Allgemeine Zeitung. Nr. 21. Augsburg, 21. Januar 1840.
Schweiz. Vom Genfer See, 12 Jan. Alle Nachrichten, die uns von Tessin zukommen, deuten auf eine nahe Gegenrevolution hin, die um so wahrscheinlicher wird, als die lombardische und sardinische Regierung die neue Tessin'sche nicht anerkennen, und fast alle Verbindung mit dem Lande unterbrochen haben, das ohne dieselbe nicht zwei Monate bestehen kann. Starke österreichische und sardinische Truppencordons ziehen sich immer dichter um das Land, zwar keineswegs drohend, aber abwehrend und zurückweisend. - Das Benehmen der Unterwalliser jeunes Suisses gegen die Bundesrepräsentanten in Martigny war doch zu schändlich, als daß die factische Regierung dieses Landestheils in Sitten es nicht hätte mißbilligen sollen. Dieß geschah in einem Schreiben derselben an die Ehrenmänner, denen eher der Dank der Schweiz und eine Bürgerkrone für ihren unparteiischen Eifer und für ihre unermüdliche Bemühung zur Erforschung der Wahrheit gebührte, als die Beleidigungen eines Pöbels, den seine Regierung schon nicht mehr zähmen kann. Jetzt geht stark die Rede, der Alt-Syndic Rigaud von Genf, dieser vielerfahrne Mann, werde in Auftrag des Bundes nach Wallis gehen, um da eine Annäherung beider Theile zu versuchen. Deutschland. Göttingen, 15 Jan. Der geh. Justizrath Mühlenbruch, welcher nach Hannover berufen war, um an den Staatsrathssitzungen, die am 9 d. M. stattgefunden haben, Theil zu nehmen, ist vorgestern zurückgekehrt. Man ist äußerst gespannt auf die Dinge, welche nach diesen Berathungen proclamirt werden, da sich dieselben unzweifelhaft auf den Verfassungsentwurf, nicht unwahrscheinlich zugleich auf die Criminaluntersuchung gegen den Magistrat der Residenz, die eine so unerwartete Wendung genommen, beziehen. - Indessen wird hier ein kleiner Krieg um die Bürgervorsteherwahlen geführt. Die Termine zu den Wahlen für die zwei wegen angeblicher Unfähigkeit ausgeschlossenen Bürgervorsteher, Wehner und Piderit, haben gestern stattgefunden, allein nur in dem einen Stadtdistrict ist eine Wahl zu Stande gekommen. Für den District, in welchem früher Wehner gewählt war, hatte sich eine genügende Anzahl Wähler nicht eingefunden, im andern District ward der Dr. jur Breithaupt gewählt, der als Wahlmann im vorigen Jahre die Wahl eines Deputirten für die Stadt verweigerte. - In Beziehung auf die bevorstehende Wahl der Universität will man in den Briefen Heyne's an Johannes v. Müller, namentlich im 94. Briefe, Aehnlichkeiten mit den gegenwärtigen Zuständen gefunden haben, und ist deßhalb ein wahres Reißen um diese Briefe.*) - Einen großen Theil des Publicums hat jedoch von diesen wahrhaft ermüdenden politischen Streitigkeiten die Erscheinung der Fräulein Agnese Schebest abgezogen, welche gestern als Romeo auftrat und durch stürmischen Beifall und eine Fluth von Gedichten gefeiert wurde. Oesterreich. Wien, 14 Jan. Ich ergreife die Feder, um Ihnen einen Trauerfall zu melden, der hier allgemeine Theilnahme erregt hat. Gestern Nachmittag ist der frühere k. k. Gesandte und bevollmächtigte Minister am k. würtembergischen Hofe, Alfred Fürst zu Schönburg-Hortenstein, in dem Augenblick, als er einer Einladung zum Diner bei Sr. D. dem Fürsten v. Metternich zu folgen im Begriffe war, vom Schlage getroffen worden und plötzlich gestorben. - Ihre Maj. die Kaiserin befindet sich wieder im besten Wohlseyn. - Der gestern von dem russischen Botschafter v. Tatitscheff gegebene Ball war äußerst glänzend. II. kk. HH. der Erzherzog Franz Karl mit Gemahlin, die Erzherzoge Karl, Albrecht, Stephan und Maximilian verschönerten das Fest durch ihren persönlichen Besuch. Außer diesen höchsten Personen bemerkte man dabei die ersten Hof- und Staatsbeamten, das ganze diplomatische Corps, die Elite des hiesigen Adels und mehrere Fremde von Auszeichnung, darunter besonders den Fürsten Pückler-Muskau, welchem auch in den hiesigen Gesellschaftskreisen aufs zuvorkommendste begegnet wird. Vor einigen Tagen hatte Fürst Pückler die Ehre, einen Abend in der Gesellschaft des Fürsten von Metternich zuzubringen, und gestern wurde er von Sr. Durchl. zur Tafel gezogen. Man sieht übrigens den berühmten Reisenden größtentheils allein, d. h. ohne Begleitung der jungen Abyssinierin, welche er, wie schon früher erwähnt wurde, in einem hiesigen Mädchenpensionat unterzubringen bemüht ist. Türkei. Das Journal de Smyrne erwähnt gleichfalls das Gerücht eines blutigen Streites zwischen den nach Persien reisenden französischen Officieren und dem Gefolge Hussein Khans, wovon unser gestriges Schreiben aus Konstantinopel Erwähnung machte. Obiges Journal will wissen, daß vier Officiere und drei ihrer Dragomane ermordet worden seyen. *) In der kürzlich in Schaffhausen erschienenen Sammlung von Briefen an Joh. v. Müller.
Schweiz. Vom Genfer See, 12 Jan. Alle Nachrichten, die uns von Tessin zukommen, deuten auf eine nahe Gegenrevolution hin, die um so wahrscheinlicher wird, als die lombardische und sardinische Regierung die neue Tessin'sche nicht anerkennen, und fast alle Verbindung mit dem Lande unterbrochen haben, das ohne dieselbe nicht zwei Monate bestehen kann. Starke österreichische und sardinische Truppencordons ziehen sich immer dichter um das Land, zwar keineswegs drohend, aber abwehrend und zurückweisend. – Das Benehmen der Unterwalliser jeunes Suisses gegen die Bundesrepräsentanten in Martigny war doch zu schändlich, als daß die factische Regierung dieses Landestheils in Sitten es nicht hätte mißbilligen sollen. Dieß geschah in einem Schreiben derselben an die Ehrenmänner, denen eher der Dank der Schweiz und eine Bürgerkrone für ihren unparteiischen Eifer und für ihre unermüdliche Bemühung zur Erforschung der Wahrheit gebührte, als die Beleidigungen eines Pöbels, den seine Regierung schon nicht mehr zähmen kann. Jetzt geht stark die Rede, der Alt-Syndic Rigaud von Genf, dieser vielerfahrne Mann, werde in Auftrag des Bundes nach Wallis gehen, um da eine Annäherung beider Theile zu versuchen. Deutschland. Göttingen, 15 Jan. Der geh. Justizrath Mühlenbruch, welcher nach Hannover berufen war, um an den Staatsrathssitzungen, die am 9 d. M. stattgefunden haben, Theil zu nehmen, ist vorgestern zurückgekehrt. Man ist äußerst gespannt auf die Dinge, welche nach diesen Berathungen proclamirt werden, da sich dieselben unzweifelhaft auf den Verfassungsentwurf, nicht unwahrscheinlich zugleich auf die Criminaluntersuchung gegen den Magistrat der Residenz, die eine so unerwartete Wendung genommen, beziehen. – Indessen wird hier ein kleiner Krieg um die Bürgervorsteherwahlen geführt. Die Termine zu den Wahlen für die zwei wegen angeblicher Unfähigkeit ausgeschlossenen Bürgervorsteher, Wehner und Piderit, haben gestern stattgefunden, allein nur in dem einen Stadtdistrict ist eine Wahl zu Stande gekommen. Für den District, in welchem früher Wehner gewählt war, hatte sich eine genügende Anzahl Wähler nicht eingefunden, im andern District ward der Dr. jur Breithaupt gewählt, der als Wahlmann im vorigen Jahre die Wahl eines Deputirten für die Stadt verweigerte. – In Beziehung auf die bevorstehende Wahl der Universität will man in den Briefen Heyne's an Johannes v. Müller, namentlich im 94. Briefe, Aehnlichkeiten mit den gegenwärtigen Zuständen gefunden haben, und ist deßhalb ein wahres Reißen um diese Briefe.*) – Einen großen Theil des Publicums hat jedoch von diesen wahrhaft ermüdenden politischen Streitigkeiten die Erscheinung der Fräulein Agnese Schebest abgezogen, welche gestern als Romeo auftrat und durch stürmischen Beifall und eine Fluth von Gedichten gefeiert wurde. Oesterreich. Wien, 14 Jan. Ich ergreife die Feder, um Ihnen einen Trauerfall zu melden, der hier allgemeine Theilnahme erregt hat. Gestern Nachmittag ist der frühere k. k. Gesandte und bevollmächtigte Minister am k. würtembergischen Hofe, Alfred Fürst zu Schönburg-Hortenstein, in dem Augenblick, als er einer Einladung zum Diner bei Sr. D. dem Fürsten v. Metternich zu folgen im Begriffe war, vom Schlage getroffen worden und plötzlich gestorben. – Ihre Maj. die Kaiserin befindet sich wieder im besten Wohlseyn. – Der gestern von dem russischen Botschafter v. Tatitscheff gegebene Ball war äußerst glänzend. II. kk. HH. der Erzherzog Franz Karl mit Gemahlin, die Erzherzoge Karl, Albrecht, Stephan und Maximilian verschönerten das Fest durch ihren persönlichen Besuch. Außer diesen höchsten Personen bemerkte man dabei die ersten Hof- und Staatsbeamten, das ganze diplomatische Corps, die Elite des hiesigen Adels und mehrere Fremde von Auszeichnung, darunter besonders den Fürsten Pückler-Muskau, welchem auch in den hiesigen Gesellschaftskreisen aufs zuvorkommendste begegnet wird. Vor einigen Tagen hatte Fürst Pückler die Ehre, einen Abend in der Gesellschaft des Fürsten von Metternich zuzubringen, und gestern wurde er von Sr. Durchl. zur Tafel gezogen. Man sieht übrigens den berühmten Reisenden größtentheils allein, d. h. ohne Begleitung der jungen Abyssinierin, welche er, wie schon früher erwähnt wurde, in einem hiesigen Mädchenpensionat unterzubringen bemüht ist. Türkei. Das Journal de Smyrne erwähnt gleichfalls das Gerücht eines blutigen Streites zwischen den nach Persien reisenden französischen Officieren und dem Gefolge Hussein Khans, wovon unser gestriges Schreiben aus Konstantinopel Erwähnung machte. Obiges Journal will wissen, daß vier Officiere und drei ihrer Dragomane ermordet worden seyen. *) In der kürzlich in Schaffhausen erschienenen Sammlung von Briefen an Joh. v. Müller.
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Hr. van Rappard trug darauf an, daß die Kammer sich zum Generalcomité bilden und die Entwickelung des Entwurfs vernehmen möge, was auch geschah – Die Studenten der Universität Leyden werden, zur Erinnerung an ein wichtiges historisches Ereigniß, am 8 Febr. eine große Maskerade ausführen, darstellend den Einzug des Herzogs Johann von Bayern im Jahre 1420 in Leyden.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>**</byline> <dateline><hi rendition="#b">Vom Genfer See,</hi> 12 Jan.</dateline> <p> Alle Nachrichten, die uns von Tessin zukommen, deuten auf eine nahe Gegenrevolution hin, die um so wahrscheinlicher wird, als die lombardische und sardinische Regierung die neue Tessin'sche nicht anerkennen, und fast alle Verbindung mit dem Lande unterbrochen haben, das ohne dieselbe nicht zwei Monate bestehen kann. Starke österreichische und sardinische Truppencordons ziehen sich immer dichter um das Land, zwar keineswegs drohend, aber abwehrend und zurückweisend. – Das Benehmen der Unterwalliser jeunes Suisses gegen die Bundesrepräsentanten in Martigny war doch zu schändlich, als daß die factische Regierung dieses Landestheils in Sitten es nicht hätte mißbilligen sollen. Dieß geschah in einem Schreiben derselben an die Ehrenmänner, denen eher der Dank der Schweiz und eine Bürgerkrone für ihren unparteiischen Eifer und für ihre unermüdliche Bemühung zur Erforschung der Wahrheit gebührte, als die Beleidigungen eines Pöbels, den seine Regierung schon nicht mehr zähmen kann. 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Müller.</note> – Einen großen Theil des Publicums hat jedoch von diesen wahrhaft ermüdenden politischen Streitigkeiten die Erscheinung der Fräulein Agnese Schebest abgezogen, welche gestern als Romeo auftrat und durch stürmischen Beifall und eine Fluth von Gedichten gefeiert wurde.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Oesterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline>*</byline> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 14 Jan.</dateline> <p> Ich ergreife die Feder, um Ihnen einen Trauerfall zu melden, der hier allgemeine Theilnahme erregt hat. Gestern Nachmittag ist der frühere k. k. Gesandte und bevollmächtigte Minister am k. würtembergischen Hofe, Alfred Fürst zu Schönburg-Hortenstein, in dem Augenblick, als er einer Einladung zum Diner bei Sr. D. dem Fürsten v. Metternich zu folgen im Begriffe war, vom Schlage getroffen worden und plötzlich gestorben. – Ihre Maj. die Kaiserin befindet sich wieder im besten Wohlseyn. – Der gestern von dem russischen Botschafter v. Tatitscheff gegebene Ball war äußerst glänzend. II. kk. HH. der Erzherzog Franz Karl mit Gemahlin, die Erzherzoge Karl, Albrecht, Stephan und Maximilian verschönerten das Fest durch ihren persönlichen Besuch. Außer diesen höchsten Personen bemerkte man dabei die ersten Hof- und Staatsbeamten, das ganze diplomatische Corps, die Elite des hiesigen Adels und mehrere Fremde von Auszeichnung, darunter besonders den Fürsten Pückler-Muskau, welchem auch in den hiesigen Gesellschaftskreisen aufs zuvorkommendste begegnet wird. Vor einigen Tagen hatte Fürst Pückler die Ehre, einen Abend in der Gesellschaft des Fürsten von Metternich zuzubringen, und gestern wurde er von Sr. Durchl. zur Tafel gezogen. Man sieht übrigens den berühmten Reisenden größtentheils allein, d. h. ohne Begleitung der jungen Abyssinierin, welche er, wie schon früher erwähnt wurde, in einem hiesigen Mädchenpensionat unterzubringen bemüht ist.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">Journal de Smyrne</hi> erwähnt gleichfalls das Gerücht eines blutigen Streites zwischen den nach Persien reisenden französischen Officieren und dem Gefolge Hussein Khans, wovon unser gestriges Schreiben aus Konstantinopel Erwähnung machte. Obiges Journal will wissen, daß vier Officiere und drei ihrer Dragomane ermordet worden seyen.</p> </div><lb/><lb/> </body> </text> </TEI> [0168/0008]
bezüglich weiterer Veränderungen des Grundgesetzes überreicht worden. Hr. van Rappard trug darauf an, daß die Kammer sich zum Generalcomité bilden und die Entwickelung des Entwurfs vernehmen möge, was auch geschah – Die Studenten der Universität Leyden werden, zur Erinnerung an ein wichtiges historisches Ereigniß, am 8 Febr. eine große Maskerade ausführen, darstellend den Einzug des Herzogs Johann von Bayern im Jahre 1420 in Leyden.
Schweiz.
**Vom Genfer See, 12 Jan. Alle Nachrichten, die uns von Tessin zukommen, deuten auf eine nahe Gegenrevolution hin, die um so wahrscheinlicher wird, als die lombardische und sardinische Regierung die neue Tessin'sche nicht anerkennen, und fast alle Verbindung mit dem Lande unterbrochen haben, das ohne dieselbe nicht zwei Monate bestehen kann. Starke österreichische und sardinische Truppencordons ziehen sich immer dichter um das Land, zwar keineswegs drohend, aber abwehrend und zurückweisend. – Das Benehmen der Unterwalliser jeunes Suisses gegen die Bundesrepräsentanten in Martigny war doch zu schändlich, als daß die factische Regierung dieses Landestheils in Sitten es nicht hätte mißbilligen sollen. Dieß geschah in einem Schreiben derselben an die Ehrenmänner, denen eher der Dank der Schweiz und eine Bürgerkrone für ihren unparteiischen Eifer und für ihre unermüdliche Bemühung zur Erforschung der Wahrheit gebührte, als die Beleidigungen eines Pöbels, den seine Regierung schon nicht mehr zähmen kann. Jetzt geht stark die Rede, der Alt-Syndic Rigaud von Genf, dieser vielerfahrne Mann, werde in Auftrag des Bundes nach Wallis gehen, um da eine Annäherung beider Theile zu versuchen.
Deutschland.
*Göttingen, 15 Jan. Der geh. Justizrath Mühlenbruch, welcher nach Hannover berufen war, um an den Staatsrathssitzungen, die am 9 d. M. stattgefunden haben, Theil zu nehmen, ist vorgestern zurückgekehrt. Man ist äußerst gespannt auf die Dinge, welche nach diesen Berathungen proclamirt werden, da sich dieselben unzweifelhaft auf den Verfassungsentwurf, nicht unwahrscheinlich zugleich auf die Criminaluntersuchung gegen den Magistrat der Residenz, die eine so unerwartete Wendung genommen, beziehen. – Indessen wird hier ein kleiner Krieg um die Bürgervorsteherwahlen geführt. Die Termine zu den Wahlen für die zwei wegen angeblicher Unfähigkeit ausgeschlossenen Bürgervorsteher, Wehner und Piderit, haben gestern stattgefunden, allein nur in dem einen Stadtdistrict ist eine Wahl zu Stande gekommen. Für den District, in welchem früher Wehner gewählt war, hatte sich eine genügende Anzahl Wähler nicht eingefunden, im andern District ward der Dr. jur Breithaupt gewählt, der als Wahlmann im vorigen Jahre die Wahl eines Deputirten für die Stadt verweigerte. – In Beziehung auf die bevorstehende Wahl der Universität will man in den Briefen Heyne's an Johannes v. Müller, namentlich im 94. Briefe, Aehnlichkeiten mit den gegenwärtigen Zuständen gefunden haben, und ist deßhalb ein wahres Reißen um diese Briefe. *) – Einen großen Theil des Publicums hat jedoch von diesen wahrhaft ermüdenden politischen Streitigkeiten die Erscheinung der Fräulein Agnese Schebest abgezogen, welche gestern als Romeo auftrat und durch stürmischen Beifall und eine Fluth von Gedichten gefeiert wurde.
Oesterreich.
*Wien, 14 Jan. Ich ergreife die Feder, um Ihnen einen Trauerfall zu melden, der hier allgemeine Theilnahme erregt hat. Gestern Nachmittag ist der frühere k. k. Gesandte und bevollmächtigte Minister am k. würtembergischen Hofe, Alfred Fürst zu Schönburg-Hortenstein, in dem Augenblick, als er einer Einladung zum Diner bei Sr. D. dem Fürsten v. Metternich zu folgen im Begriffe war, vom Schlage getroffen worden und plötzlich gestorben. – Ihre Maj. die Kaiserin befindet sich wieder im besten Wohlseyn. – Der gestern von dem russischen Botschafter v. Tatitscheff gegebene Ball war äußerst glänzend. II. kk. HH. der Erzherzog Franz Karl mit Gemahlin, die Erzherzoge Karl, Albrecht, Stephan und Maximilian verschönerten das Fest durch ihren persönlichen Besuch. Außer diesen höchsten Personen bemerkte man dabei die ersten Hof- und Staatsbeamten, das ganze diplomatische Corps, die Elite des hiesigen Adels und mehrere Fremde von Auszeichnung, darunter besonders den Fürsten Pückler-Muskau, welchem auch in den hiesigen Gesellschaftskreisen aufs zuvorkommendste begegnet wird. Vor einigen Tagen hatte Fürst Pückler die Ehre, einen Abend in der Gesellschaft des Fürsten von Metternich zuzubringen, und gestern wurde er von Sr. Durchl. zur Tafel gezogen. Man sieht übrigens den berühmten Reisenden größtentheils allein, d. h. ohne Begleitung der jungen Abyssinierin, welche er, wie schon früher erwähnt wurde, in einem hiesigen Mädchenpensionat unterzubringen bemüht ist.
Türkei.
Das Journal de Smyrne erwähnt gleichfalls das Gerücht eines blutigen Streites zwischen den nach Persien reisenden französischen Officieren und dem Gefolge Hussein Khans, wovon unser gestriges Schreiben aus Konstantinopel Erwähnung machte. Obiges Journal will wissen, daß vier Officiere und drei ihrer Dragomane ermordet worden seyen.
*) In der kürzlich in Schaffhausen erschienenen Sammlung von Briefen an Joh. v. Müller.
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