Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Lord Plunket, der Lordkanzler von Irland, ist zu einem Commissär des (für alle Confessionen gemeinschaftlichen) Nationalerziehungs-Collegiums für Irland ernannt. Die orangistische Dublin Mail jammert: "Se. Lordschaft ist in den antichristlichen Lehren des Arius oder Socinus aufgewachsen, denn sein Vater war ein Socinianerprediger. So bildet seine jetzige Ernennung ein neues Kettenglied zwischen Socinianismus und Papstthum. Wir wünschen dem Dr. Murray (katholischem Titularbischof von Dublin) Glück zu seinem neuen Collegen."

* ... 3 Febr. Für den Fall, daß Sie von Ihrem Londoner Correspondenten noch nicht in Kenntniß gesetzt seyn sollten, beeile ich mich Ihnen, als den Inhalt der neuesten Depeschen aus London, mitzutheilen, daß das Contreproject Lord Palmerstons im englischen Ministerconseil ebenfalls heftigen Widerspruch gefunden hat; die Mehrheit der Minister war mit den Concessionen, welche Lord Palmerston Rußland machen wollte: im Nothfall ein russisches Armeecorps in Klein-Asien einrücken zu lassen, selbst ohne die ausdrückliche Bedingung, daß die vereinigte englisch-französische Flotte vor Konstantinopel sich aufstelle, nicht einverstanden, und glaubte, es genüge, um Mehemed Ali zu zwingen, den Forderungen der Mächte nachzugeben, Alexandrien und die Küste von Syrien zu blokiren. Hieran scheiterten die Verhandlungen. Man sieht indessen, daß nicht mehr die Basis eines Friedens zwischen der Pforte und Mehemed Ali, sondern nur die Art, wie dieser zu erwirken, der Gegenstand der Differenzen ist. Die Basis scheint unverändert fest zu stehen, und nur geringe Modificationen dürften, um vielleicht Frankreichs Beitritt damit zu erkaufen, daran vorgehen. Es fragt sich nun, ob Frankreich der Erwartung entsprechen und seine Flotte der englischen in Handhabung der Blokade sich anschließen lassen wird.

Ueber den Fortgang der orientalischen Frage vermag ich Ihnen nichts Erfreuliches zu berichten. Eine sichtbare Befangenheit, eine unverkennbare Verlegenheit scheint unter den Repräsentanten der Mächte zu herrschen. Selbst Palmerston glaubte in letzter Zeit sich mehr zurückhaltend zeigen zu müssen. Nicht minder reservirt bewiesen sich der russische und der österreichische Bevollmächtigte. Sollte dieß ein Vorgefühl seyn, daß der neueste Versuch, eine endliche Einigung unter den Mächten zu Stande zu bringen, keinen bessern Erfolg als die frühern haben werde? Dieß möchte nach meiner Meinung nicht so ganz bestimmt der Fall seyn, obgleich man jedenfalls annehmen kann, daß die eingetretene Pause aus der Besorgniß entspringe, das bereits nicht ohne Mühe zu Stande Gebrachte durch Unvorsichtigkeit wieder rückgängig gemacht zu sehen. Doch war man in letzter Zeit nicht ganz müßig: sowohl hinsichtlich des gegen Mehemed Ali anzunehmenden Operationsplans, als auch hinsichtlich der Stellung, welche die im thracischen Meere zuzulassenden europäischen Kriegsschiffe einnehmen sollten, wurden gewisse Modificationen vorgeschlagen, namentlich sollten die Schiffe einer bezeichneten Macht an den nördlichen Küsten des Marmora-Meeres stationiren, während die der andern Mächte an den südlichen Küsten des erwähnten Meeres kreuzen sollten. Allein diese Modificationen wurden noch nicht in ernste Erwägung genommen. Ohne daß diese Detailvorschläge geradezu verworfen worden wären, scheint doch Alles in fast banger Erwartung dem Augenblick der bestimmten Erklärungen entgegenzusehen. Die russische Expedition nach Khiwa, die Verhältnisse in der Moldau, Wallachei und Serbien, die neuesten Vorfälle in Griechenland, noch mehr als alles Uebrige vielleicht gewisse Communicationen, die eine geheimnißvolle Person, mit Hintansetzung des Grafen Sebastiani, mit verschiedenen Mitgliedern des brittischen Conseils gepflogen, scheinen eine Wendung in dem hier befolgten Gang hervorbringen zu wollen. Obwohl daher nicht zu läugnen, daß das französische Ministerconseil eine annähernde Politik befolgt und Alles versucht, um hier sein früheres Benehmen vergessen zu machen, kann man doch als fast gewiß annehmen, daß es den Grad vernünftiger Nachgiebigkeit schwerlich erreichen wird, zu dem eine sehr erlauchte Person in Frankreich sich, wie es scheint, gern verstehen würde. Beweis dafür ist, daß das Ministerconseil in Frankreich eine sehr feste Haltung annahm und selbst gegen die geäußerten Bedenklichkeiten und erhobenen Schwierigkeiten eines höhern Willens mit der definitiven Zurückberufung Sebastiani's durchzudringen wußte. Den Abgang dieses Diplomaten wird man hier schwerlich bedauern. Man erfährt zugleich aus Paris, daß Hr. Guizot, dem der hiesige Botschafterposten angetragen worden, sich eine Bedenkzeit zur Annahme dieses epinösen Antrags erbeten habe. Es wird sich wohl bald zeigen, welchen Einfluß alle diese Bewegungen auf die Entscheidung der großen Frage haben werden, die seit fast einem Jahre die Diplomatie beschäftigt; es dürfte sich aber zugleich die Meinung eines Staatsmanns vom Continent bewähren, daß alle Versuche zur Einigung der Mächt scheitern werden, wenn nicht die Dardanellenfrage von den Gegenständen der Unterhandlungen abgesondert und ajournirt, die ägyptischen Angelegenheiten dagegen allein zur Entscheidung gebracht werden. Man hätte allerdings auf den Ausspruch eminenter Erfahrung ein weit größeres Gewicht legen sollen, als es wirklich geschehen zu seyn scheint.

Frankreich.

Graf Boulay de la Meurthe, vormaliger Deputirter der Meurthe bei dem Rathe der Fünfhundert und bei der Repräsentantenkammer, Präsident der Section der Gesetzgebung des Staatsraths und Staatsminister unter dem Kaiserreich, ist am 2 Febr. in seinem 79sten Jahre in Paris gestorben.

* Der Pairshof versammelte sich am 4 Febr. zur Anhörung des Begnadigungsschreibens, wodurch der König die gegen Blanqui verhängte Todesstrafe in die der Deportation umgeändert hat. Darauf hielt die Pairskammer eine Sitzung, worin ihr der Siegelbewahrer den von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf über die Handelstribunale, und den ebenfalls von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Schiffseigenthümer vorlegte. Sodann wurden noch einige unbedeutende Petitionen verhandelt.

Das Capitole, das seinen Redacteur, Hrn. Karl Durand, wieder erhalten hat, gibt Erläuterungen über die Detention des letztern und über das Bonapartistische Complot, worin es zu beweisen sucht, daß das Journal allerdings Napoleonisch sey, daß aber sein Redacteur sich weder mit den Legitimisten, noch mit den Republicanern, noch mit Rußland eingelassen habe, um gegen die Regierung zu conspiriren.

Acht Bureaux der Deputirtenkammer wählten am 3 Febr. ihre Mitglieder zur Commission, welcher die Untersuchung und Begutachtung des Zuckergesetzentwurfs übertragen ist. Sämmtliche Wahlen fielen auf Gegner des Entwurfs, indem sechs entschieden gegen das ministerielle System und mehrere eifrig für die einheimische Zuckerindustrie sich aussprachen, während zwei der gewählten Mitglieder wenigstens gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs sich erklärten.

Das Commerce will wissen, Hr. Guizot werde vor seiner Abreise nach London zum Grafen ernannt werden, um ihn in dieser Beziehung auf gleichen Fuß mit den HH. Bresson und Pontois zu stellen.

Lord Plunket, der Lordkanzler von Irland, ist zu einem Commissär des (für alle Confessionen gemeinschaftlichen) Nationalerziehungs-Collegiums für Irland ernannt. Die orangistische Dublin Mail jammert: „Se. Lordschaft ist in den antichristlichen Lehren des Arius oder Socinus aufgewachsen, denn sein Vater war ein Socinianerprediger. So bildet seine jetzige Ernennung ein neues Kettenglied zwischen Socinianismus und Papstthum. Wir wünschen dem Dr. Murray (katholischem Titularbischof von Dublin) Glück zu seinem neuen Collegen.“

* ... 3 Febr. Für den Fall, daß Sie von Ihrem Londoner Correspondenten noch nicht in Kenntniß gesetzt seyn sollten, beeile ich mich Ihnen, als den Inhalt der neuesten Depeschen aus London, mitzutheilen, daß das Contreproject Lord Palmerstons im englischen Ministerconseil ebenfalls heftigen Widerspruch gefunden hat; die Mehrheit der Minister war mit den Concessionen, welche Lord Palmerston Rußland machen wollte: im Nothfall ein russisches Armeecorps in Klein-Asien einrücken zu lassen, selbst ohne die ausdrückliche Bedingung, daß die vereinigte englisch-französische Flotte vor Konstantinopel sich aufstelle, nicht einverstanden, und glaubte, es genüge, um Mehemed Ali zu zwingen, den Forderungen der Mächte nachzugeben, Alexandrien und die Küste von Syrien zu blokiren. Hieran scheiterten die Verhandlungen. Man sieht indessen, daß nicht mehr die Basis eines Friedens zwischen der Pforte und Mehemed Ali, sondern nur die Art, wie dieser zu erwirken, der Gegenstand der Differenzen ist. Die Basis scheint unverändert fest zu stehen, und nur geringe Modificationen dürften, um vielleicht Frankreichs Beitritt damit zu erkaufen, daran vorgehen. Es fragt sich nun, ob Frankreich der Erwartung entsprechen und seine Flotte der englischen in Handhabung der Blokade sich anschließen lassen wird.

Ueber den Fortgang der orientalischen Frage vermag ich Ihnen nichts Erfreuliches zu berichten. Eine sichtbare Befangenheit, eine unverkennbare Verlegenheit scheint unter den Repräsentanten der Mächte zu herrschen. Selbst Palmerston glaubte in letzter Zeit sich mehr zurückhaltend zeigen zu müssen. Nicht minder reservirt bewiesen sich der russische und der österreichische Bevollmächtigte. Sollte dieß ein Vorgefühl seyn, daß der neueste Versuch, eine endliche Einigung unter den Mächten zu Stande zu bringen, keinen bessern Erfolg als die frühern haben werde? Dieß möchte nach meiner Meinung nicht so ganz bestimmt der Fall seyn, obgleich man jedenfalls annehmen kann, daß die eingetretene Pause aus der Besorgniß entspringe, das bereits nicht ohne Mühe zu Stande Gebrachte durch Unvorsichtigkeit wieder rückgängig gemacht zu sehen. Doch war man in letzter Zeit nicht ganz müßig: sowohl hinsichtlich des gegen Mehemed Ali anzunehmenden Operationsplans, als auch hinsichtlich der Stellung, welche die im thracischen Meere zuzulassenden europäischen Kriegsschiffe einnehmen sollten, wurden gewisse Modificationen vorgeschlagen, namentlich sollten die Schiffe einer bezeichneten Macht an den nördlichen Küsten des Marmora-Meeres stationiren, während die der andern Mächte an den südlichen Küsten des erwähnten Meeres kreuzen sollten. Allein diese Modificationen wurden noch nicht in ernste Erwägung genommen. Ohne daß diese Detailvorschläge geradezu verworfen worden wären, scheint doch Alles in fast banger Erwartung dem Augenblick der bestimmten Erklärungen entgegenzusehen. Die russische Expedition nach Khiwa, die Verhältnisse in der Moldau, Wallachei und Serbien, die neuesten Vorfälle in Griechenland, noch mehr als alles Uebrige vielleicht gewisse Communicationen, die eine geheimnißvolle Person, mit Hintansetzung des Grafen Sebastiani, mit verschiedenen Mitgliedern des brittischen Conseils gepflogen, scheinen eine Wendung in dem hier befolgten Gang hervorbringen zu wollen. Obwohl daher nicht zu läugnen, daß das französische Ministerconseil eine annähernde Politik befolgt und Alles versucht, um hier sein früheres Benehmen vergessen zu machen, kann man doch als fast gewiß annehmen, daß es den Grad vernünftiger Nachgiebigkeit schwerlich erreichen wird, zu dem eine sehr erlauchte Person in Frankreich sich, wie es scheint, gern verstehen würde. Beweis dafür ist, daß das Ministerconseil in Frankreich eine sehr feste Haltung annahm und selbst gegen die geäußerten Bedenklichkeiten und erhobenen Schwierigkeiten eines höhern Willens mit der definitiven Zurückberufung Sebastiani's durchzudringen wußte. Den Abgang dieses Diplomaten wird man hier schwerlich bedauern. Man erfährt zugleich aus Paris, daß Hr. Guizot, dem der hiesige Botschafterposten angetragen worden, sich eine Bedenkzeit zur Annahme dieses epinösen Antrags erbeten habe. Es wird sich wohl bald zeigen, welchen Einfluß alle diese Bewegungen auf die Entscheidung der großen Frage haben werden, die seit fast einem Jahre die Diplomatie beschäftigt; es dürfte sich aber zugleich die Meinung eines Staatsmanns vom Continent bewähren, daß alle Versuche zur Einigung der Mächt scheitern werden, wenn nicht die Dardanellenfrage von den Gegenständen der Unterhandlungen abgesondert und ajournirt, die ägyptischen Angelegenheiten dagegen allein zur Entscheidung gebracht werden. Man hätte allerdings auf den Ausspruch eminenter Erfahrung ein weit größeres Gewicht legen sollen, als es wirklich geschehen zu seyn scheint.

Frankreich.

Graf Boulay de la Meurthe, vormaliger Deputirter der Meurthe bei dem Rathe der Fünfhundert und bei der Repräsentantenkammer, Präsident der Section der Gesetzgebung des Staatsraths und Staatsminister unter dem Kaiserreich, ist am 2 Febr. in seinem 79sten Jahre in Paris gestorben.

* Der Pairshof versammelte sich am 4 Febr. zur Anhörung des Begnadigungsschreibens, wodurch der König die gegen Blanqui verhängte Todesstrafe in die der Deportation umgeändert hat. Darauf hielt die Pairskammer eine Sitzung, worin ihr der Siegelbewahrer den von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf über die Handelstribunale, und den ebenfalls von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Schiffseigenthümer vorlegte. Sodann wurden noch einige unbedeutende Petitionen verhandelt.

Das Capitole, das seinen Redacteur, Hrn. Karl Durand, wieder erhalten hat, gibt Erläuterungen über die Detention des letztern und über das Bonapartistische Complot, worin es zu beweisen sucht, daß das Journal allerdings Napoleonisch sey, daß aber sein Redacteur sich weder mit den Legitimisten, noch mit den Republicanern, noch mit Rußland eingelassen habe, um gegen die Regierung zu conspiriren.

Acht Bureaux der Deputirtenkammer wählten am 3 Febr. ihre Mitglieder zur Commission, welcher die Untersuchung und Begutachtung des Zuckergesetzentwurfs übertragen ist. Sämmtliche Wahlen fielen auf Gegner des Entwurfs, indem sechs entschieden gegen das ministerielle System und mehrere eifrig für die einheimische Zuckerindustrie sich aussprachen, während zwei der gewählten Mitglieder wenigstens gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs sich erklärten.

Das Commerce will wissen, Hr. Guizot werde vor seiner Abreise nach London zum Grafen ernannt werden, um ihn in dieser Beziehung auf gleichen Fuß mit den HH. Bresson und Pontois zu stellen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle">
          <pb facs="#f0002" n="0314"/>
          <p>Lord Plunket, der Lordkanzler von Irland, ist zu einem Commissär des (für alle Confessionen gemeinschaftlichen) Nationalerziehungs-Collegiums für Irland ernannt. Die orangistische <hi rendition="#g">Dublin Mail</hi> jammert: &#x201E;Se. Lordschaft ist in den antichristlichen Lehren des Arius oder Socinus aufgewachsen, denn sein Vater war ein Socinianerprediger. So bildet seine jetzige Ernennung ein neues Kettenglied zwischen Socinianismus und Papstthum. Wir wünschen dem Dr. Murray (katholischem Titularbischof von Dublin) Glück zu seinem neuen Collegen.&#x201C;</p><lb/>
          <p><bibl>*</bibl> ... 3 Febr. Für den Fall, daß Sie von Ihrem Londoner Correspondenten noch nicht in Kenntniß gesetzt seyn sollten, beeile ich mich Ihnen, als den Inhalt der neuesten Depeschen aus London, mitzutheilen, daß das <hi rendition="#g">Contreproject</hi> Lord Palmerstons im englischen Ministerconseil <hi rendition="#g">ebenfalls</hi> heftigen Widerspruch gefunden hat; die Mehrheit der Minister war mit den Concessionen, welche Lord Palmerston Rußland machen wollte: im Nothfall ein russisches Armeecorps in Klein-Asien einrücken zu lassen, selbst ohne die ausdrückliche Bedingung, daß die vereinigte englisch-französische Flotte vor Konstantinopel sich aufstelle, nicht einverstanden, und glaubte, es genüge, um Mehemed Ali zu zwingen, den Forderungen der Mächte nachzugeben, Alexandrien und die Küste von Syrien zu blokiren. Hieran scheiterten die Verhandlungen. Man sieht indessen, daß nicht mehr die Basis eines Friedens zwischen der Pforte und Mehemed Ali, sondern nur die Art, wie dieser zu erwirken, der Gegenstand der Differenzen ist. Die Basis scheint unverändert fest zu stehen, und nur geringe Modificationen dürften, um vielleicht Frankreichs Beitritt damit zu erkaufen, daran vorgehen. Es fragt sich nun, ob Frankreich der Erwartung entsprechen und seine Flotte der englischen in Handhabung der Blokade sich anschließen lassen wird.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle">
          <byline>
            <docAuthor>&#x2642;</docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 2 Febr.</dateline>
          <p> Ueber den Fortgang der orientalischen Frage vermag ich Ihnen nichts Erfreuliches zu berichten. Eine sichtbare Befangenheit, eine unverkennbare Verlegenheit scheint unter den Repräsentanten der Mächte zu herrschen. Selbst Palmerston glaubte in letzter Zeit sich mehr zurückhaltend zeigen zu müssen. Nicht minder reservirt bewiesen sich der russische und der österreichische Bevollmächtigte. Sollte dieß ein Vorgefühl seyn, daß der neueste Versuch, eine endliche Einigung unter den Mächten zu Stande zu bringen, keinen bessern Erfolg als die frühern haben werde? Dieß möchte nach meiner Meinung nicht so ganz bestimmt der Fall seyn, obgleich man jedenfalls annehmen kann, daß die eingetretene Pause aus der Besorgniß entspringe, das bereits nicht ohne Mühe zu Stande Gebrachte durch Unvorsichtigkeit wieder rückgängig gemacht zu sehen. Doch war man in letzter Zeit nicht ganz müßig: sowohl hinsichtlich des gegen Mehemed Ali anzunehmenden Operationsplans, als auch hinsichtlich der Stellung, welche die im thracischen Meere zuzulassenden europäischen Kriegsschiffe einnehmen sollten, wurden gewisse Modificationen vorgeschlagen, namentlich sollten die Schiffe einer bezeichneten Macht an den nördlichen Küsten des Marmora-Meeres stationiren, während die der andern Mächte an den südlichen Küsten des erwähnten Meeres kreuzen sollten. Allein diese Modificationen wurden noch nicht in ernste Erwägung genommen. Ohne daß diese Detailvorschläge geradezu verworfen worden wären, scheint doch Alles in fast banger Erwartung dem Augenblick der bestimmten Erklärungen entgegenzusehen. Die russische Expedition nach Khiwa, die Verhältnisse in der Moldau, Wallachei und Serbien, die neuesten Vorfälle in Griechenland, noch mehr als alles Uebrige vielleicht gewisse Communicationen, die eine geheimnißvolle Person, mit Hintansetzung des Grafen Sebastiani, mit verschiedenen Mitgliedern des brittischen Conseils gepflogen, scheinen eine Wendung in dem hier befolgten Gang hervorbringen zu wollen. Obwohl daher nicht zu läugnen, daß das französische Ministerconseil eine annähernde Politik befolgt und Alles versucht, um hier sein früheres Benehmen vergessen zu machen, kann man doch als fast gewiß annehmen, daß es den Grad vernünftiger Nachgiebigkeit schwerlich erreichen wird, zu dem eine sehr erlauchte Person in Frankreich sich, wie es scheint, gern verstehen würde. Beweis dafür ist, daß das Ministerconseil in Frankreich eine sehr feste Haltung annahm und selbst gegen die geäußerten Bedenklichkeiten und erhobenen Schwierigkeiten eines höhern Willens mit der definitiven Zurückberufung Sebastiani's durchzudringen wußte. Den Abgang dieses Diplomaten wird man hier schwerlich bedauern. Man erfährt zugleich aus Paris, daß Hr. Guizot, dem der hiesige Botschafterposten angetragen worden, sich eine Bedenkzeit zur Annahme dieses epinösen Antrags erbeten habe. Es wird sich wohl bald zeigen, welchen Einfluß alle diese Bewegungen auf die Entscheidung der großen Frage haben werden, die seit fast einem Jahre die Diplomatie beschäftigt; es dürfte sich aber zugleich die Meinung eines Staatsmanns vom Continent bewähren, daß alle Versuche zur Einigung der Mächt scheitern werden, wenn nicht die Dardanellenfrage von den Gegenständen der Unterhandlungen abgesondert und ajournirt, die ägyptischen Angelegenheiten dagegen allein zur Entscheidung gebracht werden. Man hätte allerdings auf den Ausspruch eminenter Erfahrung ein weit größeres Gewicht legen sollen, als es wirklich geschehen zu seyn scheint.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 4 Febr.</dateline>
          <p/><lb/>
          <p>Graf Boulay de la Meurthe, vormaliger Deputirter der Meurthe bei dem Rathe der Fünfhundert und bei der Repräsentantenkammer, Präsident der Section der Gesetzgebung des Staatsraths und Staatsminister unter dem Kaiserreich, ist am 2 Febr. in seinem 79sten Jahre in Paris gestorben.</p><lb/>
          <p>* Der <hi rendition="#g">Pairshof</hi> versammelte sich am 4 Febr. zur Anhörung des Begnadigungsschreibens, wodurch der König die gegen Blanqui verhängte Todesstrafe in die der Deportation umgeändert hat. Darauf hielt die Pairskammer eine Sitzung, worin ihr der Siegelbewahrer den von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf über die Handelstribunale, und den ebenfalls von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Schiffseigenthümer vorlegte. Sodann wurden noch einige unbedeutende Petitionen verhandelt.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Capitole</hi>, das seinen Redacteur, Hrn. Karl Durand, wieder erhalten hat, gibt Erläuterungen über die Detention des letztern und über das Bonapartistische Complot, worin es zu beweisen sucht, daß das Journal allerdings Napoleonisch sey, daß aber sein Redacteur sich weder mit den Legitimisten, noch mit den Republicanern, noch mit Rußland eingelassen habe, um gegen die Regierung zu conspiriren.</p><lb/>
          <p>Acht Bureaux der Deputirtenkammer wählten am 3 Febr. ihre Mitglieder zur Commission, welcher die Untersuchung und Begutachtung des Zuckergesetzentwurfs übertragen ist. Sämmtliche Wahlen fielen auf <hi rendition="#g">Gegner</hi> des Entwurfs, indem sechs entschieden gegen das ministerielle System und mehrere eifrig für die einheimische Zuckerindustrie sich aussprachen, während zwei der gewählten Mitglieder wenigstens gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs sich erklärten.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Commerce</hi> will wissen, Hr. Guizot werde vor seiner Abreise nach London zum Grafen ernannt werden, um ihn in dieser Beziehung auf gleichen Fuß mit den HH. Bresson und Pontois zu stellen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0314/0002] Lord Plunket, der Lordkanzler von Irland, ist zu einem Commissär des (für alle Confessionen gemeinschaftlichen) Nationalerziehungs-Collegiums für Irland ernannt. Die orangistische Dublin Mail jammert: „Se. Lordschaft ist in den antichristlichen Lehren des Arius oder Socinus aufgewachsen, denn sein Vater war ein Socinianerprediger. So bildet seine jetzige Ernennung ein neues Kettenglied zwischen Socinianismus und Papstthum. Wir wünschen dem Dr. Murray (katholischem Titularbischof von Dublin) Glück zu seinem neuen Collegen.“ * ... 3 Febr. Für den Fall, daß Sie von Ihrem Londoner Correspondenten noch nicht in Kenntniß gesetzt seyn sollten, beeile ich mich Ihnen, als den Inhalt der neuesten Depeschen aus London, mitzutheilen, daß das Contreproject Lord Palmerstons im englischen Ministerconseil ebenfalls heftigen Widerspruch gefunden hat; die Mehrheit der Minister war mit den Concessionen, welche Lord Palmerston Rußland machen wollte: im Nothfall ein russisches Armeecorps in Klein-Asien einrücken zu lassen, selbst ohne die ausdrückliche Bedingung, daß die vereinigte englisch-französische Flotte vor Konstantinopel sich aufstelle, nicht einverstanden, und glaubte, es genüge, um Mehemed Ali zu zwingen, den Forderungen der Mächte nachzugeben, Alexandrien und die Küste von Syrien zu blokiren. Hieran scheiterten die Verhandlungen. Man sieht indessen, daß nicht mehr die Basis eines Friedens zwischen der Pforte und Mehemed Ali, sondern nur die Art, wie dieser zu erwirken, der Gegenstand der Differenzen ist. Die Basis scheint unverändert fest zu stehen, und nur geringe Modificationen dürften, um vielleicht Frankreichs Beitritt damit zu erkaufen, daran vorgehen. Es fragt sich nun, ob Frankreich der Erwartung entsprechen und seine Flotte der englischen in Handhabung der Blokade sich anschließen lassen wird. ♂London, 2 Febr. Ueber den Fortgang der orientalischen Frage vermag ich Ihnen nichts Erfreuliches zu berichten. Eine sichtbare Befangenheit, eine unverkennbare Verlegenheit scheint unter den Repräsentanten der Mächte zu herrschen. Selbst Palmerston glaubte in letzter Zeit sich mehr zurückhaltend zeigen zu müssen. Nicht minder reservirt bewiesen sich der russische und der österreichische Bevollmächtigte. Sollte dieß ein Vorgefühl seyn, daß der neueste Versuch, eine endliche Einigung unter den Mächten zu Stande zu bringen, keinen bessern Erfolg als die frühern haben werde? Dieß möchte nach meiner Meinung nicht so ganz bestimmt der Fall seyn, obgleich man jedenfalls annehmen kann, daß die eingetretene Pause aus der Besorgniß entspringe, das bereits nicht ohne Mühe zu Stande Gebrachte durch Unvorsichtigkeit wieder rückgängig gemacht zu sehen. Doch war man in letzter Zeit nicht ganz müßig: sowohl hinsichtlich des gegen Mehemed Ali anzunehmenden Operationsplans, als auch hinsichtlich der Stellung, welche die im thracischen Meere zuzulassenden europäischen Kriegsschiffe einnehmen sollten, wurden gewisse Modificationen vorgeschlagen, namentlich sollten die Schiffe einer bezeichneten Macht an den nördlichen Küsten des Marmora-Meeres stationiren, während die der andern Mächte an den südlichen Küsten des erwähnten Meeres kreuzen sollten. Allein diese Modificationen wurden noch nicht in ernste Erwägung genommen. Ohne daß diese Detailvorschläge geradezu verworfen worden wären, scheint doch Alles in fast banger Erwartung dem Augenblick der bestimmten Erklärungen entgegenzusehen. Die russische Expedition nach Khiwa, die Verhältnisse in der Moldau, Wallachei und Serbien, die neuesten Vorfälle in Griechenland, noch mehr als alles Uebrige vielleicht gewisse Communicationen, die eine geheimnißvolle Person, mit Hintansetzung des Grafen Sebastiani, mit verschiedenen Mitgliedern des brittischen Conseils gepflogen, scheinen eine Wendung in dem hier befolgten Gang hervorbringen zu wollen. Obwohl daher nicht zu läugnen, daß das französische Ministerconseil eine annähernde Politik befolgt und Alles versucht, um hier sein früheres Benehmen vergessen zu machen, kann man doch als fast gewiß annehmen, daß es den Grad vernünftiger Nachgiebigkeit schwerlich erreichen wird, zu dem eine sehr erlauchte Person in Frankreich sich, wie es scheint, gern verstehen würde. Beweis dafür ist, daß das Ministerconseil in Frankreich eine sehr feste Haltung annahm und selbst gegen die geäußerten Bedenklichkeiten und erhobenen Schwierigkeiten eines höhern Willens mit der definitiven Zurückberufung Sebastiani's durchzudringen wußte. Den Abgang dieses Diplomaten wird man hier schwerlich bedauern. Man erfährt zugleich aus Paris, daß Hr. Guizot, dem der hiesige Botschafterposten angetragen worden, sich eine Bedenkzeit zur Annahme dieses epinösen Antrags erbeten habe. Es wird sich wohl bald zeigen, welchen Einfluß alle diese Bewegungen auf die Entscheidung der großen Frage haben werden, die seit fast einem Jahre die Diplomatie beschäftigt; es dürfte sich aber zugleich die Meinung eines Staatsmanns vom Continent bewähren, daß alle Versuche zur Einigung der Mächt scheitern werden, wenn nicht die Dardanellenfrage von den Gegenständen der Unterhandlungen abgesondert und ajournirt, die ägyptischen Angelegenheiten dagegen allein zur Entscheidung gebracht werden. Man hätte allerdings auf den Ausspruch eminenter Erfahrung ein weit größeres Gewicht legen sollen, als es wirklich geschehen zu seyn scheint. Frankreich. _ Paris, 4 Febr. Graf Boulay de la Meurthe, vormaliger Deputirter der Meurthe bei dem Rathe der Fünfhundert und bei der Repräsentantenkammer, Präsident der Section der Gesetzgebung des Staatsraths und Staatsminister unter dem Kaiserreich, ist am 2 Febr. in seinem 79sten Jahre in Paris gestorben. * Der Pairshof versammelte sich am 4 Febr. zur Anhörung des Begnadigungsschreibens, wodurch der König die gegen Blanqui verhängte Todesstrafe in die der Deportation umgeändert hat. Darauf hielt die Pairskammer eine Sitzung, worin ihr der Siegelbewahrer den von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf über die Handelstribunale, und den ebenfalls von der Deputirtenkammer angenommenen Gesetzesentwurf in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Schiffseigenthümer vorlegte. Sodann wurden noch einige unbedeutende Petitionen verhandelt. Das Capitole, das seinen Redacteur, Hrn. Karl Durand, wieder erhalten hat, gibt Erläuterungen über die Detention des letztern und über das Bonapartistische Complot, worin es zu beweisen sucht, daß das Journal allerdings Napoleonisch sey, daß aber sein Redacteur sich weder mit den Legitimisten, noch mit den Republicanern, noch mit Rußland eingelassen habe, um gegen die Regierung zu conspiriren. Acht Bureaux der Deputirtenkammer wählten am 3 Febr. ihre Mitglieder zur Commission, welcher die Untersuchung und Begutachtung des Zuckergesetzentwurfs übertragen ist. Sämmtliche Wahlen fielen auf Gegner des Entwurfs, indem sechs entschieden gegen das ministerielle System und mehrere eifrig für die einheimische Zuckerindustrie sich aussprachen, während zwei der gewählten Mitglieder wenigstens gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs sich erklärten. Das Commerce will wissen, Hr. Guizot werde vor seiner Abreise nach London zum Grafen ernannt werden, um ihn in dieser Beziehung auf gleichen Fuß mit den HH. Bresson und Pontois zu stellen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_040_18400209
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_040_18400209/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 40. Augsburg, 9. Februar 1840, S. 0314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_040_18400209/2>, abgerufen am 23.11.2024.