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Allgemeine Zeitung. Nr. 27. Augsburg, 27. Januar 1840.

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seine Beistimmung entschieden werden. Hier gebühren ihm rechtlich und factisch mehr als anderwärts die Initiative und die Sanction. Ist es nicht befremdlich, einen vormaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten sehen zu müssen, wie er die Isolirung Frankreichs als eine seiner würdige Stellung schildert! Die Politik, deren Werkzeug Hr. Thiers gewesen ist und wieder werden will, hat bereits Frankreich nur zu sehr isolirt; aber das isolirte Frankreich, das heißt das in der orientalischen Frage neutrale und passive Frankreich, würde bald zum niedersten Rang der Mächte von Europa verwiesen werden.

(Courrier francais.) Das Journal des Debats ruft Hrn. Thiers zu: "Sie behaupten, man hätte sich gegen die englische Regierung offen aussprechen sollen. Wohlan! man hat sich ausgesprochen, und hat gefunden, daß die beiden Regierungen sich nicht einigen konnten." Das Journal des Debats mag uns verzeihen, aber seine hohe und sublime Einsicht hat Hrn. Thiers nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Hr. Thiers ist weit entfernt zu bestreiten, daß Erklärungen zwischen den zwei Regierungen vorgefallen seyen; er sagt nur, daß man sich zu spät erklärt habe, und daß es nicht gleichgültig war, ob man sich vor oder nach der Note vom 27 Jul. erklärte. Es ist jetzt notorisch, daß die englische Regierung in der ersten Periode der Negociationen nur mit Frankreich sich zu verständigen verlangte. Seine Abgesandten mußten dem französischen Cabinette Mittheilungen machen, die immer ohne Antwort blieben, oder auf die man nie klar und bestimmt antwortete. Weil nun Frankreich lange Zeit hindurch so gut war, keine Politik in Bezug auf den Orient hatte, trennte sich endlich die englische Regierung von uns. Als das Ministerium vom 12 Mai endlich ein System gefunden hatte, als es eine Richtung einschlug, war schon nicht mehr Zeit dazu. England, des Zuwartens müde, war seinen eigenen Eingebungen gefolgt. Es hatte nun Verpflichtungen eingegangen, und jetzt muß man es mit unermeßlichen Schwierigkeiten davon zurückbringen.

Unter den 37,232 Gemeinden, welche Frankreich enthält, haben 680 nicht über 100 Fr. Communaleinkünfte, 11,364 haben keine 500 Fr., 36,454 bleiben unter 10,000, während 778 diese Summe übersteigen, aber doch nur 95 Gemeinden mehr als 100,000 Fr. Einkünfte haben.

Das Journal des Debats bringt ein Schreiben aus Constantine mit sehr günstigen Nachrichten. In dieser Provinz dehnt sich die Herrschaft der Franzosen immer mehr aus, stößt auf wenig oder keinen Widerstand, und hat, wenn man den Versicherungen des Correspondenten glauben darf, in Folge der Anhänglichkeit der meisten Stammhäuptlinge, die Umtriebe und Feindseligkeiten Abd-El-Kaders nicht zu fürchten. Unter den Scheikhs, welche sich neuerdings unterworfen haben, nennt man besonders Burnan, das Oberhaupt des Stammes der Monias, von welchem sich bei der zweiten Expedition gegen Constantine viele Männer mit unter den Vertheidigern der Stadt befanden. Burnan hat dreißig Söhne, von denen zwanzig erwachsene ihn stets in den Kampf begleiten. - Die neue militärische Niederlassung der Franzosen bei Setif gewinnt eine immer steigende Wichtigkeit. Viele Araberstämme haben ihre Duars in die Nähe des Forts verlegt, um im Fall einer Gefahr den Schutz der französischen Truppen anrufen zu können. - Achmet, Ex-Bey von Constantine, soll sich auf die energische Aufforderung des Bey's von Tunis von der Tuneser Gränze entfernt und nach dem Süden zurückgezogen haben. Er besitzt an der Gränze der Wüste noch ein Fort, Bordschi-Sidi-ben-Abbas genannt, wo er den Rest seiner geretteten Schätze verwahrt. Die Araber glauben jedoch, der Ex-Bey könne leicht unterwegs von den Stämmen geplündert und sogar ermordet werden. Eine französische Colonne ist von Constantine abgegangen, um die Bewegungen Achmets zu bewachen. - Aus dem Süden der Provinz lauten die Nachrichten sehr günstig. Ein Officier Abd-El-Kaders, der sich dort gezeigt hatte, entfernte sich bei Annäherung des Scheik-el-Arab, Bu-Asis-ben-Gana aus jener Gegend. In Constantine und Philippeville nahm die Zahl der Kranken immer mehr ab.

Ein Courier, welcher am 10 d. von Hrn. Cochelet aus Alexandrien eingetroffen, veranlaßte noch im Laufe jenes Tages den Zusammentritt des Ministerconseils. Am Schlusse desselben ging gleich ein anderer Courier nach London ab, um den Grafen Sebastiani genau zu unterrichten, was man hier beschlossen hat. Hr. Cochelet soll, so wird versichert, gemeldet haben, daß Mehemed Ali auf die ihm im Namen unseres Ministeriums gemachten Vorstellungen, sich minder exigent zu zeigen, als er seither gethan, geantwortet haben, er sey bereit die heiligen Städte und das dazu gehörige Gebiet der Pforte zu restituiren, *)*) allein dieß sey sein letztes Wort, und er würde sich unter was immer für Umständen nie dazu verstehen, weitere Concessionen zu machen, selbst wenn man zu Zwangsmitteln greifen sollte. Dem Ministerconseil ist diese Nachgiebigkeit sehr erwünscht gekommen. Es hat sich, wie gesagt, beeilt, den Grafen Sebastiani davon in Kenntniß zu setzen und zu instruiren, daß er diese Meinung benützen soll, um die Conferenzen zu London in den Sinn der hiesigen Politik eingehen zu machen. In London selbst werden, den letzten Nachrichten zufolge, die Unterhandlungen äußerst lau geführt, so daß man vermuthete, sie werden sich sehr in die Länge ziehen und unser Cabinet Gelegenheit finden, seine Gewandtheit geltend zu machen. Auf den wenigen Fortschritten, welche die Conferenzen machten, scheinen die guten Nachrichten zu beruhen, von denen ich neulich sprach.

Wir erhielten durch das Linienschiff Hercules folgendes Schreiben eines französischen Officiers, der auf der Rhede von Vurla sich befindet: "Es scheint, die französische Regierung will die Escadre Lalande ganz vertheilen, und diesem Admiral nur ein illusorisches Commando lassen, als Uebergang zu seiner Ersetzung durch den Admiral Rosamel. Drei französische Linienschiffe sind bereits nach Toulon abgegangen, drei andere Linienschiffe werden ihnen noch vor Ende Januar folgen. Es bleiben nur die Linienschiffe Jena, Santi-Petri und Diademe in Vurla zurück. Allerdings hat man bei der unthätigen Politik, die man angenommen, keiner bedeutenden Streitkräfte nöthig. Man muß jedoch bedenken, daß England 12 Linienschiffe hier zurückläßt, und dieselben unaufhörlich noch vermehrt. Der Einfluß, den man in Konstantinopel übt,

*) Wie man bemerken wird, stimmen diese Nachrichten mit unserer heutigen Correspondenz aus Alexandria, und unserer gestrigen aus Konstantinopel überein. Das Commerce vom 21 Jan. läßt sich in einem angeblichen Brief aus Wien über die Londoner Conferenzen allerlei Dinge schreiben, deren Wahrscheinlichkeit wohl dadurch bekräftigt werden soll, daß am Schlusse beigefügt wird, die angeblichen vertraulichen Correspondenzen, welche die Allgem. Ztg. seit einigen Wochen aus Wien, Paris und London liefere, würden, wie man recht gut wisse, alle in Paris von einem russischen Agenten geschmiedet, der zu bekannt sey, als daß es nöthig wäre, seinen Namen zu nennen. Da es indessen doch Leute gibt, die diesen geschickten russischen Agenten nicht kennen, und da unglücklicherweise selbst die Redaction der Allg. Ztg. zu diesen Unwissenden gehört, so ersuchen wir das Commerce dringend, dessen Namen zu nennen, da man sonst glauben könnte, es habe sich da eine rechte Albernheit aufbinden lassen.

seine Beistimmung entschieden werden. Hier gebühren ihm rechtlich und factisch mehr als anderwärts die Initiative und die Sanction. Ist es nicht befremdlich, einen vormaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten sehen zu müssen, wie er die Isolirung Frankreichs als eine seiner würdige Stellung schildert! Die Politik, deren Werkzeug Hr. Thiers gewesen ist und wieder werden will, hat bereits Frankreich nur zu sehr isolirt; aber das isolirte Frankreich, das heißt das in der orientalischen Frage neutrale und passive Frankreich, würde bald zum niedersten Rang der Mächte von Europa verwiesen werden.

(Courrier français.) Das Journal des Débats ruft Hrn. Thiers zu: „Sie behaupten, man hätte sich gegen die englische Regierung offen aussprechen sollen. Wohlan! man hat sich ausgesprochen, und hat gefunden, daß die beiden Regierungen sich nicht einigen konnten.“ Das Journal des Débats mag uns verzeihen, aber seine hohe und sublime Einsicht hat Hrn. Thiers nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Hr. Thiers ist weit entfernt zu bestreiten, daß Erklärungen zwischen den zwei Regierungen vorgefallen seyen; er sagt nur, daß man sich zu spät erklärt habe, und daß es nicht gleichgültig war, ob man sich vor oder nach der Note vom 27 Jul. erklärte. Es ist jetzt notorisch, daß die englische Regierung in der ersten Periode der Negociationen nur mit Frankreich sich zu verständigen verlangte. Seine Abgesandten mußten dem französischen Cabinette Mittheilungen machen, die immer ohne Antwort blieben, oder auf die man nie klar und bestimmt antwortete. Weil nun Frankreich lange Zeit hindurch so gut war, keine Politik in Bezug auf den Orient hatte, trennte sich endlich die englische Regierung von uns. Als das Ministerium vom 12 Mai endlich ein System gefunden hatte, als es eine Richtung einschlug, war schon nicht mehr Zeit dazu. England, des Zuwartens müde, war seinen eigenen Eingebungen gefolgt. Es hatte nun Verpflichtungen eingegangen, und jetzt muß man es mit unermeßlichen Schwierigkeiten davon zurückbringen.

Unter den 37,232 Gemeinden, welche Frankreich enthält, haben 680 nicht über 100 Fr. Communaleinkünfte, 11,364 haben keine 500 Fr., 36,454 bleiben unter 10,000, während 778 diese Summe übersteigen, aber doch nur 95 Gemeinden mehr als 100,000 Fr. Einkünfte haben.

Das Journal des Débats bringt ein Schreiben aus Constantine mit sehr günstigen Nachrichten. In dieser Provinz dehnt sich die Herrschaft der Franzosen immer mehr aus, stößt auf wenig oder keinen Widerstand, und hat, wenn man den Versicherungen des Correspondenten glauben darf, in Folge der Anhänglichkeit der meisten Stammhäuptlinge, die Umtriebe und Feindseligkeiten Abd-El-Kaders nicht zu fürchten. Unter den Scheikhs, welche sich neuerdings unterworfen haben, nennt man besonders Burnan, das Oberhaupt des Stammes der Monias, von welchem sich bei der zweiten Expedition gegen Constantine viele Männer mit unter den Vertheidigern der Stadt befanden. Burnan hat dreißig Söhne, von denen zwanzig erwachsene ihn stets in den Kampf begleiten. – Die neue militärische Niederlassung der Franzosen bei Setif gewinnt eine immer steigende Wichtigkeit. Viele Araberstämme haben ihre Duars in die Nähe des Forts verlegt, um im Fall einer Gefahr den Schutz der französischen Truppen anrufen zu können. – Achmet, Ex-Bey von Constantine, soll sich auf die energische Aufforderung des Bey's von Tunis von der Tuneser Gränze entfernt und nach dem Süden zurückgezogen haben. Er besitzt an der Gränze der Wüste noch ein Fort, Bordschi-Sidi-ben-Abbas genannt, wo er den Rest seiner geretteten Schätze verwahrt. Die Araber glauben jedoch, der Ex-Bey könne leicht unterwegs von den Stämmen geplündert und sogar ermordet werden. Eine französische Colonne ist von Constantine abgegangen, um die Bewegungen Achmets zu bewachen. – Aus dem Süden der Provinz lauten die Nachrichten sehr günstig. Ein Officier Abd-El-Kaders, der sich dort gezeigt hatte, entfernte sich bei Annäherung des Scheik-el-Arab, Bu-Asis-ben-Gana aus jener Gegend. In Constantine und Philippeville nahm die Zahl der Kranken immer mehr ab.

Ein Courier, welcher am 10 d. von Hrn. Cochelet aus Alexandrien eingetroffen, veranlaßte noch im Laufe jenes Tages den Zusammentritt des Ministerconseils. Am Schlusse desselben ging gleich ein anderer Courier nach London ab, um den Grafen Sebastiani genau zu unterrichten, was man hier beschlossen hat. Hr. Cochelet soll, so wird versichert, gemeldet haben, daß Mehemed Ali auf die ihm im Namen unseres Ministeriums gemachten Vorstellungen, sich minder exigent zu zeigen, als er seither gethan, geantwortet haben, er sey bereit die heiligen Städte und das dazu gehörige Gebiet der Pforte zu restituiren, *)*) allein dieß sey sein letztes Wort, und er würde sich unter was immer für Umständen nie dazu verstehen, weitere Concessionen zu machen, selbst wenn man zu Zwangsmitteln greifen sollte. Dem Ministerconseil ist diese Nachgiebigkeit sehr erwünscht gekommen. Es hat sich, wie gesagt, beeilt, den Grafen Sebastiani davon in Kenntniß zu setzen und zu instruiren, daß er diese Meinung benützen soll, um die Conferenzen zu London in den Sinn der hiesigen Politik eingehen zu machen. In London selbst werden, den letzten Nachrichten zufolge, die Unterhandlungen äußerst lau geführt, so daß man vermuthete, sie werden sich sehr in die Länge ziehen und unser Cabinet Gelegenheit finden, seine Gewandtheit geltend zu machen. Auf den wenigen Fortschritten, welche die Conferenzen machten, scheinen die guten Nachrichten zu beruhen, von denen ich neulich sprach.

Wir erhielten durch das Linienschiff Hercules folgendes Schreiben eines französischen Officiers, der auf der Rhede von Vurla sich befindet: „Es scheint, die französische Regierung will die Escadre Lalande ganz vertheilen, und diesem Admiral nur ein illusorisches Commando lassen, als Uebergang zu seiner Ersetzung durch den Admiral Rosamel. Drei französische Linienschiffe sind bereits nach Toulon abgegangen, drei andere Linienschiffe werden ihnen noch vor Ende Januar folgen. Es bleiben nur die Linienschiffe Jena, Santi-Petri und Diademe in Vurla zurück. Allerdings hat man bei der unthätigen Politik, die man angenommen, keiner bedeutenden Streitkräfte nöthig. Man muß jedoch bedenken, daß England 12 Linienschiffe hier zurückläßt, und dieselben unaufhörlich noch vermehrt. Der Einfluß, den man in Konstantinopel übt,

*) Wie man bemerken wird, stimmen diese Nachrichten mit unserer heutigen Correspondenz aus Alexandria, und unserer gestrigen aus Konstantinopel überein. Das Commerce vom 21 Jan. läßt sich in einem angeblichen Brief aus Wien über die Londoner Conferenzen allerlei Dinge schreiben, deren Wahrscheinlichkeit wohl dadurch bekräftigt werden soll, daß am Schlusse beigefügt wird, die angeblichen vertraulichen Correspondenzen, welche die Allgem. Ztg. seit einigen Wochen aus Wien, Paris und London liefere, würden, wie man recht gut wisse, alle in Paris von einem russischen Agenten geschmiedet, der zu bekannt sey, als daß es nöthig wäre, seinen Namen zu nennen. Da es indessen doch Leute gibt, die diesen geschickten russischen Agenten nicht kennen, und da unglücklicherweise selbst die Redaction der Allg. Ztg. zu diesen Unwissenden gehört, so ersuchen wir das Commerce dringend, dessen Namen zu nennen, da man sonst glauben könnte, es habe sich da eine rechte Albernheit aufbinden lassen.
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[0212/0004] seine Beistimmung entschieden werden. Hier gebühren ihm rechtlich und factisch mehr als anderwärts die Initiative und die Sanction. Ist es nicht befremdlich, einen vormaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten sehen zu müssen, wie er die Isolirung Frankreichs als eine seiner würdige Stellung schildert! Die Politik, deren Werkzeug Hr. Thiers gewesen ist und wieder werden will, hat bereits Frankreich nur zu sehr isolirt; aber das isolirte Frankreich, das heißt das in der orientalischen Frage neutrale und passive Frankreich, würde bald zum niedersten Rang der Mächte von Europa verwiesen werden. (Courrier français.) Das Journal des Débats ruft Hrn. Thiers zu: „Sie behaupten, man hätte sich gegen die englische Regierung offen aussprechen sollen. Wohlan! man hat sich ausgesprochen, und hat gefunden, daß die beiden Regierungen sich nicht einigen konnten.“ Das Journal des Débats mag uns verzeihen, aber seine hohe und sublime Einsicht hat Hrn. Thiers nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Hr. Thiers ist weit entfernt zu bestreiten, daß Erklärungen zwischen den zwei Regierungen vorgefallen seyen; er sagt nur, daß man sich zu spät erklärt habe, und daß es nicht gleichgültig war, ob man sich vor oder nach der Note vom 27 Jul. erklärte. Es ist jetzt notorisch, daß die englische Regierung in der ersten Periode der Negociationen nur mit Frankreich sich zu verständigen verlangte. Seine Abgesandten mußten dem französischen Cabinette Mittheilungen machen, die immer ohne Antwort blieben, oder auf die man nie klar und bestimmt antwortete. Weil nun Frankreich lange Zeit hindurch so gut war, keine Politik in Bezug auf den Orient hatte, trennte sich endlich die englische Regierung von uns. Als das Ministerium vom 12 Mai endlich ein System gefunden hatte, als es eine Richtung einschlug, war schon nicht mehr Zeit dazu. England, des Zuwartens müde, war seinen eigenen Eingebungen gefolgt. Es hatte nun Verpflichtungen eingegangen, und jetzt muß man es mit unermeßlichen Schwierigkeiten davon zurückbringen. Unter den 37,232 Gemeinden, welche Frankreich enthält, haben 680 nicht über 100 Fr. Communaleinkünfte, 11,364 haben keine 500 Fr., 36,454 bleiben unter 10,000, während 778 diese Summe übersteigen, aber doch nur 95 Gemeinden mehr als 100,000 Fr. Einkünfte haben. Das Journal des Débats bringt ein Schreiben aus Constantine mit sehr günstigen Nachrichten. In dieser Provinz dehnt sich die Herrschaft der Franzosen immer mehr aus, stößt auf wenig oder keinen Widerstand, und hat, wenn man den Versicherungen des Correspondenten glauben darf, in Folge der Anhänglichkeit der meisten Stammhäuptlinge, die Umtriebe und Feindseligkeiten Abd-El-Kaders nicht zu fürchten. Unter den Scheikhs, welche sich neuerdings unterworfen haben, nennt man besonders Burnan, das Oberhaupt des Stammes der Monias, von welchem sich bei der zweiten Expedition gegen Constantine viele Männer mit unter den Vertheidigern der Stadt befanden. Burnan hat dreißig Söhne, von denen zwanzig erwachsene ihn stets in den Kampf begleiten. – Die neue militärische Niederlassung der Franzosen bei Setif gewinnt eine immer steigende Wichtigkeit. Viele Araberstämme haben ihre Duars in die Nähe des Forts verlegt, um im Fall einer Gefahr den Schutz der französischen Truppen anrufen zu können. – Achmet, Ex-Bey von Constantine, soll sich auf die energische Aufforderung des Bey's von Tunis von der Tuneser Gränze entfernt und nach dem Süden zurückgezogen haben. Er besitzt an der Gränze der Wüste noch ein Fort, Bordschi-Sidi-ben-Abbas genannt, wo er den Rest seiner geretteten Schätze verwahrt. Die Araber glauben jedoch, der Ex-Bey könne leicht unterwegs von den Stämmen geplündert und sogar ermordet werden. Eine französische Colonne ist von Constantine abgegangen, um die Bewegungen Achmets zu bewachen. – Aus dem Süden der Provinz lauten die Nachrichten sehr günstig. Ein Officier Abd-El-Kaders, der sich dort gezeigt hatte, entfernte sich bei Annäherung des Scheik-el-Arab, Bu-Asis-ben-Gana aus jener Gegend. In Constantine und Philippeville nahm die Zahl der Kranken immer mehr ab. _ Paris, 20 Jan. Ein Courier, welcher am 10 d. von Hrn. Cochelet aus Alexandrien eingetroffen, veranlaßte noch im Laufe jenes Tages den Zusammentritt des Ministerconseils. Am Schlusse desselben ging gleich ein anderer Courier nach London ab, um den Grafen Sebastiani genau zu unterrichten, was man hier beschlossen hat. Hr. Cochelet soll, so wird versichert, gemeldet haben, daß Mehemed Ali auf die ihm im Namen unseres Ministeriums gemachten Vorstellungen, sich minder exigent zu zeigen, als er seither gethan, geantwortet haben, er sey bereit die heiligen Städte und das dazu gehörige Gebiet der Pforte zu restituiren, *) *) allein dieß sey sein letztes Wort, und er würde sich unter was immer für Umständen nie dazu verstehen, weitere Concessionen zu machen, selbst wenn man zu Zwangsmitteln greifen sollte. Dem Ministerconseil ist diese Nachgiebigkeit sehr erwünscht gekommen. Es hat sich, wie gesagt, beeilt, den Grafen Sebastiani davon in Kenntniß zu setzen und zu instruiren, daß er diese Meinung benützen soll, um die Conferenzen zu London in den Sinn der hiesigen Politik eingehen zu machen. In London selbst werden, den letzten Nachrichten zufolge, die Unterhandlungen äußerst lau geführt, so daß man vermuthete, sie werden sich sehr in die Länge ziehen und unser Cabinet Gelegenheit finden, seine Gewandtheit geltend zu machen. Auf den wenigen Fortschritten, welche die Conferenzen machten, scheinen die guten Nachrichten zu beruhen, von denen ich neulich sprach. _ Toulon, 19 Jan. Wir erhielten durch das Linienschiff Hercules folgendes Schreiben eines französischen Officiers, der auf der Rhede von Vurla sich befindet: „Es scheint, die französische Regierung will die Escadre Lalande ganz vertheilen, und diesem Admiral nur ein illusorisches Commando lassen, als Uebergang zu seiner Ersetzung durch den Admiral Rosamel. Drei französische Linienschiffe sind bereits nach Toulon abgegangen, drei andere Linienschiffe werden ihnen noch vor Ende Januar folgen. Es bleiben nur die Linienschiffe Jena, Santi-Petri und Diademe in Vurla zurück. Allerdings hat man bei der unthätigen Politik, die man angenommen, keiner bedeutenden Streitkräfte nöthig. Man muß jedoch bedenken, daß England 12 Linienschiffe hier zurückläßt, und dieselben unaufhörlich noch vermehrt. Der Einfluß, den man in Konstantinopel übt, *) Wie man bemerken wird, stimmen diese Nachrichten mit unserer heutigen Correspondenz aus Alexandria, und unserer gestrigen aus Konstantinopel überein. Das Commerce vom 21 Jan. läßt sich in einem angeblichen Brief aus Wien über die Londoner Conferenzen allerlei Dinge schreiben, deren Wahrscheinlichkeit wohl dadurch bekräftigt werden soll, daß am Schlusse beigefügt wird, die angeblichen vertraulichen Correspondenzen, welche die Allgem. Ztg. seit einigen Wochen aus Wien, Paris und London liefere, würden, wie man recht gut wisse, alle in Paris von einem russischen Agenten geschmiedet, der zu bekannt sey, als daß es nöthig wäre, seinen Namen zu nennen. Da es indessen doch Leute gibt, die diesen geschickten russischen Agenten nicht kennen, und da unglücklicherweise selbst die Redaction der Allg. Ztg. zu diesen Unwissenden gehört, so ersuchen wir das Commerce dringend, dessen Namen zu nennen, da man sonst glauben könnte, es habe sich da eine rechte Albernheit aufbinden lassen.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 27. Augsburg, 27. Januar 1840, S. 0212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_027_18400127/4>, abgerufen am 21.11.2024.