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Allgemeine Zeitung. Nr. 64. Augsburg, 4. März 1840.

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andern Culte, auf das Staatsbudget angewiesen ist. Aus diesem Gesichtspunkte aufgefaßt, konnte die Sache zu keinen ernstlichen Debatten Anlaß geben, die Opposition aber behandelte sie, als sey die geforderte Subsidie für des Bischofs persönliche Casse, und brach mit einer Reihe von Angriffen gegen diesen Prälaten hervor. Zunächst suchte sie hierzu den Stoff in den Vorgängen bei der jüngsten Wahl eines Repräsentanten in Lüttich, worüber ich Ihnen bereits geschrieben. Der Candidat der Katholiken und der gemäßigten, durch das Journal "le Politique" repräsentirten Liberalen, Hr. Hanquet, fiel bei dieser Wahl durch; der Candidat der exaltirten Liberalen dagegen, so wie der Orangisten und Demokraten, Hr. Delfosse, trug den Sieg davon. Dieser, ein Glied des Provincialraths, hat sich durch seine Theilnahme an den Emeuten in Tilff und Lüttich gegen die Redemptoristen, so wie durch jahrelange Chicanen gegen den Bischof in administrativen Sachen, in denen für jeden Unbefangenen das Recht auf Seite des letztern war, eine gewisse Celebrität erworben. Seine Candidatur wurde in der Freimaurerloge vorbereitet, dann mit Hülfe des Einflusses, worüber seine Partei in dem Provincialrathe und in vielen Gemeinderäthen zu disponiren hatte, eifrig betrieben, und laut als eine Schilderhebung gegen den Bischof angekündigt. Der Secretär des letztern schrieb hierauf seinerseits an die Pfarrer, um ihnen die Candidatur des Hrn. Hanquet anzuempfehlen. Dieses Schreiben nun ist in den Augen der Gegner des Bischofs sein größtes Verbrechen, wobei angenommen wird, es verstehe sich von selbst, daß man gegen den Bischof und den Clerus alle möglichen Mittel gelten machen, alle geheimen Gesellschaften in Bewegung setzen dürfe, der Clerus dagegen ruhig die Hände in den Schooß legen, und sie sich gar, ohne sich zu rühren, binden lassen müsse. Das ist der Liberalismus dieser Liberalen, vor deren Uebergewicht Gott Belgien und jedes andere Land bewahren möge. Der eifrigste Redner gegen den Bischof war der Advocat Verhaeghen, ein Chef der hiesigen Freimaurer, den Hrn. Dumortier in seiner Replik daran erinnerte, es stehe ihm nicht zu, gegen Wahlinfluenzen zu sprechen, da er ja selbst, als Abgeordneter der Brüsseler Freimaurer, nach Tournay gekommen, um die dortigen Freimaurer zur Eliminirung dreier katholischen Candidaten anzuspornen. Zwischen diesen beiden Rednern wurde zuletzt die Debatte so heftig, daß sich der Präsident ins Mittel schlagen mußte, die Subsidie wurde dann aber mit großer Stimmenmehrheit bewilligt. Ueber das allen Parteien nach der Verfassung zustehende Recht, in den Wahlen ihren Einfluß geltend zu machen, enthält bei diesem Anlaß der heutige Independant, sonst kein Freund des Clerus, einen Artikel, den diejenigen, die sich exclusive die Männer der Freiheit, des Fortschrittes und der Aufklärung nennen, beherzigen sollten. Was in der letzten Zeit diese Exclusiven noch besonders gegen den Chef der Lütticher Diöcese aufgeregt hat, ist eine Schrift, die dieser über den öffentlichen Unterricht herausgibt. Die Art, wie er darin die Nothwendigkeit einer religiösen Grundlage des Volksunterrichts darthut, will ihnen nicht gefallen, dürfte aber schwer zu widerlegen seyn. Eine der Anschuldigungen des Hrn. Verhaeghen gegen den Bischof war auch, daß dieser, so viel an ihm gewesen, der Revolution von 1830 entgegengearbeitet habe, und sie gern verhindert hätte, wenn es in seinen Kräften gestanden, daher er sich auch um jene Zeit in einem Hirtenbriefe gegen das damalige Treiben der Opposition ausgesprochen. Der Bischof wird wahrscheinlich seinem Gegner Dank für diese Anschuldigung wissen; weil darin die beste Widerlegung derjenigen seiner Gegner liegt, die ihn lange als einen Rädelsführer jener Revolution geschildert haben, und so hätte denn diese leidenschaftliche Discussion dem Prälaten mehr genützt als geschadet.

Deutschland.

Wie der dießjährige Carneval der längste im Kalender, so ist er auch der lebhafteste, dessen man sich seit lange erinnert. Die Kammerbälle des Hofs, die Feste des Adels und der reichen Privaten, dann die öffentlichen und Vereinsbälle folgen sich unausgesetzt. Als eines der großartigsten Feste der Saison durch Glanz und Comfort muß ich des bal costume erwähnen, der vorgestern im Palaste des Herzogs Max in Bayern stattfand, zu welchem 600 Personen, darunter sämmtliche Mitglieder der zweiten Kammer, geladen waren. Die Maskenlust, oder vielmehr die Lust historische Personen darzustellen, war nie reger; so gab in den letzten Tagen der "Bürgerverein" einen Ball, auf welchem ein schön costumirter Maskenzug von 300 Personen erschien, Personen aus Schillers dramatischen Werken vorstellend. Der Zufall führte die komischsten Situationen herbei, man sah z. B. den Schusterle mit der Jungfrau von Orleans einen Walzer tanzen. Nächsten Montag findet wie alljährlich der Metzgersprung statt, dann des Abends der letzte Maskenball im Hoftheater, auf welchem zum zweitenmal der große Künstler-Maskenzug erscheint. Je näher der Fasching seinem Ende zuschreitet, um so toller und unbändiger wird er, und es ist hohe Zeit, daß ihm der Mittwoch die Asche entgegenhält; doch bedarf es dieser Mahnung kaum, denn neben den leichten Gerüsten der Freude erhob sich in den letzten Wochen auch manches ernste der Trauer, und den Zechliedern munterer Genossen folgten nicht selten die schaurigen Klänge des dies irae. - Auf unserm Hoftheater sahen wir gestern zum erstenmale das vielbesprochene Trauerspiel Gutzkows "Richard Savage." Es wurde beifällig aufgenommen.

In der heutigen öffentlichen Sitzung der Kammer der Abgeordneten trug Hofrath Dr. Bayer den Ausschußbericht über den Gesetzesentwurf "die Sicherstellung des litterarischen Eigenthums" betreffend, vor. Die Modificationen, die das Comite vorschlägt, erscheinen eben so scharfsinnig als das Elaborat überhaupt gediegen und geistvoll. Die Debatten über diesen Gegenstand beginnen in der nächsten Donnerstagssitzung. Die Kammer hat nun ein zweites Mitglied durch den Tod verloren: diese Nacht starb der Abgeordnete Fitting aus der Pfalz im Alter von 36 Jahren. Einige andere Deputirte liegen mehr oder weniger bedeutend krank darnieder, darunter der Abgeordnete Buchhändler Enke, dessen Abwesenheit in der Kammer während der Berathung des erwähnten Gesetzesentwurfs vorzugsweise bedauerlich seyn dürfte. Die Kammer der Reichsräthe hat durch die in den letzten Tagen erfolgte Ankunft zweier Standesherren, des Hrn. Fürsten von Leiningen und des Grafen v. Kastell einen Zuwachs erhalten; auch der Reichsrath Frhr. v. Lotzbeck ist hier eingetroffen. Fürst Leiningen ist bekanntlich der Stiefbruder der regierenden Königin von England, und Ritter des Hosenbandordens, eine Decoration, die in der deutschen Salonswelt sehr selten vorkommt. - Wie alljährlich an diesem Tage hatte heute Mittag der "Metzgersprung" unter großem Zulauf der Menge statt.

Preußen.

Am nächsten 31 März, dem großen Avancementstage der preußischen Armee, feiert der jetzige Kriegsminister, General der Infanterie, Hr. v. Rauch, sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Leider ist der Jubilar gegenwärtig an einem Steinübel bedenklich krank. - Im Uebrigen ist der Gesundheitszustand hieselbst, da wir seit über einer Woche heitere Kälte haben, wieder etwas besser geworden. Doch herrscht in dem großen Krankenhause, die Charite genannt, der

andern Culte, auf das Staatsbudget angewiesen ist. Aus diesem Gesichtspunkte aufgefaßt, konnte die Sache zu keinen ernstlichen Debatten Anlaß geben, die Opposition aber behandelte sie, als sey die geforderte Subsidie für des Bischofs persönliche Casse, und brach mit einer Reihe von Angriffen gegen diesen Prälaten hervor. Zunächst suchte sie hierzu den Stoff in den Vorgängen bei der jüngsten Wahl eines Repräsentanten in Lüttich, worüber ich Ihnen bereits geschrieben. Der Candidat der Katholiken und der gemäßigten, durch das Journal „le Politique“ repräsentirten Liberalen, Hr. Hanquet, fiel bei dieser Wahl durch; der Candidat der exaltirten Liberalen dagegen, so wie der Orangisten und Demokraten, Hr. Delfosse, trug den Sieg davon. Dieser, ein Glied des Provincialraths, hat sich durch seine Theilnahme an den Emeuten in Tilff und Lüttich gegen die Redemptoristen, so wie durch jahrelange Chicanen gegen den Bischof in administrativen Sachen, in denen für jeden Unbefangenen das Recht auf Seite des letztern war, eine gewisse Celebrität erworben. Seine Candidatur wurde in der Freimaurerloge vorbereitet, dann mit Hülfe des Einflusses, worüber seine Partei in dem Provincialrathe und in vielen Gemeinderäthen zu disponiren hatte, eifrig betrieben, und laut als eine Schilderhebung gegen den Bischof angekündigt. Der Secretär des letztern schrieb hierauf seinerseits an die Pfarrer, um ihnen die Candidatur des Hrn. Hanquet anzuempfehlen. Dieses Schreiben nun ist in den Augen der Gegner des Bischofs sein größtes Verbrechen, wobei angenommen wird, es verstehe sich von selbst, daß man gegen den Bischof und den Clerus alle möglichen Mittel gelten machen, alle geheimen Gesellschaften in Bewegung setzen dürfe, der Clerus dagegen ruhig die Hände in den Schooß legen, und sie sich gar, ohne sich zu rühren, binden lassen müsse. Das ist der Liberalismus dieser Liberalen, vor deren Uebergewicht Gott Belgien und jedes andere Land bewahren möge. Der eifrigste Redner gegen den Bischof war der Advocat Verhaeghen, ein Chef der hiesigen Freimaurer, den Hrn. Dumortier in seiner Replik daran erinnerte, es stehe ihm nicht zu, gegen Wahlinfluenzen zu sprechen, da er ja selbst, als Abgeordneter der Brüsseler Freimaurer, nach Tournay gekommen, um die dortigen Freimaurer zur Eliminirung dreier katholischen Candidaten anzuspornen. Zwischen diesen beiden Rednern wurde zuletzt die Debatte so heftig, daß sich der Präsident ins Mittel schlagen mußte, die Subsidie wurde dann aber mit großer Stimmenmehrheit bewilligt. Ueber das allen Parteien nach der Verfassung zustehende Recht, in den Wahlen ihren Einfluß geltend zu machen, enthält bei diesem Anlaß der heutige Indépendant, sonst kein Freund des Clerus, einen Artikel, den diejenigen, die sich exclusive die Männer der Freiheit, des Fortschrittes und der Aufklärung nennen, beherzigen sollten. Was in der letzten Zeit diese Exclusiven noch besonders gegen den Chef der Lütticher Diöcese aufgeregt hat, ist eine Schrift, die dieser über den öffentlichen Unterricht herausgibt. Die Art, wie er darin die Nothwendigkeit einer religiösen Grundlage des Volksunterrichts darthut, will ihnen nicht gefallen, dürfte aber schwer zu widerlegen seyn. Eine der Anschuldigungen des Hrn. Verhaeghen gegen den Bischof war auch, daß dieser, so viel an ihm gewesen, der Revolution von 1830 entgegengearbeitet habe, und sie gern verhindert hätte, wenn es in seinen Kräften gestanden, daher er sich auch um jene Zeit in einem Hirtenbriefe gegen das damalige Treiben der Opposition ausgesprochen. Der Bischof wird wahrscheinlich seinem Gegner Dank für diese Anschuldigung wissen; weil darin die beste Widerlegung derjenigen seiner Gegner liegt, die ihn lange als einen Rädelsführer jener Revolution geschildert haben, und so hätte denn diese leidenschaftliche Discussion dem Prälaten mehr genützt als geschadet.

Deutschland.

Wie der dießjährige Carneval der längste im Kalender, so ist er auch der lebhafteste, dessen man sich seit lange erinnert. Die Kammerbälle des Hofs, die Feste des Adels und der reichen Privaten, dann die öffentlichen und Vereinsbälle folgen sich unausgesetzt. Als eines der großartigsten Feste der Saison durch Glanz und Comfort muß ich des bal costumé erwähnen, der vorgestern im Palaste des Herzogs Max in Bayern stattfand, zu welchem 600 Personen, darunter sämmtliche Mitglieder der zweiten Kammer, geladen waren. Die Maskenlust, oder vielmehr die Lust historische Personen darzustellen, war nie reger; so gab in den letzten Tagen der „Bürgerverein“ einen Ball, auf welchem ein schön costumirter Maskenzug von 300 Personen erschien, Personen aus Schillers dramatischen Werken vorstellend. Der Zufall führte die komischsten Situationen herbei, man sah z. B. den Schusterle mit der Jungfrau von Orleans einen Walzer tanzen. Nächsten Montag findet wie alljährlich der Metzgersprung statt, dann des Abends der letzte Maskenball im Hoftheater, auf welchem zum zweitenmal der große Künstler-Maskenzug erscheint. Je näher der Fasching seinem Ende zuschreitet, um so toller und unbändiger wird er, und es ist hohe Zeit, daß ihm der Mittwoch die Asche entgegenhält; doch bedarf es dieser Mahnung kaum, denn neben den leichten Gerüsten der Freude erhob sich in den letzten Wochen auch manches ernste der Trauer, und den Zechliedern munterer Genossen folgten nicht selten die schaurigen Klänge des dies irae. – Auf unserm Hoftheater sahen wir gestern zum erstenmale das vielbesprochene Trauerspiel Gutzkows „Richard Savage.“ Es wurde beifällig aufgenommen.

In der heutigen öffentlichen Sitzung der Kammer der Abgeordneten trug Hofrath Dr. Bayer den Ausschußbericht über den Gesetzesentwurf „die Sicherstellung des litterarischen Eigenthums“ betreffend, vor. Die Modificationen, die das Comité vorschlägt, erscheinen eben so scharfsinnig als das Elaborat überhaupt gediegen und geistvoll. Die Debatten über diesen Gegenstand beginnen in der nächsten Donnerstagssitzung. Die Kammer hat nun ein zweites Mitglied durch den Tod verloren: diese Nacht starb der Abgeordnete Fitting aus der Pfalz im Alter von 36 Jahren. Einige andere Deputirte liegen mehr oder weniger bedeutend krank darnieder, darunter der Abgeordnete Buchhändler Enke, dessen Abwesenheit in der Kammer während der Berathung des erwähnten Gesetzesentwurfs vorzugsweise bedauerlich seyn dürfte. Die Kammer der Reichsräthe hat durch die in den letzten Tagen erfolgte Ankunft zweier Standesherren, des Hrn. Fürsten von Leiningen und des Grafen v. Kastell einen Zuwachs erhalten; auch der Reichsrath Frhr. v. Lotzbeck ist hier eingetroffen. Fürst Leiningen ist bekanntlich der Stiefbruder der regierenden Königin von England, und Ritter des Hosenbandordens, eine Decoration, die in der deutschen Salonswelt sehr selten vorkommt. – Wie alljährlich an diesem Tage hatte heute Mittag der „Metzgersprung“ unter großem Zulauf der Menge statt.

Preußen.

Am nächsten 31 März, dem großen Avancementstage der preußischen Armee, feiert der jetzige Kriegsminister, General der Infanterie, Hr. v. Rauch, sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Leider ist der Jubilar gegenwärtig an einem Steinübel bedenklich krank. – Im Uebrigen ist der Gesundheitszustand hieselbst, da wir seit über einer Woche heitere Kälte haben, wieder etwas besser geworden. Doch herrscht in dem großen Krankenhause, die Charité genannt, der

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[0510/0006] andern Culte, auf das Staatsbudget angewiesen ist. Aus diesem Gesichtspunkte aufgefaßt, konnte die Sache zu keinen ernstlichen Debatten Anlaß geben, die Opposition aber behandelte sie, als sey die geforderte Subsidie für des Bischofs persönliche Casse, und brach mit einer Reihe von Angriffen gegen diesen Prälaten hervor. Zunächst suchte sie hierzu den Stoff in den Vorgängen bei der jüngsten Wahl eines Repräsentanten in Lüttich, worüber ich Ihnen bereits geschrieben. Der Candidat der Katholiken und der gemäßigten, durch das Journal „le Politique“ repräsentirten Liberalen, Hr. Hanquet, fiel bei dieser Wahl durch; der Candidat der exaltirten Liberalen dagegen, so wie der Orangisten und Demokraten, Hr. Delfosse, trug den Sieg davon. Dieser, ein Glied des Provincialraths, hat sich durch seine Theilnahme an den Emeuten in Tilff und Lüttich gegen die Redemptoristen, so wie durch jahrelange Chicanen gegen den Bischof in administrativen Sachen, in denen für jeden Unbefangenen das Recht auf Seite des letztern war, eine gewisse Celebrität erworben. Seine Candidatur wurde in der Freimaurerloge vorbereitet, dann mit Hülfe des Einflusses, worüber seine Partei in dem Provincialrathe und in vielen Gemeinderäthen zu disponiren hatte, eifrig betrieben, und laut als eine Schilderhebung gegen den Bischof angekündigt. Der Secretär des letztern schrieb hierauf seinerseits an die Pfarrer, um ihnen die Candidatur des Hrn. Hanquet anzuempfehlen. Dieses Schreiben nun ist in den Augen der Gegner des Bischofs sein größtes Verbrechen, wobei angenommen wird, es verstehe sich von selbst, daß man gegen den Bischof und den Clerus alle möglichen Mittel gelten machen, alle geheimen Gesellschaften in Bewegung setzen dürfe, der Clerus dagegen ruhig die Hände in den Schooß legen, und sie sich gar, ohne sich zu rühren, binden lassen müsse. Das ist der Liberalismus dieser Liberalen, vor deren Uebergewicht Gott Belgien und jedes andere Land bewahren möge. Der eifrigste Redner gegen den Bischof war der Advocat Verhaeghen, ein Chef der hiesigen Freimaurer, den Hrn. Dumortier in seiner Replik daran erinnerte, es stehe ihm nicht zu, gegen Wahlinfluenzen zu sprechen, da er ja selbst, als Abgeordneter der Brüsseler Freimaurer, nach Tournay gekommen, um die dortigen Freimaurer zur Eliminirung dreier katholischen Candidaten anzuspornen. Zwischen diesen beiden Rednern wurde zuletzt die Debatte so heftig, daß sich der Präsident ins Mittel schlagen mußte, die Subsidie wurde dann aber mit großer Stimmenmehrheit bewilligt. Ueber das allen Parteien nach der Verfassung zustehende Recht, in den Wahlen ihren Einfluß geltend zu machen, enthält bei diesem Anlaß der heutige Indépendant, sonst kein Freund des Clerus, einen Artikel, den diejenigen, die sich exclusive die Männer der Freiheit, des Fortschrittes und der Aufklärung nennen, beherzigen sollten. Was in der letzten Zeit diese Exclusiven noch besonders gegen den Chef der Lütticher Diöcese aufgeregt hat, ist eine Schrift, die dieser über den öffentlichen Unterricht herausgibt. Die Art, wie er darin die Nothwendigkeit einer religiösen Grundlage des Volksunterrichts darthut, will ihnen nicht gefallen, dürfte aber schwer zu widerlegen seyn. Eine der Anschuldigungen des Hrn. Verhaeghen gegen den Bischof war auch, daß dieser, so viel an ihm gewesen, der Revolution von 1830 entgegengearbeitet habe, und sie gern verhindert hätte, wenn es in seinen Kräften gestanden, daher er sich auch um jene Zeit in einem Hirtenbriefe gegen das damalige Treiben der Opposition ausgesprochen. Der Bischof wird wahrscheinlich seinem Gegner Dank für diese Anschuldigung wissen; weil darin die beste Widerlegung derjenigen seiner Gegner liegt, die ihn lange als einen Rädelsführer jener Revolution geschildert haben, und so hätte denn diese leidenschaftliche Discussion dem Prälaten mehr genützt als geschadet. Deutschland. _ München, 28 Febr. Wie der dießjährige Carneval der längste im Kalender, so ist er auch der lebhafteste, dessen man sich seit lange erinnert. Die Kammerbälle des Hofs, die Feste des Adels und der reichen Privaten, dann die öffentlichen und Vereinsbälle folgen sich unausgesetzt. Als eines der großartigsten Feste der Saison durch Glanz und Comfort muß ich des bal costumé erwähnen, der vorgestern im Palaste des Herzogs Max in Bayern stattfand, zu welchem 600 Personen, darunter sämmtliche Mitglieder der zweiten Kammer, geladen waren. Die Maskenlust, oder vielmehr die Lust historische Personen darzustellen, war nie reger; so gab in den letzten Tagen der „Bürgerverein“ einen Ball, auf welchem ein schön costumirter Maskenzug von 300 Personen erschien, Personen aus Schillers dramatischen Werken vorstellend. Der Zufall führte die komischsten Situationen herbei, man sah z. B. den Schusterle mit der Jungfrau von Orleans einen Walzer tanzen. Nächsten Montag findet wie alljährlich der Metzgersprung statt, dann des Abends der letzte Maskenball im Hoftheater, auf welchem zum zweitenmal der große Künstler-Maskenzug erscheint. Je näher der Fasching seinem Ende zuschreitet, um so toller und unbändiger wird er, und es ist hohe Zeit, daß ihm der Mittwoch die Asche entgegenhält; doch bedarf es dieser Mahnung kaum, denn neben den leichten Gerüsten der Freude erhob sich in den letzten Wochen auch manches ernste der Trauer, und den Zechliedern munterer Genossen folgten nicht selten die schaurigen Klänge des dies irae. – Auf unserm Hoftheater sahen wir gestern zum erstenmale das vielbesprochene Trauerspiel Gutzkows „Richard Savage.“ Es wurde beifällig aufgenommen. _ München, 2 März. In der heutigen öffentlichen Sitzung der Kammer der Abgeordneten trug Hofrath Dr. Bayer den Ausschußbericht über den Gesetzesentwurf „die Sicherstellung des litterarischen Eigenthums“ betreffend, vor. Die Modificationen, die das Comité vorschlägt, erscheinen eben so scharfsinnig als das Elaborat überhaupt gediegen und geistvoll. Die Debatten über diesen Gegenstand beginnen in der nächsten Donnerstagssitzung. Die Kammer hat nun ein zweites Mitglied durch den Tod verloren: diese Nacht starb der Abgeordnete Fitting aus der Pfalz im Alter von 36 Jahren. Einige andere Deputirte liegen mehr oder weniger bedeutend krank darnieder, darunter der Abgeordnete Buchhändler Enke, dessen Abwesenheit in der Kammer während der Berathung des erwähnten Gesetzesentwurfs vorzugsweise bedauerlich seyn dürfte. Die Kammer der Reichsräthe hat durch die in den letzten Tagen erfolgte Ankunft zweier Standesherren, des Hrn. Fürsten von Leiningen und des Grafen v. Kastell einen Zuwachs erhalten; auch der Reichsrath Frhr. v. Lotzbeck ist hier eingetroffen. Fürst Leiningen ist bekanntlich der Stiefbruder der regierenden Königin von England, und Ritter des Hosenbandordens, eine Decoration, die in der deutschen Salonswelt sehr selten vorkommt. – Wie alljährlich an diesem Tage hatte heute Mittag der „Metzgersprung“ unter großem Zulauf der Menge statt. Preußen. _ Berlin, 26 Febr. Am nächsten 31 März, dem großen Avancementstage der preußischen Armee, feiert der jetzige Kriegsminister, General der Infanterie, Hr. v. Rauch, sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Leider ist der Jubilar gegenwärtig an einem Steinübel bedenklich krank. – Im Uebrigen ist der Gesundheitszustand hieselbst, da wir seit über einer Woche heitere Kälte haben, wieder etwas besser geworden. Doch herrscht in dem großen Krankenhause, die Charité genannt, der

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 64. Augsburg, 4. März 1840, S. 0510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_064_18400304/6>, abgerufen am 21.11.2024.