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Allgemeine Zeitung. Nr. 23. Augsburg, 23. Januar 1840.

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sie den Zusammenhang der Bank mit den politischen und commerciellen Verhältnissen Nordamerika's übersahen, ihrem Fall, der für den Wissenden schon seit sieben Jahren kein Geheimniß war, mit einer Art von Bangigkeit entgegengesehen. Die Laufbahn der Vereinigten-Staaten-Bank war seit sieben Jahren eine Finanzschwindelei, wie die Welt seit Laws Zeiten keine mehr erlebte, und die Handelswelt verdankte es dem entschlossenen, rechtlichen Benehmen des Generals Jackson, daß das Uebel nicht noch viel tiefer fraß, wenn er gleich aus Rücksicht für das Wohl seines Vaterlandes nicht alsbald den Schleier ganz lüften konnte. Der Grund, weßhalb Jackson seit dem Jahr 1832 die Bank so schonungslos, auf eine in Europa so unbegreifliche Weise anfiel, lag darin, daß er sie schon zu jener Zeit als bankerott erkannte.

General Jackson verfolgte bekanntlich den Plan, sein Land ganz von Schulden frei zu machen, und gab im Jahr 1832 Befehl, 2,700,000 Dollars dreiprocentige Obligationen zurückzuzahlen; die Bank der Vereinigten Staaten, welche damals noch diesen Titel mit Recht führte, indem alle Gelder des Staats in ihr niedergelegt wurden, sollte diese Summe in zwei Terminen, am 1 Julius und am 1 October, auszahlen, was sie um so eher konnte, als sie damals 11,600,000 D. Staatsgelder in Verwahrung hatte. Biddle eilte auf die Nachricht hievon nach Washington, und stellte der Regierung vor, daß es bei den bedeutenden Vorschüssen, die er den New-Yorker Kaufleuten zu machen pflegte, und bei der Nachsicht, die er mit den Zahlungen habe*), besser seyn würde, wenn man die Zahlung der Dreiprocents um drei Monate verschiebe; die Bank wolle dagegen dem Staate die Zinsen ersetzen. Dagegen hatte Jackson nichts einzuwenden, und aus Rücksicht für die New-Yorker Kaufleute ward die Zahlung verschoben. Wie erstaunte er aber nicht, als er vernahm, daß nicht nur die New-Yorker Kaufleute strenger als je zu den Zahlungen an die Regierung angehalten wurden, sondern daß auch die Bank einen Agenten nach England schickte, um durch das Haus Baring und Lin mit den Inhabern der dreiprocentigen Papiere um einen Zahlungsaufschub von einem oder mehr Jahren zu unterhandeln, und zu dem Ende bei dem genannten Bankierhause sich einen Credit von fünf Millionen Dollars zu eröffnen. Die nähern Umstände dieses Vorfalls finden sich im Washington Globe vom 4 Nov. vorigen Jahres, und wir brauchen sie hier nicht näher anzuführen. Genug, Jackson hatte erkannt, daß die Vereinigte-Staaten-Bank, in welcher sämmtliche Staatsgelder niedergelegt wurden, insolvent sey, und von diesem Augenblick an brach er die Verbindung mit ihr ab. Das Benehmen Jacksons ist demnach völlig erklärt und gerechtfertigt, und es ergibt sich hieraus, wie thöricht oder lügenhaft die Behauptung der Vertheidiger der Vereinigten-Staaten-Bank ist, daß, während sie mit dem Staat eng verbunden gewesen, die financiellen Erschütterungen nicht statt gefunden hätten, die später sich so oft erneuerten. Sie fanden nicht in gleichem Umfang statt, weil die Bank durch die Staatsgelder und ihre durch den Staatscredit gestützten Papiere stets die Mittel in der Hand hatte, ihre Verlegenheiten zu verbergen.

Die Thatsache, daß die Insolvenz der Vereinigten-Staaten-Bank schon im Jahr 1832 wirklich bestand, zeigt nicht nur, warum der Streit zwischen ihr und der Regierung mit einer so maaßlosen Erbitterung geführt wurde, indem es sich um die Existenz der Bank handelte, sondern er drückt auch allen ihren spätern Operationen den Stempel einer vorbedachten Schwindelei und des Betrugs auf. Man hat der Vereinigten-Staaten-Bank vor und nach ihrer Zahlungssuspension ein starkes Sündenregister vorgehalten, die ganze Schwere desselben begreift man aber erst, sobald man weiß, daß ihre Insolvenz aus einer viel frühern Zeit datirt, als man gewöhnlich angenommen hat, und daß die mannichfachen Formen, welche ihre Operationen angenommen haben, immer nur neue Auskunftsmittel waren, um aus der einen Verlegenheit hinauszukommen und ihr Daseyn noch etwas länger zu fristen. Man kann der Vereinigten-Staaten-Bank einen sehr großen Theil der Schuld zumessen, daß in Nordamerika Industrie und Handel auf eine so schwindelhafte Weise betrieben wurden. Kaum war ihre Trennung vom Staate wegen ihrer der Regierung, doch nicht dem ganzen Publicum bekannten Insolvenz vollendet, so sah man ihre Papierausgabe mit einemmal auf eine bisher beispiellose Weise sich vermehren. Dieß war wohl kein freiwilliger, sondern ein gezwungener Schritt, um ihre Verbindlichkeiten gegen die Regierung zu decken, und dieses schlimme, von den übrigen Banken nur allzu rasch befolgte Beispiel führte die Krise des Jahres 1837 herbei. Ihr nächster Schritt war, um die daraus entspringenden Verlegenheiten zu decken, daß sie, angeblich um die New-Yorker Kaufleute zu unterstützen, Postnoten in zwölf Monaten zahlbar ausgab, und sich diese theils mit Geld, theils mit Wechseln auf kurze Sicht bezahlen ließ. Dann benützte sie die Zahlungseinstellung der übrigen Banken, um dieß gleichfalls zu thun, und unter diesem Deckmantel die Papierausgabe fortzusetzen und noch zu erweitern. Zugleich begann sie ihre Baumwollenspeculationen: sie kaufte Baumwolle in Amerika gegen Postnoten auf, schickte die Baumwolle nach Liverpool, zog Wechsel auf England für diese Baumwolle, und da diese leichten Abgang fanden, so verkaufte sie immer fort Wechsel auf London in Amerika. Als dieß nicht mehr ging, kaufte sie, abermals gegen Postnoten, in Amerika Canal- und Eisenbahnactien auf, um diese auf dem Londoner Geldmarkt abzusetzen. Dieß dauerte fort, bis endlich Postnoten in Amerika nur gegen den ungeheuern Preis von 18 Procent und Wechsel und Actien der Vereinigten Staaten in London und auf andern Geldmärkten des Continents gar nicht mehr anzubringen waren.

Dieß Verfahren kann man, wenn nicht offenbaren Betrug, doch berechnete Schwindelei nennen, und namentlich ist Grund zu der Vermuthung vorhanden, daß die Vereinigte-Staaten-Bank sich in so maßlose Speculationen einließ, nur um eine möglichst große Zahl von Einzelnen und Corporationen von von Kaufleuten, Banken und Staaten an ihr Schicksal zu knüpfen, damit alle diese ein Interesse dabei hätten, sie nicht fallen zu lassen. Dieß ist ihr auch bis zu einem gewissen Grade gelungen, denn noch jetzt kommen in ihrer Bilanz Papiere von einzelnen Staaten der Union zum Belauf von 53 Mill. Dollars vor, und von dem Werthe dieser Papiere hängt die gute oder schlechte Liquidation der Bank, - falls es zu einer offenbaren Liquidation kommt - hauptsächlich ab. In dieser Verbindung der einzelnen Staaten mit der Vereinigten-Staaten-Bank liegt auch hauptsächlich der Grund, weßhalb aller Verkauf amerikanischer Staatspapiere in England auf die Nachricht von der Zahlungseinstellung jener Bank plötzlich still stand. Niemand wußte, ob er hinsichtlich die Staatspapiere, die er in Händen hatte, an den Staat, der sich dadurch als Schuldner anerkannte, oder an die Bank, die der Generalagent für fast alle diese Anlehen gewesen war, zu halten habe. Die Papiere fielen nicht im Werthe, sie waren aber plötzlich unverkäuflich. Die Connivenz des Staates Pennsylvanien war in dieser Beziehung ein böses Omen. Schon lange vor der Zahlungseinstellung

*) In Nordamerika werden die Zölle mit mehrmonatlichen Wechseln der Kaufleute bezahlt, und wurden oft erneuert, was begreiflich eine große Erleichterung ist.


sie den Zusammenhang der Bank mit den politischen und commerciellen Verhältnissen Nordamerika's übersahen, ihrem Fall, der für den Wissenden schon seit sieben Jahren kein Geheimniß war, mit einer Art von Bangigkeit entgegengesehen. Die Laufbahn der Vereinigten-Staaten-Bank war seit sieben Jahren eine Finanzschwindelei, wie die Welt seit Laws Zeiten keine mehr erlebte, und die Handelswelt verdankte es dem entschlossenen, rechtlichen Benehmen des Generals Jackson, daß das Uebel nicht noch viel tiefer fraß, wenn er gleich aus Rücksicht für das Wohl seines Vaterlandes nicht alsbald den Schleier ganz lüften konnte. Der Grund, weßhalb Jackson seit dem Jahr 1832 die Bank so schonungslos, auf eine in Europa so unbegreifliche Weise anfiel, lag darin, daß er sie schon zu jener Zeit als bankerott erkannte.

General Jackson verfolgte bekanntlich den Plan, sein Land ganz von Schulden frei zu machen, und gab im Jahr 1832 Befehl, 2,700,000 Dollars dreiprocentige Obligationen zurückzuzahlen; die Bank der Vereinigten Staaten, welche damals noch diesen Titel mit Recht führte, indem alle Gelder des Staats in ihr niedergelegt wurden, sollte diese Summe in zwei Terminen, am 1 Julius und am 1 October, auszahlen, was sie um so eher konnte, als sie damals 11,600,000 D. Staatsgelder in Verwahrung hatte. Biddle eilte auf die Nachricht hievon nach Washington, und stellte der Regierung vor, daß es bei den bedeutenden Vorschüssen, die er den New-Yorker Kaufleuten zu machen pflegte, und bei der Nachsicht, die er mit den Zahlungen habe*), besser seyn würde, wenn man die Zahlung der Dreiprocents um drei Monate verschiebe; die Bank wolle dagegen dem Staate die Zinsen ersetzen. Dagegen hatte Jackson nichts einzuwenden, und aus Rücksicht für die New-Yorker Kaufleute ward die Zahlung verschoben. Wie erstaunte er aber nicht, als er vernahm, daß nicht nur die New-Yorker Kaufleute strenger als je zu den Zahlungen an die Regierung angehalten wurden, sondern daß auch die Bank einen Agenten nach England schickte, um durch das Haus Baring und Lin mit den Inhabern der dreiprocentigen Papiere um einen Zahlungsaufschub von einem oder mehr Jahren zu unterhandeln, und zu dem Ende bei dem genannten Bankierhause sich einen Credit von fünf Millionen Dollars zu eröffnen. Die nähern Umstände dieses Vorfalls finden sich im Washington Globe vom 4 Nov. vorigen Jahres, und wir brauchen sie hier nicht näher anzuführen. Genug, Jackson hatte erkannt, daß die Vereinigte-Staaten-Bank, in welcher sämmtliche Staatsgelder niedergelegt wurden, insolvent sey, und von diesem Augenblick an brach er die Verbindung mit ihr ab. Das Benehmen Jacksons ist demnach völlig erklärt und gerechtfertigt, und es ergibt sich hieraus, wie thöricht oder lügenhaft die Behauptung der Vertheidiger der Vereinigten-Staaten-Bank ist, daß, während sie mit dem Staat eng verbunden gewesen, die financiellen Erschütterungen nicht statt gefunden hätten, die später sich so oft erneuerten. Sie fanden nicht in gleichem Umfang statt, weil die Bank durch die Staatsgelder und ihre durch den Staatscredit gestützten Papiere stets die Mittel in der Hand hatte, ihre Verlegenheiten zu verbergen.

Die Thatsache, daß die Insolvenz der Vereinigten-Staaten-Bank schon im Jahr 1832 wirklich bestand, zeigt nicht nur, warum der Streit zwischen ihr und der Regierung mit einer so maaßlosen Erbitterung geführt wurde, indem es sich um die Existenz der Bank handelte, sondern er drückt auch allen ihren spätern Operationen den Stempel einer vorbedachten Schwindelei und des Betrugs auf. Man hat der Vereinigten-Staaten-Bank vor und nach ihrer Zahlungssuspension ein starkes Sündenregister vorgehalten, die ganze Schwere desselben begreift man aber erst, sobald man weiß, daß ihre Insolvenz aus einer viel frühern Zeit datirt, als man gewöhnlich angenommen hat, und daß die mannichfachen Formen, welche ihre Operationen angenommen haben, immer nur neue Auskunftsmittel waren, um aus der einen Verlegenheit hinauszukommen und ihr Daseyn noch etwas länger zu fristen. Man kann der Vereinigten-Staaten-Bank einen sehr großen Theil der Schuld zumessen, daß in Nordamerika Industrie und Handel auf eine so schwindelhafte Weise betrieben wurden. Kaum war ihre Trennung vom Staate wegen ihrer der Regierung, doch nicht dem ganzen Publicum bekannten Insolvenz vollendet, so sah man ihre Papierausgabe mit einemmal auf eine bisher beispiellose Weise sich vermehren. Dieß war wohl kein freiwilliger, sondern ein gezwungener Schritt, um ihre Verbindlichkeiten gegen die Regierung zu decken, und dieses schlimme, von den übrigen Banken nur allzu rasch befolgte Beispiel führte die Krise des Jahres 1837 herbei. Ihr nächster Schritt war, um die daraus entspringenden Verlegenheiten zu decken, daß sie, angeblich um die New-Yorker Kaufleute zu unterstützen, Postnoten in zwölf Monaten zahlbar ausgab, und sich diese theils mit Geld, theils mit Wechseln auf kurze Sicht bezahlen ließ. Dann benützte sie die Zahlungseinstellung der übrigen Banken, um dieß gleichfalls zu thun, und unter diesem Deckmantel die Papierausgabe fortzusetzen und noch zu erweitern. Zugleich begann sie ihre Baumwollenspeculationen: sie kaufte Baumwolle in Amerika gegen Postnoten auf, schickte die Baumwolle nach Liverpool, zog Wechsel auf England für diese Baumwolle, und da diese leichten Abgang fanden, so verkaufte sie immer fort Wechsel auf London in Amerika. Als dieß nicht mehr ging, kaufte sie, abermals gegen Postnoten, in Amerika Canal- und Eisenbahnactien auf, um diese auf dem Londoner Geldmarkt abzusetzen. Dieß dauerte fort, bis endlich Postnoten in Amerika nur gegen den ungeheuern Preis von 18 Procent und Wechsel und Actien der Vereinigten Staaten in London und auf andern Geldmärkten des Continents gar nicht mehr anzubringen waren.

Dieß Verfahren kann man, wenn nicht offenbaren Betrug, doch berechnete Schwindelei nennen, und namentlich ist Grund zu der Vermuthung vorhanden, daß die Vereinigte-Staaten-Bank sich in so maßlose Speculationen einließ, nur um eine möglichst große Zahl von Einzelnen und Corporationen von von Kaufleuten, Banken und Staaten an ihr Schicksal zu knüpfen, damit alle diese ein Interesse dabei hätten, sie nicht fallen zu lassen. Dieß ist ihr auch bis zu einem gewissen Grade gelungen, denn noch jetzt kommen in ihrer Bilanz Papiere von einzelnen Staaten der Union zum Belauf von 53 Mill. Dollars vor, und von dem Werthe dieser Papiere hängt die gute oder schlechte Liquidation der Bank, – falls es zu einer offenbaren Liquidation kommt – hauptsächlich ab. In dieser Verbindung der einzelnen Staaten mit der Vereinigten-Staaten-Bank liegt auch hauptsächlich der Grund, weßhalb aller Verkauf amerikanischer Staatspapiere in England auf die Nachricht von der Zahlungseinstellung jener Bank plötzlich still stand. Niemand wußte, ob er hinsichtlich die Staatspapiere, die er in Händen hatte, an den Staat, der sich dadurch als Schuldner anerkannte, oder an die Bank, die der Generalagent für fast alle diese Anlehen gewesen war, zu halten habe. Die Papiere fielen nicht im Werthe, sie waren aber plötzlich unverkäuflich. Die Connivenz des Staates Pennsylvanien war in dieser Beziehung ein böses Omen. Schon lange vor der Zahlungseinstellung

*) In Nordamerika werden die Zölle mit mehrmonatlichen Wechseln der Kaufleute bezahlt, und wurden oft erneuert, was begreiflich eine große Erleichterung ist.
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[0181/0013] sie den Zusammenhang der Bank mit den politischen und commerciellen Verhältnissen Nordamerika's übersahen, ihrem Fall, der für den Wissenden schon seit sieben Jahren kein Geheimniß war, mit einer Art von Bangigkeit entgegengesehen. Die Laufbahn der Vereinigten-Staaten-Bank war seit sieben Jahren eine Finanzschwindelei, wie die Welt seit Laws Zeiten keine mehr erlebte, und die Handelswelt verdankte es dem entschlossenen, rechtlichen Benehmen des Generals Jackson, daß das Uebel nicht noch viel tiefer fraß, wenn er gleich aus Rücksicht für das Wohl seines Vaterlandes nicht alsbald den Schleier ganz lüften konnte. Der Grund, weßhalb Jackson seit dem Jahr 1832 die Bank so schonungslos, auf eine in Europa so unbegreifliche Weise anfiel, lag darin, daß er sie schon zu jener Zeit als bankerott erkannte. General Jackson verfolgte bekanntlich den Plan, sein Land ganz von Schulden frei zu machen, und gab im Jahr 1832 Befehl, 2,700,000 Dollars dreiprocentige Obligationen zurückzuzahlen; die Bank der Vereinigten Staaten, welche damals noch diesen Titel mit Recht führte, indem alle Gelder des Staats in ihr niedergelegt wurden, sollte diese Summe in zwei Terminen, am 1 Julius und am 1 October, auszahlen, was sie um so eher konnte, als sie damals 11,600,000 D. Staatsgelder in Verwahrung hatte. Biddle eilte auf die Nachricht hievon nach Washington, und stellte der Regierung vor, daß es bei den bedeutenden Vorschüssen, die er den New-Yorker Kaufleuten zu machen pflegte, und bei der Nachsicht, die er mit den Zahlungen habe *), besser seyn würde, wenn man die Zahlung der Dreiprocents um drei Monate verschiebe; die Bank wolle dagegen dem Staate die Zinsen ersetzen. Dagegen hatte Jackson nichts einzuwenden, und aus Rücksicht für die New-Yorker Kaufleute ward die Zahlung verschoben. Wie erstaunte er aber nicht, als er vernahm, daß nicht nur die New-Yorker Kaufleute strenger als je zu den Zahlungen an die Regierung angehalten wurden, sondern daß auch die Bank einen Agenten nach England schickte, um durch das Haus Baring und Lin mit den Inhabern der dreiprocentigen Papiere um einen Zahlungsaufschub von einem oder mehr Jahren zu unterhandeln, und zu dem Ende bei dem genannten Bankierhause sich einen Credit von fünf Millionen Dollars zu eröffnen. Die nähern Umstände dieses Vorfalls finden sich im Washington Globe vom 4 Nov. vorigen Jahres, und wir brauchen sie hier nicht näher anzuführen. Genug, Jackson hatte erkannt, daß die Vereinigte-Staaten-Bank, in welcher sämmtliche Staatsgelder niedergelegt wurden, insolvent sey, und von diesem Augenblick an brach er die Verbindung mit ihr ab. Das Benehmen Jacksons ist demnach völlig erklärt und gerechtfertigt, und es ergibt sich hieraus, wie thöricht oder lügenhaft die Behauptung der Vertheidiger der Vereinigten-Staaten-Bank ist, daß, während sie mit dem Staat eng verbunden gewesen, die financiellen Erschütterungen nicht statt gefunden hätten, die später sich so oft erneuerten. Sie fanden nicht in gleichem Umfang statt, weil die Bank durch die Staatsgelder und ihre durch den Staatscredit gestützten Papiere stets die Mittel in der Hand hatte, ihre Verlegenheiten zu verbergen. Die Thatsache, daß die Insolvenz der Vereinigten-Staaten-Bank schon im Jahr 1832 wirklich bestand, zeigt nicht nur, warum der Streit zwischen ihr und der Regierung mit einer so maaßlosen Erbitterung geführt wurde, indem es sich um die Existenz der Bank handelte, sondern er drückt auch allen ihren spätern Operationen den Stempel einer vorbedachten Schwindelei und des Betrugs auf. Man hat der Vereinigten-Staaten-Bank vor und nach ihrer Zahlungssuspension ein starkes Sündenregister vorgehalten, die ganze Schwere desselben begreift man aber erst, sobald man weiß, daß ihre Insolvenz aus einer viel frühern Zeit datirt, als man gewöhnlich angenommen hat, und daß die mannichfachen Formen, welche ihre Operationen angenommen haben, immer nur neue Auskunftsmittel waren, um aus der einen Verlegenheit hinauszukommen und ihr Daseyn noch etwas länger zu fristen. Man kann der Vereinigten-Staaten-Bank einen sehr großen Theil der Schuld zumessen, daß in Nordamerika Industrie und Handel auf eine so schwindelhafte Weise betrieben wurden. Kaum war ihre Trennung vom Staate wegen ihrer der Regierung, doch nicht dem ganzen Publicum bekannten Insolvenz vollendet, so sah man ihre Papierausgabe mit einemmal auf eine bisher beispiellose Weise sich vermehren. Dieß war wohl kein freiwilliger, sondern ein gezwungener Schritt, um ihre Verbindlichkeiten gegen die Regierung zu decken, und dieses schlimme, von den übrigen Banken nur allzu rasch befolgte Beispiel führte die Krise des Jahres 1837 herbei. Ihr nächster Schritt war, um die daraus entspringenden Verlegenheiten zu decken, daß sie, angeblich um die New-Yorker Kaufleute zu unterstützen, Postnoten in zwölf Monaten zahlbar ausgab, und sich diese theils mit Geld, theils mit Wechseln auf kurze Sicht bezahlen ließ. Dann benützte sie die Zahlungseinstellung der übrigen Banken, um dieß gleichfalls zu thun, und unter diesem Deckmantel die Papierausgabe fortzusetzen und noch zu erweitern. Zugleich begann sie ihre Baumwollenspeculationen: sie kaufte Baumwolle in Amerika gegen Postnoten auf, schickte die Baumwolle nach Liverpool, zog Wechsel auf England für diese Baumwolle, und da diese leichten Abgang fanden, so verkaufte sie immer fort Wechsel auf London in Amerika. Als dieß nicht mehr ging, kaufte sie, abermals gegen Postnoten, in Amerika Canal- und Eisenbahnactien auf, um diese auf dem Londoner Geldmarkt abzusetzen. Dieß dauerte fort, bis endlich Postnoten in Amerika nur gegen den ungeheuern Preis von 18 Procent und Wechsel und Actien der Vereinigten Staaten in London und auf andern Geldmärkten des Continents gar nicht mehr anzubringen waren. Dieß Verfahren kann man, wenn nicht offenbaren Betrug, doch berechnete Schwindelei nennen, und namentlich ist Grund zu der Vermuthung vorhanden, daß die Vereinigte-Staaten-Bank sich in so maßlose Speculationen einließ, nur um eine möglichst große Zahl von Einzelnen und Corporationen von von Kaufleuten, Banken und Staaten an ihr Schicksal zu knüpfen, damit alle diese ein Interesse dabei hätten, sie nicht fallen zu lassen. Dieß ist ihr auch bis zu einem gewissen Grade gelungen, denn noch jetzt kommen in ihrer Bilanz Papiere von einzelnen Staaten der Union zum Belauf von 53 Mill. Dollars vor, und von dem Werthe dieser Papiere hängt die gute oder schlechte Liquidation der Bank, – falls es zu einer offenbaren Liquidation kommt – hauptsächlich ab. In dieser Verbindung der einzelnen Staaten mit der Vereinigten-Staaten-Bank liegt auch hauptsächlich der Grund, weßhalb aller Verkauf amerikanischer Staatspapiere in England auf die Nachricht von der Zahlungseinstellung jener Bank plötzlich still stand. Niemand wußte, ob er hinsichtlich die Staatspapiere, die er in Händen hatte, an den Staat, der sich dadurch als Schuldner anerkannte, oder an die Bank, die der Generalagent für fast alle diese Anlehen gewesen war, zu halten habe. Die Papiere fielen nicht im Werthe, sie waren aber plötzlich unverkäuflich. Die Connivenz des Staates Pennsylvanien war in dieser Beziehung ein böses Omen. Schon lange vor der Zahlungseinstellung *) In Nordamerika werden die Zölle mit mehrmonatlichen Wechseln der Kaufleute bezahlt, und wurden oft erneuert, was begreiflich eine große Erleichterung ist.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 23. Augsburg, 23. Januar 1840, S. 0181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_023_18400123/13>, abgerufen am 27.04.2024.