Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg, 11. März 1840.zwischen den beiden Staaten und damit zu einer Störung des Friedens und der Wohlfahrt der ganzen civilisirten Welt führen müßte. Indem ich das sage, fürcht' ich nicht, daß der edle Viscount sich des schlechten Geschmacks schuldig machen werde, eine Behauptung, die in einem andern Haus eben so keck und unanständig wie fälschlich ausgesprochen wurde (von Lord Palmerston!), zu wiederholen, nämlich daß bei Anregung solcher Dinge in diesem Haus die Torypartei keinen andern Zweck im Auge habe, als die beiden Staaten mit einander zu überwerfen und in Krieg zu stürzen. Ich kann versichern, die Torypartei ist nicht so ganz hirnlos geworden, nicht mit so hoffnungsloser Mondsucht behaftet, daß sie unter den jetzigen Umständen einen Krieg wünschen sollte. Ich wünsche keinen Krieg, am wenigsten von allen einen Krieg, in welchem wir keine Triumphe erwarten können - "bella nullos habitura triumphos." (Hört!) Ich wünsche Frieden nicht nur mit dem tapfern Franken, "dem alten Gegner, würdig unsers Stahls", sondern auch mit der ärmsten und unerheblichsten Staatsgemeinschaft auf dem Erdenrund. Der edle Viscount kennt gewiß eine der schönsten und zierlichsten Reliquien des Alterthums, die auf uns gekommen, jene berühmte Gemme: Cupido den Donnerkeil schwingend. (Boshaftes Gelächter der Tories.) Ich bin gleicherweise überzeugt, daß der edle Viscount das kurze Epigramm der Anthologie nicht vergessen hat, das diese Allegorie erklärt: die Suada und die Macht im Bunde. Von dem unwiderstehlichen Ueberredungstalent unserer Administration mögen Mexico, Buenos-Ayres und Portendic, mögen unsere nach Afrika und Amerika handelnden Kaufleute zeugen; denn diese kennen sie am besten, die honigsüße Peitho von Downing-Street. (Hört!) Jedoch, ohne zum Krieg oder dem Krieg ähnlichen Mitteln zu greifen, ließen sich, dessen bin ich überzeugt, Wege finden, jener Ungebühr ein Ziel zu setzen. Remonstrationen haben nichts gefruchtet, so schreite der edle Viscount - möge er nicht vor dem Wort erschrecken! - zu Repressalien, d. h. Repressalien nicht im feindseligen Sinne des Worts, sondern solchen, gegen die Frankreich nichts einwenden könne. Man behandle den französischen Verkehr mit unsern Niederlassungen am Gambia nur auf gleichem Fuß, wie die Franzosen unsern Handel mit dem Senegal. Wie wird es jetzt in jener Weltgegend gehalten? Jeder Vortheil, den die freisinnigste Handelspolitik nur gestatten kann, ist von uns dem französischen Kaufmann am Gambia eingeräumt. Unser Hafen St. Mary ist den Franzosen offen, während hingegen ihrem Hafen St. Louis kein englisches Handelsfahrzeug nahen darf, und in der kleinen Insel Goree, welche ursprünglich die Privilegien eines Freihafens genießen sollte, wird das französische System gegen den brittischen Handel mit der äußersten Strenge durchgeführt." Lord Strangford erörterte dann weiter, wie das Benehmen der französischen Behörden in Westafrika ganz auf eine Begünstigung des Sklavenhandels abzuzwecken scheine, bemerkte jedoch, er wolle diesen Punkt seinem jetzt auf dem Continent abwesenden edlen und gelehrten Freund (Brougham) überlassen, der versichert habe, er werde nicht 24 Stunden wieder in England seyn, ohne Ihrer Maj. Minister darüber zur Rechenschaft zu ziehen. Nachdem er noch auf die Blokade von Buenos-Ayres und die verdächtigen Schritte der Franzosen in Montevideo hingedeutet, schloß er mit dem Antrag auf Vorlegung aller Depeschen, welche die Regierung vom Gouvernement in Gambia in Bezug auf den westafrikanischen Handel u. s. w. in neuerer Zeit erhalten habe. Lord Melbourne räumte die Wichtigkeit der angeregten Gegenstände ein, rügte aber den sarkastischen Ton, womit der edle Lord gegenüber eine befreundete Macht in seiner Rede behandelt habe, welche Rede jedoch durch die Beimischung von antiken Cameen, griechischen Epigrammen und allerlei Allegorien ziemlich harmlos gemacht sey. Die Schilderungen der durch die Franzosen erlittenen Handelsstörungen in der Petition sowohl, wie in der sie begleitenden Rede findet der Minister übertrieben und für Parteizwecke ausgeschmückt, das Petitum aber, die westafrikanischen Besitzungen eventuell ganz aufzugeben, widersinnig. Melbourne gibt zu verstehen, die Petition, welche der edle Lord mit solcher Salbung abgelesen habe, möge, da der Styl derselben dem der Rede so ähnlich sey, wohl von dem edlen Lord selbst den Bittstellern in die Feder dictirt worden seyn. Was nun den früheren Uebergriff französischer Behörden gegen zwei englische Fahrzeuge in Portendic betreffe, so habe das Cabinet der Tuilerien eingewilligt, die Ausgleichung dieser Sache einer gemischten Commission zu überweisen, und diese würde schon früher in Paris zusammengetreten seyn, wenn nicht in der Ernennung der brittischen Commissarien eine Verzögerung eingetreten wäre. Jetzt da die Sitzung derselben beginnen solle, sey es ganz unpassend, die Vorlegung der auf diese Sache bezüglichen Papiere zu verlangen. Was dann den zweiten Beschwerdepunkt wegen des Vorgangs auf dem Casamanza betrifft, so erklärte der Minister darüber Folgendes: "Dieser im Innern von Afrika entspringende Fluß strömt dem Gambia parallel, aber südlich von diesem, ins Meer. Portugal ist in dem Nominalbesitz des Flußgebietes, weil es an der Mündung desselben eine kleine Ansiedlung hat, doch konnte es seinem Besitztitel nie Geltung verschaffen. Eine gewisse Strecke von der Mündung des Stromes aufwärts haben die Franzosen den Eingebornen ein Stück Land abgekauft, und dort, neben einem Dorfe, genannt Sidjou oder Sessue, eine Factorei angelegt. Im August v. J. lief der englische Handelsschooner Grant in den Fluß ein, um mit den Eingebornen Verkehr zu treiben, trotz der Warnung der Franzosen, es nicht zu thun. Das Schiff beendigte seine Fracht, und als es wieder den Fluß hinabfuhr, begegnete es dem derselben englischen Firma gehörigen Highlander, mit dem es zur Ueberschiffung der Ladung nach Sessue zurückkehrte. Jetzt wurden die Schiffe von den Franzosen mit Beschlag belegt, die Mannschaft aber entlassen. Diese führte Beschwerde bei dem Gouverneur von Gambia, welcher sich mit dem Gouverneur vom Senegal darüber in Communication setzte. Letzterer antwortete, er spreche kein ausschließliches Handelsrecht im Casamanzafluß an, wohl aber in Sessue, weil dieß eine französische Factorei sey; er bat zugleich den brittischen Gouverneur, Schiffe seiner Nation von dem Handel mit Sessue abzuhalten. Der brittische Statthalter ging darauf nicht ein, sondern schickte einen Beamten nach Sessue, um über die dortigen Verhältnisse Erkundigung einzuziehen. Die Eingebornen erklärten, sie hätten den Franzosen allerdings eine Factorei, nicht aber den Ort Sessue verkauft. Hiernach scheint die Behauptung der Franzosen, sie dürften jede andere Nation von dem Handel mit Sessue ausschließen, allerdings eine Anmaßung zu seyn. Der letzte Bericht des Gouverneurs von Gambia über die Sache lief erst am 20 Febr. beim Colonialamt ein. Das Nächste, was die Regierung darauf zu thun hatte, war, den Fall an die Gesetzesbeamten der Krone zu verweisen, um sofort Remonstrationen an das französische Cabinet zu richten. Das Resultat dieser Schritte möchte vor Allem abzuwarten seyn." Nach einiger weitern Discussion nahm Lord Strangford auf den Rath Lord Aberdeens, der übrigens in dessen Beschwerden gegen Frankreich mit einstimmte, seine Motion zurück, um vorerst die Ergebnisse der Commissionsentscheidung und der weitern Maaßregeln der Regierung abzuwarten. zwischen den beiden Staaten und damit zu einer Störung des Friedens und der Wohlfahrt der ganzen civilisirten Welt führen müßte. Indem ich das sage, fürcht' ich nicht, daß der edle Viscount sich des schlechten Geschmacks schuldig machen werde, eine Behauptung, die in einem andern Haus eben so keck und unanständig wie fälschlich ausgesprochen wurde (von Lord Palmerston!), zu wiederholen, nämlich daß bei Anregung solcher Dinge in diesem Haus die Torypartei keinen andern Zweck im Auge habe, als die beiden Staaten mit einander zu überwerfen und in Krieg zu stürzen. Ich kann versichern, die Torypartei ist nicht so ganz hirnlos geworden, nicht mit so hoffnungsloser Mondsucht behaftet, daß sie unter den jetzigen Umständen einen Krieg wünschen sollte. Ich wünsche keinen Krieg, am wenigsten von allen einen Krieg, in welchem wir keine Triumphe erwarten können – „bella nullos habitura triumphos.“ (Hört!) Ich wünsche Frieden nicht nur mit dem tapfern Franken, „dem alten Gegner, würdig unsers Stahls“, sondern auch mit der ärmsten und unerheblichsten Staatsgemeinschaft auf dem Erdenrund. Der edle Viscount kennt gewiß eine der schönsten und zierlichsten Reliquien des Alterthums, die auf uns gekommen, jene berühmte Gemme: Cupido den Donnerkeil schwingend. (Boshaftes Gelächter der Tories.) Ich bin gleicherweise überzeugt, daß der edle Viscount das kurze Epigramm der Anthologie nicht vergessen hat, das diese Allegorie erklärt: die Suada und die Macht im Bunde. Von dem unwiderstehlichen Ueberredungstalent unserer Administration mögen Mexico, Buenos-Ayres und Portendic, mögen unsere nach Afrika und Amerika handelnden Kaufleute zeugen; denn diese kennen sie am besten, die honigsüße Peitho von Downing-Street. (Hört!) Jedoch, ohne zum Krieg oder dem Krieg ähnlichen Mitteln zu greifen, ließen sich, dessen bin ich überzeugt, Wege finden, jener Ungebühr ein Ziel zu setzen. Remonstrationen haben nichts gefruchtet, so schreite der edle Viscount – möge er nicht vor dem Wort erschrecken! – zu Repressalien, d. h. Repressalien nicht im feindseligen Sinne des Worts, sondern solchen, gegen die Frankreich nichts einwenden könne. Man behandle den französischen Verkehr mit unsern Niederlassungen am Gambia nur auf gleichem Fuß, wie die Franzosen unsern Handel mit dem Senegal. Wie wird es jetzt in jener Weltgegend gehalten? Jeder Vortheil, den die freisinnigste Handelspolitik nur gestatten kann, ist von uns dem französischen Kaufmann am Gambia eingeräumt. Unser Hafen St. Mary ist den Franzosen offen, während hingegen ihrem Hafen St. Louis kein englisches Handelsfahrzeug nahen darf, und in der kleinen Insel Goree, welche ursprünglich die Privilegien eines Freihafens genießen sollte, wird das französische System gegen den brittischen Handel mit der äußersten Strenge durchgeführt.“ Lord Strangford erörterte dann weiter, wie das Benehmen der französischen Behörden in Westafrika ganz auf eine Begünstigung des Sklavenhandels abzuzwecken scheine, bemerkte jedoch, er wolle diesen Punkt seinem jetzt auf dem Continent abwesenden edlen und gelehrten Freund (Brougham) überlassen, der versichert habe, er werde nicht 24 Stunden wieder in England seyn, ohne Ihrer Maj. Minister darüber zur Rechenschaft zu ziehen. Nachdem er noch auf die Blokade von Buenos-Ayres und die verdächtigen Schritte der Franzosen in Montevideo hingedeutet, schloß er mit dem Antrag auf Vorlegung aller Depeschen, welche die Regierung vom Gouvernement in Gambia in Bezug auf den westafrikanischen Handel u. s. w. in neuerer Zeit erhalten habe. Lord Melbourne räumte die Wichtigkeit der angeregten Gegenstände ein, rügte aber den sarkastischen Ton, womit der edle Lord gegenüber eine befreundete Macht in seiner Rede behandelt habe, welche Rede jedoch durch die Beimischung von antiken Cameen, griechischen Epigrammen und allerlei Allegorien ziemlich harmlos gemacht sey. Die Schilderungen der durch die Franzosen erlittenen Handelsstörungen in der Petition sowohl, wie in der sie begleitenden Rede findet der Minister übertrieben und für Parteizwecke ausgeschmückt, das Petitum aber, die westafrikanischen Besitzungen eventuell ganz aufzugeben, widersinnig. Melbourne gibt zu verstehen, die Petition, welche der edle Lord mit solcher Salbung abgelesen habe, möge, da der Styl derselben dem der Rede so ähnlich sey, wohl von dem edlen Lord selbst den Bittstellern in die Feder dictirt worden seyn. Was nun den früheren Uebergriff französischer Behörden gegen zwei englische Fahrzeuge in Portendic betreffe, so habe das Cabinet der Tuilerien eingewilligt, die Ausgleichung dieser Sache einer gemischten Commission zu überweisen, und diese würde schon früher in Paris zusammengetreten seyn, wenn nicht in der Ernennung der brittischen Commissarien eine Verzögerung eingetreten wäre. Jetzt da die Sitzung derselben beginnen solle, sey es ganz unpassend, die Vorlegung der auf diese Sache bezüglichen Papiere zu verlangen. Was dann den zweiten Beschwerdepunkt wegen des Vorgangs auf dem Casamanza betrifft, so erklärte der Minister darüber Folgendes: „Dieser im Innern von Afrika entspringende Fluß strömt dem Gambia parallel, aber südlich von diesem, ins Meer. Portugal ist in dem Nominalbesitz des Flußgebietes, weil es an der Mündung desselben eine kleine Ansiedlung hat, doch konnte es seinem Besitztitel nie Geltung verschaffen. Eine gewisse Strecke von der Mündung des Stromes aufwärts haben die Franzosen den Eingebornen ein Stück Land abgekauft, und dort, neben einem Dorfe, genannt Sidjou oder Sessue, eine Factorei angelegt. Im August v. J. lief der englische Handelsschooner Grant in den Fluß ein, um mit den Eingebornen Verkehr zu treiben, trotz der Warnung der Franzosen, es nicht zu thun. Das Schiff beendigte seine Fracht, und als es wieder den Fluß hinabfuhr, begegnete es dem derselben englischen Firma gehörigen Highlander, mit dem es zur Ueberschiffung der Ladung nach Sessue zurückkehrte. Jetzt wurden die Schiffe von den Franzosen mit Beschlag belegt, die Mannschaft aber entlassen. Diese führte Beschwerde bei dem Gouverneur von Gambia, welcher sich mit dem Gouverneur vom Senegal darüber in Communication setzte. Letzterer antwortete, er spreche kein ausschließliches Handelsrecht im Casamanzafluß an, wohl aber in Sessue, weil dieß eine französische Factorei sey; er bat zugleich den brittischen Gouverneur, Schiffe seiner Nation von dem Handel mit Sessue abzuhalten. Der brittische Statthalter ging darauf nicht ein, sondern schickte einen Beamten nach Sessue, um über die dortigen Verhältnisse Erkundigung einzuziehen. Die Eingebornen erklärten, sie hätten den Franzosen allerdings eine Factorei, nicht aber den Ort Sessue verkauft. Hiernach scheint die Behauptung der Franzosen, sie dürften jede andere Nation von dem Handel mit Sessue ausschließen, allerdings eine Anmaßung zu seyn. Der letzte Bericht des Gouverneurs von Gambia über die Sache lief erst am 20 Febr. beim Colonialamt ein. Das Nächste, was die Regierung darauf zu thun hatte, war, den Fall an die Gesetzesbeamten der Krone zu verweisen, um sofort Remonstrationen an das französische Cabinet zu richten. Das Resultat dieser Schritte möchte vor Allem abzuwarten seyn.“ Nach einiger weitern Discussion nahm Lord Strangford auf den Rath Lord Aberdeens, der übrigens in dessen Beschwerden gegen Frankreich mit einstimmte, seine Motion zurück, um vorerst die Ergebnisse der Commissionsentscheidung und der weitern Maaßregeln der Regierung abzuwarten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0012" n="0564"/> zwischen den beiden Staaten und damit zu einer Störung des Friedens und der Wohlfahrt der ganzen civilisirten Welt führen müßte. Indem ich das sage, fürcht' ich nicht, daß der edle Viscount sich des schlechten Geschmacks schuldig machen werde, eine Behauptung, die in einem andern Haus eben so keck und unanständig wie fälschlich ausgesprochen wurde (von Lord Palmerston!), zu wiederholen, nämlich daß bei Anregung solcher Dinge in diesem Haus die Torypartei keinen andern Zweck im Auge habe, als die beiden Staaten mit einander zu überwerfen und in Krieg zu stürzen. Ich kann versichern, die Torypartei ist nicht so ganz hirnlos geworden, nicht mit so hoffnungsloser Mondsucht behaftet, daß sie unter den jetzigen Umständen einen Krieg wünschen sollte. Ich wünsche keinen Krieg, am wenigsten von allen einen Krieg, in welchem wir keine Triumphe erwarten können – „bella nullos habitura triumphos.“ (Hört!) Ich wünsche Frieden nicht nur mit dem tapfern Franken, „dem alten Gegner, würdig unsers Stahls“, sondern auch mit der ärmsten und unerheblichsten Staatsgemeinschaft auf dem Erdenrund. Der edle Viscount kennt gewiß eine der schönsten und zierlichsten Reliquien des Alterthums, die auf uns gekommen, jene berühmte Gemme: <hi rendition="#g">Cupido</hi> den Donnerkeil schwingend. (Boshaftes Gelächter der Tories.) Ich bin gleicherweise überzeugt, daß der edle Viscount das kurze Epigramm der Anthologie nicht vergessen hat, das diese Allegorie erklärt: die Suada und die Macht im Bunde. Von dem unwiderstehlichen Ueberredungstalent unserer Administration mögen Mexico, Buenos-Ayres und Portendic, mögen unsere nach Afrika und Amerika handelnden Kaufleute zeugen; denn diese kennen sie am besten, die honigsüße Peitho von Downing-Street. (Hört!) Jedoch, ohne zum Krieg oder dem Krieg ähnlichen Mitteln zu greifen, ließen sich, dessen bin ich überzeugt, Wege finden, jener Ungebühr ein Ziel zu setzen. Remonstrationen haben nichts gefruchtet, so schreite der edle Viscount – möge er nicht vor dem Wort erschrecken! – zu Repressalien, d. h. Repressalien nicht im feindseligen Sinne des Worts, sondern solchen, gegen die Frankreich nichts einwenden könne. Man behandle den französischen Verkehr mit unsern Niederlassungen am Gambia nur auf gleichem Fuß, wie die Franzosen unsern Handel mit dem Senegal. Wie wird es jetzt in jener Weltgegend gehalten? Jeder Vortheil, den die freisinnigste Handelspolitik nur gestatten kann, ist von uns dem französischen Kaufmann am Gambia eingeräumt. Unser Hafen St. Mary ist den Franzosen offen, während hingegen ihrem Hafen St. Louis kein englisches Handelsfahrzeug nahen darf, und in der kleinen Insel Goree, welche ursprünglich die Privilegien eines Freihafens genießen sollte, wird das französische System gegen den brittischen Handel mit der äußersten Strenge durchgeführt.“ Lord Strangford erörterte dann weiter, wie das Benehmen der französischen Behörden in Westafrika ganz auf eine Begünstigung des Sklavenhandels abzuzwecken scheine, bemerkte jedoch, er wolle diesen Punkt seinem jetzt auf dem Continent abwesenden edlen und gelehrten Freund (Brougham) überlassen, der versichert habe, er werde nicht 24 Stunden wieder in England seyn, ohne Ihrer Maj. Minister darüber zur Rechenschaft zu ziehen. Nachdem er noch auf die Blokade von Buenos-Ayres und die verdächtigen Schritte der Franzosen in Montevideo hingedeutet, schloß er mit dem Antrag auf Vorlegung aller Depeschen, welche die Regierung vom Gouvernement in Gambia in Bezug auf den westafrikanischen Handel u. s. w. in neuerer Zeit erhalten habe.</p><lb/> <p>Lord <hi rendition="#g">Melbourne</hi> räumte die Wichtigkeit der angeregten Gegenstände ein, rügte aber den sarkastischen Ton, womit der edle Lord gegenüber eine befreundete Macht in seiner Rede behandelt habe, welche Rede jedoch durch die Beimischung von antiken Cameen, griechischen Epigrammen und allerlei Allegorien ziemlich harmlos gemacht sey. Die Schilderungen der durch die Franzosen erlittenen Handelsstörungen in der Petition sowohl, wie in der sie begleitenden Rede findet der Minister übertrieben und für Parteizwecke ausgeschmückt, das Petitum aber, die westafrikanischen Besitzungen eventuell ganz aufzugeben, widersinnig. Melbourne gibt zu verstehen, die Petition, welche der edle Lord mit solcher Salbung abgelesen habe, möge, da der Styl derselben dem der Rede so ähnlich sey, wohl von dem edlen Lord selbst den Bittstellern in die Feder dictirt worden seyn. Was nun den früheren Uebergriff französischer Behörden gegen zwei englische Fahrzeuge in Portendic betreffe, so habe das Cabinet der Tuilerien eingewilligt, die Ausgleichung dieser Sache einer gemischten Commission zu überweisen, und diese würde schon früher in Paris zusammengetreten seyn, wenn nicht in der Ernennung der brittischen Commissarien eine Verzögerung eingetreten wäre. Jetzt da die Sitzung derselben beginnen solle, sey es ganz unpassend, die Vorlegung der auf diese Sache bezüglichen Papiere zu verlangen. Was dann den zweiten Beschwerdepunkt wegen des Vorgangs auf dem Casamanza betrifft, so erklärte der Minister darüber Folgendes: „Dieser im Innern von Afrika entspringende Fluß strömt dem Gambia parallel, aber südlich von diesem, ins Meer. Portugal ist in dem Nominalbesitz des Flußgebietes, weil es an der Mündung desselben eine kleine Ansiedlung hat, doch konnte es seinem Besitztitel nie Geltung verschaffen. Eine gewisse Strecke von der Mündung des Stromes aufwärts haben die Franzosen den Eingebornen ein Stück Land abgekauft, und dort, neben einem Dorfe, genannt Sidjou oder Sessue, eine Factorei angelegt. Im August v. J. lief der englische Handelsschooner Grant in den Fluß ein, um mit den Eingebornen Verkehr zu treiben, trotz der Warnung der Franzosen, es nicht zu thun. Das Schiff beendigte seine Fracht, und als es wieder den Fluß hinabfuhr, begegnete es dem derselben englischen Firma gehörigen Highlander, mit dem es zur Ueberschiffung der Ladung nach Sessue zurückkehrte. Jetzt wurden die Schiffe von den Franzosen mit Beschlag belegt, die Mannschaft aber entlassen. Diese führte Beschwerde bei dem Gouverneur von Gambia, welcher sich mit dem Gouverneur vom Senegal darüber in Communication setzte. Letzterer antwortete, er spreche kein ausschließliches Handelsrecht im Casamanzafluß an, wohl aber in Sessue, weil dieß eine französische Factorei sey; er bat zugleich den brittischen Gouverneur, Schiffe seiner Nation von dem Handel mit Sessue abzuhalten. Der brittische Statthalter ging darauf nicht ein, sondern schickte einen Beamten nach Sessue, um über die dortigen Verhältnisse Erkundigung einzuziehen. Die Eingebornen erklärten, sie hätten den Franzosen allerdings eine Factorei, nicht aber den Ort Sessue verkauft. Hiernach scheint die Behauptung der Franzosen, sie dürften jede andere Nation von dem Handel mit Sessue ausschließen, allerdings eine Anmaßung zu seyn. Der letzte Bericht des Gouverneurs von Gambia über die Sache lief erst am 20 Febr. beim Colonialamt ein. Das Nächste, was die Regierung darauf zu thun hatte, war, den Fall an die Gesetzesbeamten der Krone zu verweisen, um sofort Remonstrationen an das französische Cabinet zu richten. Das Resultat dieser Schritte möchte vor Allem abzuwarten seyn.“ Nach einiger weitern Discussion nahm Lord Strangford auf den Rath Lord <hi rendition="#g">Aberdeens</hi>, der übrigens in dessen Beschwerden gegen Frankreich mit einstimmte, seine Motion zurück, um vorerst die Ergebnisse der Commissionsentscheidung und der weitern Maaßregeln der Regierung abzuwarten.</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0564/0012]
zwischen den beiden Staaten und damit zu einer Störung des Friedens und der Wohlfahrt der ganzen civilisirten Welt führen müßte. Indem ich das sage, fürcht' ich nicht, daß der edle Viscount sich des schlechten Geschmacks schuldig machen werde, eine Behauptung, die in einem andern Haus eben so keck und unanständig wie fälschlich ausgesprochen wurde (von Lord Palmerston!), zu wiederholen, nämlich daß bei Anregung solcher Dinge in diesem Haus die Torypartei keinen andern Zweck im Auge habe, als die beiden Staaten mit einander zu überwerfen und in Krieg zu stürzen. Ich kann versichern, die Torypartei ist nicht so ganz hirnlos geworden, nicht mit so hoffnungsloser Mondsucht behaftet, daß sie unter den jetzigen Umständen einen Krieg wünschen sollte. Ich wünsche keinen Krieg, am wenigsten von allen einen Krieg, in welchem wir keine Triumphe erwarten können – „bella nullos habitura triumphos.“ (Hört!) Ich wünsche Frieden nicht nur mit dem tapfern Franken, „dem alten Gegner, würdig unsers Stahls“, sondern auch mit der ärmsten und unerheblichsten Staatsgemeinschaft auf dem Erdenrund. Der edle Viscount kennt gewiß eine der schönsten und zierlichsten Reliquien des Alterthums, die auf uns gekommen, jene berühmte Gemme: Cupido den Donnerkeil schwingend. (Boshaftes Gelächter der Tories.) Ich bin gleicherweise überzeugt, daß der edle Viscount das kurze Epigramm der Anthologie nicht vergessen hat, das diese Allegorie erklärt: die Suada und die Macht im Bunde. Von dem unwiderstehlichen Ueberredungstalent unserer Administration mögen Mexico, Buenos-Ayres und Portendic, mögen unsere nach Afrika und Amerika handelnden Kaufleute zeugen; denn diese kennen sie am besten, die honigsüße Peitho von Downing-Street. (Hört!) Jedoch, ohne zum Krieg oder dem Krieg ähnlichen Mitteln zu greifen, ließen sich, dessen bin ich überzeugt, Wege finden, jener Ungebühr ein Ziel zu setzen. Remonstrationen haben nichts gefruchtet, so schreite der edle Viscount – möge er nicht vor dem Wort erschrecken! – zu Repressalien, d. h. Repressalien nicht im feindseligen Sinne des Worts, sondern solchen, gegen die Frankreich nichts einwenden könne. Man behandle den französischen Verkehr mit unsern Niederlassungen am Gambia nur auf gleichem Fuß, wie die Franzosen unsern Handel mit dem Senegal. Wie wird es jetzt in jener Weltgegend gehalten? Jeder Vortheil, den die freisinnigste Handelspolitik nur gestatten kann, ist von uns dem französischen Kaufmann am Gambia eingeräumt. Unser Hafen St. Mary ist den Franzosen offen, während hingegen ihrem Hafen St. Louis kein englisches Handelsfahrzeug nahen darf, und in der kleinen Insel Goree, welche ursprünglich die Privilegien eines Freihafens genießen sollte, wird das französische System gegen den brittischen Handel mit der äußersten Strenge durchgeführt.“ Lord Strangford erörterte dann weiter, wie das Benehmen der französischen Behörden in Westafrika ganz auf eine Begünstigung des Sklavenhandels abzuzwecken scheine, bemerkte jedoch, er wolle diesen Punkt seinem jetzt auf dem Continent abwesenden edlen und gelehrten Freund (Brougham) überlassen, der versichert habe, er werde nicht 24 Stunden wieder in England seyn, ohne Ihrer Maj. Minister darüber zur Rechenschaft zu ziehen. Nachdem er noch auf die Blokade von Buenos-Ayres und die verdächtigen Schritte der Franzosen in Montevideo hingedeutet, schloß er mit dem Antrag auf Vorlegung aller Depeschen, welche die Regierung vom Gouvernement in Gambia in Bezug auf den westafrikanischen Handel u. s. w. in neuerer Zeit erhalten habe.
Lord Melbourne räumte die Wichtigkeit der angeregten Gegenstände ein, rügte aber den sarkastischen Ton, womit der edle Lord gegenüber eine befreundete Macht in seiner Rede behandelt habe, welche Rede jedoch durch die Beimischung von antiken Cameen, griechischen Epigrammen und allerlei Allegorien ziemlich harmlos gemacht sey. Die Schilderungen der durch die Franzosen erlittenen Handelsstörungen in der Petition sowohl, wie in der sie begleitenden Rede findet der Minister übertrieben und für Parteizwecke ausgeschmückt, das Petitum aber, die westafrikanischen Besitzungen eventuell ganz aufzugeben, widersinnig. Melbourne gibt zu verstehen, die Petition, welche der edle Lord mit solcher Salbung abgelesen habe, möge, da der Styl derselben dem der Rede so ähnlich sey, wohl von dem edlen Lord selbst den Bittstellern in die Feder dictirt worden seyn. Was nun den früheren Uebergriff französischer Behörden gegen zwei englische Fahrzeuge in Portendic betreffe, so habe das Cabinet der Tuilerien eingewilligt, die Ausgleichung dieser Sache einer gemischten Commission zu überweisen, und diese würde schon früher in Paris zusammengetreten seyn, wenn nicht in der Ernennung der brittischen Commissarien eine Verzögerung eingetreten wäre. Jetzt da die Sitzung derselben beginnen solle, sey es ganz unpassend, die Vorlegung der auf diese Sache bezüglichen Papiere zu verlangen. Was dann den zweiten Beschwerdepunkt wegen des Vorgangs auf dem Casamanza betrifft, so erklärte der Minister darüber Folgendes: „Dieser im Innern von Afrika entspringende Fluß strömt dem Gambia parallel, aber südlich von diesem, ins Meer. Portugal ist in dem Nominalbesitz des Flußgebietes, weil es an der Mündung desselben eine kleine Ansiedlung hat, doch konnte es seinem Besitztitel nie Geltung verschaffen. Eine gewisse Strecke von der Mündung des Stromes aufwärts haben die Franzosen den Eingebornen ein Stück Land abgekauft, und dort, neben einem Dorfe, genannt Sidjou oder Sessue, eine Factorei angelegt. Im August v. J. lief der englische Handelsschooner Grant in den Fluß ein, um mit den Eingebornen Verkehr zu treiben, trotz der Warnung der Franzosen, es nicht zu thun. Das Schiff beendigte seine Fracht, und als es wieder den Fluß hinabfuhr, begegnete es dem derselben englischen Firma gehörigen Highlander, mit dem es zur Ueberschiffung der Ladung nach Sessue zurückkehrte. Jetzt wurden die Schiffe von den Franzosen mit Beschlag belegt, die Mannschaft aber entlassen. Diese führte Beschwerde bei dem Gouverneur von Gambia, welcher sich mit dem Gouverneur vom Senegal darüber in Communication setzte. Letzterer antwortete, er spreche kein ausschließliches Handelsrecht im Casamanzafluß an, wohl aber in Sessue, weil dieß eine französische Factorei sey; er bat zugleich den brittischen Gouverneur, Schiffe seiner Nation von dem Handel mit Sessue abzuhalten. Der brittische Statthalter ging darauf nicht ein, sondern schickte einen Beamten nach Sessue, um über die dortigen Verhältnisse Erkundigung einzuziehen. Die Eingebornen erklärten, sie hätten den Franzosen allerdings eine Factorei, nicht aber den Ort Sessue verkauft. Hiernach scheint die Behauptung der Franzosen, sie dürften jede andere Nation von dem Handel mit Sessue ausschließen, allerdings eine Anmaßung zu seyn. Der letzte Bericht des Gouverneurs von Gambia über die Sache lief erst am 20 Febr. beim Colonialamt ein. Das Nächste, was die Regierung darauf zu thun hatte, war, den Fall an die Gesetzesbeamten der Krone zu verweisen, um sofort Remonstrationen an das französische Cabinet zu richten. Das Resultat dieser Schritte möchte vor Allem abzuwarten seyn.“ Nach einiger weitern Discussion nahm Lord Strangford auf den Rath Lord Aberdeens, der übrigens in dessen Beschwerden gegen Frankreich mit einstimmte, seine Motion zurück, um vorerst die Ergebnisse der Commissionsentscheidung und der weitern Maaßregeln der Regierung abzuwarten.
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