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Allgemeine Zeitung. Nr. 18. Augsburg, 18. Januar 1840.

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Gerichtsverfassung hat, genügt für den vierfachen Flächenbetrag unserer ganzen Provinz Ein Tribunal erster Instanz. Nicht minder erheblich ist der Unterschied zwischen der Bevölkerung der Gerichtssprengel in Rheinpreußen und hier. Jedes von unsern beiden Kreisgerichten zählt in seinem Sprengel wenig mehr als 100,000 Seelen, während in der preußischen Rheinprovinz vier bis fünfmalhunderttausend Seelen im Bereiche eines Landgerichts wohnen. Vor der Errichtung des zweiten Kreisgerichts in Alzei war also der Gerichtsbezirk des damals hier residirenden Tribunals für ganz Rheinhessen in Hinsicht auf Territorial-Ausdehnung und Anzahl der Gerichtseingesessenen schon viel kleiner, als die Gerichtssprengel in unserm Nachbarlande, von woher doch nichts Anderes, als Aeußerungen der Zufriedenheit über die Schnelligkeit und Gründlichkeit der Rechtspflege vernommen werden. Gleiche Erfahrungen hatte man auch hier gemacht, und es lagen daher keine bekannten dringenden Veranlassungen zu einer anderweiten Organisation vor. Fast gleichzeitig mit der Errichtung eines zweiten Kreisgerichts waren aber auch Veränderungen in der Gesetzgebung eingetreten, deren unvermeidliche Wirkungen die Geschäftsmasse bei dem Tribunale erster Instanz so bedeutend mindern mußten, daß selbst dann kein Anlaß zur Etablirung eines zweiten Gerichtshofs blieb, wenn auch, wie doch nicht ist, feststände, daß der bis dahin einzige überbürdet gewesen wäre. Es wurde nämlich die Competenz der Friedensrichter, die sich auf Objecte zum Werth von 50 Frcs. erstreckt und beschränkt hatte, bis zu 140 fl. erhöht. Die erwarteten Folgen dieser Maaßregel in einer sehr ansehnlichen Minderung der Geschäfte des Tribunals erster Instanz sind nicht ausgeblieben. - Ferner wurde der Präsident des Kreisgerichts, welcher bis dahin die vierteljährigen Assisen zu präsidiren hatte, wozu durchschnittlich im Jahr drei Monate Zeit und Kraft zu verwenden waren, dieser Verpflichtung entbunden, und das Assisenpräsidium den Mitgliedern des Obergerichts nach einem bestimmten Turnus übertragen. Dieser Beamte gewann dadurch ein Viertel seiner ganzen Zeit und Kraft, um dieselbe dem Dienst des Kreisgerichts ausschließlich zuzuwenden. Als so klare Verhältnisse dennoch nicht abhielten ein zweites Tribunal erster Instanz in Alzei zu errichten, konnte darin nur die Wirkung einer irrthümlichen Ansicht erkannt, und erwartet werden, daß die Einsicht nachfolgen, und daraus die Bestrebung erwachsen werde, das natürliche Verhältniß wieder herzustellen und dem Lande dadurch jährlich eine Summe von 20 bis 30,000 Gulden zu ersparen. Fast alle Erfahrungen müssen erkauft werden, und Consequenz in Mißgriffen ist die bedenklichste Richtung. Für den Augenblick ist jene Hoffnung wieder vereitelt, sie darf darum aber doch nicht aufgegeben werden, denn das Vernünftigste und Zweckmäßigste bricht sich zuletzt doch überall Bahn.

Ueber den weiteren Verlauf der Verhandlungen der zweiten Kammer in Hinsicht des Concessionsrechts der Regierung entnehmen wir sächsischen Blättern Nachstehendes: "Groß war der Kampf, der in dieser Hinsicht von den Parteien gekämpft ward, denn die Sitzung dauerte allein über diesen Gegenstand bis 4 Uhr. Das Gutachten der Deputation ging nämlich dahin, die Beantwortung der Frage: "Ob und welche Handwerker auf dem Lande aufzunehmen?" von der Uebereinstimmung der Obrigkeiten und Gemeindevorstände abhängig zu machen, und nur bei getheilter Meinung derselben der Regierung die Entscheidung zu überlassen, während die Regierung das zeitherige Concessionsrecht in allen den Fällen in Anspruch nimmt, wenn mehr als einer der im §. 8 des Gesetzesentwurfs genannten Handwerker oder andere, als diese, aufgenommen werden sollen oder wollen. Daß die Regierung ihr Concessionsrecht mit aller Macht vertheidigen würde, ließ sich erwarten. Nach fünfstündiger Debatte, welche die Ungeduld einiger müde gewordenen Mitglieder schon vorher einmal zu kürzen bemüht gewesen war, indem dieselben einen Antrag auf deren Schluß gestellt hatten, der jedoch bei der noch immer aufmerksamen Majorität der Kammer keinen Anklang fand, wurde zur Abstimmung über das Princip geschritten, und dabei mit 34 gegen 28 Stimmen entschieden, daß das Concessionswesen ferner nicht mehr stattfinden solle. In der Minorität war außer den meisten städtischen Abgeordneten auch v. Friesen, v. Planitz, aus dem Winkel, v. Sahr. Der Minister v. Könneritz erklärte übrigens in seiner Rede, daß die Regierung das Concessionswesen für so wesentlich halte, daß, wenn dasselbe abgeworfen werde, sie lieber den Gesetzesentwurf zurücknehmen wolle. Sehen wir nun, was weiter geschieht."

Dänemark.

(Kjöbenhavnsposten.) Vom 1 Jan. d. J. an soll die sogenannte bouche en cour aufgehoben werden, so daß von jetzt an die freie Beköstigung am Hofe aufhört, wogegen diejenigen, welche wirklich ein Recht darauf haben, eine Entschädigung in Geld erhalten sollen. Durch diese Veranstaltung wird eine nicht unbedeutende Ersparniß erzielt werden, denn eine Menge Menschen hatten das ganze Jahr hindurch ihre Verköstigung aus der Hofküche, indem manche wohlbekannte Personen durch ihre Connexionen einen häßlichen Handel mit dem Recht der Verköstigung aus der Hofküche trieben.


Türkei.

Ueber den Zustand Albaniens und die Lage von Mustapha Pascha scheinen Sie nicht gut unterrichtet zu seyn. Ich weiß wohl, daß in öffentlichen Blättern jetzt oft erzählt wird, Albanien sey einem Aufstande nahe oder bereits im Aufstand begriffen. Aber bis jetzt ist Alles vollkommen ruhig, wenn man gleich nicht sagen kann, wohin so mancherlei Intriguen noch führen werden. Mustapha Pascha hat freilich in dem verstorbenen Sultan einen großen Freund verloren; indessen hat er auch jetzt noch manche Gönner in Konstantinopel, besonders Reschid Pascha, dessen Wort bei dem neuen Sultan von bedeutendem Gewichte ist. Die Dinge gestalten sich hier immer besser, Mißbräuche werden mehr und mehr abgeschafft; wird erst der Hattischerif überall in Kraft gesetzt seyn, so ist die Türkei gerettet, wenn ihr nicht äußere Einwirkungen den Untergang bereiten sollten. Die Rajahs nehmen eine von Tag zu Tag wichtigere Stellung ein; werden sie sich erst eines wirksamen Schutzes zu erfreuen haben, so wird dieß für die Macht der Türkei von dem folgenreichsten Einflusse seyn. Ich weiß zwar, daß Sie von der innern Nothwendigkeit eines gänzlichen Untergangs der türkischen Herrschaft in Europa überzeugt sind*), und will meine Meinung der Ihrigen nicht gerade absprechend entgegenstellen. Aber wenn Sie selbst sehen könnten, was täglich unter meinen Augen vorgeht, so würden Sie vielleicht ausrufen: wer hätte glauben sollen, daß solche Reformen in der Türkei möglich seyen! - Das Elend, welches durch die Feuersbrunst im fränkischen Quartier angerichtet worden ist, geht über alle Beschreibung; eine größere Zerstörung habe ich in meinem Leben nicht mit angesehen. Wären von dem Kaimakam, Izzet Pascha, weisere Maaßregeln ergriffen worden, so hätte gewiß ein Schaden von mindestens 12 Millionen Gulden verhütet werden können.

*) Das Schreiben ist an einen Freund des Correspondenten gerichtet, und bezieht sich in dieser Stelle auf frühere mündliche Unterhaltungen zwischen beiden.


Gerichtsverfassung hat, genügt für den vierfachen Flächenbetrag unserer ganzen Provinz Ein Tribunal erster Instanz. Nicht minder erheblich ist der Unterschied zwischen der Bevölkerung der Gerichtssprengel in Rheinpreußen und hier. Jedes von unsern beiden Kreisgerichten zählt in seinem Sprengel wenig mehr als 100,000 Seelen, während in der preußischen Rheinprovinz vier bis fünfmalhunderttausend Seelen im Bereiche eines Landgerichts wohnen. Vor der Errichtung des zweiten Kreisgerichts in Alzei war also der Gerichtsbezirk des damals hier residirenden Tribunals für ganz Rheinhessen in Hinsicht auf Territorial-Ausdehnung und Anzahl der Gerichtseingesessenen schon viel kleiner, als die Gerichtssprengel in unserm Nachbarlande, von woher doch nichts Anderes, als Aeußerungen der Zufriedenheit über die Schnelligkeit und Gründlichkeit der Rechtspflege vernommen werden. Gleiche Erfahrungen hatte man auch hier gemacht, und es lagen daher keine bekannten dringenden Veranlassungen zu einer anderweiten Organisation vor. Fast gleichzeitig mit der Errichtung eines zweiten Kreisgerichts waren aber auch Veränderungen in der Gesetzgebung eingetreten, deren unvermeidliche Wirkungen die Geschäftsmasse bei dem Tribunale erster Instanz so bedeutend mindern mußten, daß selbst dann kein Anlaß zur Etablirung eines zweiten Gerichtshofs blieb, wenn auch, wie doch nicht ist, feststände, daß der bis dahin einzige überbürdet gewesen wäre. Es wurde nämlich die Competenz der Friedensrichter, die sich auf Objecte zum Werth von 50 Frcs. erstreckt und beschränkt hatte, bis zu 140 fl. erhöht. Die erwarteten Folgen dieser Maaßregel in einer sehr ansehnlichen Minderung der Geschäfte des Tribunals erster Instanz sind nicht ausgeblieben. – Ferner wurde der Präsident des Kreisgerichts, welcher bis dahin die vierteljährigen Assisen zu präsidiren hatte, wozu durchschnittlich im Jahr drei Monate Zeit und Kraft zu verwenden waren, dieser Verpflichtung entbunden, und das Assisenpräsidium den Mitgliedern des Obergerichts nach einem bestimmten Turnus übertragen. Dieser Beamte gewann dadurch ein Viertel seiner ganzen Zeit und Kraft, um dieselbe dem Dienst des Kreisgerichts ausschließlich zuzuwenden. Als so klare Verhältnisse dennoch nicht abhielten ein zweites Tribunal erster Instanz in Alzei zu errichten, konnte darin nur die Wirkung einer irrthümlichen Ansicht erkannt, und erwartet werden, daß die Einsicht nachfolgen, und daraus die Bestrebung erwachsen werde, das natürliche Verhältniß wieder herzustellen und dem Lande dadurch jährlich eine Summe von 20 bis 30,000 Gulden zu ersparen. Fast alle Erfahrungen müssen erkauft werden, und Consequenz in Mißgriffen ist die bedenklichste Richtung. Für den Augenblick ist jene Hoffnung wieder vereitelt, sie darf darum aber doch nicht aufgegeben werden, denn das Vernünftigste und Zweckmäßigste bricht sich zuletzt doch überall Bahn.

Ueber den weiteren Verlauf der Verhandlungen der zweiten Kammer in Hinsicht des Concessionsrechts der Regierung entnehmen wir sächsischen Blättern Nachstehendes: „Groß war der Kampf, der in dieser Hinsicht von den Parteien gekämpft ward, denn die Sitzung dauerte allein über diesen Gegenstand bis 4 Uhr. Das Gutachten der Deputation ging nämlich dahin, die Beantwortung der Frage: „Ob und welche Handwerker auf dem Lande aufzunehmen?“ von der Uebereinstimmung der Obrigkeiten und Gemeindevorstände abhängig zu machen, und nur bei getheilter Meinung derselben der Regierung die Entscheidung zu überlassen, während die Regierung das zeitherige Concessionsrecht in allen den Fällen in Anspruch nimmt, wenn mehr als einer der im §. 8 des Gesetzesentwurfs genannten Handwerker oder andere, als diese, aufgenommen werden sollen oder wollen. Daß die Regierung ihr Concessionsrecht mit aller Macht vertheidigen würde, ließ sich erwarten. Nach fünfstündiger Debatte, welche die Ungeduld einiger müde gewordenen Mitglieder schon vorher einmal zu kürzen bemüht gewesen war, indem dieselben einen Antrag auf deren Schluß gestellt hatten, der jedoch bei der noch immer aufmerksamen Majorität der Kammer keinen Anklang fand, wurde zur Abstimmung über das Princip geschritten, und dabei mit 34 gegen 28 Stimmen entschieden, daß das Concessionswesen ferner nicht mehr stattfinden solle. In der Minorität war außer den meisten städtischen Abgeordneten auch v. Friesen, v. Planitz, aus dem Winkel, v. Sahr. Der Minister v. Könneritz erklärte übrigens in seiner Rede, daß die Regierung das Concessionswesen für so wesentlich halte, daß, wenn dasselbe abgeworfen werde, sie lieber den Gesetzesentwurf zurücknehmen wolle. Sehen wir nun, was weiter geschieht.“

Dänemark.

(Kjöbenhavnsposten.) Vom 1 Jan. d. J. an soll die sogenannte bouche en cour aufgehoben werden, so daß von jetzt an die freie Beköstigung am Hofe aufhört, wogegen diejenigen, welche wirklich ein Recht darauf haben, eine Entschädigung in Geld erhalten sollen. Durch diese Veranstaltung wird eine nicht unbedeutende Ersparniß erzielt werden, denn eine Menge Menschen hatten das ganze Jahr hindurch ihre Verköstigung aus der Hofküche, indem manche wohlbekannte Personen durch ihre Connexionen einen häßlichen Handel mit dem Recht der Verköstigung aus der Hofküche trieben.


Türkei.

Ueber den Zustand Albaniens und die Lage von Mustapha Pascha scheinen Sie nicht gut unterrichtet zu seyn. Ich weiß wohl, daß in öffentlichen Blättern jetzt oft erzählt wird, Albanien sey einem Aufstande nahe oder bereits im Aufstand begriffen. Aber bis jetzt ist Alles vollkommen ruhig, wenn man gleich nicht sagen kann, wohin so mancherlei Intriguen noch führen werden. Mustapha Pascha hat freilich in dem verstorbenen Sultan einen großen Freund verloren; indessen hat er auch jetzt noch manche Gönner in Konstantinopel, besonders Reschid Pascha, dessen Wort bei dem neuen Sultan von bedeutendem Gewichte ist. Die Dinge gestalten sich hier immer besser, Mißbräuche werden mehr und mehr abgeschafft; wird erst der Hattischerif überall in Kraft gesetzt seyn, so ist die Türkei gerettet, wenn ihr nicht äußere Einwirkungen den Untergang bereiten sollten. Die Rajahs nehmen eine von Tag zu Tag wichtigere Stellung ein; werden sie sich erst eines wirksamen Schutzes zu erfreuen haben, so wird dieß für die Macht der Türkei von dem folgenreichsten Einflusse seyn. Ich weiß zwar, daß Sie von der innern Nothwendigkeit eines gänzlichen Untergangs der türkischen Herrschaft in Europa überzeugt sind*), und will meine Meinung der Ihrigen nicht gerade absprechend entgegenstellen. Aber wenn Sie selbst sehen könnten, was täglich unter meinen Augen vorgeht, so würden Sie vielleicht ausrufen: wer hätte glauben sollen, daß solche Reformen in der Türkei möglich seyen! – Das Elend, welches durch die Feuersbrunst im fränkischen Quartier angerichtet worden ist, geht über alle Beschreibung; eine größere Zerstörung habe ich in meinem Leben nicht mit angesehen. Wären von dem Kaimakam, Izzet Pascha, weisere Maaßregeln ergriffen worden, so hätte gewiß ein Schaden von mindestens 12 Millionen Gulden verhütet werden können.

*) Das Schreiben ist an einen Freund des Correspondenten gerichtet, und bezieht sich in dieser Stelle auf frühere mündliche Unterhaltungen zwischen beiden.
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Gerichtsverfassung hat, genügt für den vierfachen Flächenbetrag unserer ganzen Provinz Ein Tribunal erster Instanz. Nicht minder erheblich ist der Unterschied zwischen der Bevölkerung der Gerichtssprengel in Rheinpreußen und hier. Jedes von unsern beiden Kreisgerichten zählt in seinem Sprengel wenig mehr als 100,000 Seelen, während in der preußischen Rheinprovinz vier bis fünfmalhunderttausend Seelen im Bereiche eines Landgerichts wohnen. Vor der Errichtung des zweiten Kreisgerichts in Alzei war also der Gerichtsbezirk des damals hier residirenden Tribunals für ganz Rheinhessen in Hinsicht auf Territorial-Ausdehnung und Anzahl der Gerichtseingesessenen schon viel kleiner, als die Gerichtssprengel in unserm Nachbarlande, von woher doch nichts Anderes, als Aeußerungen der Zufriedenheit über die Schnelligkeit und Gründlichkeit der Rechtspflege vernommen werden. Gleiche Erfahrungen hatte man auch hier gemacht, und es lagen daher keine bekannten dringenden Veranlassungen zu einer anderweiten Organisation vor. Fast gleichzeitig mit der Errichtung eines zweiten Kreisgerichts waren aber auch Veränderungen in der Gesetzgebung eingetreten, deren unvermeidliche Wirkungen die Geschäftsmasse bei dem Tribunale erster Instanz so bedeutend mindern mußten, daß selbst dann kein Anlaß zur Etablirung eines zweiten Gerichtshofs blieb, wenn auch, wie doch nicht ist, feststände, daß der bis dahin einzige überbürdet gewesen wäre. Es wurde nämlich die Competenz der Friedensrichter, die sich auf Objecte zum Werth von 50 Frcs. erstreckt und beschränkt hatte, bis zu 140 fl. erhöht. Die erwarteten Folgen dieser Maaßregel in einer sehr ansehnlichen Minderung der Geschäfte des Tribunals erster Instanz sind nicht ausgeblieben. &#x2013; Ferner wurde der Präsident des Kreisgerichts, welcher bis dahin die vierteljährigen Assisen zu präsidiren hatte, wozu durchschnittlich im Jahr drei Monate Zeit und Kraft zu verwenden waren, dieser Verpflichtung entbunden, und das Assisenpräsidium den Mitgliedern des Obergerichts nach einem bestimmten Turnus übertragen. Dieser Beamte gewann dadurch ein Viertel seiner ganzen Zeit und Kraft, um dieselbe dem Dienst des Kreisgerichts ausschließlich zuzuwenden. Als so klare Verhältnisse dennoch nicht abhielten ein zweites Tribunal erster Instanz in Alzei zu errichten, konnte darin nur die Wirkung einer irrthümlichen Ansicht erkannt, und erwartet werden, daß die Einsicht nachfolgen, und daraus die Bestrebung erwachsen werde, das natürliche Verhältniß wieder herzustellen und dem Lande dadurch jährlich eine Summe von 20 bis 30,000 Gulden zu ersparen. Fast alle Erfahrungen müssen erkauft werden, und Consequenz in Mißgriffen ist die bedenklichste Richtung. Für den Augenblick ist jene Hoffnung wieder vereitelt, sie darf darum aber doch nicht aufgegeben werden, denn das Vernünftigste und Zweckmäßigste bricht sich zuletzt doch überall Bahn.</p>
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[0143/0007] Gerichtsverfassung hat, genügt für den vierfachen Flächenbetrag unserer ganzen Provinz Ein Tribunal erster Instanz. Nicht minder erheblich ist der Unterschied zwischen der Bevölkerung der Gerichtssprengel in Rheinpreußen und hier. Jedes von unsern beiden Kreisgerichten zählt in seinem Sprengel wenig mehr als 100,000 Seelen, während in der preußischen Rheinprovinz vier bis fünfmalhunderttausend Seelen im Bereiche eines Landgerichts wohnen. Vor der Errichtung des zweiten Kreisgerichts in Alzei war also der Gerichtsbezirk des damals hier residirenden Tribunals für ganz Rheinhessen in Hinsicht auf Territorial-Ausdehnung und Anzahl der Gerichtseingesessenen schon viel kleiner, als die Gerichtssprengel in unserm Nachbarlande, von woher doch nichts Anderes, als Aeußerungen der Zufriedenheit über die Schnelligkeit und Gründlichkeit der Rechtspflege vernommen werden. Gleiche Erfahrungen hatte man auch hier gemacht, und es lagen daher keine bekannten dringenden Veranlassungen zu einer anderweiten Organisation vor. Fast gleichzeitig mit der Errichtung eines zweiten Kreisgerichts waren aber auch Veränderungen in der Gesetzgebung eingetreten, deren unvermeidliche Wirkungen die Geschäftsmasse bei dem Tribunale erster Instanz so bedeutend mindern mußten, daß selbst dann kein Anlaß zur Etablirung eines zweiten Gerichtshofs blieb, wenn auch, wie doch nicht ist, feststände, daß der bis dahin einzige überbürdet gewesen wäre. Es wurde nämlich die Competenz der Friedensrichter, die sich auf Objecte zum Werth von 50 Frcs. erstreckt und beschränkt hatte, bis zu 140 fl. erhöht. Die erwarteten Folgen dieser Maaßregel in einer sehr ansehnlichen Minderung der Geschäfte des Tribunals erster Instanz sind nicht ausgeblieben. – Ferner wurde der Präsident des Kreisgerichts, welcher bis dahin die vierteljährigen Assisen zu präsidiren hatte, wozu durchschnittlich im Jahr drei Monate Zeit und Kraft zu verwenden waren, dieser Verpflichtung entbunden, und das Assisenpräsidium den Mitgliedern des Obergerichts nach einem bestimmten Turnus übertragen. Dieser Beamte gewann dadurch ein Viertel seiner ganzen Zeit und Kraft, um dieselbe dem Dienst des Kreisgerichts ausschließlich zuzuwenden. Als so klare Verhältnisse dennoch nicht abhielten ein zweites Tribunal erster Instanz in Alzei zu errichten, konnte darin nur die Wirkung einer irrthümlichen Ansicht erkannt, und erwartet werden, daß die Einsicht nachfolgen, und daraus die Bestrebung erwachsen werde, das natürliche Verhältniß wieder herzustellen und dem Lande dadurch jährlich eine Summe von 20 bis 30,000 Gulden zu ersparen. Fast alle Erfahrungen müssen erkauft werden, und Consequenz in Mißgriffen ist die bedenklichste Richtung. Für den Augenblick ist jene Hoffnung wieder vereitelt, sie darf darum aber doch nicht aufgegeben werden, denn das Vernünftigste und Zweckmäßigste bricht sich zuletzt doch überall Bahn. Dresden, 9 Jan. Ueber den weiteren Verlauf der Verhandlungen der zweiten Kammer in Hinsicht des Concessionsrechts der Regierung entnehmen wir sächsischen Blättern Nachstehendes: „Groß war der Kampf, der in dieser Hinsicht von den Parteien gekämpft ward, denn die Sitzung dauerte allein über diesen Gegenstand bis 4 Uhr. Das Gutachten der Deputation ging nämlich dahin, die Beantwortung der Frage: „Ob und welche Handwerker auf dem Lande aufzunehmen?“ von der Uebereinstimmung der Obrigkeiten und Gemeindevorstände abhängig zu machen, und nur bei getheilter Meinung derselben der Regierung die Entscheidung zu überlassen, während die Regierung das zeitherige Concessionsrecht in allen den Fällen in Anspruch nimmt, wenn mehr als einer der im §. 8 des Gesetzesentwurfs genannten Handwerker oder andere, als diese, aufgenommen werden sollen oder wollen. Daß die Regierung ihr Concessionsrecht mit aller Macht vertheidigen würde, ließ sich erwarten. Nach fünfstündiger Debatte, welche die Ungeduld einiger müde gewordenen Mitglieder schon vorher einmal zu kürzen bemüht gewesen war, indem dieselben einen Antrag auf deren Schluß gestellt hatten, der jedoch bei der noch immer aufmerksamen Majorität der Kammer keinen Anklang fand, wurde zur Abstimmung über das Princip geschritten, und dabei mit 34 gegen 28 Stimmen entschieden, daß das Concessionswesen ferner nicht mehr stattfinden solle. In der Minorität war außer den meisten städtischen Abgeordneten auch v. Friesen, v. Planitz, aus dem Winkel, v. Sahr. Der Minister v. Könneritz erklärte übrigens in seiner Rede, daß die Regierung das Concessionswesen für so wesentlich halte, daß, wenn dasselbe abgeworfen werde, sie lieber den Gesetzesentwurf zurücknehmen wolle. Sehen wir nun, was weiter geschieht.“ Dänemark. (Kjöbenhavnsposten.) Vom 1 Jan. d. J. an soll die sogenannte bouche en cour aufgehoben werden, so daß von jetzt an die freie Beköstigung am Hofe aufhört, wogegen diejenigen, welche wirklich ein Recht darauf haben, eine Entschädigung in Geld erhalten sollen. Durch diese Veranstaltung wird eine nicht unbedeutende Ersparniß erzielt werden, denn eine Menge Menschen hatten das ganze Jahr hindurch ihre Verköstigung aus der Hofküche, indem manche wohlbekannte Personen durch ihre Connexionen einen häßlichen Handel mit dem Recht der Verköstigung aus der Hofküche trieben. Türkei. **Salonik, 24 Dec. Ueber den Zustand Albaniens und die Lage von Mustapha Pascha scheinen Sie nicht gut unterrichtet zu seyn. Ich weiß wohl, daß in öffentlichen Blättern jetzt oft erzählt wird, Albanien sey einem Aufstande nahe oder bereits im Aufstand begriffen. Aber bis jetzt ist Alles vollkommen ruhig, wenn man gleich nicht sagen kann, wohin so mancherlei Intriguen noch führen werden. Mustapha Pascha hat freilich in dem verstorbenen Sultan einen großen Freund verloren; indessen hat er auch jetzt noch manche Gönner in Konstantinopel, besonders Reschid Pascha, dessen Wort bei dem neuen Sultan von bedeutendem Gewichte ist. Die Dinge gestalten sich hier immer besser, Mißbräuche werden mehr und mehr abgeschafft; wird erst der Hattischerif überall in Kraft gesetzt seyn, so ist die Türkei gerettet, wenn ihr nicht äußere Einwirkungen den Untergang bereiten sollten. Die Rajahs nehmen eine von Tag zu Tag wichtigere Stellung ein; werden sie sich erst eines wirksamen Schutzes zu erfreuen haben, so wird dieß für die Macht der Türkei von dem folgenreichsten Einflusse seyn. Ich weiß zwar, daß Sie von der innern Nothwendigkeit eines gänzlichen Untergangs der türkischen Herrschaft in Europa überzeugt sind *), und will meine Meinung der Ihrigen nicht gerade absprechend entgegenstellen. Aber wenn Sie selbst sehen könnten, was täglich unter meinen Augen vorgeht, so würden Sie vielleicht ausrufen: wer hätte glauben sollen, daß solche Reformen in der Türkei möglich seyen! – Das Elend, welches durch die Feuersbrunst im fränkischen Quartier angerichtet worden ist, geht über alle Beschreibung; eine größere Zerstörung habe ich in meinem Leben nicht mit angesehen. Wären von dem Kaimakam, Izzet Pascha, weisere Maaßregeln ergriffen worden, so hätte gewiß ein Schaden von mindestens 12 Millionen Gulden verhütet werden können. *) Das Schreiben ist an einen Freund des Correspondenten gerichtet, und bezieht sich in dieser Stelle auf frühere mündliche Unterhaltungen zwischen beiden.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 18. Augsburg, 18. Januar 1840, S. 0143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_018_18400118/7>, abgerufen am 29.04.2024.