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Allgemeine Zeitung. Nr. 27. Augsburg, 27. Januar 1840.

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den innern Zustand dieses unseres Heimathlandes darzulegen - Ansichten, die sich mir sehr gegen Wunsch und Willen aufgedrungen haben. Ich weiß wohl, daß was in letzter Zeit die Ruhe des englischen Volks störte und alle Staatsmänner ohne Zweifel mit Angst erfüllte - ich weiß, daß diese Ausbrüche, wie man es genannt hat, diese Gewaltthätigkeiten in verschiedenen Gegenden: Versammlungen, mitternächtliche Versammlungen, geheime Bünde, mehr oder minder gesetzwidrige Associationen, Conföderationen, Gesellschaften, die vielleicht an Verschwörungen gränzten, ausgedehnte Correspondenzen pflogen und in einer gewissen Organisation in einigen unserer Städte wirkliche Friedensbrüche herbeiführten - Handlungen, die hie und da durch gerichtliche Behörden für Hochverrath erklärt wurden; - ich weiß, daß diese schrecklichen Erscheinungen, schrecklich, wenn sie sich auch nicht weiter ausbreiteten, und beklagenswerth, wenn sie auch minder beunruhigend wären, von oberflächlichen oder leichtsinnigen Vernünftlern als Ereignisse an und für sich, als in sich abgeschlossene Thatsachen, als die ganze Frage betrachtet werden. Daher waren diese Vernünftler, diese sorglosen Beobachter, wie ich sie lieber nennen will, zu einer und der andern Zeit vielleicht beängstigter, als sie seyn sollten, und in einem andern Augenblick wieder allzu leicht beruhigt und beschwichtigt, als sie fanden, daß solche Ausbrüche durch die Kraft des Gesetzes, die Energie der Magistrate und die gute Haltung der Truppen überwältigt wurden, deren Ihrer Maj. Rede so gerechterweise erwähnt hat. Ich betrachte diese Dinge nicht als abschließende Ereignisse, nicht als faits accomplis. Wären sie das, ich würde sie beklagen, tief beklagen, aber ich wäre nicht darüber beunruhigt, weil ich auf die Macht des Gesetzes vertraute, und wüßte, daß gesetzwidrige Gewaltthat, so wie örtlich hinsichtlich ihrer Ausdehnung, was diese Ausbrüche waren, also auch in ihrer Dauer vorübergehend seyn und schnell unterdrückt werden würde, wie es diese Attentate, dem Anschein nach, wurden. Aber mir gelten diese Aufruhrhandlungen nur als die Symptome eines schlimmen Zustandes der Volksgesinnung, einer innern Krankhaftigkeit des Staats; wird ein Aufstand an dieser Stelle unterdrückt, so bricht vielleicht ein zweiter an einem andern Orte aus, wie wir dieß in den letzten achtundvierzig Stunden erlebt haben; ja, würden durch eine kräftige Anwendung des Gesetzes alle diese Unruhen zusammen überwältigt und Alles zu scheinbarer Ruhe zurückgeführt, so würde ich auch diese Meeresstille als eine trügerische, diese Einlullung als eine falsche, nicht als eine wahre Ruhe betrachten. Weil ich die innere Gährung kenne, die zu solchen Ausbrüchen geführt, weil ich die Gründe der Unzufriedenheit kenne, die durch Wegräumung ihrer jeweiligen Anzeichen auf der Fläche nicht gehoben werden, darum halt' ich mich an jenes Wort, das Lord Bacon, der weisesten Männer einer, gesprochen: "Hütet euch, wenn ihr im Volke Unzufriedenheiten bemerkt, und findet, daß deren Wurzeln sich tief und weit verzweigt haben, hütet euch, den Krankheitsstoff zurückzutreiben, denn die Wunde wurde nur um so gefährlicher nach innen bluten."

(Beschluß folgt.)

** Das Haus der Gemeinen versammelte sich am 20 Jan. um 1 Nachmittags, um die Adresse an Ihre Maj. zu überbringen. Es waren fast nur ministerielle Mitglieder erschienen. Um 2 Uhr verfügten sich etwa 40 Mitglieder in Gala, den Sprecher an der Spitze, nach dem Palast, und wurden sehr huldvoll empfangen. In den Abendsitzungen beider Häuser wurden dann die Antworten der Königin vom Lordkanzler und dem Sprecher gelesen; es waren die üblichen Dankformeln. Die an das Oberhaus lautet: "Mylords! Bei einem Anlaß, der Mich persönlich so nahe interessirt, empfang' Ich Ihre Adresse mit Vergnügen. Ich fühle Mich sehr geschmeichelt durch Ihr Eingehen in Meine Ansichten hinsichtlich der Bewilligung eines Einkommens für den Prinzen, und Ich zähle hinsichtlich alles dessen, was die Wohlfahrt des Staates sichern und den Thron befestigen kann, auf Ihren Eifer und Ihre Ergebenheit." Die Antwort an das Unterhaus war mit etwas verändertem Wortlaut die nämliche.

Frankreich.

Der Moniteur zeigt an, daß Se. Maj. der König Ludwig Philipp aus Anlaß des neuen Jahrs von Ihrer brittischen Maj. ein prachtvolles Porträt der Königin von Belgien von einem berühmten englischen Meister, Hrn. Roß, erstem Miniaturmaler der Königin Victoria, gemalt, empfangen habe.

Der Univers will wissen, daß sich der Herzog von Bordeaux nächstens nach St. Petersburg begeben werde, und die Generale Vincent und d'Hautpoul ihn dahin begleiten sollen.

Der Bischof von Viviers hat seine Entlassung eingereicht.

Der Dichter, Hr. Mery, ist dem Semaphore zufolge, durch einen Beschluß des Maire's von Marseille zum Conservator der Bibliothek daselbst ernannt.

* Der Pairshof hat am 22 Jan. in Anhörung der Vertheidiger der Angeklagten fortgefahren. Die Sitzung bot nichts von Bedeutung dar.

* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 22 Jan. verlas der Minister des Innern 1) einen Gesetzesentwurf zu einem Credit von 300,000 Fr. für die Bureaux der Wohlthätigkeit, 2) einen Gesetzesentwurf zu einem Credit von 100,000 Fr. als Beitrag für das Denkmal Moliere's. Die Tagesordnung führte auf die Erörterung des Gesetzes über die Organisation der Handelstribunale.

(Univers.) Es scheint gewiß, daß die neulich abgebrochenen Unterhandlungen Rußlands mit dem englischen Cabinette wieder angeknüpft worden sind. Es wurden dem Hrn. v. Brunnow neue Instructionen von St. Petersburg zugeschickt, und man versichert, daß seit ihrer Ankunft gegenseitige Concessionen gemacht worden seyen. Die ganze Schwierigkeit soll gehoben und der Tractat zwischen England und Rußland auf dem Punkte der Unterzeichnung seyn. Aus London eingetroffene Depeschen sollen dieses wichtige Resultat dem Grafen v. Medem angezeigt haben.

(Commerce.) Hr. Thiers hat gesagt: wenn Rußland euer Verbündeter wird, so müßt ihr ihm Konstantinopel überliefern. Die Gefahr ist allerdings groß; Aegypten aber an England überliefern, ist dieß nicht wenigstens eine gleich große Gefahr? Ist es möglich, daß dem Scharfsinn oder dem Gedächtniß des Hrn. Thiers diese Idee entgangen ist? Warum hat er sie nicht in die Wagschale legen lassen? Etwa aus diplomatischer Discretion? Dieß ließe sich an einem englischen Staatsmann begreifen, an einem Franzosen aber war uns diese enorme Verschweigung eine der Sonderbarkeiten, die uns in der Rede des Hrn. Thiers am meisten auffiel; und deßwegen hauptsächlich konnten wir ohne Uebertreibung sagen, daß der Redner sich in seinem Auditorium getäucht habe, und sein Vortrag sich besser für die Westminsterabtei geeignet hätte. Müßten wir für unsern Theil in jener großen und bedenklichen Allianzfrage zwischen zwei gleich verzweifelten Entschlüssen eine Wahl treffen, so wäre unserer Ansicht nach besser, Konstantinopel an Rußland als Aegypten an England zu überliefern. So tief ist aber, Gott sey Dank, Frankreich noch nicht gesunken, daß es genöthigt wäre, zwischen zwei Demüthigungen zu wählen. Seine Allianz steht noch in so hohem Preis, daß es sich nicht zu prostituiren braucht. In der orientalischen Frage kann nichts ohne

den innern Zustand dieses unseres Heimathlandes darzulegen – Ansichten, die sich mir sehr gegen Wunsch und Willen aufgedrungen haben. Ich weiß wohl, daß was in letzter Zeit die Ruhe des englischen Volks störte und alle Staatsmänner ohne Zweifel mit Angst erfüllte – ich weiß, daß diese Ausbrüche, wie man es genannt hat, diese Gewaltthätigkeiten in verschiedenen Gegenden: Versammlungen, mitternächtliche Versammlungen, geheime Bünde, mehr oder minder gesetzwidrige Associationen, Conföderationen, Gesellschaften, die vielleicht an Verschwörungen gränzten, ausgedehnte Correspondenzen pflogen und in einer gewissen Organisation in einigen unserer Städte wirkliche Friedensbrüche herbeiführten – Handlungen, die hie und da durch gerichtliche Behörden für Hochverrath erklärt wurden; – ich weiß, daß diese schrecklichen Erscheinungen, schrecklich, wenn sie sich auch nicht weiter ausbreiteten, und beklagenswerth, wenn sie auch minder beunruhigend wären, von oberflächlichen oder leichtsinnigen Vernünftlern als Ereignisse an und für sich, als in sich abgeschlossene Thatsachen, als die ganze Frage betrachtet werden. Daher waren diese Vernünftler, diese sorglosen Beobachter, wie ich sie lieber nennen will, zu einer und der andern Zeit vielleicht beängstigter, als sie seyn sollten, und in einem andern Augenblick wieder allzu leicht beruhigt und beschwichtigt, als sie fanden, daß solche Ausbrüche durch die Kraft des Gesetzes, die Energie der Magistrate und die gute Haltung der Truppen überwältigt wurden, deren Ihrer Maj. Rede so gerechterweise erwähnt hat. Ich betrachte diese Dinge nicht als abschließende Ereignisse, nicht als faits accomplis. Wären sie das, ich würde sie beklagen, tief beklagen, aber ich wäre nicht darüber beunruhigt, weil ich auf die Macht des Gesetzes vertraute, und wüßte, daß gesetzwidrige Gewaltthat, so wie örtlich hinsichtlich ihrer Ausdehnung, was diese Ausbrüche waren, also auch in ihrer Dauer vorübergehend seyn und schnell unterdrückt werden würde, wie es diese Attentate, dem Anschein nach, wurden. Aber mir gelten diese Aufruhrhandlungen nur als die Symptome eines schlimmen Zustandes der Volksgesinnung, einer innern Krankhaftigkeit des Staats; wird ein Aufstand an dieser Stelle unterdrückt, so bricht vielleicht ein zweiter an einem andern Orte aus, wie wir dieß in den letzten achtundvierzig Stunden erlebt haben; ja, würden durch eine kräftige Anwendung des Gesetzes alle diese Unruhen zusammen überwältigt und Alles zu scheinbarer Ruhe zurückgeführt, so würde ich auch diese Meeresstille als eine trügerische, diese Einlullung als eine falsche, nicht als eine wahre Ruhe betrachten. Weil ich die innere Gährung kenne, die zu solchen Ausbrüchen geführt, weil ich die Gründe der Unzufriedenheit kenne, die durch Wegräumung ihrer jeweiligen Anzeichen auf der Fläche nicht gehoben werden, darum halt' ich mich an jenes Wort, das Lord Bacon, der weisesten Männer einer, gesprochen: „Hütet euch, wenn ihr im Volke Unzufriedenheiten bemerkt, und findet, daß deren Wurzeln sich tief und weit verzweigt haben, hütet euch, den Krankheitsstoff zurückzutreiben, denn die Wunde wurde nur um so gefährlicher nach innen bluten.“

(Beschluß folgt.)

** Das Haus der Gemeinen versammelte sich am 20 Jan. um 1 Nachmittags, um die Adresse an Ihre Maj. zu überbringen. Es waren fast nur ministerielle Mitglieder erschienen. Um 2 Uhr verfügten sich etwa 40 Mitglieder in Gala, den Sprecher an der Spitze, nach dem Palast, und wurden sehr huldvoll empfangen. In den Abendsitzungen beider Häuser wurden dann die Antworten der Königin vom Lordkanzler und dem Sprecher gelesen; es waren die üblichen Dankformeln. Die an das Oberhaus lautet: „Mylords! Bei einem Anlaß, der Mich persönlich so nahe interessirt, empfang' Ich Ihre Adresse mit Vergnügen. Ich fühle Mich sehr geschmeichelt durch Ihr Eingehen in Meine Ansichten hinsichtlich der Bewilligung eines Einkommens für den Prinzen, und Ich zähle hinsichtlich alles dessen, was die Wohlfahrt des Staates sichern und den Thron befestigen kann, auf Ihren Eifer und Ihre Ergebenheit.“ Die Antwort an das Unterhaus war mit etwas verändertem Wortlaut die nämliche.

Frankreich.

Der Moniteur zeigt an, daß Se. Maj. der König Ludwig Philipp aus Anlaß des neuen Jahrs von Ihrer brittischen Maj. ein prachtvolles Porträt der Königin von Belgien von einem berühmten englischen Meister, Hrn. Roß, erstem Miniaturmaler der Königin Victoria, gemalt, empfangen habe.

Der Univers will wissen, daß sich der Herzog von Bordeaux nächstens nach St. Petersburg begeben werde, und die Generale Vincent und d'Hautpoul ihn dahin begleiten sollen.

Der Bischof von Viviers hat seine Entlassung eingereicht.

Der Dichter, Hr. Méry, ist dem Sémaphore zufolge, durch einen Beschluß des Maire's von Marseille zum Conservator der Bibliothek daselbst ernannt.

* Der Pairshof hat am 22 Jan. in Anhörung der Vertheidiger der Angeklagten fortgefahren. Die Sitzung bot nichts von Bedeutung dar.

* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 22 Jan. verlas der Minister des Innern 1) einen Gesetzesentwurf zu einem Credit von 300,000 Fr. für die Bureaux der Wohlthätigkeit, 2) einen Gesetzesentwurf zu einem Credit von 100,000 Fr. als Beitrag für das Denkmal Molière's. Die Tagesordnung führte auf die Erörterung des Gesetzes über die Organisation der Handelstribunale.

(Univers.) Es scheint gewiß, daß die neulich abgebrochenen Unterhandlungen Rußlands mit dem englischen Cabinette wieder angeknüpft worden sind. Es wurden dem Hrn. v. Brunnow neue Instructionen von St. Petersburg zugeschickt, und man versichert, daß seit ihrer Ankunft gegenseitige Concessionen gemacht worden seyen. Die ganze Schwierigkeit soll gehoben und der Tractat zwischen England und Rußland auf dem Punkte der Unterzeichnung seyn. Aus London eingetroffene Depeschen sollen dieses wichtige Resultat dem Grafen v. Medem angezeigt haben.

(Commerce.) Hr. Thiers hat gesagt: wenn Rußland euer Verbündeter wird, so müßt ihr ihm Konstantinopel überliefern. Die Gefahr ist allerdings groß; Aegypten aber an England überliefern, ist dieß nicht wenigstens eine gleich große Gefahr? Ist es möglich, daß dem Scharfsinn oder dem Gedächtniß des Hrn. Thiers diese Idee entgangen ist? Warum hat er sie nicht in die Wagschale legen lassen? Etwa aus diplomatischer Discretion? Dieß ließe sich an einem englischen Staatsmann begreifen, an einem Franzosen aber war uns diese enorme Verschweigung eine der Sonderbarkeiten, die uns in der Rede des Hrn. Thiers am meisten auffiel; und deßwegen hauptsächlich konnten wir ohne Uebertreibung sagen, daß der Redner sich in seinem Auditorium getäucht habe, und sein Vortrag sich besser für die Westminsterabtei geeignet hätte. Müßten wir für unsern Theil in jener großen und bedenklichen Allianzfrage zwischen zwei gleich verzweifelten Entschlüssen eine Wahl treffen, so wäre unserer Ansicht nach besser, Konstantinopel an Rußland als Aegypten an England zu überliefern. So tief ist aber, Gott sey Dank, Frankreich noch nicht gesunken, daß es genöthigt wäre, zwischen zwei Demüthigungen zu wählen. Seine Allianz steht noch in so hohem Preis, daß es sich nicht zu prostituiren braucht. In der orientalischen Frage kann nichts ohne

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[0211/0003] den innern Zustand dieses unseres Heimathlandes darzulegen – Ansichten, die sich mir sehr gegen Wunsch und Willen aufgedrungen haben. Ich weiß wohl, daß was in letzter Zeit die Ruhe des englischen Volks störte und alle Staatsmänner ohne Zweifel mit Angst erfüllte – ich weiß, daß diese Ausbrüche, wie man es genannt hat, diese Gewaltthätigkeiten in verschiedenen Gegenden: Versammlungen, mitternächtliche Versammlungen, geheime Bünde, mehr oder minder gesetzwidrige Associationen, Conföderationen, Gesellschaften, die vielleicht an Verschwörungen gränzten, ausgedehnte Correspondenzen pflogen und in einer gewissen Organisation in einigen unserer Städte wirkliche Friedensbrüche herbeiführten – Handlungen, die hie und da durch gerichtliche Behörden für Hochverrath erklärt wurden; – ich weiß, daß diese schrecklichen Erscheinungen, schrecklich, wenn sie sich auch nicht weiter ausbreiteten, und beklagenswerth, wenn sie auch minder beunruhigend wären, von oberflächlichen oder leichtsinnigen Vernünftlern als Ereignisse an und für sich, als in sich abgeschlossene Thatsachen, als die ganze Frage betrachtet werden. Daher waren diese Vernünftler, diese sorglosen Beobachter, wie ich sie lieber nennen will, zu einer und der andern Zeit vielleicht beängstigter, als sie seyn sollten, und in einem andern Augenblick wieder allzu leicht beruhigt und beschwichtigt, als sie fanden, daß solche Ausbrüche durch die Kraft des Gesetzes, die Energie der Magistrate und die gute Haltung der Truppen überwältigt wurden, deren Ihrer Maj. Rede so gerechterweise erwähnt hat. Ich betrachte diese Dinge nicht als abschließende Ereignisse, nicht als faits accomplis. Wären sie das, ich würde sie beklagen, tief beklagen, aber ich wäre nicht darüber beunruhigt, weil ich auf die Macht des Gesetzes vertraute, und wüßte, daß gesetzwidrige Gewaltthat, so wie örtlich hinsichtlich ihrer Ausdehnung, was diese Ausbrüche waren, also auch in ihrer Dauer vorübergehend seyn und schnell unterdrückt werden würde, wie es diese Attentate, dem Anschein nach, wurden. Aber mir gelten diese Aufruhrhandlungen nur als die Symptome eines schlimmen Zustandes der Volksgesinnung, einer innern Krankhaftigkeit des Staats; wird ein Aufstand an dieser Stelle unterdrückt, so bricht vielleicht ein zweiter an einem andern Orte aus, wie wir dieß in den letzten achtundvierzig Stunden erlebt haben; ja, würden durch eine kräftige Anwendung des Gesetzes alle diese Unruhen zusammen überwältigt und Alles zu scheinbarer Ruhe zurückgeführt, so würde ich auch diese Meeresstille als eine trügerische, diese Einlullung als eine falsche, nicht als eine wahre Ruhe betrachten. Weil ich die innere Gährung kenne, die zu solchen Ausbrüchen geführt, weil ich die Gründe der Unzufriedenheit kenne, die durch Wegräumung ihrer jeweiligen Anzeichen auf der Fläche nicht gehoben werden, darum halt' ich mich an jenes Wort, das Lord Bacon, der weisesten Männer einer, gesprochen: „Hütet euch, wenn ihr im Volke Unzufriedenheiten bemerkt, und findet, daß deren Wurzeln sich tief und weit verzweigt haben, hütet euch, den Krankheitsstoff zurückzutreiben, denn die Wunde wurde nur um so gefährlicher nach innen bluten.“ (Beschluß folgt.) ** Das Haus der Gemeinen versammelte sich am 20 Jan. um 1 Nachmittags, um die Adresse an Ihre Maj. zu überbringen. Es waren fast nur ministerielle Mitglieder erschienen. Um 2 Uhr verfügten sich etwa 40 Mitglieder in Gala, den Sprecher an der Spitze, nach dem Palast, und wurden sehr huldvoll empfangen. In den Abendsitzungen beider Häuser wurden dann die Antworten der Königin vom Lordkanzler und dem Sprecher gelesen; es waren die üblichen Dankformeln. Die an das Oberhaus lautet: „Mylords! Bei einem Anlaß, der Mich persönlich so nahe interessirt, empfang' Ich Ihre Adresse mit Vergnügen. Ich fühle Mich sehr geschmeichelt durch Ihr Eingehen in Meine Ansichten hinsichtlich der Bewilligung eines Einkommens für den Prinzen, und Ich zähle hinsichtlich alles dessen, was die Wohlfahrt des Staates sichern und den Thron befestigen kann, auf Ihren Eifer und Ihre Ergebenheit.“ Die Antwort an das Unterhaus war mit etwas verändertem Wortlaut die nämliche. Frankreich. _ Paris, 22 Jan. Der Moniteur zeigt an, daß Se. Maj. der König Ludwig Philipp aus Anlaß des neuen Jahrs von Ihrer brittischen Maj. ein prachtvolles Porträt der Königin von Belgien von einem berühmten englischen Meister, Hrn. Roß, erstem Miniaturmaler der Königin Victoria, gemalt, empfangen habe. Der Univers will wissen, daß sich der Herzog von Bordeaux nächstens nach St. Petersburg begeben werde, und die Generale Vincent und d'Hautpoul ihn dahin begleiten sollen. Der Bischof von Viviers hat seine Entlassung eingereicht. Der Dichter, Hr. Méry, ist dem Sémaphore zufolge, durch einen Beschluß des Maire's von Marseille zum Conservator der Bibliothek daselbst ernannt. * Der Pairshof hat am 22 Jan. in Anhörung der Vertheidiger der Angeklagten fortgefahren. Die Sitzung bot nichts von Bedeutung dar. * In der Sitzung der Deputirtenkammer am 22 Jan. verlas der Minister des Innern 1) einen Gesetzesentwurf zu einem Credit von 300,000 Fr. für die Bureaux der Wohlthätigkeit, 2) einen Gesetzesentwurf zu einem Credit von 100,000 Fr. als Beitrag für das Denkmal Molière's. Die Tagesordnung führte auf die Erörterung des Gesetzes über die Organisation der Handelstribunale. (Univers.) Es scheint gewiß, daß die neulich abgebrochenen Unterhandlungen Rußlands mit dem englischen Cabinette wieder angeknüpft worden sind. Es wurden dem Hrn. v. Brunnow neue Instructionen von St. Petersburg zugeschickt, und man versichert, daß seit ihrer Ankunft gegenseitige Concessionen gemacht worden seyen. Die ganze Schwierigkeit soll gehoben und der Tractat zwischen England und Rußland auf dem Punkte der Unterzeichnung seyn. Aus London eingetroffene Depeschen sollen dieses wichtige Resultat dem Grafen v. Medem angezeigt haben. (Commerce.) Hr. Thiers hat gesagt: wenn Rußland euer Verbündeter wird, so müßt ihr ihm Konstantinopel überliefern. Die Gefahr ist allerdings groß; Aegypten aber an England überliefern, ist dieß nicht wenigstens eine gleich große Gefahr? Ist es möglich, daß dem Scharfsinn oder dem Gedächtniß des Hrn. Thiers diese Idee entgangen ist? Warum hat er sie nicht in die Wagschale legen lassen? Etwa aus diplomatischer Discretion? Dieß ließe sich an einem englischen Staatsmann begreifen, an einem Franzosen aber war uns diese enorme Verschweigung eine der Sonderbarkeiten, die uns in der Rede des Hrn. Thiers am meisten auffiel; und deßwegen hauptsächlich konnten wir ohne Uebertreibung sagen, daß der Redner sich in seinem Auditorium getäucht habe, und sein Vortrag sich besser für die Westminsterabtei geeignet hätte. Müßten wir für unsern Theil in jener großen und bedenklichen Allianzfrage zwischen zwei gleich verzweifelten Entschlüssen eine Wahl treffen, so wäre unserer Ansicht nach besser, Konstantinopel an Rußland als Aegypten an England zu überliefern. So tief ist aber, Gott sey Dank, Frankreich noch nicht gesunken, daß es genöthigt wäre, zwischen zwei Demüthigungen zu wählen. Seine Allianz steht noch in so hohem Preis, daß es sich nicht zu prostituiren braucht. In der orientalischen Frage kann nichts ohne

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 27. Augsburg, 27. Januar 1840, S. 0211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_027_18400127/3>, abgerufen am 21.11.2024.