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Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840.

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Gesinnung und Streben nach Ausübung der Gewalt, überall empfunden werden, so ist die Republik gar nicht populär in Frankreich, sondern ein durch Schriftsteller und Advocaten (die gebornen Tribunen der Volkssouveränetät) dem Volk aufgeschwätztes Ding ohne ächten Bestand. In dieser Hinsicht schließt sich die ganze große Mittelclasse der Monarchie an, erstens aus Gewohnheit, zweitens weil sie kein Verlangen hat nach Theilnahme an der Souveränetät im wahrhaft republicanischen Sinne, sondern einen Privatgeist der Ruhe besitzt, und keinen öffentlichen der Politik. Wenn aber diese Naturnothwendigkeit der Monarchie im französischen Genius gegeben zu seyn scheint, und alle Republik hier nur in Despotismus auslaufen kann, zu Robespierres oder Bonapartes führend, so ist damit noch gar nicht gesagt, daß man Liebe der Monarchie, Religion der Monarchie, Vergötterung der Monarchie wieder einführen könne. Nein, wenn die Eitelkeit der Reichen in Paris einen glänzenden Hof verlangt, und die Gewinnsucht der industriellen Classe einen Hof, der durch Luxus Erwerb befördert, so geht das nicht über Paris hinaus, und die Masse der Wahlcollegien fordert Oekonomie. Nun aber kommen die Republicaner und sagen: Monarchie und Oekonomie sind unvereinbare Dinge; sie bringen so den Monarchismus der Mittelclasse in starkes Gedränge. In dieser Drangsal befindet sich heute die Monarchie, wozu noch gar viele persönliche Dinge kommen, die wohl übertriebene Idee, welche das Volk in Frankreich vom Reichthum des Hauses Orleans hat, und die Idee, welche sich das Volk von der persönlichen Oekonomie des Königs bildet. Gewiß ist aber, daß der König viel bauen und malen läßt, und namentlich in Versailles große Summen in Circulation brachte. Die ächte und genaue Wahrheit in allem diesem ist sehr schwer herauszufinden. Das Abweisen des Gesetzesvorschlags der Dotation ohne Discussion ist aber eine Phase jener Politik, die schon durch den Austritt der HH. Thiers und Guizot aus dem Cabinet klar geworden.

Italien.

Zu Regulirung der kirchlichen Angelegenheiten Spaniens soll ein Abgesandter von Madrid hier eintreffen, der diese wichtige Sache verhandeln wird. Dieß wäre jedoch noch keineswegs eine Anerkennung der dortigen Regierung; bloß das Wohl der Kirche hat man im Auge, wenn jener Abgesandte angenommen wird. - Ein noch nicht ganz zu verbürgendes Gerücht bezeichnet den 21 März als den Tag, auf den der heil. Vater ein Consistorium zusammen berufen werde, in welchem außer der Creirung mehrerer Cardinäle und Bischöfe die Lage der Kirche in Preußen und Rußland zur Sprache kommen soll. Gewiß ist, daß hier Vorbereitungen zur Publication wichtiger Vorgänge getroffen werden. - Die Bälle beim österreichischen und französischen Botschafter in dieser Woche zeigten den Glanz der einheimischen wie der fremden großen Welt in ihrer vollen Entfaltung. Es ist ein Ball in dem großen Saale des Capitols angekündigt, welcher zur Unterstützung der Cholerawaisen veranstaltet werden soll. Mitten unter Feten, Bällen, Oper, Ballet, Theater und Tänzen von Beduinen hatten wir gestern auch die Hinrichtung einer Frau und eines Mannes, die zusammen den Gatten der erstern auf eine Schauder erregende Art ermordet hatten. - Der rühmlich bekannte Professor der Archäologie Dr. Forchhammer aus Kiel ist von seiner nach Griechenland und Aegypten unternommenen wissenschaftlichen Reise zurück hier eingetroffen.

Schweiz.

Der mehrmonatliche Aufenthalt der eidgenössischen Repräsentanten im Wallis hat die gehoffte Vermittlung nicht herbeigeführt. Im Oberwallis fanden sie bei den Behörden und dem Volk bereites Gehör, aber im Unterwallis waren die Behörden ihren Vorschlägen nicht geneigt, und mit dem Volk zu reden fanden sie keine Gelegenheit. Die dortige sogenannte junge Schweiz - eine Verbindung junger überspannter und müßiger Köpfe - hielt selbst die Behörden des Unterwallis mit ihren Spionen umgarnt, und benahm sich gegen die Repräsentanten auf eine so schmähliche Weise, daß die Strafe dafür nicht ausbleiben kann. Eine ganze Fluth von Schimpfreden gegen sie, gegen die Tagsatzung und den Vorort ergoß sich - leider hatte der frühere Gesandte Laharpe selbst im Aerger über seine Entlassung den Ton angegeben - und selbst an Drohungen mit Dolchen und Kugeln fehlte es nicht. Die Regierung des Unterwallis war zu schwach, diese Buben zu züchtigen. Den Repräsentanten aber hatte die Tagsatzung die nöthigen Mittel, sich äußere Achtung zu verschaffen, nicht gewährt. Schon an diesen Schwierigkeiten mußte die Vermittlung scheitern. Durch die nähern Prüfungen an Ort und Stelle hat sich nun das sichere Resultat ergeben, daß eine sehr große Mehrheit der Gesammtbevölkerung des Wallis die neue Verfassung vom 3 Aug. 1839 verworfen hat. Es hat diese Prüfung wenigstens die Folge, daß nun, selbst wenn die frühern Tagsatzungsbeschlüsse ihrem Wesen und Geist nach aufrecht erhalten werden, nicht länger daran zu denken ist, diese Verfassung als Verfassung des ganzen Kantons Wallis anzuerkennen, und noch viel weniger dem Oberwallis mit Gewalt aufzudringen. Aber eben so unpolitisch und unpassend wäre es, jener Abstimmung zu Liebe, die Verfassung von 1815 wieder herzustellen und das Unterwallis derselben zu unterwerfen. Das Princip der Mehrheit, welches sonst bei uns eine sehr weite Ausdehnung erhalten hat, paßt doch da nicht, wo zwei durch Sitte, Sprache, Geschichte sich unterscheidende, fast gleich starke Parteien mit verschiedenen Interessen und in auseinander liegenden Territorien einander gegenüber stehen. Da hätte es keinen Sinn, die vielleicht um ein paar hundert oder auch tausend Köpfe geringere Partei von der um eben so viel zahlreicheren unterdrücken zu lassen. Vernünftigerweise bleibt nichts Anderes übrig, als Verständigung, Ausgleichung. Das haben die Radicalen freilich so lange nicht zugeben wollen, als sie Hoffnung hatten, die neue Verfassung habe die Mehrheit der Bevölkerung für sich. Nun das Gegentheil nachgewiesen ist, werden sie wohl geneigter seyn, ein Princip, dessen starre Anwendung zu ihrem Nachtheil ausschlüge, fallen zu lassen und der gesündern und billigern Auffassungsweise Gehör zu schenken. Denn in der Politik halten die Consequenzen der Schule nicht Stand. Der Vorort will nun seinerseits noch eine friedliche Vermittlung versuchen, indem er beiden Theilen eröffnete, sie möchten jeder fünf Staatsmänner aus andern Kantonen bezeichnen, und jeder Theil drei von den fünf Candidaten des andern Theils recusiren, so daß dann zumal vier Schiedsmänner versuchen sollten, die Parteien zu vereinigen und zu einer neuen Verfassung für den Gesammtkanton Wallis zu helfen. Ob dieser Versuch gelingen werde, ich weiß es nicht. Denn die Parteien hören selten auf die Stimme der Vernunft und des Rechts. Aber gewiß ist, daß wenn die Walliser sich nicht friedlich vereinigen, sie in Gefahr kommen, mit eigenem Schaden dazu genöthigt zu werden. Eine Trennung kann die Eidgenossenschaft nicht zugeben, wenn sie nicht sich selber durch die allgemeine Zerbröckelung den Todesstoß versetzen will.

Gesinnung und Streben nach Ausübung der Gewalt, überall empfunden werden, so ist die Republik gar nicht populär in Frankreich, sondern ein durch Schriftsteller und Advocaten (die gebornen Tribunen der Volkssouveränetät) dem Volk aufgeschwätztes Ding ohne ächten Bestand. In dieser Hinsicht schließt sich die ganze große Mittelclasse der Monarchie an, erstens aus Gewohnheit, zweitens weil sie kein Verlangen hat nach Theilnahme an der Souveränetät im wahrhaft republicanischen Sinne, sondern einen Privatgeist der Ruhe besitzt, und keinen öffentlichen der Politik. Wenn aber diese Naturnothwendigkeit der Monarchie im französischen Genius gegeben zu seyn scheint, und alle Republik hier nur in Despotismus auslaufen kann, zu Robespierres oder Bonapartes führend, so ist damit noch gar nicht gesagt, daß man Liebe der Monarchie, Religion der Monarchie, Vergötterung der Monarchie wieder einführen könne. Nein, wenn die Eitelkeit der Reichen in Paris einen glänzenden Hof verlangt, und die Gewinnsucht der industriellen Classe einen Hof, der durch Luxus Erwerb befördert, so geht das nicht über Paris hinaus, und die Masse der Wahlcollegien fordert Oekonomie. Nun aber kommen die Republicaner und sagen: Monarchie und Oekonomie sind unvereinbare Dinge; sie bringen so den Monarchismus der Mittelclasse in starkes Gedränge. In dieser Drangsal befindet sich heute die Monarchie, wozu noch gar viele persönliche Dinge kommen, die wohl übertriebene Idee, welche das Volk in Frankreich vom Reichthum des Hauses Orleans hat, und die Idee, welche sich das Volk von der persönlichen Oekonomie des Königs bildet. Gewiß ist aber, daß der König viel bauen und malen läßt, und namentlich in Versailles große Summen in Circulation brachte. Die ächte und genaue Wahrheit in allem diesem ist sehr schwer herauszufinden. Das Abweisen des Gesetzesvorschlags der Dotation ohne Discussion ist aber eine Phase jener Politik, die schon durch den Austritt der HH. Thiers und Guizot aus dem Cabinet klar geworden.

Italien.

Zu Regulirung der kirchlichen Angelegenheiten Spaniens soll ein Abgesandter von Madrid hier eintreffen, der diese wichtige Sache verhandeln wird. Dieß wäre jedoch noch keineswegs eine Anerkennung der dortigen Regierung; bloß das Wohl der Kirche hat man im Auge, wenn jener Abgesandte angenommen wird. – Ein noch nicht ganz zu verbürgendes Gerücht bezeichnet den 21 März als den Tag, auf den der heil. Vater ein Consistorium zusammen berufen werde, in welchem außer der Creirung mehrerer Cardinäle und Bischöfe die Lage der Kirche in Preußen und Rußland zur Sprache kommen soll. Gewiß ist, daß hier Vorbereitungen zur Publication wichtiger Vorgänge getroffen werden. – Die Bälle beim österreichischen und französischen Botschafter in dieser Woche zeigten den Glanz der einheimischen wie der fremden großen Welt in ihrer vollen Entfaltung. Es ist ein Ball in dem großen Saale des Capitols angekündigt, welcher zur Unterstützung der Cholerawaisen veranstaltet werden soll. Mitten unter Fêten, Bällen, Oper, Ballet, Theater und Tänzen von Beduinen hatten wir gestern auch die Hinrichtung einer Frau und eines Mannes, die zusammen den Gatten der erstern auf eine Schauder erregende Art ermordet hatten. – Der rühmlich bekannte Professor der Archäologie Dr. Forchhammer aus Kiel ist von seiner nach Griechenland und Aegypten unternommenen wissenschaftlichen Reise zurück hier eingetroffen.

Schweiz.

Der mehrmonatliche Aufenthalt der eidgenössischen Repräsentanten im Wallis hat die gehoffte Vermittlung nicht herbeigeführt. Im Oberwallis fanden sie bei den Behörden und dem Volk bereites Gehör, aber im Unterwallis waren die Behörden ihren Vorschlägen nicht geneigt, und mit dem Volk zu reden fanden sie keine Gelegenheit. Die dortige sogenannte junge Schweiz – eine Verbindung junger überspannter und müßiger Köpfe – hielt selbst die Behörden des Unterwallis mit ihren Spionen umgarnt, und benahm sich gegen die Repräsentanten auf eine so schmähliche Weise, daß die Strafe dafür nicht ausbleiben kann. Eine ganze Fluth von Schimpfreden gegen sie, gegen die Tagsatzung und den Vorort ergoß sich – leider hatte der frühere Gesandte Laharpe selbst im Aerger über seine Entlassung den Ton angegeben – und selbst an Drohungen mit Dolchen und Kugeln fehlte es nicht. Die Regierung des Unterwallis war zu schwach, diese Buben zu züchtigen. Den Repräsentanten aber hatte die Tagsatzung die nöthigen Mittel, sich äußere Achtung zu verschaffen, nicht gewährt. Schon an diesen Schwierigkeiten mußte die Vermittlung scheitern. Durch die nähern Prüfungen an Ort und Stelle hat sich nun das sichere Resultat ergeben, daß eine sehr große Mehrheit der Gesammtbevölkerung des Wallis die neue Verfassung vom 3 Aug. 1839 verworfen hat. Es hat diese Prüfung wenigstens die Folge, daß nun, selbst wenn die frühern Tagsatzungsbeschlüsse ihrem Wesen und Geist nach aufrecht erhalten werden, nicht länger daran zu denken ist, diese Verfassung als Verfassung des ganzen Kantons Wallis anzuerkennen, und noch viel weniger dem Oberwallis mit Gewalt aufzudringen. Aber eben so unpolitisch und unpassend wäre es, jener Abstimmung zu Liebe, die Verfassung von 1815 wieder herzustellen und das Unterwallis derselben zu unterwerfen. Das Princip der Mehrheit, welches sonst bei uns eine sehr weite Ausdehnung erhalten hat, paßt doch da nicht, wo zwei durch Sitte, Sprache, Geschichte sich unterscheidende, fast gleich starke Parteien mit verschiedenen Interessen und in auseinander liegenden Territorien einander gegenüber stehen. Da hätte es keinen Sinn, die vielleicht um ein paar hundert oder auch tausend Köpfe geringere Partei von der um eben so viel zahlreicheren unterdrücken zu lassen. Vernünftigerweise bleibt nichts Anderes übrig, als Verständigung, Ausgleichung. Das haben die Radicalen freilich so lange nicht zugeben wollen, als sie Hoffnung hatten, die neue Verfassung habe die Mehrheit der Bevölkerung für sich. Nun das Gegentheil nachgewiesen ist, werden sie wohl geneigter seyn, ein Princip, dessen starre Anwendung zu ihrem Nachtheil ausschlüge, fallen zu lassen und der gesündern und billigern Auffassungsweise Gehör zu schenken. Denn in der Politik halten die Consequenzen der Schule nicht Stand. Der Vorort will nun seinerseits noch eine friedliche Vermittlung versuchen, indem er beiden Theilen eröffnete, sie möchten jeder fünf Staatsmänner aus andern Kantonen bezeichnen, und jeder Theil drei von den fünf Candidaten des andern Theils recusiren, so daß dann zumal vier Schiedsmänner versuchen sollten, die Parteien zu vereinigen und zu einer neuen Verfassung für den Gesammtkanton Wallis zu helfen. Ob dieser Versuch gelingen werde, ich weiß es nicht. Denn die Parteien hören selten auf die Stimme der Vernunft und des Rechts. Aber gewiß ist, daß wenn die Walliser sich nicht friedlich vereinigen, sie in Gefahr kommen, mit eigenem Schaden dazu genöthigt zu werden. Eine Trennung kann die Eidgenossenschaft nicht zugeben, wenn sie nicht sich selber durch die allgemeine Zerbröckelung den Todesstoß versetzen will.

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Gesinnung und Streben nach Ausübung der Gewalt, überall empfunden werden, so ist die Republik gar nicht populär in Frankreich, sondern ein durch Schriftsteller und Advocaten (die gebornen Tribunen der Volkssouveränetät) dem Volk aufgeschwätztes Ding ohne ächten Bestand. In dieser Hinsicht schließt sich die ganze große Mittelclasse der Monarchie an, erstens aus Gewohnheit, zweitens weil sie kein Verlangen hat nach Theilnahme an der Souveränetät im wahrhaft republicanischen Sinne, sondern einen Privatgeist der Ruhe besitzt, und keinen öffentlichen der Politik. Wenn aber diese Naturnothwendigkeit der Monarchie im französischen Genius gegeben zu seyn scheint, und alle Republik hier nur in Despotismus auslaufen kann, zu Robespierres oder Bonapartes führend, so ist damit noch gar nicht gesagt, daß man Liebe der Monarchie, Religion der Monarchie, Vergötterung der Monarchie wieder einführen könne. Nein, wenn die Eitelkeit der Reichen in Paris einen glänzenden Hof verlangt, und die Gewinnsucht der industriellen Classe einen Hof, der durch Luxus Erwerb befördert, so geht das nicht über Paris hinaus, und die Masse der Wahlcollegien fordert Oekonomie. Nun aber kommen die Republicaner und sagen: Monarchie und Oekonomie sind unvereinbare Dinge; sie bringen so den Monarchismus der Mittelclasse in starkes Gedränge. In dieser Drangsal befindet sich heute die Monarchie, wozu noch gar viele persönliche Dinge kommen, die wohl übertriebene Idee, welche das Volk in Frankreich vom Reichthum des Hauses Orleans hat, und die Idee, welche sich das Volk von der persönlichen Oekonomie des Königs bildet. Gewiß ist aber, daß der König viel bauen und malen läßt, und namentlich in Versailles große Summen in Circulation brachte. Die ächte und genaue Wahrheit in allem diesem ist sehr schwer herauszufinden. Das Abweisen des Gesetzesvorschlags der Dotation ohne Discussion ist aber eine Phase jener Politik, die schon durch den Austritt der HH. Thiers und Guizot aus dem Cabinet klar geworden.</p><lb/>
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[0484/0012] Gesinnung und Streben nach Ausübung der Gewalt, überall empfunden werden, so ist die Republik gar nicht populär in Frankreich, sondern ein durch Schriftsteller und Advocaten (die gebornen Tribunen der Volkssouveränetät) dem Volk aufgeschwätztes Ding ohne ächten Bestand. In dieser Hinsicht schließt sich die ganze große Mittelclasse der Monarchie an, erstens aus Gewohnheit, zweitens weil sie kein Verlangen hat nach Theilnahme an der Souveränetät im wahrhaft republicanischen Sinne, sondern einen Privatgeist der Ruhe besitzt, und keinen öffentlichen der Politik. Wenn aber diese Naturnothwendigkeit der Monarchie im französischen Genius gegeben zu seyn scheint, und alle Republik hier nur in Despotismus auslaufen kann, zu Robespierres oder Bonapartes führend, so ist damit noch gar nicht gesagt, daß man Liebe der Monarchie, Religion der Monarchie, Vergötterung der Monarchie wieder einführen könne. Nein, wenn die Eitelkeit der Reichen in Paris einen glänzenden Hof verlangt, und die Gewinnsucht der industriellen Classe einen Hof, der durch Luxus Erwerb befördert, so geht das nicht über Paris hinaus, und die Masse der Wahlcollegien fordert Oekonomie. Nun aber kommen die Republicaner und sagen: Monarchie und Oekonomie sind unvereinbare Dinge; sie bringen so den Monarchismus der Mittelclasse in starkes Gedränge. In dieser Drangsal befindet sich heute die Monarchie, wozu noch gar viele persönliche Dinge kommen, die wohl übertriebene Idee, welche das Volk in Frankreich vom Reichthum des Hauses Orleans hat, und die Idee, welche sich das Volk von der persönlichen Oekonomie des Königs bildet. Gewiß ist aber, daß der König viel bauen und malen läßt, und namentlich in Versailles große Summen in Circulation brachte. Die ächte und genaue Wahrheit in allem diesem ist sehr schwer herauszufinden. Das Abweisen des Gesetzesvorschlags der Dotation ohne Discussion ist aber eine Phase jener Politik, die schon durch den Austritt der HH. Thiers und Guizot aus dem Cabinet klar geworden. Italien. Rom, 20 Febr. Zu Regulirung der kirchlichen Angelegenheiten Spaniens soll ein Abgesandter von Madrid hier eintreffen, der diese wichtige Sache verhandeln wird. Dieß wäre jedoch noch keineswegs eine Anerkennung der dortigen Regierung; bloß das Wohl der Kirche hat man im Auge, wenn jener Abgesandte angenommen wird. – Ein noch nicht ganz zu verbürgendes Gerücht bezeichnet den 21 März als den Tag, auf den der heil. Vater ein Consistorium zusammen berufen werde, in welchem außer der Creirung mehrerer Cardinäle und Bischöfe die Lage der Kirche in Preußen und Rußland zur Sprache kommen soll. Gewiß ist, daß hier Vorbereitungen zur Publication wichtiger Vorgänge getroffen werden. – Die Bälle beim österreichischen und französischen Botschafter in dieser Woche zeigten den Glanz der einheimischen wie der fremden großen Welt in ihrer vollen Entfaltung. Es ist ein Ball in dem großen Saale des Capitols angekündigt, welcher zur Unterstützung der Cholerawaisen veranstaltet werden soll. Mitten unter Fêten, Bällen, Oper, Ballet, Theater und Tänzen von Beduinen hatten wir gestern auch die Hinrichtung einer Frau und eines Mannes, die zusammen den Gatten der erstern auf eine Schauder erregende Art ermordet hatten. – Der rühmlich bekannte Professor der Archäologie Dr. Forchhammer aus Kiel ist von seiner nach Griechenland und Aegypten unternommenen wissenschaftlichen Reise zurück hier eingetroffen. Schweiz. Zürich, 22 Febr. Der mehrmonatliche Aufenthalt der eidgenössischen Repräsentanten im Wallis hat die gehoffte Vermittlung nicht herbeigeführt. Im Oberwallis fanden sie bei den Behörden und dem Volk bereites Gehör, aber im Unterwallis waren die Behörden ihren Vorschlägen nicht geneigt, und mit dem Volk zu reden fanden sie keine Gelegenheit. Die dortige sogenannte junge Schweiz – eine Verbindung junger überspannter und müßiger Köpfe – hielt selbst die Behörden des Unterwallis mit ihren Spionen umgarnt, und benahm sich gegen die Repräsentanten auf eine so schmähliche Weise, daß die Strafe dafür nicht ausbleiben kann. Eine ganze Fluth von Schimpfreden gegen sie, gegen die Tagsatzung und den Vorort ergoß sich – leider hatte der frühere Gesandte Laharpe selbst im Aerger über seine Entlassung den Ton angegeben – und selbst an Drohungen mit Dolchen und Kugeln fehlte es nicht. Die Regierung des Unterwallis war zu schwach, diese Buben zu züchtigen. Den Repräsentanten aber hatte die Tagsatzung die nöthigen Mittel, sich äußere Achtung zu verschaffen, nicht gewährt. Schon an diesen Schwierigkeiten mußte die Vermittlung scheitern. Durch die nähern Prüfungen an Ort und Stelle hat sich nun das sichere Resultat ergeben, daß eine sehr große Mehrheit der Gesammtbevölkerung des Wallis die neue Verfassung vom 3 Aug. 1839 verworfen hat. Es hat diese Prüfung wenigstens die Folge, daß nun, selbst wenn die frühern Tagsatzungsbeschlüsse ihrem Wesen und Geist nach aufrecht erhalten werden, nicht länger daran zu denken ist, diese Verfassung als Verfassung des ganzen Kantons Wallis anzuerkennen, und noch viel weniger dem Oberwallis mit Gewalt aufzudringen. Aber eben so unpolitisch und unpassend wäre es, jener Abstimmung zu Liebe, die Verfassung von 1815 wieder herzustellen und das Unterwallis derselben zu unterwerfen. Das Princip der Mehrheit, welches sonst bei uns eine sehr weite Ausdehnung erhalten hat, paßt doch da nicht, wo zwei durch Sitte, Sprache, Geschichte sich unterscheidende, fast gleich starke Parteien mit verschiedenen Interessen und in auseinander liegenden Territorien einander gegenüber stehen. Da hätte es keinen Sinn, die vielleicht um ein paar hundert oder auch tausend Köpfe geringere Partei von der um eben so viel zahlreicheren unterdrücken zu lassen. Vernünftigerweise bleibt nichts Anderes übrig, als Verständigung, Ausgleichung. Das haben die Radicalen freilich so lange nicht zugeben wollen, als sie Hoffnung hatten, die neue Verfassung habe die Mehrheit der Bevölkerung für sich. Nun das Gegentheil nachgewiesen ist, werden sie wohl geneigter seyn, ein Princip, dessen starre Anwendung zu ihrem Nachtheil ausschlüge, fallen zu lassen und der gesündern und billigern Auffassungsweise Gehör zu schenken. Denn in der Politik halten die Consequenzen der Schule nicht Stand. Der Vorort will nun seinerseits noch eine friedliche Vermittlung versuchen, indem er beiden Theilen eröffnete, sie möchten jeder fünf Staatsmänner aus andern Kantonen bezeichnen, und jeder Theil drei von den fünf Candidaten des andern Theils recusiren, so daß dann zumal vier Schiedsmänner versuchen sollten, die Parteien zu vereinigen und zu einer neuen Verfassung für den Gesammtkanton Wallis zu helfen. Ob dieser Versuch gelingen werde, ich weiß es nicht. Denn die Parteien hören selten auf die Stimme der Vernunft und des Rechts. Aber gewiß ist, daß wenn die Walliser sich nicht friedlich vereinigen, sie in Gefahr kommen, mit eigenem Schaden dazu genöthigt zu werden. Eine Trennung kann die Eidgenossenschaft nicht zugeben, wenn sie nicht sich selber durch die allgemeine Zerbröckelung den Todesstoß versetzen will.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg, 1. März 1840, S. 0484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_061_18400301/12>, abgerufen am 02.05.2024.