat. Dieses Gift hat das Land entvölkert, die Frauen gebären weniger Kinder, als in andern Ländern, und die Kinder werden selten alt, sondern sterben im Mannsalter, so daß man nur wenige Greise sieht. Wer nicht in Assam gewohnt hat, kann keinen Begriff von den schrecklichen Folgen des Opiumrauchens haben: die Leute stehlen, verkaufen ihre Habe, ihre Kinder, die Mutter ihrer Kinder, und morden, um sich Opium zu verschaffen. Unser humanes und aufgeklärtes Gouvernement könnte mit Einem Federstrich diesem Uebel ein Ende machen, und die Assamesen und die künftigen Einwanderer retten. Wir würden dabei am Ende reichlich gewinnen, und eine gesunde Bevölkerung erhalten, unsere Pflanzungen zu besorgen, die Wälder auszurotten und das Land von den wilden Thieren zu befreien. Dieß kann nie von den entnervten Opiumrauchern der gegenwärtigen Generation geschehen, denn sie sind weichlicher als Weiber." - Und England sollte Krieg gegen China führen, weil dieses sich die Einführung dieses Gifts nicht gefallen lassen will?

Die zweite Nachricht, welche uns hier beschäftigt, ist die Revolution in Lahore. Nu Nihal Singh, der Enkel von Rundschit Singh und Sohn seines schwachen Nachfolgers Kurruk Singh, hat diesen mit Hülfe der französischen und italienischen Generale, welche er bei der Armee in Peschawer hatte, entsetzt. So viel man aus den noch verwirrten Nachrichten schließen kann, war die Hauptabsicht der Partei von Nu Nihal, sich des ersten Ministers Dhian Singh zu entledigen, welcher unter Rundschit großen Einfluß besessen hatte und von diesem seinem Nachfolger empfohlen worden war, unter dem er Alles in Händen hatte. Schon die Gesandtschaft, welche Lord Auckland unmittelbar nach Rundschits Tod nach Lahore schickte, um Kurruk Singh zu gratuliren, fand in dem ganzen Pendschab Alles reif zu einem Kampf zwischen beiden Parteien. General Ventura ist nach Simla zu Lord Auckland geschickt worden, um Nu Nihals Anerkennung zu bewerkstelligen; aber die Meinungen über den Erfolg sind sehr getheilt. Sollte Lord Auckland Nu Nihal nicht anerkennen, so würde der Krieg auf beiden Seiten des Indus plötzlich ausbrechen, denn die bengalische Division der Armee in Afghanistan hat nach einem noch mit Kurruk Singh geschlossenen Vertrag Kabul Ende Octobers verlassen, um durch den Kheiber-Paß, Peschawer und das Pendschab nach Ludiana zu marschiren, und das 16te Regiment europäischer Lanciers, das 3te bengalischer leichter Cavallerie, das 4te der localen Cavallerie, die 2te Division der Artillerie zu Pferd, das europäische Regiment bengalischer Infanterie, und das 35ste und 37ste Regiment indischer Infanterie müssen zur Zeit der Revolution von Lahore am Indus angekommen seyn, während 10 Regimenter noch in Afghanistan sind, und die Bombay-Division in Multan oder Bhawalpur angekommen seyn muß. Auf der andern Seite steht in Ludiana ein beträchtliches Corps, welches das Pendschab sogleich angreifen kann, und Oberst Sutherland hat 6 Regimenter und einen Train Belagerungsgeschütz in Radschputana. Es wäre schade, wenn der Friede am Indus wieder gestört würde, denn die ganze Westküste von Indien ist jetzt eben bereit, von der Wiederherstellung der Ruhe und dem jetzt erst eigentlich freien Indus Gebrauch zu machen, um ihren Handel bis tief in Mittelasien auszudehnen.

Die Gesandtschaft nach Lahore hatte eine bedeutende Reduction der Induszölle bewirkt, und man erwartete den Abschluß eines neuen Vertrags, der den Zoll von jedem beladenen Boote auf dem Indus von 568 Rupien auf 200 herabsetzt; es sind in dem letzten Monate zwei eiserne Dampfboote, der Comet und der Indus, die ersten einer Linie von Dampfbugsirbooten auf dem Indus, hier vollendet worden, und noch mehr werden folgen. Trotz des Krieges hat die Ausfuhr von Bombay nach dem Indus im Lauf des Jahres mehr als


Ostindien, China und Lahore.

Sie werden aus dem Bombay Courier die Nachrichten ersehen haben, welche aus Canton gekommen sind, daß die Engländer wegen Weigerung, einen Matrosen, der einen Chinesen getödtet hatte, auszuliefern, gezwungen worden sind, sich einzuschiffen, und daß Elliot die Feindseligkeiten begonnen hat, weil die Chinesen ihm Proviant verweigerten. Der Schrecken ist unter dem hiesigen Handelsstande sehr groß, denn das confiscirte Opium, das von hier aus nach China geschickt war, gehörte bona fide den persischen Häusern hier, während das bengalische Opium großentheils Londoner Häusern gehörte, welche große Capitalien in diesem Handel stecken hatten, seitdem die Bankerotte der Calcuttaer Agentenhäuser den dortigen Handel fast ganz in englische Hände geworfen haben, so daß die Confiscation viel schwerer auf Bombay als auf Calcutta lastet. Der Opiumhandel steht zwar nicht still, da viel für Schmuggeln an der Küste ausgeführt wird, aber die Preise sind auf die Hälfte gefallen. Daneben hat das Einschiffen von Suratbaumwolle für China fast aufgehört, was nächst Opium der größte Ausfuhrartikel nach China war, während der kurze Stapel der einheimischen Baumwolle nicht erlaubt, sie mit Vortheil nach England auszuführen, wo die Maschinenspinnerei lange Wolle verlangt, was bei der Handspinnerei in China nicht nöthig ist. Die Production langer Baumwolle nimmt zwar zu, aber da sie einen andern Boden verlangt, als die einheimische, so kann diese Revolution in der Cultur nicht so schnell gehen, daß sie in dieser plötzlichen Krisis und Unterbrechung der gewohnten Handelswege sogleich helfen könnte. Das Gerücht, daß eine englische Flotte an die Küste von China geschickt werde, wird täglich allgemeiner, und nach den letzten Ereignissen ist kaum daran zu zweifeln. Die Vertheidiger von Elliot triumphiren, daß die Vertreibung der Engländer aus Makao wegen der Verweigerung der Auslieferung des Matrosen dem Streit mit China eine neue Wendung gebe, und es ist auch richtig, daß bis jetzt alle europäischen Nationen sich geweigert haben, ihre Unterthanen der chinesischen Justiz zu überlassen, welche keinen Unterschied zwischen absichtlichem und zufälligem Todtschlag macht. Aber dieß hätte ohne Alles, was vorhergegangen ist, nicht zu heftigen Demonstrationen von Seite der Chinesen geführt, denn die Compagnie hat in ähnlichen Fällen immer die Auslieferung verweigert, und es hat nie zu etwas mehr als augenblicklicher Unterbrechung des Handels geführt. Der Opiumstreit bleibt immer die Hauptsache, und wenn England darüber Krieg mit China beginnt, so kann man nicht umhin, der Meinung der Chinesen über die „rothhaarigen Barbaren“ beizutreten. Der Generalgouverneur von Calcutta hat vor einigen Wochen einen Bericht von Bruce, dem Thee-Inspector in Assam, drucken lassen, in welchem man eine merkwürdige Stelle über den Einfluß des Opiumrauchens findet: „Ich muß hier bemerken, sagt Bruce, daß die Regierung Assam eine bleibende Wohlthat erweisen würde, wenn unmittelbar strenge Maaßregeln genommen würden, die Cultur von Opium in Assam und seine Einführung aus Bengalen durch hohe Steuern zu verhindern. Wenn etwas dergleichen nicht geschieht und bald geschieht, so werden die Tausende von Einwanderern, welche die Theecultur aus den Ebenen nach Assam ziehen wird, ebenfalls mit der Opiumwuth befallen werden, dieser entsetzlichen Pest, welche das schöne Land entvölkert, es in eine Wüste voll wilder Thiere verwandelt und die Assamesen aus einer schönen Menschenrace zu dem schlechtesten, sklavischsten, listigsten und demoralisirtesten Stamm in Indien gemacht hat. Dieses Gift hat das Land entvölkert, die Frauen gebären weniger Kinder, als in andern Ländern, und die Kinder werden selten alt, sondern sterben im Mannsalter, so daß man nur wenige Greise sieht. Wer nicht in Assam gewohnt hat, kann keinen Begriff von den schrecklichen Folgen des Opiumrauchens haben: die Leute stehlen, verkaufen ihre Habe, ihre Kinder, die Mutter ihrer Kinder, und morden, um sich Opium zu verschaffen. Unser humanes und aufgeklärtes Gouvernement könnte mit Einem Federstrich diesem Uebel ein Ende machen, und die Assamesen und die künftigen Einwanderer retten. Wir würden dabei am Ende reichlich gewinnen, und eine gesunde Bevölkerung erhalten, unsere Pflanzungen zu besorgen, die Wälder auszurotten und das Land von den wilden Thieren zu befreien. Dieß kann nie von den entnervten Opiumrauchern der gegenwärtigen Generation geschehen, denn sie sind weichlicher als Weiber.“ – Und England sollte Krieg gegen China führen, weil dieses sich die Einführung dieses Gifts nicht gefallen lassen will?

Die zweite Nachricht, welche uns hier beschäftigt, ist die Revolution in Lahore. Nu Nihal Singh, der Enkel von Rundschit Singh und Sohn seines schwachen Nachfolgers Kurruk Singh, hat diesen mit Hülfe der französischen und italienischen Generale, welche er bei der Armee in Peschawer hatte, entsetzt. So viel man aus den noch verwirrten Nachrichten schließen kann, war die Hauptabsicht der Partei von Nu Nihal, sich des ersten Ministers Dhian Singh zu entledigen, welcher unter Rundschit großen Einfluß besessen hatte und von diesem seinem Nachfolger empfohlen worden war, unter dem er Alles in Händen hatte. Schon die Gesandtschaft, welche Lord Auckland unmittelbar nach Rundschits Tod nach Lahore schickte, um Kurruk Singh zu gratuliren, fand in dem ganzen Pendschab Alles reif zu einem Kampf zwischen beiden Parteien. General Ventura ist nach Simla zu Lord Auckland geschickt worden, um Nu Nihals Anerkennung zu bewerkstelligen; aber die Meinungen über den Erfolg sind sehr getheilt. Sollte Lord Auckland Nu Nihal nicht anerkennen, so würde der Krieg auf beiden Seiten des Indus plötzlich ausbrechen, denn die bengalische Division der Armee in Afghanistan hat nach einem noch mit Kurruk Singh geschlossenen Vertrag Kabul Ende Octobers verlassen, um durch den Kheiber-Paß, Peschawer und das Pendschab nach Ludiana zu marschiren, und das 16te Regiment europäischer Lanciers, das 3te bengalischer leichter Cavallerie, das 4te der localen Cavallerie, die 2te Division der Artillerie zu Pferd, das europäische Regiment bengalischer Infanterie, und das 35ste und 37ste Regiment indischer Infanterie müssen zur Zeit der Revolution von Lahore am Indus angekommen seyn, während 10 Regimenter noch in Afghanistan sind, und die Bombay-Division in Multan oder Bhawalpur angekommen seyn muß. Auf der andern Seite steht in Ludiana ein beträchtliches Corps, welches das Pendschab sogleich angreifen kann, und Oberst Sutherland hat 6 Regimenter und einen Train Belagerungsgeschütz in Radschputana. Es wäre schade, wenn der Friede am Indus wieder gestört würde, denn die ganze Westküste von Indien ist jetzt eben bereit, von der Wiederherstellung der Ruhe und dem jetzt erst eigentlich freien Indus Gebrauch zu machen, um ihren Handel bis tief in Mittelasien auszudehnen.

Die Gesandtschaft nach Lahore hatte eine bedeutende Reduction der Induszölle bewirkt, und man erwartete den Abschluß eines neuen Vertrags, der den Zoll von jedem beladenen Boote auf dem Indus von 568 Rupien auf 200 herabsetzt; es sind in dem letzten Monate zwei eiserne Dampfboote, der Comet und der Indus, die ersten einer Linie von Dampfbugsirbooten auf dem Indus, hier vollendet worden, und noch mehr werden folgen. Trotz des Krieges hat die Ausfuhr von Bombay nach dem Indus im Lauf des Jahres mehr als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jSupplement" n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div n="2">
              <div type="jArticle" n="3">
                <pb facs="#f0013" n="0141"/><lb/>
              </div>
            </div>
            <div n="2">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ostindien</hi>, <hi rendition="#g">China und Lahore</hi>.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="3">
                <byline>*</byline>
                <dateline><hi rendition="#b">Bombay,</hi> 29 Nov.</dateline>
                <p> Sie werden aus dem Bombay Courier die Nachrichten ersehen haben, welche aus Canton gekommen sind, daß die Engländer wegen Weigerung, einen Matrosen, der einen Chinesen getödtet hatte, auszuliefern, gezwungen worden sind, sich einzuschiffen, und daß Elliot die Feindseligkeiten begonnen hat, weil die Chinesen ihm Proviant verweigerten. Der Schrecken ist unter dem hiesigen Handelsstande sehr groß, denn das confiscirte Opium, das von hier aus nach China geschickt war, gehörte bona fide den persischen Häusern hier, während das bengalische Opium großentheils Londoner Häusern gehörte, welche große Capitalien in diesem Handel stecken hatten, seitdem die Bankerotte der Calcuttaer Agentenhäuser den dortigen Handel fast ganz in englische Hände geworfen haben, so daß die Confiscation viel schwerer auf Bombay als auf Calcutta lastet. Der Opiumhandel steht zwar nicht still, da viel für Schmuggeln an der Küste ausgeführt wird, aber die Preise sind auf die Hälfte gefallen. Daneben hat das Einschiffen von Suratbaumwolle für China fast aufgehört, was nächst Opium der größte Ausfuhrartikel nach China war, während der kurze Stapel der einheimischen Baumwolle nicht erlaubt, sie mit Vortheil nach England auszuführen, wo die Maschinenspinnerei lange Wolle verlangt, was bei der Handspinnerei in China nicht nöthig ist. Die Production langer Baumwolle nimmt zwar zu, aber da sie einen andern Boden verlangt, als die einheimische, so kann diese Revolution in der Cultur nicht so schnell gehen, daß sie in dieser plötzlichen Krisis und Unterbrechung der gewohnten Handelswege sogleich helfen könnte. Das Gerücht, daß eine englische Flotte an die Küste von China geschickt werde, wird täglich allgemeiner, und nach den letzten Ereignissen ist kaum daran zu zweifeln. Die Vertheidiger von Elliot triumphiren, daß die Vertreibung der Engländer aus Makao wegen der Verweigerung der Auslieferung des Matrosen dem Streit mit China eine neue Wendung gebe, und es ist auch richtig, daß bis jetzt alle europäischen Nationen sich geweigert haben, ihre Unterthanen der chinesischen Justiz zu überlassen, welche keinen Unterschied zwischen absichtlichem und zufälligem Todtschlag macht. Aber dieß hätte ohne Alles, was vorhergegangen ist, nicht zu heftigen Demonstrationen von Seite der Chinesen geführt, denn die Compagnie hat in ähnlichen Fällen immer die Auslieferung verweigert, und es hat nie zu etwas mehr als augenblicklicher Unterbrechung des Handels geführt. Der Opiumstreit bleibt immer die Hauptsache, und wenn England darüber Krieg mit China beginnt, so kann man nicht umhin, der Meinung der Chinesen über die &#x201E;rothhaarigen Barbaren&#x201C; beizutreten. Der Generalgouverneur von Calcutta hat vor einigen Wochen einen Bericht von Bruce, dem Thee-Inspector in Assam, drucken lassen, in welchem man eine merkwürdige Stelle über den Einfluß des Opiumrauchens findet: &#x201E;Ich muß hier bemerken, sagt Bruce, daß die Regierung Assam eine bleibende Wohlthat erweisen würde, wenn unmittelbar strenge Maaßregeln genommen würden, die Cultur von Opium in Assam und seine Einführung aus Bengalen durch hohe Steuern zu verhindern. Wenn etwas dergleichen nicht geschieht und bald geschieht, so werden die Tausende von Einwanderern, welche die Theecultur aus den Ebenen nach Assam ziehen wird, ebenfalls mit der Opiumwuth befallen werden, dieser entsetzlichen Pest, welche das schöne Land entvölkert, es in eine Wüste voll wilder Thiere verwandelt und die Assamesen aus einer schönen Menschenrace zu dem schlechtesten, sklavischsten, listigsten und demoralisirtesten Stamm in Indien gemacht hat. Dieses Gift hat das Land entvölkert, die Frauen gebären weniger Kinder, als in andern Ländern, und die Kinder werden selten alt, sondern sterben im Mannsalter, so daß man nur wenige Greise sieht. Wer nicht in Assam gewohnt hat, kann keinen Begriff von den schrecklichen Folgen des Opiumrauchens haben: die Leute stehlen, verkaufen ihre Habe, ihre Kinder, die Mutter ihrer Kinder, und morden, um sich Opium zu verschaffen. Unser humanes und aufgeklärtes Gouvernement könnte mit Einem Federstrich diesem Uebel ein Ende machen, und die Assamesen und die künftigen Einwanderer retten. Wir würden dabei am Ende reichlich gewinnen, und eine gesunde Bevölkerung erhalten, unsere Pflanzungen zu besorgen, die Wälder auszurotten und das Land von den wilden Thieren zu befreien. Dieß kann nie von den entnervten Opiumrauchern der gegenwärtigen Generation geschehen, denn sie sind weichlicher als Weiber.&#x201C; &#x2013; Und England sollte Krieg gegen China führen, weil dieses sich die Einführung dieses Gifts nicht gefallen lassen will?</p><lb/>
                <p>Die zweite Nachricht, welche uns hier beschäftigt, ist die Revolution in Lahore. Nu Nihal Singh, der Enkel von Rundschit Singh und Sohn seines schwachen Nachfolgers Kurruk Singh, hat diesen mit Hülfe der französischen und italienischen Generale, welche er bei der Armee in Peschawer hatte, entsetzt. So viel man aus den noch verwirrten Nachrichten schließen kann, war die Hauptabsicht der Partei von Nu Nihal, sich des ersten Ministers Dhian Singh zu entledigen, welcher unter Rundschit großen Einfluß besessen hatte und von diesem seinem Nachfolger empfohlen worden war, unter dem er Alles in Händen hatte. Schon die Gesandtschaft, welche Lord Auckland unmittelbar nach Rundschits Tod nach Lahore schickte, um Kurruk Singh zu gratuliren, fand in dem ganzen Pendschab Alles reif zu einem Kampf zwischen beiden Parteien. General Ventura ist nach Simla zu Lord Auckland geschickt worden, um Nu Nihals Anerkennung zu bewerkstelligen; aber die Meinungen über den Erfolg sind sehr getheilt. Sollte Lord Auckland Nu Nihal nicht anerkennen, so würde der Krieg auf beiden Seiten des Indus plötzlich ausbrechen, denn die bengalische Division der Armee in Afghanistan hat nach einem noch mit Kurruk Singh geschlossenen Vertrag Kabul Ende Octobers verlassen, um durch den Kheiber-Paß, Peschawer und das Pendschab nach Ludiana zu marschiren, und das 16te Regiment europäischer Lanciers, das 3te bengalischer leichter Cavallerie, das 4te der localen Cavallerie, die 2te Division der Artillerie zu Pferd, das europäische Regiment bengalischer Infanterie, und das 35ste und 37ste Regiment indischer Infanterie müssen zur Zeit der Revolution von Lahore am Indus angekommen seyn, während 10 Regimenter noch in Afghanistan sind, und die Bombay-Division in Multan oder Bhawalpur angekommen seyn muß. Auf der andern Seite steht in Ludiana ein beträchtliches Corps, welches das Pendschab sogleich angreifen kann, und Oberst Sutherland hat 6 Regimenter und einen Train Belagerungsgeschütz in Radschputana. Es wäre schade, wenn der Friede am Indus wieder gestört würde, denn die ganze Westküste von Indien ist jetzt eben bereit, von der Wiederherstellung der Ruhe und dem jetzt erst eigentlich freien Indus Gebrauch zu machen, um ihren Handel bis tief in Mittelasien auszudehnen.</p><lb/>
                <p>Die Gesandtschaft nach Lahore hatte eine bedeutende Reduction der Induszölle bewirkt, und man erwartete den Abschluß eines neuen Vertrags, der den Zoll von jedem beladenen Boote auf dem Indus von 568 Rupien auf 200 herabsetzt; es sind in dem letzten Monate zwei eiserne Dampfboote, der Comet und der Indus, die ersten einer Linie von Dampfbugsirbooten auf dem Indus, hier vollendet worden, und noch mehr werden folgen. Trotz des Krieges hat die Ausfuhr von Bombay nach dem Indus im Lauf des Jahres mehr als<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0141/0013] Ostindien, China und Lahore. *Bombay, 29 Nov. Sie werden aus dem Bombay Courier die Nachrichten ersehen haben, welche aus Canton gekommen sind, daß die Engländer wegen Weigerung, einen Matrosen, der einen Chinesen getödtet hatte, auszuliefern, gezwungen worden sind, sich einzuschiffen, und daß Elliot die Feindseligkeiten begonnen hat, weil die Chinesen ihm Proviant verweigerten. Der Schrecken ist unter dem hiesigen Handelsstande sehr groß, denn das confiscirte Opium, das von hier aus nach China geschickt war, gehörte bona fide den persischen Häusern hier, während das bengalische Opium großentheils Londoner Häusern gehörte, welche große Capitalien in diesem Handel stecken hatten, seitdem die Bankerotte der Calcuttaer Agentenhäuser den dortigen Handel fast ganz in englische Hände geworfen haben, so daß die Confiscation viel schwerer auf Bombay als auf Calcutta lastet. Der Opiumhandel steht zwar nicht still, da viel für Schmuggeln an der Küste ausgeführt wird, aber die Preise sind auf die Hälfte gefallen. Daneben hat das Einschiffen von Suratbaumwolle für China fast aufgehört, was nächst Opium der größte Ausfuhrartikel nach China war, während der kurze Stapel der einheimischen Baumwolle nicht erlaubt, sie mit Vortheil nach England auszuführen, wo die Maschinenspinnerei lange Wolle verlangt, was bei der Handspinnerei in China nicht nöthig ist. Die Production langer Baumwolle nimmt zwar zu, aber da sie einen andern Boden verlangt, als die einheimische, so kann diese Revolution in der Cultur nicht so schnell gehen, daß sie in dieser plötzlichen Krisis und Unterbrechung der gewohnten Handelswege sogleich helfen könnte. Das Gerücht, daß eine englische Flotte an die Küste von China geschickt werde, wird täglich allgemeiner, und nach den letzten Ereignissen ist kaum daran zu zweifeln. Die Vertheidiger von Elliot triumphiren, daß die Vertreibung der Engländer aus Makao wegen der Verweigerung der Auslieferung des Matrosen dem Streit mit China eine neue Wendung gebe, und es ist auch richtig, daß bis jetzt alle europäischen Nationen sich geweigert haben, ihre Unterthanen der chinesischen Justiz zu überlassen, welche keinen Unterschied zwischen absichtlichem und zufälligem Todtschlag macht. Aber dieß hätte ohne Alles, was vorhergegangen ist, nicht zu heftigen Demonstrationen von Seite der Chinesen geführt, denn die Compagnie hat in ähnlichen Fällen immer die Auslieferung verweigert, und es hat nie zu etwas mehr als augenblicklicher Unterbrechung des Handels geführt. Der Opiumstreit bleibt immer die Hauptsache, und wenn England darüber Krieg mit China beginnt, so kann man nicht umhin, der Meinung der Chinesen über die „rothhaarigen Barbaren“ beizutreten. Der Generalgouverneur von Calcutta hat vor einigen Wochen einen Bericht von Bruce, dem Thee-Inspector in Assam, drucken lassen, in welchem man eine merkwürdige Stelle über den Einfluß des Opiumrauchens findet: „Ich muß hier bemerken, sagt Bruce, daß die Regierung Assam eine bleibende Wohlthat erweisen würde, wenn unmittelbar strenge Maaßregeln genommen würden, die Cultur von Opium in Assam und seine Einführung aus Bengalen durch hohe Steuern zu verhindern. Wenn etwas dergleichen nicht geschieht und bald geschieht, so werden die Tausende von Einwanderern, welche die Theecultur aus den Ebenen nach Assam ziehen wird, ebenfalls mit der Opiumwuth befallen werden, dieser entsetzlichen Pest, welche das schöne Land entvölkert, es in eine Wüste voll wilder Thiere verwandelt und die Assamesen aus einer schönen Menschenrace zu dem schlechtesten, sklavischsten, listigsten und demoralisirtesten Stamm in Indien gemacht hat. Dieses Gift hat das Land entvölkert, die Frauen gebären weniger Kinder, als in andern Ländern, und die Kinder werden selten alt, sondern sterben im Mannsalter, so daß man nur wenige Greise sieht. Wer nicht in Assam gewohnt hat, kann keinen Begriff von den schrecklichen Folgen des Opiumrauchens haben: die Leute stehlen, verkaufen ihre Habe, ihre Kinder, die Mutter ihrer Kinder, und morden, um sich Opium zu verschaffen. Unser humanes und aufgeklärtes Gouvernement könnte mit Einem Federstrich diesem Uebel ein Ende machen, und die Assamesen und die künftigen Einwanderer retten. Wir würden dabei am Ende reichlich gewinnen, und eine gesunde Bevölkerung erhalten, unsere Pflanzungen zu besorgen, die Wälder auszurotten und das Land von den wilden Thieren zu befreien. Dieß kann nie von den entnervten Opiumrauchern der gegenwärtigen Generation geschehen, denn sie sind weichlicher als Weiber.“ – Und England sollte Krieg gegen China führen, weil dieses sich die Einführung dieses Gifts nicht gefallen lassen will? Die zweite Nachricht, welche uns hier beschäftigt, ist die Revolution in Lahore. Nu Nihal Singh, der Enkel von Rundschit Singh und Sohn seines schwachen Nachfolgers Kurruk Singh, hat diesen mit Hülfe der französischen und italienischen Generale, welche er bei der Armee in Peschawer hatte, entsetzt. So viel man aus den noch verwirrten Nachrichten schließen kann, war die Hauptabsicht der Partei von Nu Nihal, sich des ersten Ministers Dhian Singh zu entledigen, welcher unter Rundschit großen Einfluß besessen hatte und von diesem seinem Nachfolger empfohlen worden war, unter dem er Alles in Händen hatte. Schon die Gesandtschaft, welche Lord Auckland unmittelbar nach Rundschits Tod nach Lahore schickte, um Kurruk Singh zu gratuliren, fand in dem ganzen Pendschab Alles reif zu einem Kampf zwischen beiden Parteien. General Ventura ist nach Simla zu Lord Auckland geschickt worden, um Nu Nihals Anerkennung zu bewerkstelligen; aber die Meinungen über den Erfolg sind sehr getheilt. Sollte Lord Auckland Nu Nihal nicht anerkennen, so würde der Krieg auf beiden Seiten des Indus plötzlich ausbrechen, denn die bengalische Division der Armee in Afghanistan hat nach einem noch mit Kurruk Singh geschlossenen Vertrag Kabul Ende Octobers verlassen, um durch den Kheiber-Paß, Peschawer und das Pendschab nach Ludiana zu marschiren, und das 16te Regiment europäischer Lanciers, das 3te bengalischer leichter Cavallerie, das 4te der localen Cavallerie, die 2te Division der Artillerie zu Pferd, das europäische Regiment bengalischer Infanterie, und das 35ste und 37ste Regiment indischer Infanterie müssen zur Zeit der Revolution von Lahore am Indus angekommen seyn, während 10 Regimenter noch in Afghanistan sind, und die Bombay-Division in Multan oder Bhawalpur angekommen seyn muß. Auf der andern Seite steht in Ludiana ein beträchtliches Corps, welches das Pendschab sogleich angreifen kann, und Oberst Sutherland hat 6 Regimenter und einen Train Belagerungsgeschütz in Radschputana. Es wäre schade, wenn der Friede am Indus wieder gestört würde, denn die ganze Westküste von Indien ist jetzt eben bereit, von der Wiederherstellung der Ruhe und dem jetzt erst eigentlich freien Indus Gebrauch zu machen, um ihren Handel bis tief in Mittelasien auszudehnen. Die Gesandtschaft nach Lahore hatte eine bedeutende Reduction der Induszölle bewirkt, und man erwartete den Abschluß eines neuen Vertrags, der den Zoll von jedem beladenen Boote auf dem Indus von 568 Rupien auf 200 herabsetzt; es sind in dem letzten Monate zwei eiserne Dampfboote, der Comet und der Indus, die ersten einer Linie von Dampfbugsirbooten auf dem Indus, hier vollendet worden, und noch mehr werden folgen. Trotz des Krieges hat die Ausfuhr von Bombay nach dem Indus im Lauf des Jahres mehr als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_018_18400118
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_018_18400118/13
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 18. Augsburg, 18. Januar 1840, S. 0141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_018_18400118/13>, abgerufen am 29.04.2024.