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Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840.

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Acht zu nehmen hat; bei Dongolo sind sie wieder harmloser, obgleich zahlreicher. Der Kascheff von Ouady-Halfa erzählte mir, als ich dort war, daß er im vorigen Jahr mit einem Freund ausging, um sich unfern der Katarakten zu baden. Kaum waren beide nur wenige Fuß weit in den Fluß hineingeschritten, wo ihnen das Wasser noch nicht bis an den halben Leib ging, als ein Krokodil neben ihnen auftauchte, seinen Gefährten mit dem Schweif erfaßte, und sogleich wieder mit ihm im Wasser verschwand. Kurz darauf sah er in einiger Entfernung das Unthier von neuem zum Vorschein kommen, mit seiner Beute spielend wie die Katze mit der Maus, bis es auf einer kleinen Insel landete, und dort den, allem Anschein nach bereits leblosen Körper vor des Kascheffs Augen zu verzehren anfing. Noch an demselben Abend ward ein Knabe und eine Ziege in derselben Gegend der Raub eines andern Krokodils. Die Hauptgefahr besteht darin, daß sich dieß Reptil im Sande des Flußbettes eingräbt, und dann plötzlich daraus hervorbrechend, wie der Ameisenbär, seine Beute erfaßt. Kommen die Krokodile von fern herangeschwommen, so ist es weit leichter ihnen zu entgehen, doch hat man sie in Metemma häufig mitten im Fluß förmlich Jagd auf Menschen machen sehen, wobei man behauptet, daß sie, wenn ihnen die Wahl zwischen einem Schwarzen und einem Weißen frei steht, immer den letztern vorziehen. Zuweilen verfolgen sie Menschen selbst auf dem festen Lande, wo man indeß nur immer im Kreise umherzulaufen braucht, um ihnen bei der Schwerfälligkeit ihrer Wendungen das Einholen unmöglich zu machen.

Um zehn Uhr besuchte mich der Kascheff von Metemma mit mehreren andern Türken und Arabern, unter denen vorzüglich Schech-Bischir, vom Stamm der Dschalin-Araber, meine Aufmerksamkeit erregte, weil mein Freund Hr. Rüppell seiner erwähnt, und angibt, daß dieser sehr zuverlässige Mann ihm Nachrichten über die noch nie von einem Europäer besuchten Ruinen der Stadt Mandera ertheilt, und als Augenzeuge, der selbst dort gewesen, davon gesprochen habe. Es fand sich indeß, wie nach der Länge der seitdem vergangenen Zeit zu vermuthen war, daß der Schech-Bischir, den wir vor uns hatten, nur der Sohn desjenigen war, den Hr. Rüppell gekannt. Auch der Gegenwärtige hatte einmal von Mandera reden gehört, läugnete aber, daß sein Vater je dort gewesen sey, und wollte eben so wenig zugeben, daß er sich dessen je gegen einen Europäer gerühmt habe. Hier war also keine genügende Auskunft zu erhalten, indeß fand sich nachher ein Sklave des Kascheff vor, der das Daseyn der Ruinen von Mandera bestätigte, zugleich aber dahin berichtigte, daß Mandera weder eine Stadt, noch ein Dorf, sondern ein Berg sey, auf dessen Gipfel wie an seinem Fuß einige Trümmer von Gebäuden stünden, doch sehe man weder Säulen noch Pyramiden darunter. Einige Stunden davon befinde sich ein halb verlassenes Dorf, dessen Namen er sich nicht mehr erinnern könne. Die Lage der Ruine gab er ebenfalls nach den von ihm bestimmten Distanzen gewisser Städte verschieden von Hrn. Rüppell, nämlich weit mehr südlich, und dem Nil näher an. Wir werden später sehen, daß die Nachrichten dieses Mannes vollkommen der Wahrheit entsprachen, was in der That in diesen Ländern als eine große Seltenheit zu betrachten ist. Hrn. Rüppells Angaben dagegen sind falsch, obgleich er die darauf bezügliche Stelle mit seiner gewöhnlichen Anmaßung folgendermaßen schließt: "die obigen Notizen über Mandera wurden zwei Jahre später von Hrn. Cailliaud in seinen Reisen vol. III. p. 138 auch angeführt. Es wäre interessant zu wissen, ob er dabei bloß nach mir abgeschrieben hat, oder ob auch ihm dieselben Angaben aus verschiedenen Quellen zugekommen sind." Hr. Cailliaud hat wahrlich nicht nöthig Hrn. Rüppell abzuschreiben; es gibt keinen Reisenden, der gewissenhafter, genauer und wahrheitsliebender selbst beobachtet, und keine Mühe dabei gescheut hat, als Hr. Cailliaud, wie ich mich selbst zu überzeugen so vielfach Gelegenheit gefunden, und wofür ich ihm gar oft den wärmsten Dank gezollt habe; denn kein Führer ist sicherer, erschöpfender als er, wo er selbst gewesen, über Mandera ist er jedoch ebenfalls nicht ganz genau unterrichtet worden.

Dem Gefolge des Kascheffs hatte sich auch ein Oberkawaß Mehemed Ali's angeschlossen, dem dieser großmüthige Herr ein Capital von 50,000 Piastern auf 2 Jahre ohne Zinsen dargeliehen, mit der einzigen Bedingung, für die ganze Summe hier und im Sennaar Vieh aufzukaufen und dieses nach Aegypten zu bringen, wobei aller Vortheil beim Wiederverkauf des Entrepreneurs Eigenthum bleibt. Da nun das Vieh hier so wohlfeil ist, daß ein Kamel nicht mehr als 80 Franken, der schönste Zuchtstier 20-30 und ein Schaf nur einen Franken kostet, in Aegypten aber die Preise sechs- und zehnfach höher stehen (bei Schafen 20fach), so ist kein Zweifel, daß mit allen Kosten des Transports und trotz des großen Verlustes auf der Reise - den hauptsächlich die noch sehr schlechten Einrichtungen für diesen Zweck und der gänzliche Mangel an Thierärzten, worüber ich in der Folge ausführlichere Nachrichten geben werde, herbeiführen - der Gewinn sehr bedeutend seyn, und das verwandte Capital weit übersteigen muß. Mehemed Ali's Zweck dabei aber ist allein (wie man sich aus seinen eignen Aeußerungen noch erinnern wird) den Aegyptiern den großen Vortheil dieses Handels immer anschaulicher, und ihn dadurch populär zu machen, was für beide Länder natürlich vom größten Nutzen seyn muß, da es hier fast ganz an Capital, dort noch in großem Maaße an der gehörigen Menge Vieh sowohl zur Bearbeitung der Felder, als zum Betriebe der Sake's fehlt, die so viel Tausende von Ochsen jährlich erfordern, welche bei dem schweren Dienst und den häufigen Seuchen nie lange ausdauern.

Da sich weit und breit kein einziger Baum in dieser Gegend befand, so hielt uns die gewaltige Hitze den ganzen Tag über im Zelte zurück, das wir erst nach Untergang der Sonne verlassen mochten. Die Nacht entschädigte uns. Der Mond war fast voll, und der schwarzblaue Himmel von tausend duftigen, zarten Wölkchen bevölkert, die sich, wie einander jagend, lustig darauf umher tummelten. Unter dieser Beleuchtung nahmen wir unsere Mahlzeit dicht am Wasser im Freien ein, und fanden es dabei so hell, daß wir nachher sogar unternahmen, beim Mondenschein ein Buch über den Mond selbst zu lesen, das ich zufällig mitgenommen hatte, während wir abwechselnd mit unsern Perspectiven das glänzende Gestirn betrachteten, und den Mann im Monde mit der vor uns liegenden phantasiereichen Karte des Münchner Astronomen verglichen. Das Thermometer zeigte in dieser Nacht 28° R. Aller Appetit zum Essen verliert sich bei dieser Temperatur, den größten gastronomischen Genuß gewährt nur das Nilwasser, und besonders die unlimitirte Menge desselben, welchem die vortrefflichen Datteln von Sokkot noch einen angenehmern Geschmack beimischen. Wenn das Kamel das Schiff der Wüste ist, so kann man die Dattel füglich das Brod derselben nennen. Auch nimmt man bald die Gewohnheit an, immer eine Handvoll dieser getrockneten Früchte in der Tasche mit sich zu führen. Die Dattel erfrischt, nährt und vertreibt auch die Zeit, gleich der Pfeife, auf den langen Ritten in der Wüste, weil

Acht zu nehmen hat; bei Dongolo sind sie wieder harmloser, obgleich zahlreicher. Der Kascheff von Ouady-Halfa erzählte mir, als ich dort war, daß er im vorigen Jahr mit einem Freund ausging, um sich unfern der Katarakten zu baden. Kaum waren beide nur wenige Fuß weit in den Fluß hineingeschritten, wo ihnen das Wasser noch nicht bis an den halben Leib ging, als ein Krokodil neben ihnen auftauchte, seinen Gefährten mit dem Schweif erfaßte, und sogleich wieder mit ihm im Wasser verschwand. Kurz darauf sah er in einiger Entfernung das Unthier von neuem zum Vorschein kommen, mit seiner Beute spielend wie die Katze mit der Maus, bis es auf einer kleinen Insel landete, und dort den, allem Anschein nach bereits leblosen Körper vor des Kascheffs Augen zu verzehren anfing. Noch an demselben Abend ward ein Knabe und eine Ziege in derselben Gegend der Raub eines andern Krokodils. Die Hauptgefahr besteht darin, daß sich dieß Reptil im Sande des Flußbettes eingräbt, und dann plötzlich daraus hervorbrechend, wie der Ameisenbär, seine Beute erfaßt. Kommen die Krokodile von fern herangeschwommen, so ist es weit leichter ihnen zu entgehen, doch hat man sie in Metemma häufig mitten im Fluß förmlich Jagd auf Menschen machen sehen, wobei man behauptet, daß sie, wenn ihnen die Wahl zwischen einem Schwarzen und einem Weißen frei steht, immer den letztern vorziehen. Zuweilen verfolgen sie Menschen selbst auf dem festen Lande, wo man indeß nur immer im Kreise umherzulaufen braucht, um ihnen bei der Schwerfälligkeit ihrer Wendungen das Einholen unmöglich zu machen.

Um zehn Uhr besuchte mich der Kascheff von Metemma mit mehreren andern Türken und Arabern, unter denen vorzüglich Schech-Bischïr, vom Stamm der Dschalin-Araber, meine Aufmerksamkeit erregte, weil mein Freund Hr. Rüppell seiner erwähnt, und angibt, daß dieser sehr zuverlässige Mann ihm Nachrichten über die noch nie von einem Europäer besuchten Ruinen der Stadt Mandĕra ertheilt, und als Augenzeuge, der selbst dort gewesen, davon gesprochen habe. Es fand sich indeß, wie nach der Länge der seitdem vergangenen Zeit zu vermuthen war, daß der Schech-Bischïr, den wir vor uns hatten, nur der Sohn desjenigen war, den Hr. Rüppell gekannt. Auch der Gegenwärtige hatte einmal von Mandĕra reden gehört, läugnete aber, daß sein Vater je dort gewesen sey, und wollte eben so wenig zugeben, daß er sich dessen je gegen einen Europäer gerühmt habe. Hier war also keine genügende Auskunft zu erhalten, indeß fand sich nachher ein Sklave des Kascheff vor, der das Daseyn der Ruinen von Mandĕra bestätigte, zugleich aber dahin berichtigte, daß Mandĕra weder eine Stadt, noch ein Dorf, sondern ein Berg sey, auf dessen Gipfel wie an seinem Fuß einige Trümmer von Gebäuden stünden, doch sehe man weder Säulen noch Pyramiden darunter. Einige Stunden davon befinde sich ein halb verlassenes Dorf, dessen Namen er sich nicht mehr erinnern könne. Die Lage der Ruine gab er ebenfalls nach den von ihm bestimmten Distanzen gewisser Städte verschieden von Hrn. Rüppell, nämlich weit mehr südlich, und dem Nil näher an. Wir werden später sehen, daß die Nachrichten dieses Mannes vollkommen der Wahrheit entsprachen, was in der That in diesen Ländern als eine große Seltenheit zu betrachten ist. Hrn. Rüppells Angaben dagegen sind falsch, obgleich er die darauf bezügliche Stelle mit seiner gewöhnlichen Anmaßung folgendermaßen schließt: „die obigen Notizen über Mandĕra wurden zwei Jahre später von Hrn. Cailliaud in seinen Reisen vol. III. p. 138 auch angeführt. Es wäre interessant zu wissen, ob er dabei bloß nach mir abgeschrieben hat, oder ob auch ihm dieselben Angaben aus verschiedenen Quellen zugekommen sind.“ Hr. Cailliaud hat wahrlich nicht nöthig Hrn. Rüppell abzuschreiben; es gibt keinen Reisenden, der gewissenhafter, genauer und wahrheitsliebender selbst beobachtet, und keine Mühe dabei gescheut hat, als Hr. Cailliaud, wie ich mich selbst zu überzeugen so vielfach Gelegenheit gefunden, und wofür ich ihm gar oft den wärmsten Dank gezollt habe; denn kein Führer ist sicherer, erschöpfender als er, wo er selbst gewesen, über Mandĕra ist er jedoch ebenfalls nicht ganz genau unterrichtet worden.

Dem Gefolge des Kascheffs hatte sich auch ein Oberkawaß Mehemed Ali's angeschlossen, dem dieser großmüthige Herr ein Capital von 50,000 Piastern auf 2 Jahre ohne Zinsen dargeliehen, mit der einzigen Bedingung, für die ganze Summe hier und im Sennaar Vieh aufzukaufen und dieses nach Aegypten zu bringen, wobei aller Vortheil beim Wiederverkauf des Entrepreneurs Eigenthum bleibt. Da nun das Vieh hier so wohlfeil ist, daß ein Kamel nicht mehr als 80 Franken, der schönste Zuchtstier 20-30 und ein Schaf nur einen Franken kostet, in Aegypten aber die Preise sechs- und zehnfach höher stehen (bei Schafen 20fach), so ist kein Zweifel, daß mit allen Kosten des Transports und trotz des großen Verlustes auf der Reise – den hauptsächlich die noch sehr schlechten Einrichtungen für diesen Zweck und der gänzliche Mangel an Thierärzten, worüber ich in der Folge ausführlichere Nachrichten geben werde, herbeiführen – der Gewinn sehr bedeutend seyn, und das verwandte Capital weit übersteigen muß. Mehemed Ali's Zweck dabei aber ist allein (wie man sich aus seinen eignen Aeußerungen noch erinnern wird) den Aegyptiern den großen Vortheil dieses Handels immer anschaulicher, und ihn dadurch populär zu machen, was für beide Länder natürlich vom größten Nutzen seyn muß, da es hier fast ganz an Capital, dort noch in großem Maaße an der gehörigen Menge Vieh sowohl zur Bearbeitung der Felder, als zum Betriebe der Sake's fehlt, die so viel Tausende von Ochsen jährlich erfordern, welche bei dem schweren Dienst und den häufigen Seuchen nie lange ausdauern.

Da sich weit und breit kein einziger Baum in dieser Gegend befand, so hielt uns die gewaltige Hitze den ganzen Tag über im Zelte zurück, das wir erst nach Untergang der Sonne verlassen mochten. Die Nacht entschädigte uns. Der Mond war fast voll, und der schwarzblaue Himmel von tausend duftigen, zarten Wölkchen bevölkert, die sich, wie einander jagend, lustig darauf umher tummelten. Unter dieser Beleuchtung nahmen wir unsere Mahlzeit dicht am Wasser im Freien ein, und fanden es dabei so hell, daß wir nachher sogar unternahmen, beim Mondenschein ein Buch über den Mond selbst zu lesen, das ich zufällig mitgenommen hatte, während wir abwechselnd mit unsern Perspectiven das glänzende Gestirn betrachteten, und den Mann im Monde mit der vor uns liegenden phantasiereichen Karte des Münchner Astronomen verglichen. Das Thermometer zeigte in dieser Nacht 28° R. Aller Appetit zum Essen verliert sich bei dieser Temperatur, den größten gastronomischen Genuß gewährt nur das Nilwasser, und besonders die unlimitirte Menge desselben, welchem die vortrefflichen Datteln von Sokkot noch einen angenehmern Geschmack beimischen. Wenn das Kamel das Schiff der Wüste ist, so kann man die Dattel füglich das Brod derselben nennen. Auch nimmt man bald die Gewohnheit an, immer eine Handvoll dieser getrockneten Früchte in der Tasche mit sich zu führen. Die Dattel erfrischt, nährt und vertreibt auch die Zeit, gleich der Pfeife, auf den langen Ritten in der Wüste, weil

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Acht zu nehmen hat; bei Dongolo sind sie wieder harmloser, obgleich zahlreicher. Der Kascheff von Ouady-Halfa erzählte mir, als ich dort war, daß er im vorigen Jahr mit einem Freund ausging, um sich unfern der Katarakten zu baden. Kaum waren beide nur wenige Fuß weit in den Fluß hineingeschritten, wo ihnen das Wasser noch nicht bis an den halben Leib ging, als ein Krokodil neben ihnen auftauchte, seinen Gefährten mit dem Schweif erfaßte, und sogleich wieder mit ihm im Wasser verschwand. Kurz darauf sah er in einiger Entfernung das Unthier von neuem zum Vorschein kommen, mit seiner Beute spielend wie die Katze mit der Maus, bis es auf einer kleinen Insel landete, und dort den, allem Anschein nach bereits leblosen Körper vor des Kascheffs Augen zu verzehren anfing. Noch an demselben Abend ward ein Knabe und eine Ziege in derselben Gegend der Raub eines andern Krokodils. Die Hauptgefahr besteht darin, daß sich dieß Reptil im Sande des Flußbettes eingräbt, und dann plötzlich daraus hervorbrechend, wie der Ameisenbär, seine Beute erfaßt. Kommen die Krokodile von fern herangeschwommen, so ist es weit leichter ihnen zu entgehen, doch hat man sie in Metemma häufig mitten im Fluß förmlich Jagd auf Menschen machen sehen, wobei man behauptet, daß sie, wenn ihnen die Wahl zwischen einem Schwarzen und einem Weißen frei steht, immer den letztern vorziehen. Zuweilen verfolgen sie Menschen selbst auf dem festen Lande, wo man indeß nur immer im Kreise umherzulaufen braucht, um ihnen bei der Schwerfälligkeit ihrer Wendungen das Einholen unmöglich zu machen.</p><lb/>
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[0314/0010] Acht zu nehmen hat; bei Dongolo sind sie wieder harmloser, obgleich zahlreicher. Der Kascheff von Ouady-Halfa erzählte mir, als ich dort war, daß er im vorigen Jahr mit einem Freund ausging, um sich unfern der Katarakten zu baden. Kaum waren beide nur wenige Fuß weit in den Fluß hineingeschritten, wo ihnen das Wasser noch nicht bis an den halben Leib ging, als ein Krokodil neben ihnen auftauchte, seinen Gefährten mit dem Schweif erfaßte, und sogleich wieder mit ihm im Wasser verschwand. Kurz darauf sah er in einiger Entfernung das Unthier von neuem zum Vorschein kommen, mit seiner Beute spielend wie die Katze mit der Maus, bis es auf einer kleinen Insel landete, und dort den, allem Anschein nach bereits leblosen Körper vor des Kascheffs Augen zu verzehren anfing. Noch an demselben Abend ward ein Knabe und eine Ziege in derselben Gegend der Raub eines andern Krokodils. Die Hauptgefahr besteht darin, daß sich dieß Reptil im Sande des Flußbettes eingräbt, und dann plötzlich daraus hervorbrechend, wie der Ameisenbär, seine Beute erfaßt. Kommen die Krokodile von fern herangeschwommen, so ist es weit leichter ihnen zu entgehen, doch hat man sie in Metemma häufig mitten im Fluß förmlich Jagd auf Menschen machen sehen, wobei man behauptet, daß sie, wenn ihnen die Wahl zwischen einem Schwarzen und einem Weißen frei steht, immer den letztern vorziehen. Zuweilen verfolgen sie Menschen selbst auf dem festen Lande, wo man indeß nur immer im Kreise umherzulaufen braucht, um ihnen bei der Schwerfälligkeit ihrer Wendungen das Einholen unmöglich zu machen. Um zehn Uhr besuchte mich der Kascheff von Metemma mit mehreren andern Türken und Arabern, unter denen vorzüglich Schech-Bischïr, vom Stamm der Dschalin-Araber, meine Aufmerksamkeit erregte, weil mein Freund Hr. Rüppell seiner erwähnt, und angibt, daß dieser sehr zuverlässige Mann ihm Nachrichten über die noch nie von einem Europäer besuchten Ruinen der Stadt Mandĕra ertheilt, und als Augenzeuge, der selbst dort gewesen, davon gesprochen habe. Es fand sich indeß, wie nach der Länge der seitdem vergangenen Zeit zu vermuthen war, daß der Schech-Bischïr, den wir vor uns hatten, nur der Sohn desjenigen war, den Hr. Rüppell gekannt. Auch der Gegenwärtige hatte einmal von Mandĕra reden gehört, läugnete aber, daß sein Vater je dort gewesen sey, und wollte eben so wenig zugeben, daß er sich dessen je gegen einen Europäer gerühmt habe. Hier war also keine genügende Auskunft zu erhalten, indeß fand sich nachher ein Sklave des Kascheff vor, der das Daseyn der Ruinen von Mandĕra bestätigte, zugleich aber dahin berichtigte, daß Mandĕra weder eine Stadt, noch ein Dorf, sondern ein Berg sey, auf dessen Gipfel wie an seinem Fuß einige Trümmer von Gebäuden stünden, doch sehe man weder Säulen noch Pyramiden darunter. Einige Stunden davon befinde sich ein halb verlassenes Dorf, dessen Namen er sich nicht mehr erinnern könne. Die Lage der Ruine gab er ebenfalls nach den von ihm bestimmten Distanzen gewisser Städte verschieden von Hrn. Rüppell, nämlich weit mehr südlich, und dem Nil näher an. Wir werden später sehen, daß die Nachrichten dieses Mannes vollkommen der Wahrheit entsprachen, was in der That in diesen Ländern als eine große Seltenheit zu betrachten ist. Hrn. Rüppells Angaben dagegen sind falsch, obgleich er die darauf bezügliche Stelle mit seiner gewöhnlichen Anmaßung folgendermaßen schließt: „die obigen Notizen über Mandĕra wurden zwei Jahre später von Hrn. Cailliaud in seinen Reisen vol. III. p. 138 auch angeführt. Es wäre interessant zu wissen, ob er dabei bloß nach mir abgeschrieben hat, oder ob auch ihm dieselben Angaben aus verschiedenen Quellen zugekommen sind.“ Hr. Cailliaud hat wahrlich nicht nöthig Hrn. Rüppell abzuschreiben; es gibt keinen Reisenden, der gewissenhafter, genauer und wahrheitsliebender selbst beobachtet, und keine Mühe dabei gescheut hat, als Hr. Cailliaud, wie ich mich selbst zu überzeugen so vielfach Gelegenheit gefunden, und wofür ich ihm gar oft den wärmsten Dank gezollt habe; denn kein Führer ist sicherer, erschöpfender als er, wo er selbst gewesen, über Mandĕra ist er jedoch ebenfalls nicht ganz genau unterrichtet worden. Dem Gefolge des Kascheffs hatte sich auch ein Oberkawaß Mehemed Ali's angeschlossen, dem dieser großmüthige Herr ein Capital von 50,000 Piastern auf 2 Jahre ohne Zinsen dargeliehen, mit der einzigen Bedingung, für die ganze Summe hier und im Sennaar Vieh aufzukaufen und dieses nach Aegypten zu bringen, wobei aller Vortheil beim Wiederverkauf des Entrepreneurs Eigenthum bleibt. Da nun das Vieh hier so wohlfeil ist, daß ein Kamel nicht mehr als 80 Franken, der schönste Zuchtstier 20-30 und ein Schaf nur einen Franken kostet, in Aegypten aber die Preise sechs- und zehnfach höher stehen (bei Schafen 20fach), so ist kein Zweifel, daß mit allen Kosten des Transports und trotz des großen Verlustes auf der Reise – den hauptsächlich die noch sehr schlechten Einrichtungen für diesen Zweck und der gänzliche Mangel an Thierärzten, worüber ich in der Folge ausführlichere Nachrichten geben werde, herbeiführen – der Gewinn sehr bedeutend seyn, und das verwandte Capital weit übersteigen muß. Mehemed Ali's Zweck dabei aber ist allein (wie man sich aus seinen eignen Aeußerungen noch erinnern wird) den Aegyptiern den großen Vortheil dieses Handels immer anschaulicher, und ihn dadurch populär zu machen, was für beide Länder natürlich vom größten Nutzen seyn muß, da es hier fast ganz an Capital, dort noch in großem Maaße an der gehörigen Menge Vieh sowohl zur Bearbeitung der Felder, als zum Betriebe der Sake's fehlt, die so viel Tausende von Ochsen jährlich erfordern, welche bei dem schweren Dienst und den häufigen Seuchen nie lange ausdauern. Da sich weit und breit kein einziger Baum in dieser Gegend befand, so hielt uns die gewaltige Hitze den ganzen Tag über im Zelte zurück, das wir erst nach Untergang der Sonne verlassen mochten. Die Nacht entschädigte uns. Der Mond war fast voll, und der schwarzblaue Himmel von tausend duftigen, zarten Wölkchen bevölkert, die sich, wie einander jagend, lustig darauf umher tummelten. Unter dieser Beleuchtung nahmen wir unsere Mahlzeit dicht am Wasser im Freien ein, und fanden es dabei so hell, daß wir nachher sogar unternahmen, beim Mondenschein ein Buch über den Mond selbst zu lesen, das ich zufällig mitgenommen hatte, während wir abwechselnd mit unsern Perspectiven das glänzende Gestirn betrachteten, und den Mann im Monde mit der vor uns liegenden phantasiereichen Karte des Münchner Astronomen verglichen. Das Thermometer zeigte in dieser Nacht 28° R. Aller Appetit zum Essen verliert sich bei dieser Temperatur, den größten gastronomischen Genuß gewährt nur das Nilwasser, und besonders die unlimitirte Menge desselben, welchem die vortrefflichen Datteln von Sokkot noch einen angenehmern Geschmack beimischen. Wenn das Kamel das Schiff der Wüste ist, so kann man die Dattel füglich das Brod derselben nennen. Auch nimmt man bald die Gewohnheit an, immer eine Handvoll dieser getrockneten Früchte in der Tasche mit sich zu führen. Die Dattel erfrischt, nährt und vertreibt auch die Zeit, gleich der Pfeife, auf den langen Ritten in der Wüste, weil

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840, S. 0314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_040_18400209/10>, abgerufen am 27.04.2024.