Allgemeine Zeitung. Nr. 62. Augsburg, 2. März 1840.nach beschäftigt er sich mit Wiederherstellung des Nomarchialsystems (der Eintheilung des Reichs in zehn Hauptkreise), einer Fundamentalinstitution vom Jahre 1833, auf welche alle unsere spätern Organisationen basirt sind, und die vom Grafen Armansperg, wie es sich zeigte, aus unzureichenden Gründen im Jahre 1836, während der König in Deutschland war, wieder aufgehoben wurde. Doch heißt es, daß die Kreisdirectorstellen, die der Krebsschaden jener Institution waren, fortan wegfallen, und statt ihrer auch in der Hauptstadt des Nomarchen ein eigener Untergouverneur oder Eparch angestellt werden soll, so daß der Nomarch seiner frühern falschen Stellung, nach welcher er zugleich Ober- und Unterbeamter war, enthoben wird, und sich ganz seinen höhern Pflichten und der Ueberwachung seiner Unterbeamten widmen kann. - In der Kriegsschule im Piräeus hat vor einigen Tagen eine kleine Unordnung von Seite der Eleven stattgefunden, bei welcher der Director Obrist Rheineck nicht die nöthige Energie bewiesen haben soll, so daß er einem Gerüchte zufolge auf einen andern Posten versetzt, und der Oberstlieutenant Spiros Milios an seine Stelle ernannt werden dürfte. Ein anderes Gerücht bezeichnet den Oberstlieutenant Kalergis als Inspector der Cavallerie; doch ist noch kein Armeebefehl erschienen. - Am 12 Abends 7 Uhr kam der Hof von Nauplia zurück, und erschien nach der Tafel noch im Theater. Ueber die Reise erfährt man, daß JJ. MM. in Nauplia zwei von der Stadt und dem Officiercorps gegebene Bälle mit ihrer Gegenwart beehrten, und am 8 auch Argos besuchten, wo sie bei Hrn. Kalergis ein Frühstück einnahmen. Gestern Abend, zur Vorfeier des heutigen Festes der Landung der Königin, wurde bei glänzend erleuchtetem Hause die Oper Clara von Rosenberg gegeben. Als JJ. MM. in ihre Loge traten, wurden sie mit einem stürmischen Lebehoch und lange anhaltenden Aeußerungen der Freude begrüßt; so sucht das Publicum, seit der Entdeckung der Conspiration der Philorthodoxen, bei jeder Gelegenheit an den Tag zu legen, wie klein an Zahl jene Partei der dunkeln Umtriebe ist. Heute früh war Tedeum in der Irenenkirche, heute Abend gibt die Stadt unserm königlichen Paare einen Ball, und auf Dienstag Abend ist ein Hofball angesagt. Ich schreibe Ihnen alle diese Dinge umständlich, damit Ihre Leser sehen, wie vollkommen sich hier die Gemüther schon wieder beruhigt haben, und welche heitere Stimmung herrscht. Der griechische Himmel hat dieß Eigenthümliche, daß urplötzlich und unerwartet dunkle Gewitter an ihm aufziehen können, aber eben so schnell siegt wieder der belebende Glanz der Sonne. - Ueber Kairis' Schicksal kann ich Ihnen noch melden, daß er aus dem ungesunden Kloster auf Skyros nach der sonnigen und gesunden Insel Thera versetzt ist, wo er größere Freiheit genießt. Hoffentlich ist seine Gesundheit dadurch gerettet. Türkei. Der Semaphore de Marseille schreibt aus Konstantinopel vom 7 Febr.: "Lord Ponsonby, der seit langer Zeit schon nach dem Besitz der reichsten Insel (?), welche der Pforte gehört, für England trachtet, sucht den Divan zu bewegen, eine Anleihe abzuschließen, wofür jene Insel als Garantie gegeben werden soll. Hr. Samuel v. Rothschild befindet sich schon seit langer Zeit hier, in der Hoffnung, dieses Geschäft abzuschließen." Konstantinopel, 12 Febr. Ein lebhafter Notenwechsel, der zwischen Lord Ponsonby und Reschid Pascha in der letzten Woche stattfand, zieht die Aufmerksamkeit der hiesigen Diplomaten auf sich, nicht so sehr wegen der unmittelbaren Interessen, die sich daran knüpfen, als vielmehr wegen der Stellung, in die der englische und der russische Botschafter gegen einander gerathen sind, und die, wenn auch nicht auf entschiedene Feindseligkeit, doch auf eine entgegengesetzte Richtung der beiderseitigen Politik in Bezug auf das Gewicht des russischen und brittischen Einflusses auf die Völker griechischer Abstammung und griechischer Religion hinzuweisen scheint. Der hier residirende griechische Patriarch hat auf verschiedenen Wegen zwischen die Jonier und ihre Regierung Keime der Zwietracht zu streuen gewußt, und es ist ihm durch allerlei Umtriebe, hauptsächlich in Angelegenheiten gemischter Ehen, gelungen, eine ungewöhnliche Erbitterung der jonischen Geistlichkeit gegen England zu erwecken. Die Wirkungen dieser Erbitterung zeigen sich vorzugsweise in dem Bestreben der jonischen Priesterschaft, das Volk zu bearbeiten und ihm eine feindselige Stimmung gegen die bestehende Ordnung der Dinge einzuflößen. Lord Ponsonby verlangt nun, mit den Beweisen über das aufwieglerische Treiben des Patriarchen in der Hand, die Absetzung dieses Priesters, dessen Hand auch in die griechischen Angelegenheiten und in die Verhältnisse von Epirus, Macedonien und Thessalien in letzter Zeit tief eingegriffen, mithin auch gegen die Pforte sich vergangen hatte. Nichtsdestoweniger macht die Pforte Schwierigkeiten, schwerlich aus eigenem Antriebe, denn sie möchte sich gerne dieses ränkesüchtigen Mannes entledigen, der jedoch eine mächtige Stütze in dem russischen Botschafter gefunden zu haben scheint. Auf Lord Ponsonby's Insinuationen antwortet der Reis-Effendi ziemlich ausweichend, und in der letzten Erwiederung verwahrt sich erst Reschid Pascha gegen Uebereilung, führt alle Observanzen an, nach denen die Pforte keineswegs willkürlich die Patriarchen ein- und absetzen könne, vielmehr sich als an gewisse dabei zu beobachtende Normen gebunden halte, und versichert, nur nach einer strengen Untersuchung einen solchen Würdeträger der griechischen Kirche destituiren zu können; die Pforte werde daher das Betragen des Patriarchen einer scharfen Prüfung unterwerfen und dann seiner Schuld oder Unschuld gemäß entscheiden. Wir werden nun sehen, ob Lord Ponsonby sich damit beruhigen läßt und ob die Pforte bei dieser Untersuchung sich an das beliebte summarische Verfahren halten oder vielleicht ausnahmsweise eine förmliche endlose Untersuchung einzuleiten gedenkt. - Emin Pascha ist an der Stelle Hassib Pascha's zum Gouverneur von Salonichi ernannt. Die Pforte setzt eine eigene Force darein, den Paschas, die sich die Liebe und die Achtung der Unterthanen in den Provinzen zu erwerben wußten, andere Bestimmungen zu geben. In diesem Fall befand sich unstreitig Hassib, der eine seltene Uneigennützigkeit mit der regsten Thätigkeit verbindet. Das durch den Brand des vorigen Jahrs verheerte Salonichi verdankt es ihm allein, daß es sich wieder aus dem Schutt emporhob, und das durch das Feuer angerichtete Unglück gleichsam zum Vortheil der Stadt gewendet wurde. Emin Pascha, eine trotzige, wilde Natur, die allerdings geeignet ist, im Kriege zu glänzen, doch für die wohlthätigen Wirkungen des Friedens, der Gewerbe und des Handels nicht den geringsten Sinn besitzt, soll nun einen Mann ersetzen, dessen ganzes Streben auf den Flor jener Stadt und ihres Hafens gerichtet war. Konstantinopel, 13 Febr. Fast möchte man an dem Orient und seiner Zukunft verzweifeln, wenn man sieht, wie auf keine Treue, auf keine Vaterlandsliebe der Osmanen und der Anhänger des Islams überhaupt gerechnet werden kann. Eine gefährliche Gleichgültigkeit gegen den Mohamedanismus selbst wird bemerkbar und der Abgang jeder menschlichen Tugend wird immer fühlbarer. Der Sultan vermag durch die größten Gunstbezeugungen, durch die größten Auszeichnungen kaum eine flüchtige Dankbarkeit hervorzurufen, und im Schooße derjenigen, nach beschäftigt er sich mit Wiederherstellung des Nomarchialsystems (der Eintheilung des Reichs in zehn Hauptkreise), einer Fundamentalinstitution vom Jahre 1833, auf welche alle unsere spätern Organisationen basirt sind, und die vom Grafen Armansperg, wie es sich zeigte, aus unzureichenden Gründen im Jahre 1836, während der König in Deutschland war, wieder aufgehoben wurde. Doch heißt es, daß die Kreisdirectorstellen, die der Krebsschaden jener Institution waren, fortan wegfallen, und statt ihrer auch in der Hauptstadt des Nomarchen ein eigener Untergouverneur oder Eparch angestellt werden soll, so daß der Nomarch seiner frühern falschen Stellung, nach welcher er zugleich Ober- und Unterbeamter war, enthoben wird, und sich ganz seinen höhern Pflichten und der Ueberwachung seiner Unterbeamten widmen kann. – In der Kriegsschule im Piräeus hat vor einigen Tagen eine kleine Unordnung von Seite der Eleven stattgefunden, bei welcher der Director Obrist Rheineck nicht die nöthige Energie bewiesen haben soll, so daß er einem Gerüchte zufolge auf einen andern Posten versetzt, und der Oberstlieutenant Spiros Milios an seine Stelle ernannt werden dürfte. Ein anderes Gerücht bezeichnet den Oberstlieutenant Kalergis als Inspector der Cavallerie; doch ist noch kein Armeebefehl erschienen. – Am 12 Abends 7 Uhr kam der Hof von Nauplia zurück, und erschien nach der Tafel noch im Theater. Ueber die Reise erfährt man, daß JJ. MM. in Nauplia zwei von der Stadt und dem Officiercorps gegebene Bälle mit ihrer Gegenwart beehrten, und am 8 auch Argos besuchten, wo sie bei Hrn. Kalergis ein Frühstück einnahmen. Gestern Abend, zur Vorfeier des heutigen Festes der Landung der Königin, wurde bei glänzend erleuchtetem Hause die Oper Clara von Rosenberg gegeben. Als JJ. MM. in ihre Loge traten, wurden sie mit einem stürmischen Lebehoch und lange anhaltenden Aeußerungen der Freude begrüßt; so sucht das Publicum, seit der Entdeckung der Conspiration der Philorthodoxen, bei jeder Gelegenheit an den Tag zu legen, wie klein an Zahl jene Partei der dunkeln Umtriebe ist. Heute früh war Tedeum in der Irenenkirche, heute Abend gibt die Stadt unserm königlichen Paare einen Ball, und auf Dienstag Abend ist ein Hofball angesagt. Ich schreibe Ihnen alle diese Dinge umständlich, damit Ihre Leser sehen, wie vollkommen sich hier die Gemüther schon wieder beruhigt haben, und welche heitere Stimmung herrscht. Der griechische Himmel hat dieß Eigenthümliche, daß urplötzlich und unerwartet dunkle Gewitter an ihm aufziehen können, aber eben so schnell siegt wieder der belebende Glanz der Sonne. – Ueber Kaïris' Schicksal kann ich Ihnen noch melden, daß er aus dem ungesunden Kloster auf Skyros nach der sonnigen und gesunden Insel Thera versetzt ist, wo er größere Freiheit genießt. Hoffentlich ist seine Gesundheit dadurch gerettet. Türkei. Der Sémaphore de Marseille schreibt aus Konstantinopel vom 7 Febr.: „Lord Ponsonby, der seit langer Zeit schon nach dem Besitz der reichsten Insel (?), welche der Pforte gehört, für England trachtet, sucht den Divan zu bewegen, eine Anleihe abzuschließen, wofür jene Insel als Garantie gegeben werden soll. Hr. Samuel v. Rothschild befindet sich schon seit langer Zeit hier, in der Hoffnung, dieses Geschäft abzuschließen.“ Konstantinopel, 12 Febr. Ein lebhafter Notenwechsel, der zwischen Lord Ponsonby und Reschid Pascha in der letzten Woche stattfand, zieht die Aufmerksamkeit der hiesigen Diplomaten auf sich, nicht so sehr wegen der unmittelbaren Interessen, die sich daran knüpfen, als vielmehr wegen der Stellung, in die der englische und der russische Botschafter gegen einander gerathen sind, und die, wenn auch nicht auf entschiedene Feindseligkeit, doch auf eine entgegengesetzte Richtung der beiderseitigen Politik in Bezug auf das Gewicht des russischen und brittischen Einflusses auf die Völker griechischer Abstammung und griechischer Religion hinzuweisen scheint. Der hier residirende griechische Patriarch hat auf verschiedenen Wegen zwischen die Jonier und ihre Regierung Keime der Zwietracht zu streuen gewußt, und es ist ihm durch allerlei Umtriebe, hauptsächlich in Angelegenheiten gemischter Ehen, gelungen, eine ungewöhnliche Erbitterung der jonischen Geistlichkeit gegen England zu erwecken. Die Wirkungen dieser Erbitterung zeigen sich vorzugsweise in dem Bestreben der jonischen Priesterschaft, das Volk zu bearbeiten und ihm eine feindselige Stimmung gegen die bestehende Ordnung der Dinge einzuflößen. Lord Ponsonby verlangt nun, mit den Beweisen über das aufwieglerische Treiben des Patriarchen in der Hand, die Absetzung dieses Priesters, dessen Hand auch in die griechischen Angelegenheiten und in die Verhältnisse von Epirus, Macedonien und Thessalien in letzter Zeit tief eingegriffen, mithin auch gegen die Pforte sich vergangen hatte. Nichtsdestoweniger macht die Pforte Schwierigkeiten, schwerlich aus eigenem Antriebe, denn sie möchte sich gerne dieses ränkesüchtigen Mannes entledigen, der jedoch eine mächtige Stütze in dem russischen Botschafter gefunden zu haben scheint. Auf Lord Ponsonby's Insinuationen antwortet der Reis-Effendi ziemlich ausweichend, und in der letzten Erwiederung verwahrt sich erst Reschid Pascha gegen Uebereilung, führt alle Observanzen an, nach denen die Pforte keineswegs willkürlich die Patriarchen ein- und absetzen könne, vielmehr sich als an gewisse dabei zu beobachtende Normen gebunden halte, und versichert, nur nach einer strengen Untersuchung einen solchen Würdeträger der griechischen Kirche destituiren zu können; die Pforte werde daher das Betragen des Patriarchen einer scharfen Prüfung unterwerfen und dann seiner Schuld oder Unschuld gemäß entscheiden. Wir werden nun sehen, ob Lord Ponsonby sich damit beruhigen läßt und ob die Pforte bei dieser Untersuchung sich an das beliebte summarische Verfahren halten oder vielleicht ausnahmsweise eine förmliche endlose Untersuchung einzuleiten gedenkt. – Emin Pascha ist an der Stelle Hassib Pascha's zum Gouverneur von Salonichi ernannt. Die Pforte setzt eine eigene Force darein, den Paschas, die sich die Liebe und die Achtung der Unterthanen in den Provinzen zu erwerben wußten, andere Bestimmungen zu geben. In diesem Fall befand sich unstreitig Hassib, der eine seltene Uneigennützigkeit mit der regsten Thätigkeit verbindet. Das durch den Brand des vorigen Jahrs verheerte Salonichi verdankt es ihm allein, daß es sich wieder aus dem Schutt emporhob, und das durch das Feuer angerichtete Unglück gleichsam zum Vortheil der Stadt gewendet wurde. Emin Pascha, eine trotzige, wilde Natur, die allerdings geeignet ist, im Kriege zu glänzen, doch für die wohlthätigen Wirkungen des Friedens, der Gewerbe und des Handels nicht den geringsten Sinn besitzt, soll nun einen Mann ersetzen, dessen ganzes Streben auf den Flor jener Stadt und ihres Hafens gerichtet war. Konstantinopel, 13 Febr. Fast möchte man an dem Orient und seiner Zukunft verzweifeln, wenn man sieht, wie auf keine Treue, auf keine Vaterlandsliebe der Osmanen und der Anhänger des Islams überhaupt gerechnet werden kann. Eine gefährliche Gleichgültigkeit gegen den Mohamedanismus selbst wird bemerkbar und der Abgang jeder menschlichen Tugend wird immer fühlbarer. Der Sultan vermag durch die größten Gunstbezeugungen, durch die größten Auszeichnungen kaum eine flüchtige Dankbarkeit hervorzurufen, und im Schooße derjenigen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="0495"/> nach beschäftigt er sich mit Wiederherstellung des Nomarchialsystems (der Eintheilung des Reichs in zehn Hauptkreise), einer Fundamentalinstitution vom Jahre 1833, auf welche alle unsere spätern Organisationen basirt sind, und die vom Grafen Armansperg, wie es sich zeigte, aus unzureichenden Gründen im Jahre 1836, während der König in Deutschland war, wieder aufgehoben wurde. Doch heißt es, daß die Kreisdirectorstellen, die der Krebsschaden jener Institution waren, fortan wegfallen, und statt ihrer auch in der Hauptstadt des Nomarchen ein eigener Untergouverneur oder Eparch angestellt werden soll, so daß der Nomarch seiner frühern falschen Stellung, nach welcher er zugleich Ober- und Unterbeamter war, enthoben wird, und sich ganz seinen höhern Pflichten und der Ueberwachung seiner Unterbeamten widmen kann. – In der Kriegsschule im Piräeus hat vor einigen Tagen eine kleine Unordnung von Seite der Eleven stattgefunden, bei welcher der Director Obrist Rheineck nicht die nöthige Energie bewiesen haben soll, so daß er einem Gerüchte zufolge auf einen andern Posten versetzt, und der Oberstlieutenant Spiros Milios an seine Stelle ernannt werden dürfte. Ein anderes Gerücht bezeichnet den Oberstlieutenant Kalergis als Inspector der Cavallerie; doch ist noch kein Armeebefehl erschienen. – Am 12 Abends 7 Uhr kam der Hof von Nauplia zurück, und erschien nach der Tafel noch im Theater. Ueber die Reise erfährt man, daß JJ. MM. in Nauplia zwei von der Stadt und dem Officiercorps gegebene Bälle mit ihrer Gegenwart beehrten, und am 8 auch Argos besuchten, wo sie bei Hrn. Kalergis ein Frühstück einnahmen. Gestern Abend, zur Vorfeier des heutigen Festes der Landung der Königin, wurde bei glänzend erleuchtetem Hause die Oper Clara von Rosenberg gegeben. Als JJ. MM. in ihre Loge traten, wurden sie mit einem stürmischen Lebehoch und lange anhaltenden Aeußerungen der Freude begrüßt; so sucht das Publicum, seit der Entdeckung der Conspiration der Philorthodoxen, bei jeder Gelegenheit an den Tag zu legen, wie klein an Zahl jene Partei der dunkeln Umtriebe ist. Heute früh war Tedeum in der Irenenkirche, heute Abend gibt die Stadt unserm königlichen Paare einen Ball, und auf Dienstag Abend ist ein Hofball angesagt. Ich schreibe Ihnen alle diese Dinge umständlich, damit Ihre Leser sehen, wie vollkommen sich hier die Gemüther schon wieder beruhigt haben, und welche heitere Stimmung herrscht. Der griechische Himmel hat dieß Eigenthümliche, daß urplötzlich und unerwartet dunkle Gewitter an ihm aufziehen können, aber eben so schnell siegt wieder der belebende Glanz der Sonne. – Ueber Kaïris' Schicksal kann ich Ihnen noch melden, daß er aus dem ungesunden Kloster auf Skyros nach der sonnigen und gesunden Insel Thera versetzt ist, wo er größere Freiheit genießt. 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Der hier residirende griechische Patriarch hat auf verschiedenen Wegen zwischen die Jonier und ihre Regierung Keime der Zwietracht zu streuen gewußt, und es ist ihm durch allerlei Umtriebe, hauptsächlich in Angelegenheiten gemischter Ehen, gelungen, eine ungewöhnliche Erbitterung der jonischen Geistlichkeit gegen England zu erwecken. Die Wirkungen dieser Erbitterung zeigen sich vorzugsweise in dem Bestreben der jonischen Priesterschaft, das Volk zu bearbeiten und ihm eine feindselige Stimmung gegen die bestehende Ordnung der Dinge einzuflößen. Lord Ponsonby verlangt nun, mit den Beweisen über das aufwieglerische Treiben des Patriarchen in der Hand, die Absetzung dieses Priesters, dessen Hand auch in die griechischen Angelegenheiten und in die Verhältnisse von Epirus, Macedonien und Thessalien in letzter Zeit tief eingegriffen, mithin auch gegen die Pforte sich vergangen hatte. Nichtsdestoweniger macht die Pforte Schwierigkeiten, schwerlich aus eigenem Antriebe, denn sie möchte sich gerne dieses ränkesüchtigen Mannes entledigen, der jedoch eine mächtige Stütze in dem russischen Botschafter gefunden zu haben scheint. Auf Lord Ponsonby's Insinuationen antwortet der Reis-Effendi ziemlich ausweichend, und in der letzten Erwiederung verwahrt sich erst Reschid Pascha gegen Uebereilung, führt alle Observanzen an, nach denen die Pforte keineswegs willkürlich die Patriarchen ein- und absetzen könne, vielmehr sich als an gewisse dabei zu beobachtende Normen gebunden halte, und versichert, nur nach einer strengen Untersuchung einen solchen Würdeträger der griechischen Kirche destituiren zu können; die Pforte werde daher das Betragen des Patriarchen einer scharfen Prüfung unterwerfen und dann seiner Schuld oder Unschuld gemäß entscheiden. Wir werden nun sehen, ob Lord Ponsonby sich damit beruhigen läßt und ob die Pforte bei dieser Untersuchung sich an das beliebte summarische Verfahren halten oder vielleicht ausnahmsweise eine förmliche endlose Untersuchung einzuleiten gedenkt. – Emin Pascha ist an der Stelle Hassib Pascha's zum Gouverneur von Salonichi ernannt. Die Pforte setzt eine eigene Force darein, den Paschas, die sich die Liebe und die Achtung der Unterthanen in den Provinzen zu erwerben wußten, andere Bestimmungen zu geben. In diesem Fall befand sich unstreitig Hassib, der eine seltene Uneigennützigkeit mit der regsten Thätigkeit verbindet. Das durch den Brand des vorigen Jahrs verheerte Salonichi verdankt es ihm allein, daß es sich wieder aus dem Schutt emporhob, und das durch das Feuer angerichtete Unglück gleichsam zum Vortheil der Stadt gewendet wurde. Emin Pascha, eine trotzige, wilde Natur, die allerdings geeignet ist, im Kriege zu glänzen, doch für die wohlthätigen Wirkungen des Friedens, der Gewerbe und des Handels nicht den geringsten Sinn besitzt, soll nun einen Mann ersetzen, dessen ganzes Streben auf den Flor jener Stadt und ihres Hafens gerichtet war.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Konstantinopel,</hi> 13 Febr.</dateline> <p> Fast möchte man an dem Orient und seiner Zukunft verzweifeln, wenn man sieht, wie auf keine Treue, auf keine Vaterlandsliebe der Osmanen und der Anhänger des Islams überhaupt gerechnet werden kann. Eine gefährliche Gleichgültigkeit gegen den Mohamedanismus selbst wird bemerkbar und der Abgang jeder menschlichen Tugend wird immer fühlbarer. 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nach beschäftigt er sich mit Wiederherstellung des Nomarchialsystems (der Eintheilung des Reichs in zehn Hauptkreise), einer Fundamentalinstitution vom Jahre 1833, auf welche alle unsere spätern Organisationen basirt sind, und die vom Grafen Armansperg, wie es sich zeigte, aus unzureichenden Gründen im Jahre 1836, während der König in Deutschland war, wieder aufgehoben wurde. Doch heißt es, daß die Kreisdirectorstellen, die der Krebsschaden jener Institution waren, fortan wegfallen, und statt ihrer auch in der Hauptstadt des Nomarchen ein eigener Untergouverneur oder Eparch angestellt werden soll, so daß der Nomarch seiner frühern falschen Stellung, nach welcher er zugleich Ober- und Unterbeamter war, enthoben wird, und sich ganz seinen höhern Pflichten und der Ueberwachung seiner Unterbeamten widmen kann. – In der Kriegsschule im Piräeus hat vor einigen Tagen eine kleine Unordnung von Seite der Eleven stattgefunden, bei welcher der Director Obrist Rheineck nicht die nöthige Energie bewiesen haben soll, so daß er einem Gerüchte zufolge auf einen andern Posten versetzt, und der Oberstlieutenant Spiros Milios an seine Stelle ernannt werden dürfte. Ein anderes Gerücht bezeichnet den Oberstlieutenant Kalergis als Inspector der Cavallerie; doch ist noch kein Armeebefehl erschienen. – Am 12 Abends 7 Uhr kam der Hof von Nauplia zurück, und erschien nach der Tafel noch im Theater. Ueber die Reise erfährt man, daß JJ. MM. in Nauplia zwei von der Stadt und dem Officiercorps gegebene Bälle mit ihrer Gegenwart beehrten, und am 8 auch Argos besuchten, wo sie bei Hrn. Kalergis ein Frühstück einnahmen. Gestern Abend, zur Vorfeier des heutigen Festes der Landung der Königin, wurde bei glänzend erleuchtetem Hause die Oper Clara von Rosenberg gegeben. Als JJ. MM. in ihre Loge traten, wurden sie mit einem stürmischen Lebehoch und lange anhaltenden Aeußerungen der Freude begrüßt; so sucht das Publicum, seit der Entdeckung der Conspiration der Philorthodoxen, bei jeder Gelegenheit an den Tag zu legen, wie klein an Zahl jene Partei der dunkeln Umtriebe ist. Heute früh war Tedeum in der Irenenkirche, heute Abend gibt die Stadt unserm königlichen Paare einen Ball, und auf Dienstag Abend ist ein Hofball angesagt. Ich schreibe Ihnen alle diese Dinge umständlich, damit Ihre Leser sehen, wie vollkommen sich hier die Gemüther schon wieder beruhigt haben, und welche heitere Stimmung herrscht. Der griechische Himmel hat dieß Eigenthümliche, daß urplötzlich und unerwartet dunkle Gewitter an ihm aufziehen können, aber eben so schnell siegt wieder der belebende Glanz der Sonne. – Ueber Kaïris' Schicksal kann ich Ihnen noch melden, daß er aus dem ungesunden Kloster auf Skyros nach der sonnigen und gesunden Insel Thera versetzt ist, wo er größere Freiheit genießt. Hoffentlich ist seine Gesundheit dadurch gerettet.
Türkei.
Der Sémaphore de Marseille schreibt aus Konstantinopel vom 7 Febr.: „Lord Ponsonby, der seit langer Zeit schon nach dem Besitz der reichsten Insel (?), welche der Pforte gehört, für England trachtet, sucht den Divan zu bewegen, eine Anleihe abzuschließen, wofür jene Insel als Garantie gegeben werden soll. Hr. Samuel v. Rothschild befindet sich schon seit langer Zeit hier, in der Hoffnung, dieses Geschäft abzuschließen.“
_ Konstantinopel, 12 Febr. Ein lebhafter Notenwechsel, der zwischen Lord Ponsonby und Reschid Pascha in der letzten Woche stattfand, zieht die Aufmerksamkeit der hiesigen Diplomaten auf sich, nicht so sehr wegen der unmittelbaren Interessen, die sich daran knüpfen, als vielmehr wegen der Stellung, in die der englische und der russische Botschafter gegen einander gerathen sind, und die, wenn auch nicht auf entschiedene Feindseligkeit, doch auf eine entgegengesetzte Richtung der beiderseitigen Politik in Bezug auf das Gewicht des russischen und brittischen Einflusses auf die Völker griechischer Abstammung und griechischer Religion hinzuweisen scheint. Der hier residirende griechische Patriarch hat auf verschiedenen Wegen zwischen die Jonier und ihre Regierung Keime der Zwietracht zu streuen gewußt, und es ist ihm durch allerlei Umtriebe, hauptsächlich in Angelegenheiten gemischter Ehen, gelungen, eine ungewöhnliche Erbitterung der jonischen Geistlichkeit gegen England zu erwecken. Die Wirkungen dieser Erbitterung zeigen sich vorzugsweise in dem Bestreben der jonischen Priesterschaft, das Volk zu bearbeiten und ihm eine feindselige Stimmung gegen die bestehende Ordnung der Dinge einzuflößen. Lord Ponsonby verlangt nun, mit den Beweisen über das aufwieglerische Treiben des Patriarchen in der Hand, die Absetzung dieses Priesters, dessen Hand auch in die griechischen Angelegenheiten und in die Verhältnisse von Epirus, Macedonien und Thessalien in letzter Zeit tief eingegriffen, mithin auch gegen die Pforte sich vergangen hatte. Nichtsdestoweniger macht die Pforte Schwierigkeiten, schwerlich aus eigenem Antriebe, denn sie möchte sich gerne dieses ränkesüchtigen Mannes entledigen, der jedoch eine mächtige Stütze in dem russischen Botschafter gefunden zu haben scheint. Auf Lord Ponsonby's Insinuationen antwortet der Reis-Effendi ziemlich ausweichend, und in der letzten Erwiederung verwahrt sich erst Reschid Pascha gegen Uebereilung, führt alle Observanzen an, nach denen die Pforte keineswegs willkürlich die Patriarchen ein- und absetzen könne, vielmehr sich als an gewisse dabei zu beobachtende Normen gebunden halte, und versichert, nur nach einer strengen Untersuchung einen solchen Würdeträger der griechischen Kirche destituiren zu können; die Pforte werde daher das Betragen des Patriarchen einer scharfen Prüfung unterwerfen und dann seiner Schuld oder Unschuld gemäß entscheiden. Wir werden nun sehen, ob Lord Ponsonby sich damit beruhigen läßt und ob die Pforte bei dieser Untersuchung sich an das beliebte summarische Verfahren halten oder vielleicht ausnahmsweise eine förmliche endlose Untersuchung einzuleiten gedenkt. – Emin Pascha ist an der Stelle Hassib Pascha's zum Gouverneur von Salonichi ernannt. Die Pforte setzt eine eigene Force darein, den Paschas, die sich die Liebe und die Achtung der Unterthanen in den Provinzen zu erwerben wußten, andere Bestimmungen zu geben. In diesem Fall befand sich unstreitig Hassib, der eine seltene Uneigennützigkeit mit der regsten Thätigkeit verbindet. Das durch den Brand des vorigen Jahrs verheerte Salonichi verdankt es ihm allein, daß es sich wieder aus dem Schutt emporhob, und das durch das Feuer angerichtete Unglück gleichsam zum Vortheil der Stadt gewendet wurde. Emin Pascha, eine trotzige, wilde Natur, die allerdings geeignet ist, im Kriege zu glänzen, doch für die wohlthätigen Wirkungen des Friedens, der Gewerbe und des Handels nicht den geringsten Sinn besitzt, soll nun einen Mann ersetzen, dessen ganzes Streben auf den Flor jener Stadt und ihres Hafens gerichtet war.
_ Konstantinopel, 13 Febr. Fast möchte man an dem Orient und seiner Zukunft verzweifeln, wenn man sieht, wie auf keine Treue, auf keine Vaterlandsliebe der Osmanen und der Anhänger des Islams überhaupt gerechnet werden kann. Eine gefährliche Gleichgültigkeit gegen den Mohamedanismus selbst wird bemerkbar und der Abgang jeder menschlichen Tugend wird immer fühlbarer. Der Sultan vermag durch die größten Gunstbezeugungen, durch die größten Auszeichnungen kaum eine flüchtige Dankbarkeit hervorzurufen, und im Schooße derjenigen,
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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