Allgemeine Zeitung. Nr. 20. Augsburg, 20. Januar 1840.Cauchy ruft die Zeugen auf, wovon 127 durch den Generalprocurator, 7 auf das Verlangen der Angeklagten berufen waren, und verliest dann die Anklageacte. Der Präsident macht jedem der Angeklagten die hauptsächlichen ihn betreffenden Anklagepunkte bemerklich, und sagt dann zu Blanqui, ob er bei der in seinen früheren Verhören beobachteten Verweigerung zu antworten beharre. Blanqui erklärt: "Da ich bei dem Tribunal, das mich zu richten berufen ist, keine hinreichenden Garantien zu finden glaube, so werde ich über die mir persönlich vorgeworfenen Thatsachen mich nicht erklären. Weil aber in den ersten Sitzungen dieses Processes die Anklagebehörde der republicanischen Partei Rohheit und Blutdurst vorgeworfen hat, so will ich Ihnen durch Thatsachen die Falschheit dieser mehr als zwanzigmal in den Verhandlungen wiederholten Anschuldigungen gegen die Partei, zu der ich gehöre, beweisen. Die Republicaner haben sich weder heute noch jemals (ich meine seit 1830) grausam benommen; nicht sie haben 1834 das Blut von Weibern, Greisen und Kindern vergossen; eben so wenig kann man sie 1839 solcher Ausschweifungen bezichtigen. Man hat in Bezug auf letztere Zeit oft gesagt, sie hätten wehrlose Soldaten umgebracht. Sie haben gesehen, was im Justizpalast vorgegangen ist. Dort war ein Posten von 30 Mann, die gut bewaffnet waren. Die Insurgenten, 30 bis 40 Mann und schlecht bewaffnet, waren bei ihrem Heranrücken von den Soldaten schon in der Ferne gesehen; sie kamen an den Posten ohne einen Schuß; sie hatten sonach keinen Blutdurst; sie sahen die Soldaten schlagfertig aufgestellt, und mußten denken, daß deren Flinten geladen seyen, da sie sie so weit her hatten kommen sehen, und sie forderten nun den Officier auf, sich zu ergeben. Dieser schlug es ab, und so mußten sie verfahren, wie sie verfahren haben. Es sind hier Generale, die wissen, daß man auf dem Schlachtfelde sich zurückziehen, sich ergeben oder kämpfen muß. Auf dem Markte St. Jean war derselbe Fall. Sie haben sagen gehört, daß Insurgenten über die auf dem Boden gelegenen verwundeten Soldaten geweint hätten. Ist dieß Blutdurst? Dieß nur wollte ich sagen, um die verleumderischen Angaben der Staatsanwaltschaft zu widerlegen." Der Präsident: "Sie stellen sich auf das möglichst schlechte Gebiet. Sie glauben sich berechtigt, Ihr Vaterland anzugreifen und den Burgfrieden zu stören, und Sie behaupten, nicht an dem vergossenen Blute Schuld zu tragen. Dieses Blut wird auf Sie zurückfallen; Sie haben sich der höchsten Strafen, welche die Gesellschaft auflegen kann, schuldig gemacht." Blanqui: "Sie geben nicht zu, daß die Republicaner das Recht gehabt, die Waffen zu ergreifen. Ganz gut; machen Sie sie so verbrecherisch, wie Sie wollen; ich vertheidige hier nur die materielle Thatsache, daß sie nicht blutdürstig gewesen." Der Präsident, ohne sich in weitere Controversen einzulassen, erklärt, daß Blanqui's Stillschweigen nur seine Anklage steigern, und daß er sich nicht ungestraft über die Gesetze stellen könne. Die Angeklagten Guignot und Quarre wurden eingeführt, und behaupteten, nicht zu den Insurgenten zu gehören. Sie seyen sogar als provocirende Agenten der Polizei angesehen worden. Quarre kennt weder Barbes, noch Blanqui, noch Martin Bernard. (Presse.) Es hieß diesen Abend (14), daß ernstliche Unruhen in Foix, Departement der Arriege, stattgefunden haben. Man schrieb sie einigen Maaßregeln örtlicher Verwaltung zu, die eine Zusammenrottung von 5 bis 6000 Personen veranlaßt hätten. Es heißt, der Präfect sey verwundet worden. Paris, 15 Jan. Nichts dauert weniger hier als das Interesse an politischen Processen. Vor der Pairskammer wird in diesem Augenblick die Anklage gegen die zweite Serie der Angeklagten vom 12 Mai verhandelt. Wer denkt auch nur daran? All' die großen Vorsichtsmaaßregeln, die Truppenanhäufungen im Luxembourg, die scharf geladenen Gewehre haben nur Kälte und Gleichgültigkeit im Publicum gefunden. Und doch handelt es sich dort um Leben und Freiheit einer bedeutenden Anzahl von Personen! Und doch ist es noch kein Jahr, daß der Aufstand in den Straßen von Paris selbst stattgehabt. Es ist, als ob man nicht mehr an die Möglichkeit politischer Todesstrafe glaube, und die beste Hoffnung, welche die Angeklagten haben, beruht in der Alles mildernden Zeit selbst. Die Gefängnisse von Doullens und Mont-Saint-Michel werden neue Bewohner erhalten, allein wenn gegen Blanqui eine Todesverurtheilung ausgesprochen werden sollte, was bliebe dem König übrig, als ihn zu begnadigen, wie er bereits bei Barbes gethan? - Die Deputirtenkammer zuckt noch unter dem elektrischen Eindruck, den die Rede von Thiers auf sie gemacht hat; sie scheint sich zu fragen, ob es nöthig sey, daß nach ihm noch Jemand das Wort nehme, und in der That, seit seinem Vortrage ist nichts Erhebliches mehr gekommen. Nebst dem nationalen Interesse, den dieser Vortrag für Frankreich selbst darbot, mag er auch dem ferner stehenden Beobachter, und wir glauben selbst der europäischen Politik beachtenswerth erscheinen. Auch dießmal ward die Frage der ausländischen Angelegenheiten ein wenig über den Kopf des Ministeriums weg verhandelt; indem man die wirklichen Titularminister so stumm, und Thiers so ex professo in die Materie eingehen sah, konnte man sich des Gedankens nicht erwehren, daß hier ein zukünftiger Ministerpräsident rede, und daß er, vielleicht nur aus ahnendem Instincte, aber mit verhängnißvoller Schonung, die nächste Politik des französischen Cabinets, seines Ministeriums ausspreche. In diesem Sinne wird die englische Presse seine Worte auffassen, in diesem Sinne werden sie in Kairo und Alexandrien, in Konstantinopel und Petersburg widerhallen, und hätten sie auch nur die einzige Wirkung, den Bund mit England, an dessen Fortdauer man bereits verzweifeln wollte, als noch möglich darzustellen, ihn auf einige Zeit aufzufrischen, so könnte ihr hoher Werth für den Augenblick nicht bestritten werden. Belgien. Brüssel, 12 Jan. Aus einem Rückblick auf die Lage Belgiens beim Eintritt in das neue Jahr ergibt sich, daß sie sich seit dem letzten Jahre bedeutend gebessert hat, nachdem sich das vorige durch den Sturz der Bank unter traurigen Auspicien eröffnet hatte. Diese Anstalt ist jetzt wieder im Gedeihen mit ihren Operationen, nachdem sie alle ihre Gläubiger ganz bezahlt hat. Die industriellen Gesellschaften erholen sich ebenfalls nach und nach. Nur die Eisenindustrie leidet noch in Folge Uebermaaßes der Production. - Die Reise, welche Baron Rothschild von Paris hierher gemacht hat, bezieht sich auf Finanzcombinationen für die Liquidation der belgischen Schuld gegen Holland. Dieser Bankier hatte während seines kurzen hiesigen Aufenthalts häufige Unterredungen mit dem Könige, mit unserm Finanzminister und dem holländischen Gesandten, Baron Falk. Er ist gestern nach Paris zurückgereist. -- Unser Ministerium wird sich bei den schlecht combinirten Angriffen der Opposition, die ohne System, ohne Einheit der Ansichten und ohne bedeutende Zahl ist, wohl halten. Ich glaube nicht, daß man einen neuen Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernennt. Man wird bloß das Ministerium der öffentlichen Arbeiten aufheben, daraus eine von dem Innern abhängige Generaldirection machen, und Hr. Nothomb wird das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten übernehmen. Er ist ein sehr ausgezeichneter Mann und vollkommen mit der Cauchy ruft die Zeugen auf, wovon 127 durch den Generalprocurator, 7 auf das Verlangen der Angeklagten berufen waren, und verliest dann die Anklageacte. Der Präsident macht jedem der Angeklagten die hauptsächlichen ihn betreffenden Anklagepunkte bemerklich, und sagt dann zu Blanqui, ob er bei der in seinen früheren Verhören beobachteten Verweigerung zu antworten beharre. Blanqui erklärt: „Da ich bei dem Tribunal, das mich zu richten berufen ist, keine hinreichenden Garantien zu finden glaube, so werde ich über die mir persönlich vorgeworfenen Thatsachen mich nicht erklären. Weil aber in den ersten Sitzungen dieses Processes die Anklagebehörde der republicanischen Partei Rohheit und Blutdurst vorgeworfen hat, so will ich Ihnen durch Thatsachen die Falschheit dieser mehr als zwanzigmal in den Verhandlungen wiederholten Anschuldigungen gegen die Partei, zu der ich gehöre, beweisen. Die Republicaner haben sich weder heute noch jemals (ich meine seit 1830) grausam benommen; nicht sie haben 1834 das Blut von Weibern, Greisen und Kindern vergossen; eben so wenig kann man sie 1839 solcher Ausschweifungen bezichtigen. Man hat in Bezug auf letztere Zeit oft gesagt, sie hätten wehrlose Soldaten umgebracht. Sie haben gesehen, was im Justizpalast vorgegangen ist. Dort war ein Posten von 30 Mann, die gut bewaffnet waren. Die Insurgenten, 30 bis 40 Mann und schlecht bewaffnet, waren bei ihrem Heranrücken von den Soldaten schon in der Ferne gesehen; sie kamen an den Posten ohne einen Schuß; sie hatten sonach keinen Blutdurst; sie sahen die Soldaten schlagfertig aufgestellt, und mußten denken, daß deren Flinten geladen seyen, da sie sie so weit her hatten kommen sehen, und sie forderten nun den Officier auf, sich zu ergeben. Dieser schlug es ab, und so mußten sie verfahren, wie sie verfahren haben. Es sind hier Generale, die wissen, daß man auf dem Schlachtfelde sich zurückziehen, sich ergeben oder kämpfen muß. Auf dem Markte St. Jean war derselbe Fall. Sie haben sagen gehört, daß Insurgenten über die auf dem Boden gelegenen verwundeten Soldaten geweint hätten. Ist dieß Blutdurst? Dieß nur wollte ich sagen, um die verleumderischen Angaben der Staatsanwaltschaft zu widerlegen.“ Der Präsident: „Sie stellen sich auf das möglichst schlechte Gebiet. Sie glauben sich berechtigt, Ihr Vaterland anzugreifen und den Burgfrieden zu stören, und Sie behaupten, nicht an dem vergossenen Blute Schuld zu tragen. Dieses Blut wird auf Sie zurückfallen; Sie haben sich der höchsten Strafen, welche die Gesellschaft auflegen kann, schuldig gemacht.“ Blanqui: „Sie geben nicht zu, daß die Republicaner das Recht gehabt, die Waffen zu ergreifen. Ganz gut; machen Sie sie so verbrecherisch, wie Sie wollen; ich vertheidige hier nur die materielle Thatsache, daß sie nicht blutdürstig gewesen.“ Der Präsident, ohne sich in weitere Controversen einzulassen, erklärt, daß Blanqui's Stillschweigen nur seine Anklage steigern, und daß er sich nicht ungestraft über die Gesetze stellen könne. Die Angeklagten Guignot und Quarré wurden eingeführt, und behaupteten, nicht zu den Insurgenten zu gehören. Sie seyen sogar als provocirende Agenten der Polizei angesehen worden. Quarré kennt weder Barbes, noch Blanqui, noch Martin Bernard. (Presse.) Es hieß diesen Abend (14), daß ernstliche Unruhen in Foix, Departement der Arriège, stattgefunden haben. Man schrieb sie einigen Maaßregeln örtlicher Verwaltung zu, die eine Zusammenrottung von 5 bis 6000 Personen veranlaßt hätten. Es heißt, der Präfect sey verwundet worden. Paris, 15 Jan. Nichts dauert weniger hier als das Interesse an politischen Processen. Vor der Pairskammer wird in diesem Augenblick die Anklage gegen die zweite Serie der Angeklagten vom 12 Mai verhandelt. Wer denkt auch nur daran? All' die großen Vorsichtsmaaßregeln, die Truppenanhäufungen im Luxembourg, die scharf geladenen Gewehre haben nur Kälte und Gleichgültigkeit im Publicum gefunden. Und doch handelt es sich dort um Leben und Freiheit einer bedeutenden Anzahl von Personen! Und doch ist es noch kein Jahr, daß der Aufstand in den Straßen von Paris selbst stattgehabt. Es ist, als ob man nicht mehr an die Möglichkeit politischer Todesstrafe glaube, und die beste Hoffnung, welche die Angeklagten haben, beruht in der Alles mildernden Zeit selbst. Die Gefängnisse von Doullens und Mont-Saint-Michel werden neue Bewohner erhalten, allein wenn gegen Blanqui eine Todesverurtheilung ausgesprochen werden sollte, was bliebe dem König übrig, als ihn zu begnadigen, wie er bereits bei Barbés gethan? – Die Deputirtenkammer zuckt noch unter dem elektrischen Eindruck, den die Rede von Thiers auf sie gemacht hat; sie scheint sich zu fragen, ob es nöthig sey, daß nach ihm noch Jemand das Wort nehme, und in der That, seit seinem Vortrage ist nichts Erhebliches mehr gekommen. Nebst dem nationalen Interesse, den dieser Vortrag für Frankreich selbst darbot, mag er auch dem ferner stehenden Beobachter, und wir glauben selbst der europäischen Politik beachtenswerth erscheinen. Auch dießmal ward die Frage der ausländischen Angelegenheiten ein wenig über den Kopf des Ministeriums weg verhandelt; indem man die wirklichen Titularminister so stumm, und Thiers so ex professo in die Materie eingehen sah, konnte man sich des Gedankens nicht erwehren, daß hier ein zukünftiger Ministerpräsident rede, und daß er, vielleicht nur aus ahnendem Instincte, aber mit verhängnißvoller Schonung, die nächste Politik des französischen Cabinets, seines Ministeriums ausspreche. In diesem Sinne wird die englische Presse seine Worte auffassen, in diesem Sinne werden sie in Kairo und Alexandrien, in Konstantinopel und Petersburg widerhallen, und hätten sie auch nur die einzige Wirkung, den Bund mit England, an dessen Fortdauer man bereits verzweifeln wollte, als noch möglich darzustellen, ihn auf einige Zeit aufzufrischen, so könnte ihr hoher Werth für den Augenblick nicht bestritten werden. Belgien. Brüssel, 12 Jan. Aus einem Rückblick auf die Lage Belgiens beim Eintritt in das neue Jahr ergibt sich, daß sie sich seit dem letzten Jahre bedeutend gebessert hat, nachdem sich das vorige durch den Sturz der Bank unter traurigen Auspicien eröffnet hatte. Diese Anstalt ist jetzt wieder im Gedeihen mit ihren Operationen, nachdem sie alle ihre Gläubiger ganz bezahlt hat. Die industriellen Gesellschaften erholen sich ebenfalls nach und nach. Nur die Eisenindustrie leidet noch in Folge Uebermaaßes der Production. – Die Reise, welche Baron Rothschild von Paris hierher gemacht hat, bezieht sich auf Finanzcombinationen für die Liquidation der belgischen Schuld gegen Holland. Dieser Bankier hatte während seines kurzen hiesigen Aufenthalts häufige Unterredungen mit dem Könige, mit unserm Finanzminister und dem holländischen Gesandten, Baron Falk. Er ist gestern nach Paris zurückgereist. — Unser Ministerium wird sich bei den schlecht combinirten Angriffen der Opposition, die ohne System, ohne Einheit der Ansichten und ohne bedeutende Zahl ist, wohl halten. Ich glaube nicht, daß man einen neuen Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernennt. Man wird bloß das Ministerium der öffentlichen Arbeiten aufheben, daraus eine von dem Innern abhängige Generaldirection machen, und Hr. Nothomb wird das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten übernehmen. Er ist ein sehr ausgezeichneter Mann und vollkommen mit der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="0157"/> Cauchy ruft die Zeugen auf, wovon 127 durch den Generalprocurator, 7 auf das Verlangen der Angeklagten berufen waren, und verliest dann die Anklageacte. Der Präsident macht jedem der Angeklagten die hauptsächlichen ihn betreffenden Anklagepunkte bemerklich, und sagt dann zu Blanqui, ob er bei der in seinen früheren Verhören beobachteten Verweigerung zu antworten beharre. Blanqui erklärt: „Da ich bei dem Tribunal, das mich zu richten berufen ist, keine hinreichenden Garantien zu finden glaube, so werde ich über die mir persönlich vorgeworfenen Thatsachen mich nicht erklären. Weil aber in den ersten Sitzungen dieses Processes die Anklagebehörde der republicanischen Partei Rohheit und Blutdurst vorgeworfen hat, so will ich Ihnen durch Thatsachen die Falschheit dieser mehr als zwanzigmal in den Verhandlungen wiederholten Anschuldigungen gegen die Partei, zu der ich gehöre, beweisen. Die Republicaner haben sich weder heute noch jemals (ich meine seit 1830) grausam benommen; nicht sie haben 1834 das Blut von Weibern, Greisen und Kindern vergossen; eben so wenig kann man sie 1839 solcher Ausschweifungen bezichtigen. Man hat in Bezug auf letztere Zeit oft gesagt, sie hätten wehrlose Soldaten umgebracht. Sie haben gesehen, was im Justizpalast vorgegangen ist. Dort war ein Posten von 30 Mann, die gut bewaffnet waren. Die Insurgenten, 30 bis 40 Mann und schlecht bewaffnet, waren bei ihrem Heranrücken von den Soldaten schon in der Ferne gesehen; sie kamen an den Posten ohne einen Schuß; sie hatten sonach keinen Blutdurst; sie sahen die Soldaten schlagfertig aufgestellt, und mußten denken, daß deren Flinten geladen seyen, da sie sie so weit her hatten kommen sehen, und sie forderten nun den Officier auf, sich zu ergeben. Dieser schlug es ab, und so mußten sie verfahren, wie sie verfahren haben. Es sind hier Generale, die wissen, daß man auf dem Schlachtfelde sich zurückziehen, sich ergeben oder kämpfen muß. Auf dem Markte St. Jean war derselbe Fall. Sie haben sagen gehört, daß Insurgenten über die auf dem Boden gelegenen verwundeten Soldaten geweint hätten. Ist dieß Blutdurst? Dieß nur wollte ich sagen, um die verleumderischen Angaben der Staatsanwaltschaft zu widerlegen.“ Der <hi rendition="#g">Präsident</hi>: „Sie stellen sich auf das möglichst schlechte Gebiet. Sie glauben sich berechtigt, Ihr Vaterland anzugreifen und den Burgfrieden zu stören, und Sie behaupten, nicht an dem vergossenen Blute Schuld zu tragen. Dieses Blut wird auf Sie zurückfallen; Sie haben sich der höchsten Strafen, welche die Gesellschaft auflegen kann, schuldig gemacht.“ <hi rendition="#g">Blanqui</hi>: „Sie geben nicht zu, daß die Republicaner das Recht gehabt, die Waffen zu ergreifen. Ganz gut; machen Sie sie so verbrecherisch, wie Sie wollen; ich vertheidige hier nur die materielle Thatsache, daß sie nicht blutdürstig gewesen.“ Der <hi rendition="#g">Präsident</hi>, ohne sich in weitere Controversen einzulassen, erklärt, daß Blanqui's Stillschweigen nur seine Anklage steigern, und daß er sich nicht ungestraft über die Gesetze stellen könne. 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All' die großen Vorsichtsmaaßregeln, die Truppenanhäufungen im Luxembourg, die scharf geladenen Gewehre haben nur Kälte und Gleichgültigkeit im Publicum gefunden. Und doch handelt es sich dort um Leben und Freiheit einer bedeutenden Anzahl von Personen! Und doch ist es noch kein Jahr, daß der Aufstand in den Straßen von Paris selbst stattgehabt. Es ist, als ob man nicht mehr an die Möglichkeit politischer Todesstrafe glaube, und die beste Hoffnung, welche die Angeklagten haben, beruht in der Alles mildernden Zeit selbst. Die Gefängnisse von Doullens und Mont-Saint-Michel werden neue Bewohner erhalten, allein wenn gegen Blanqui eine Todesverurtheilung ausgesprochen werden sollte, was bliebe dem König übrig, als ihn zu begnadigen, wie er bereits bei Barbés gethan? – Die Deputirtenkammer zuckt noch unter dem elektrischen Eindruck, den die Rede von Thiers auf sie gemacht hat; sie scheint sich zu fragen, ob es nöthig sey, daß nach ihm noch Jemand das Wort nehme, und in der That, seit seinem Vortrage ist nichts Erhebliches mehr gekommen. Nebst dem nationalen Interesse, den dieser Vortrag für Frankreich selbst darbot, mag er auch dem ferner stehenden Beobachter, und wir glauben selbst der europäischen Politik beachtenswerth erscheinen. Auch dießmal ward die Frage der ausländischen Angelegenheiten ein wenig über den Kopf des Ministeriums weg verhandelt; indem man die wirklichen Titularminister so stumm, und Thiers so ex professo in die Materie eingehen sah, konnte man sich des Gedankens nicht erwehren, daß hier ein zukünftiger Ministerpräsident rede, und daß er, vielleicht nur aus ahnendem Instincte, aber mit verhängnißvoller Schonung, die nächste Politik des französischen Cabinets, <hi rendition="#g">seines</hi> Ministeriums ausspreche. 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Cauchy ruft die Zeugen auf, wovon 127 durch den Generalprocurator, 7 auf das Verlangen der Angeklagten berufen waren, und verliest dann die Anklageacte. Der Präsident macht jedem der Angeklagten die hauptsächlichen ihn betreffenden Anklagepunkte bemerklich, und sagt dann zu Blanqui, ob er bei der in seinen früheren Verhören beobachteten Verweigerung zu antworten beharre. Blanqui erklärt: „Da ich bei dem Tribunal, das mich zu richten berufen ist, keine hinreichenden Garantien zu finden glaube, so werde ich über die mir persönlich vorgeworfenen Thatsachen mich nicht erklären. Weil aber in den ersten Sitzungen dieses Processes die Anklagebehörde der republicanischen Partei Rohheit und Blutdurst vorgeworfen hat, so will ich Ihnen durch Thatsachen die Falschheit dieser mehr als zwanzigmal in den Verhandlungen wiederholten Anschuldigungen gegen die Partei, zu der ich gehöre, beweisen. Die Republicaner haben sich weder heute noch jemals (ich meine seit 1830) grausam benommen; nicht sie haben 1834 das Blut von Weibern, Greisen und Kindern vergossen; eben so wenig kann man sie 1839 solcher Ausschweifungen bezichtigen. Man hat in Bezug auf letztere Zeit oft gesagt, sie hätten wehrlose Soldaten umgebracht. Sie haben gesehen, was im Justizpalast vorgegangen ist. Dort war ein Posten von 30 Mann, die gut bewaffnet waren. Die Insurgenten, 30 bis 40 Mann und schlecht bewaffnet, waren bei ihrem Heranrücken von den Soldaten schon in der Ferne gesehen; sie kamen an den Posten ohne einen Schuß; sie hatten sonach keinen Blutdurst; sie sahen die Soldaten schlagfertig aufgestellt, und mußten denken, daß deren Flinten geladen seyen, da sie sie so weit her hatten kommen sehen, und sie forderten nun den Officier auf, sich zu ergeben. Dieser schlug es ab, und so mußten sie verfahren, wie sie verfahren haben. Es sind hier Generale, die wissen, daß man auf dem Schlachtfelde sich zurückziehen, sich ergeben oder kämpfen muß. Auf dem Markte St. Jean war derselbe Fall. Sie haben sagen gehört, daß Insurgenten über die auf dem Boden gelegenen verwundeten Soldaten geweint hätten. Ist dieß Blutdurst? Dieß nur wollte ich sagen, um die verleumderischen Angaben der Staatsanwaltschaft zu widerlegen.“ Der Präsident: „Sie stellen sich auf das möglichst schlechte Gebiet. Sie glauben sich berechtigt, Ihr Vaterland anzugreifen und den Burgfrieden zu stören, und Sie behaupten, nicht an dem vergossenen Blute Schuld zu tragen. Dieses Blut wird auf Sie zurückfallen; Sie haben sich der höchsten Strafen, welche die Gesellschaft auflegen kann, schuldig gemacht.“ Blanqui: „Sie geben nicht zu, daß die Republicaner das Recht gehabt, die Waffen zu ergreifen. Ganz gut; machen Sie sie so verbrecherisch, wie Sie wollen; ich vertheidige hier nur die materielle Thatsache, daß sie nicht blutdürstig gewesen.“ Der Präsident, ohne sich in weitere Controversen einzulassen, erklärt, daß Blanqui's Stillschweigen nur seine Anklage steigern, und daß er sich nicht ungestraft über die Gesetze stellen könne. Die Angeklagten Guignot und Quarré wurden eingeführt, und behaupteten, nicht zu den Insurgenten zu gehören. Sie seyen sogar als provocirende Agenten der Polizei angesehen worden. Quarré kennt weder Barbes, noch Blanqui, noch Martin Bernard.
(Presse.) Es hieß diesen Abend (14), daß ernstliche Unruhen in Foix, Departement der Arriège, stattgefunden haben. Man schrieb sie einigen Maaßregeln örtlicher Verwaltung zu, die eine Zusammenrottung von 5 bis 6000 Personen veranlaßt hätten. Es heißt, der Präfect sey verwundet worden.
_ Paris, 15 Jan. Nichts dauert weniger hier als das Interesse an politischen Processen. Vor der Pairskammer wird in diesem Augenblick die Anklage gegen die zweite Serie der Angeklagten vom 12 Mai verhandelt. Wer denkt auch nur daran? All' die großen Vorsichtsmaaßregeln, die Truppenanhäufungen im Luxembourg, die scharf geladenen Gewehre haben nur Kälte und Gleichgültigkeit im Publicum gefunden. Und doch handelt es sich dort um Leben und Freiheit einer bedeutenden Anzahl von Personen! Und doch ist es noch kein Jahr, daß der Aufstand in den Straßen von Paris selbst stattgehabt. Es ist, als ob man nicht mehr an die Möglichkeit politischer Todesstrafe glaube, und die beste Hoffnung, welche die Angeklagten haben, beruht in der Alles mildernden Zeit selbst. Die Gefängnisse von Doullens und Mont-Saint-Michel werden neue Bewohner erhalten, allein wenn gegen Blanqui eine Todesverurtheilung ausgesprochen werden sollte, was bliebe dem König übrig, als ihn zu begnadigen, wie er bereits bei Barbés gethan? – Die Deputirtenkammer zuckt noch unter dem elektrischen Eindruck, den die Rede von Thiers auf sie gemacht hat; sie scheint sich zu fragen, ob es nöthig sey, daß nach ihm noch Jemand das Wort nehme, und in der That, seit seinem Vortrage ist nichts Erhebliches mehr gekommen. Nebst dem nationalen Interesse, den dieser Vortrag für Frankreich selbst darbot, mag er auch dem ferner stehenden Beobachter, und wir glauben selbst der europäischen Politik beachtenswerth erscheinen. Auch dießmal ward die Frage der ausländischen Angelegenheiten ein wenig über den Kopf des Ministeriums weg verhandelt; indem man die wirklichen Titularminister so stumm, und Thiers so ex professo in die Materie eingehen sah, konnte man sich des Gedankens nicht erwehren, daß hier ein zukünftiger Ministerpräsident rede, und daß er, vielleicht nur aus ahnendem Instincte, aber mit verhängnißvoller Schonung, die nächste Politik des französischen Cabinets, seines Ministeriums ausspreche. In diesem Sinne wird die englische Presse seine Worte auffassen, in diesem Sinne werden sie in Kairo und Alexandrien, in Konstantinopel und Petersburg widerhallen, und hätten sie auch nur die einzige Wirkung, den Bund mit England, an dessen Fortdauer man bereits verzweifeln wollte, als noch möglich darzustellen, ihn auf einige Zeit aufzufrischen, so könnte ihr hoher Werth für den Augenblick nicht bestritten werden.
Belgien.
_ Brüssel, 12 Jan. Aus einem Rückblick auf die Lage Belgiens beim Eintritt in das neue Jahr ergibt sich, daß sie sich seit dem letzten Jahre bedeutend gebessert hat, nachdem sich das vorige durch den Sturz der Bank unter traurigen Auspicien eröffnet hatte. Diese Anstalt ist jetzt wieder im Gedeihen mit ihren Operationen, nachdem sie alle ihre Gläubiger ganz bezahlt hat. Die industriellen Gesellschaften erholen sich ebenfalls nach und nach. Nur die Eisenindustrie leidet noch in Folge Uebermaaßes der Production. – Die Reise, welche Baron Rothschild von Paris hierher gemacht hat, bezieht sich auf Finanzcombinationen für die Liquidation der belgischen Schuld gegen Holland. Dieser Bankier hatte während seines kurzen hiesigen Aufenthalts häufige Unterredungen mit dem Könige, mit unserm Finanzminister und dem holländischen Gesandten, Baron Falk. Er ist gestern nach Paris zurückgereist. — Unser Ministerium wird sich bei den schlecht combinirten Angriffen der Opposition, die ohne System, ohne Einheit der Ansichten und ohne bedeutende Zahl ist, wohl halten. Ich glaube nicht, daß man einen neuen Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernennt. Man wird bloß das Ministerium der öffentlichen Arbeiten aufheben, daraus eine von dem Innern abhängige Generaldirection machen, und Hr. Nothomb wird das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten übernehmen. Er ist ein sehr ausgezeichneter Mann und vollkommen mit der
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