Allgemeine Zeitung. Nr. 48. Augsburg, 17. Februar 1840.n rascher Aufeinanderfolge der St. Jamescapelle zu, und mehrere derselben wurden mit Acclamation begrüßt. Auch ein großer Theil des Hofs war, um das Gedränge zu vermeiden, früher nach St. James vorausgefahren. 20 Minuten vor 12 Uhr vernahm man auf der großen Treppe das Wort "sharp" (Achtung!)" - bei Hof die gewöhnliche Losung, wenn königliche Personen in den Wagen steigen. Es war das Zeichen der Abfahrt des Prinzen Albert. Alsbald erschien Se. königl. Hoh. mit seiner hohen Begleitung. (S. das Programm in der gestrigen Nummer d. Allg. Z.) Se. königl. Hoh. wurde mit feurigem Händeklatschen empfangen, und stieg, mit dem huldvollsten Lächeln sich vor den Anwesenden verneigend, die Treppe hinab. Einige Minuten später ertönte wieder der Ruf: "sharp!" und Ihre Maj. erschien, begleitet von der Herzogin von Kent, der Herzogin von Sutherland, als erster Hofdame, den obersten Hofbeamten und den zwei Ehrenpagen, die Ihrer Maj. Schlepp trugen. Victoria trug, wie ihre Brautjungfrauen in der Capelle, ein weißes Atlaßkleid, ihre Stirne war mit einem Kranz weißer Orangeblüthen geschmückt, und ein kostbarer Schleier von Honiton-Spitzen floß über Haupt und Schultern nieder; ihr ganzer Anzug konnte als das Ideal eines königlichen Brautschmuckes gelten. Ihre Majestät sah sehr gesund, wiewohl etwas blasser als gewöhnlich aus; die vollkommene Selbstbeherrschung und die freie Haltung, die Ihre Maj. jederzeit auszeichnen, hatten sie auch in diesem Moment nicht verlassen. Ihrer Maj. Begrüßung beim Einsteigen war enthusiastisch. Alle Balcone und Fenster des Palastes waren mit elegant gekleideten Damen besetzt, die der hohen Braut ihre Taschentücher zuschwenkten. Der Zug des Cortege bewegte sich in fünfzehn Wagen dem St. Jamespalaste zu. Hier waren längst vor Eröffnung der Capelle und der Staatsapartements, durch welche die Trauungsprocession gehen sollte, alle Zugänge mit den Wagen des Adels und der Gentry besetzt. Die fremden Gesandten, die Minister und Mitglieder des geheimen Raths waren in dem "Gesandtenhof" abgestiegen; der Cortege betrat den Palast durch den Haupteingang. Die Königin wurde nach ihrer Ankunft im St. Jamespalast in ihr Closet hinter dem Thronsaal geführt. In letzterem ordnete sich der Zug nach der Capelle. Dieses Gotteshaus ist nur von sehr mäßigem Umfang, war aber zu dieser Feier sehr geschmackvoll mit carmosinrothem Tuch in malerischen Draperien, und mit reicher Vergoldung geschmückt. Auf dem Communiontisch prangte eine Fülle goldener Gefäße, und zur Rechten und Linken desselben waren für die beiden functionirenden hohen Prälaten, den Erzbischof von Canterbury und den Bischof von London, Stühle gestellt. (Der Erzbischof von York war ebenfalls geladen, hatte aber keine Function.) Ueber das Estrich der Capelle waren blaue golddurchwirkte Tapeten mit der normannischen Rose gebreitet. Das Licht, welches durch das gothische Fenster über dem Altar und die beiden Seitenfenster gebrochen einfiel, verbreitete über das Ganze einen milden Schein. Besonders reich verziert war der dem diplomatischen Corps vorbehaltene Raum der Capelle. Ebenso waren die Sitze in den Staatsgemächern und Corridors, welche die Capelle mit dem Palast verbinden, für die hier Platz nehmenden Zuschauer auf das glänzendste und geschmackvollste arrangirt. Hier saßen viele Pairs und Pairinnen, die in der Capelle selbst keinen Platz finden konnten, ministerielle Beamte, Oberrichter u. s. w. In der Capelle angelangt, nahmen die hohe Braut mit den Gliedern der königlichen Familie, worunter auch die Königin-Wittwe, zur Rechten, der erlauchte Bräutigam mit seinen hohen Verwandten und seinem Gefolge zur Linken des Altars ihre Sitze ein, wie das Programm es angekündigt. Mittlerweile hörte man das vor der Capelle stehende Musikchor die für den Fall allerdings sehr passende Marschmelodie des Liedes spielen: "Haste to the wedding (eilt zu der Hochzeit.)" Der Ueberblick der Versammlung war prachtvoll. Unter den Anwesenden bemerkte man besonders den Herzog v. Wellington in voller Marschallsuniform und mit dem Marschallstabe, die Waterloo-Medaille auf der Brust. Er wurde eingeladen, neben den königlichen Herzogen Platz zu nehmen. Der Herzog v. Devonshire trug auf jeder Schulter zwei weiße Rosetten, von denen eine Fülle weißer Bänder niederwallte. Den Gesandten und ihren Gemahlinnen war die Galerie, dem Altar gegenüber, eingeräumt, wo sonst die königl. Familie dem Gottesdienst anzuwohnen pflegt. In der Fronte saßen der österreichische, russische, nordamerikanische und belgische Gesandte; General Sebastiani etwas abseits, allein. Den türkischen Botschafter sah man verwunderte Blicke auf die christliche Hochzeitgemeinde werfen. Neben den Ministern Russell, Normanby, Morpeth und Hobhouse auf der Seitengalerie saß der Sprecher des Unterhauses in Perrücke und Amtsrobe. Beim Eintritt des Prinzen - er trug die Garde-Uniform, den sehr edlen Hosenbandorden, und auf der Schulter einen großen weißen "favour" - erhob sich die ganze Versammlung. Als er die oberste Altarstufe betreten, ward er von dem Cerimonienmeister zu Ihrer Maj. der Königin - Wittwe geführt, deren Hand er küßte, so wie auch sein durchlauchtiger Vater und der Erbprinz von Sachsen-Coburg. Sofort ward er den beiden Erzbischöfen und dem Bischof von London vorgestellt. Als die Königin, unter dem Schall des God save the Queen in die Capelle trat, fiel eben einer der hellsten Sonnenstrahlen durch die Fenster, was von vielen als ein glückverkündendes Omen betrachtet ward. Sofort trat der Primas des Reichs, mit dem heiligen Buch in der Hand, an die Altareinfassung, und las mit klarer feierlicher Stimme die Trauungsformel. Als er die Worte sprach: "Albert, willst Du dieses Weib zu Deinem angetrauten Ehegemahl (Albert, wilt thou have this woman to be thy wedded wife?)," antwortete der Prinz mit einem kräftigen: "Ich will." Und auf die Frage: "Victoria, willst Du diesen Mann zu Deinem angetrauten Ehegatten (Victoria, wilt thou have this man to be thy wedded husband?)" sprach die Königin mit fester Stimme: "I will." Auch sprach sie die Worte: "Ihn lieben, ehren, ihm gehorchen und ihm allein angehören," besonders deutlich. Die Braut wurde durch den Herzog von Sussex übergeben, und gerade mit dem Schlage halb 2 Uhr verkündigten 21 Kanonenschüsse der Hauptstadt, daß Prinz Albert der Königin Victoria den "einfachen Goldring (the plain gold ring)" angesteckt habe, und der Bund geschlossen sey - (Hat die Königin doch nichts läßt Schiller eine Königin von England sagen.)Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe! Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht, Auf gleiche Dienstbarkeit - der Ring macht Ehen, Und Ringe sind's, die eine Kette machen." Nach beendigter Feier führte Prinz Albert die königl. Braut nach dem Thronsaal, wo das hohe Paar in das "Marriage Register", dem neuen Gesetze zufolge, sich einzeichnete. Beim Austritt aus der Capelle hielt Victoria die Augen zu Boden gesenkt, und erhob sie nur manchmal zu einem flüchtigen Gruße. Der Zug bewegte sich in derselben Ordnung nach dem Buckinghampalast zurück. Hier war ein glänzendes Mahl vorbereitet, bei welchem der (neulich beschriebene) riesige Hochzeitkuchen die Hauptfigur spielte. Sofort fuhr das hohe Paar mit kleinem Gefolge nach Windsorschloß ab, den "intus digna geri" entgegen. Im St. Jamespalaste aber steht für den Abend ein n rascher Aufeinanderfolge der St. Jamescapelle zu, und mehrere derselben wurden mit Acclamation begrüßt. Auch ein großer Theil des Hofs war, um das Gedränge zu vermeiden, früher nach St. James vorausgefahren. 20 Minuten vor 12 Uhr vernahm man auf der großen Treppe das Wort „sharp“ (Achtung!)“ – bei Hof die gewöhnliche Losung, wenn königliche Personen in den Wagen steigen. Es war das Zeichen der Abfahrt des Prinzen Albert. Alsbald erschien Se. königl. Hoh. mit seiner hohen Begleitung. (S. das Programm in der gestrigen Nummer d. Allg. Z.) Se. königl. Hoh. wurde mit feurigem Händeklatschen empfangen, und stieg, mit dem huldvollsten Lächeln sich vor den Anwesenden verneigend, die Treppe hinab. Einige Minuten später ertönte wieder der Ruf: „sharp!“ und Ihre Maj. erschien, begleitet von der Herzogin von Kent, der Herzogin von Sutherland, als erster Hofdame, den obersten Hofbeamten und den zwei Ehrenpagen, die Ihrer Maj. Schlepp trugen. Victoria trug, wie ihre Brautjungfrauen in der Capelle, ein weißes Atlaßkleid, ihre Stirne war mit einem Kranz weißer Orangeblüthen geschmückt, und ein kostbarer Schleier von Honiton-Spitzen floß über Haupt und Schultern nieder; ihr ganzer Anzug konnte als das Ideal eines königlichen Brautschmuckes gelten. Ihre Majestät sah sehr gesund, wiewohl etwas blasser als gewöhnlich aus; die vollkommene Selbstbeherrschung und die freie Haltung, die Ihre Maj. jederzeit auszeichnen, hatten sie auch in diesem Moment nicht verlassen. Ihrer Maj. Begrüßung beim Einsteigen war enthusiastisch. Alle Balcone und Fenster des Palastes waren mit elegant gekleideten Damen besetzt, die der hohen Braut ihre Taschentücher zuschwenkten. Der Zug des Cortège bewegte sich in fünfzehn Wagen dem St. Jamespalaste zu. Hier waren längst vor Eröffnung der Capelle und der Staatsapartements, durch welche die Trauungsprocession gehen sollte, alle Zugänge mit den Wagen des Adels und der Gentry besetzt. Die fremden Gesandten, die Minister und Mitglieder des geheimen Raths waren in dem „Gesandtenhof“ abgestiegen; der Cortège betrat den Palast durch den Haupteingang. Die Königin wurde nach ihrer Ankunft im St. Jamespalast in ihr Closet hinter dem Thronsaal geführt. In letzterem ordnete sich der Zug nach der Capelle. Dieses Gotteshaus ist nur von sehr mäßigem Umfang, war aber zu dieser Feier sehr geschmackvoll mit carmosinrothem Tuch in malerischen Draperien, und mit reicher Vergoldung geschmückt. Auf dem Communiontisch prangte eine Fülle goldener Gefäße, und zur Rechten und Linken desselben waren für die beiden functionirenden hohen Prälaten, den Erzbischof von Canterbury und den Bischof von London, Stühle gestellt. (Der Erzbischof von York war ebenfalls geladen, hatte aber keine Function.) Ueber das Estrich der Capelle waren blaue golddurchwirkte Tapeten mit der normannischen Rose gebreitet. Das Licht, welches durch das gothische Fenster über dem Altar und die beiden Seitenfenster gebrochen einfiel, verbreitete über das Ganze einen milden Schein. Besonders reich verziert war der dem diplomatischen Corps vorbehaltene Raum der Capelle. Ebenso waren die Sitze in den Staatsgemächern und Corridors, welche die Capelle mit dem Palast verbinden, für die hier Platz nehmenden Zuschauer auf das glänzendste und geschmackvollste arrangirt. Hier saßen viele Pairs und Pairinnen, die in der Capelle selbst keinen Platz finden konnten, ministerielle Beamte, Oberrichter u. s. w. In der Capelle angelangt, nahmen die hohe Braut mit den Gliedern der königlichen Familie, worunter auch die Königin-Wittwe, zur Rechten, der erlauchte Bräutigam mit seinen hohen Verwandten und seinem Gefolge zur Linken des Altars ihre Sitze ein, wie das Programm es angekündigt. Mittlerweile hörte man das vor der Capelle stehende Musikchor die für den Fall allerdings sehr passende Marschmelodie des Liedes spielen: „Haste to the wedding (eilt zu der Hochzeit.)“ Der Ueberblick der Versammlung war prachtvoll. Unter den Anwesenden bemerkte man besonders den Herzog v. Wellington in voller Marschallsuniform und mit dem Marschallstabe, die Waterloo-Medaille auf der Brust. Er wurde eingeladen, neben den königlichen Herzogen Platz zu nehmen. Der Herzog v. Devonshire trug auf jeder Schulter zwei weiße Rosetten, von denen eine Fülle weißer Bänder niederwallte. Den Gesandten und ihren Gemahlinnen war die Galerie, dem Altar gegenüber, eingeräumt, wo sonst die königl. Familie dem Gottesdienst anzuwohnen pflegt. In der Fronte saßen der österreichische, russische, nordamerikanische und belgische Gesandte; General Sebastiani etwas abseits, allein. Den türkischen Botschafter sah man verwunderte Blicke auf die christliche Hochzeitgemeinde werfen. Neben den Ministern Russell, Normanby, Morpeth und Hobhouse auf der Seitengalerie saß der Sprecher des Unterhauses in Perrücke und Amtsrobe. Beim Eintritt des Prinzen – er trug die Garde-Uniform, den sehr edlen Hosenbandorden, und auf der Schulter einen großen weißen „favour“ – erhob sich die ganze Versammlung. Als er die oberste Altarstufe betreten, ward er von dem Cerimonienmeister zu Ihrer Maj. der Königin - Wittwe geführt, deren Hand er küßte, so wie auch sein durchlauchtiger Vater und der Erbprinz von Sachsen-Coburg. Sofort ward er den beiden Erzbischöfen und dem Bischof von London vorgestellt. Als die Königin, unter dem Schall des God save the Queen in die Capelle trat, fiel eben einer der hellsten Sonnenstrahlen durch die Fenster, was von vielen als ein glückverkündendes Omen betrachtet ward. Sofort trat der Primas des Reichs, mit dem heiligen Buch in der Hand, an die Altareinfassung, und las mit klarer feierlicher Stimme die Trauungsformel. Als er die Worte sprach: „Albert, willst Du dieses Weib zu Deinem angetrauten Ehegemahl (Albert, wilt thou have this woman to be thy wedded wife?),“ antwortete der Prinz mit einem kräftigen: „Ich will.“ Und auf die Frage: „Victoria, willst Du diesen Mann zu Deinem angetrauten Ehegatten (Victoria, wilt thou have this man to be thy wedded husband?)“ sprach die Königin mit fester Stimme: „I will.“ Auch sprach sie die Worte: „Ihn lieben, ehren, ihm gehorchen und ihm allein angehören,“ besonders deutlich. Die Braut wurde durch den Herzog von Sussex übergeben, und gerade mit dem Schlage halb 2 Uhr verkündigten 21 Kanonenschüsse der Hauptstadt, daß Prinz Albert der Königin Victoria den „einfachen Goldring (the plain gold ring)“ angesteckt habe, und der Bund geschlossen sey – (Hat die Königin doch nichts läßt Schiller eine Königin von England sagen.)Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe! Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht, Auf gleiche Dienstbarkeit – der Ring macht Ehen, Und Ringe sind's, die eine Kette machen.“ Nach beendigter Feier führte Prinz Albert die königl. Braut nach dem Thronsaal, wo das hohe Paar in das „Marriage Register“, dem neuen Gesetze zufolge, sich einzeichnete. Beim Austritt aus der Capelle hielt Victoria die Augen zu Boden gesenkt, und erhob sie nur manchmal zu einem flüchtigen Gruße. Der Zug bewegte sich in derselben Ordnung nach dem Buckinghampalast zurück. Hier war ein glänzendes Mahl vorbereitet, bei welchem der (neulich beschriebene) riesige Hochzeitkuchen die Hauptfigur spielte. Sofort fuhr das hohe Paar mit kleinem Gefolge nach Windsorschloß ab, den „intus digna geri“ entgegen. Im St. Jamespalaste aber steht für den Abend ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0002" n="0378"/> n rascher Aufeinanderfolge der St. Jamescapelle zu, und mehrere derselben wurden mit Acclamation begrüßt. Auch ein großer Theil des Hofs war, um das Gedränge zu vermeiden, früher nach St. James vorausgefahren. 20 Minuten vor 12 Uhr vernahm man auf der großen Treppe das Wort „sharp“ (Achtung!)“ – bei Hof die gewöhnliche Losung, wenn königliche Personen in den Wagen steigen. Es war das Zeichen der Abfahrt des Prinzen Albert. Alsbald erschien Se. königl. Hoh. mit seiner hohen Begleitung. (S. das Programm in der gestrigen Nummer d. Allg. Z.) Se. königl. Hoh. wurde mit feurigem Händeklatschen empfangen, und stieg, mit dem huldvollsten Lächeln sich vor den Anwesenden verneigend, die Treppe hinab. Einige Minuten später ertönte wieder der Ruf: „sharp!“ und Ihre Maj. erschien, begleitet von der Herzogin von Kent, der Herzogin von Sutherland, als erster Hofdame, den obersten Hofbeamten und den zwei Ehrenpagen, die Ihrer Maj. Schlepp trugen. Victoria trug, wie ihre Brautjungfrauen in der Capelle, ein weißes Atlaßkleid, ihre Stirne war mit einem Kranz weißer Orangeblüthen geschmückt, und ein kostbarer Schleier von Honiton-Spitzen floß über Haupt und Schultern nieder; ihr ganzer Anzug konnte als das Ideal eines königlichen Brautschmuckes gelten. Ihre Majestät sah sehr gesund, wiewohl etwas blasser als gewöhnlich aus; die vollkommene Selbstbeherrschung und die freie Haltung, die Ihre Maj. jederzeit auszeichnen, hatten sie auch in diesem Moment nicht verlassen. Ihrer Maj. Begrüßung beim Einsteigen war enthusiastisch. Alle Balcone und Fenster des Palastes waren mit elegant gekleideten Damen besetzt, die der hohen Braut ihre Taschentücher zuschwenkten. Der Zug des Cortège bewegte sich in fünfzehn Wagen dem St. Jamespalaste zu. Hier waren längst vor Eröffnung der Capelle und der Staatsapartements, durch welche die Trauungsprocession gehen sollte, alle Zugänge mit den Wagen des Adels und der Gentry besetzt. Die fremden Gesandten, die Minister und Mitglieder des geheimen Raths waren in dem „Gesandtenhof“ abgestiegen; der Cortège betrat den Palast durch den Haupteingang. Die Königin wurde nach ihrer Ankunft im St. Jamespalast in ihr Closet hinter dem Thronsaal geführt. In letzterem ordnete sich der Zug nach der Capelle. Dieses Gotteshaus ist nur von sehr mäßigem Umfang, war aber zu dieser Feier sehr geschmackvoll mit carmosinrothem Tuch in malerischen Draperien, und mit reicher Vergoldung geschmückt. Auf dem Communiontisch prangte eine Fülle goldener Gefäße, und zur Rechten und Linken desselben waren für die beiden functionirenden hohen Prälaten, den Erzbischof von Canterbury und den Bischof von London, Stühle gestellt. (Der Erzbischof von York war ebenfalls geladen, hatte aber keine Function.) Ueber das Estrich der Capelle waren blaue golddurchwirkte Tapeten mit der normannischen Rose gebreitet. Das Licht, welches durch das gothische Fenster über dem Altar und die beiden Seitenfenster gebrochen einfiel, verbreitete über das Ganze einen milden Schein. Besonders reich verziert war der dem diplomatischen Corps vorbehaltene Raum der Capelle. Ebenso waren die Sitze in den Staatsgemächern und Corridors, welche die Capelle mit dem Palast verbinden, für die hier Platz nehmenden Zuschauer auf das glänzendste und geschmackvollste arrangirt. Hier saßen viele Pairs und Pairinnen, die in der Capelle selbst keinen Platz finden konnten, ministerielle Beamte, Oberrichter u. s. w. In der Capelle angelangt, nahmen die hohe Braut mit den Gliedern der königlichen Familie, worunter auch die Königin-Wittwe, zur Rechten, der erlauchte Bräutigam mit seinen hohen Verwandten und seinem Gefolge zur Linken des Altars ihre Sitze ein, wie das Programm es angekündigt. Mittlerweile hörte man das vor der Capelle stehende Musikchor die für den Fall allerdings sehr passende Marschmelodie des Liedes spielen: „Haste to the wedding (eilt zu der Hochzeit.)“ Der Ueberblick der Versammlung war prachtvoll. Unter den Anwesenden bemerkte man besonders den Herzog v. Wellington in voller Marschallsuniform und mit dem Marschallstabe, die Waterloo-Medaille auf der Brust. Er wurde eingeladen, neben den königlichen Herzogen Platz zu nehmen. Der Herzog v. Devonshire trug auf jeder Schulter zwei weiße Rosetten, von denen eine Fülle weißer Bänder niederwallte. Den Gesandten und ihren Gemahlinnen war die Galerie, dem Altar gegenüber, eingeräumt, wo sonst die königl. Familie dem Gottesdienst anzuwohnen pflegt. In der Fronte saßen der österreichische, russische, nordamerikanische und belgische Gesandte; General Sebastiani etwas abseits, allein. Den türkischen Botschafter sah man verwunderte Blicke auf die christliche Hochzeitgemeinde werfen. Neben den Ministern Russell, Normanby, Morpeth und Hobhouse auf der Seitengalerie saß der Sprecher des Unterhauses in Perrücke und Amtsrobe. Beim Eintritt des Prinzen – er trug die Garde-Uniform, den sehr edlen Hosenbandorden, und auf der Schulter einen großen weißen „favour“ – erhob sich die ganze Versammlung. Als er die oberste Altarstufe betreten, ward er von dem Cerimonienmeister zu Ihrer Maj. der Königin - Wittwe geführt, deren Hand er küßte, so wie auch sein durchlauchtiger Vater und der Erbprinz von Sachsen-Coburg. Sofort ward er den beiden Erzbischöfen und dem Bischof von London vorgestellt. Als die Königin, unter dem Schall des God save the Queen in die Capelle trat, fiel eben einer der hellsten Sonnenstrahlen durch die Fenster, was von vielen als ein glückverkündendes Omen betrachtet ward. Sofort trat der Primas des Reichs, mit dem heiligen Buch in der Hand, an die Altareinfassung, und las mit klarer feierlicher Stimme die Trauungsformel. Als er die Worte sprach: „Albert, willst Du dieses Weib zu Deinem angetrauten Ehegemahl (Albert, wilt thou have this woman to be thy wedded wife?),“ antwortete der Prinz mit einem kräftigen: „Ich will.“ Und auf die Frage: „Victoria, willst Du diesen Mann zu Deinem angetrauten Ehegatten (Victoria, wilt thou have this man to be thy wedded husband?)“ sprach die Königin mit fester Stimme: „I will.“ Auch sprach sie die Worte: „Ihn lieben, ehren, ihm gehorchen und ihm allein angehören,“ besonders deutlich. Die Braut wurde durch den Herzog von Sussex übergeben, und gerade mit dem Schlage halb 2 Uhr verkündigten 21 Kanonenschüsse der Hauptstadt, daß Prinz Albert der Königin Victoria den „einfachen Goldring (the plain gold ring)“ angesteckt habe, und der Bund geschlossen sey –<lb/><lg type="poem"><l>(Hat die Königin doch nichts</l><lb/><l>Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe!</l><lb/><l>Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht,</l><lb/><l>Auf gleiche Dienstbarkeit – der Ring macht Ehen,</l><lb/><l>Und Ringe sind's, die eine Kette machen.“</l></lg><lb/> läßt Schiller eine Königin von England sagen.)</p><lb/> <p>Nach beendigter Feier führte Prinz Albert die königl. Braut nach dem Thronsaal, wo das hohe Paar in das „Marriage Register“, dem neuen Gesetze zufolge, sich einzeichnete. Beim Austritt aus der Capelle hielt Victoria die Augen zu Boden gesenkt, und erhob sie nur manchmal zu einem flüchtigen Gruße. Der Zug bewegte sich in derselben Ordnung nach dem Buckinghampalast zurück. Hier war ein glänzendes Mahl vorbereitet, bei welchem der (neulich beschriebene) riesige Hochzeitkuchen die Hauptfigur spielte. Sofort fuhr das hohe Paar mit kleinem Gefolge nach Windsorschloß ab, den „intus digna geri“ entgegen. Im St. Jamespalaste aber steht für den Abend ein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378/0002]
n rascher Aufeinanderfolge der St. Jamescapelle zu, und mehrere derselben wurden mit Acclamation begrüßt. Auch ein großer Theil des Hofs war, um das Gedränge zu vermeiden, früher nach St. James vorausgefahren. 20 Minuten vor 12 Uhr vernahm man auf der großen Treppe das Wort „sharp“ (Achtung!)“ – bei Hof die gewöhnliche Losung, wenn königliche Personen in den Wagen steigen. Es war das Zeichen der Abfahrt des Prinzen Albert. Alsbald erschien Se. königl. Hoh. mit seiner hohen Begleitung. (S. das Programm in der gestrigen Nummer d. Allg. Z.) Se. königl. Hoh. wurde mit feurigem Händeklatschen empfangen, und stieg, mit dem huldvollsten Lächeln sich vor den Anwesenden verneigend, die Treppe hinab. Einige Minuten später ertönte wieder der Ruf: „sharp!“ und Ihre Maj. erschien, begleitet von der Herzogin von Kent, der Herzogin von Sutherland, als erster Hofdame, den obersten Hofbeamten und den zwei Ehrenpagen, die Ihrer Maj. Schlepp trugen. Victoria trug, wie ihre Brautjungfrauen in der Capelle, ein weißes Atlaßkleid, ihre Stirne war mit einem Kranz weißer Orangeblüthen geschmückt, und ein kostbarer Schleier von Honiton-Spitzen floß über Haupt und Schultern nieder; ihr ganzer Anzug konnte als das Ideal eines königlichen Brautschmuckes gelten. Ihre Majestät sah sehr gesund, wiewohl etwas blasser als gewöhnlich aus; die vollkommene Selbstbeherrschung und die freie Haltung, die Ihre Maj. jederzeit auszeichnen, hatten sie auch in diesem Moment nicht verlassen. Ihrer Maj. Begrüßung beim Einsteigen war enthusiastisch. Alle Balcone und Fenster des Palastes waren mit elegant gekleideten Damen besetzt, die der hohen Braut ihre Taschentücher zuschwenkten. Der Zug des Cortège bewegte sich in fünfzehn Wagen dem St. Jamespalaste zu. Hier waren längst vor Eröffnung der Capelle und der Staatsapartements, durch welche die Trauungsprocession gehen sollte, alle Zugänge mit den Wagen des Adels und der Gentry besetzt. Die fremden Gesandten, die Minister und Mitglieder des geheimen Raths waren in dem „Gesandtenhof“ abgestiegen; der Cortège betrat den Palast durch den Haupteingang. Die Königin wurde nach ihrer Ankunft im St. Jamespalast in ihr Closet hinter dem Thronsaal geführt. In letzterem ordnete sich der Zug nach der Capelle. Dieses Gotteshaus ist nur von sehr mäßigem Umfang, war aber zu dieser Feier sehr geschmackvoll mit carmosinrothem Tuch in malerischen Draperien, und mit reicher Vergoldung geschmückt. Auf dem Communiontisch prangte eine Fülle goldener Gefäße, und zur Rechten und Linken desselben waren für die beiden functionirenden hohen Prälaten, den Erzbischof von Canterbury und den Bischof von London, Stühle gestellt. (Der Erzbischof von York war ebenfalls geladen, hatte aber keine Function.) Ueber das Estrich der Capelle waren blaue golddurchwirkte Tapeten mit der normannischen Rose gebreitet. Das Licht, welches durch das gothische Fenster über dem Altar und die beiden Seitenfenster gebrochen einfiel, verbreitete über das Ganze einen milden Schein. Besonders reich verziert war der dem diplomatischen Corps vorbehaltene Raum der Capelle. Ebenso waren die Sitze in den Staatsgemächern und Corridors, welche die Capelle mit dem Palast verbinden, für die hier Platz nehmenden Zuschauer auf das glänzendste und geschmackvollste arrangirt. Hier saßen viele Pairs und Pairinnen, die in der Capelle selbst keinen Platz finden konnten, ministerielle Beamte, Oberrichter u. s. w. In der Capelle angelangt, nahmen die hohe Braut mit den Gliedern der königlichen Familie, worunter auch die Königin-Wittwe, zur Rechten, der erlauchte Bräutigam mit seinen hohen Verwandten und seinem Gefolge zur Linken des Altars ihre Sitze ein, wie das Programm es angekündigt. Mittlerweile hörte man das vor der Capelle stehende Musikchor die für den Fall allerdings sehr passende Marschmelodie des Liedes spielen: „Haste to the wedding (eilt zu der Hochzeit.)“ Der Ueberblick der Versammlung war prachtvoll. Unter den Anwesenden bemerkte man besonders den Herzog v. Wellington in voller Marschallsuniform und mit dem Marschallstabe, die Waterloo-Medaille auf der Brust. Er wurde eingeladen, neben den königlichen Herzogen Platz zu nehmen. Der Herzog v. Devonshire trug auf jeder Schulter zwei weiße Rosetten, von denen eine Fülle weißer Bänder niederwallte. Den Gesandten und ihren Gemahlinnen war die Galerie, dem Altar gegenüber, eingeräumt, wo sonst die königl. Familie dem Gottesdienst anzuwohnen pflegt. In der Fronte saßen der österreichische, russische, nordamerikanische und belgische Gesandte; General Sebastiani etwas abseits, allein. Den türkischen Botschafter sah man verwunderte Blicke auf die christliche Hochzeitgemeinde werfen. Neben den Ministern Russell, Normanby, Morpeth und Hobhouse auf der Seitengalerie saß der Sprecher des Unterhauses in Perrücke und Amtsrobe. Beim Eintritt des Prinzen – er trug die Garde-Uniform, den sehr edlen Hosenbandorden, und auf der Schulter einen großen weißen „favour“ – erhob sich die ganze Versammlung. Als er die oberste Altarstufe betreten, ward er von dem Cerimonienmeister zu Ihrer Maj. der Königin - Wittwe geführt, deren Hand er küßte, so wie auch sein durchlauchtiger Vater und der Erbprinz von Sachsen-Coburg. Sofort ward er den beiden Erzbischöfen und dem Bischof von London vorgestellt. Als die Königin, unter dem Schall des God save the Queen in die Capelle trat, fiel eben einer der hellsten Sonnenstrahlen durch die Fenster, was von vielen als ein glückverkündendes Omen betrachtet ward. Sofort trat der Primas des Reichs, mit dem heiligen Buch in der Hand, an die Altareinfassung, und las mit klarer feierlicher Stimme die Trauungsformel. Als er die Worte sprach: „Albert, willst Du dieses Weib zu Deinem angetrauten Ehegemahl (Albert, wilt thou have this woman to be thy wedded wife?),“ antwortete der Prinz mit einem kräftigen: „Ich will.“ Und auf die Frage: „Victoria, willst Du diesen Mann zu Deinem angetrauten Ehegatten (Victoria, wilt thou have this man to be thy wedded husband?)“ sprach die Königin mit fester Stimme: „I will.“ Auch sprach sie die Worte: „Ihn lieben, ehren, ihm gehorchen und ihm allein angehören,“ besonders deutlich. Die Braut wurde durch den Herzog von Sussex übergeben, und gerade mit dem Schlage halb 2 Uhr verkündigten 21 Kanonenschüsse der Hauptstadt, daß Prinz Albert der Königin Victoria den „einfachen Goldring (the plain gold ring)“ angesteckt habe, und der Bund geschlossen sey –
(Hat die Königin doch nichts
Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe!
Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht,
Auf gleiche Dienstbarkeit – der Ring macht Ehen,
Und Ringe sind's, die eine Kette machen.“
läßt Schiller eine Königin von England sagen.)
Nach beendigter Feier führte Prinz Albert die königl. Braut nach dem Thronsaal, wo das hohe Paar in das „Marriage Register“, dem neuen Gesetze zufolge, sich einzeichnete. Beim Austritt aus der Capelle hielt Victoria die Augen zu Boden gesenkt, und erhob sie nur manchmal zu einem flüchtigen Gruße. Der Zug bewegte sich in derselben Ordnung nach dem Buckinghampalast zurück. Hier war ein glänzendes Mahl vorbereitet, bei welchem der (neulich beschriebene) riesige Hochzeitkuchen die Hauptfigur spielte. Sofort fuhr das hohe Paar mit kleinem Gefolge nach Windsorschloß ab, den „intus digna geri“ entgegen. Im St. Jamespalaste aber steht für den Abend ein
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