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Allgemeine Zeitung. Nr. 76. Augsburg, 16. März 1840.

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seinen Namen mit auf den Titel des "Musenalmanachs." In einem Lande, wo das Leben im voraus geregelt ist, wo die systematische Wiederkehr der nämlichen materiellen und intellectuellen Freuden als ein Glück mehr betrachtet wird, gehört die Erscheinung dieser Büchlein, die unter ihrem Mohrfutteral erstaunliche Ansprüche auf Eleganz verbergen, mit zu den naiv ersehnten Weihnachtsfreuden großer Kinder, deren (der Weihnachtsfreuden nämlich) unsere unruhige und bewegliche Existenz uns enterbt hat. Deutschland würde wohl ebenso erstaunt - fast hätt' ich gesagt, ebenso betrübt seyn, einen Winter ohne Taschenbücher, als einen Frühling ohne Sonnenschein oder einen Herbst ohne Früchtesegen zu erleben. Die Mehrzahl dieser Sammlungen enthält nur Verse und Novellen. Andere sind eigens Notizen über Kunst, Theater, Geschichte gewidmet. Jeder Leser wählt sich seinen Almanach wie wir unser politisches Journal, und es gibt Familien, die ihre Taschenbücher mit einer Pietät aufbewahren wie die Erinnerungen der Jahre, die nicht mehr sind."

(Beschluß folgt.)

Der Graf von Madeira. *)*)

Abermals ist ein Kämpe abgetreten vom großen Schauplatz des Kampfes in beiden Reichen der iberischen Halbinsel, in denen sein Name berühmt geworden. Der Graf von Madeira war einer der ersten Generale der Könige Karl und Miguel; der Titel, den sein heldenmüthiger Widerstand geschaffen, erlöscht mit seinem Tode; keiner wird ihn nach ihm tragen, den hingeschiedenen Heroen gleich, die ihre Rüstung zurücklassen, jedem Erben zu groß und zu schwer. Nur jenen Namen, den ihm seine Geburt verliehen, altberühmt in den Annalen Lusitaniens, gibt er den Seinen wieder, in neuem Glanze strahlend. Dom Alvaro da Costa Souza y Albuquerque, war einem der größten Geschlechter Portugals entsprossen, wie es die Vereinigung dreier welthistorischen Namen wohl genugsam andeutet. Als zweiter Sohn von Jugend auf den Waffen bestimmt, schickte ihn sein Vater, der Graf von Misquitil, im 14ten Lebensjahre zur Armee, als ganz Europa in Flammen stand. - Es liegt außer dem Zwecke dieser wenigen Worte - einem verblichenen Freunde und Kriegsgefährten des Verfassers geweiht - durch den ganzen Peninsularkrieg, in der Schlacht von den Arapilen, an den Linien von Torres Vedras, bei Albuhera, und an so vielen ewig denkwürdigen Tagen ihm nachzufolgen, an denen allen er Theil genommen, in deren meisten er sich ausgezeichnet hat, so daß er an der Seite des Marschall Beresford oft ruhmvoll genannt wurde. Als Johann VI aus Brasilien zurückkam, war Dom Alvaro Oberst. Später diente er mit Auszeichnung im portugiesischen Amerika und in seinem 26sten Jahre stand er als commandirender General an der Spitze der Provinz Montevideo. Als alle seine Collegen, dem Aufruf Dom Pedro's folgend, dem Sohne halfen die Krone des Vaters rauben, war er der einzige, der fest blieb in unerschütterlicher Treue für seinen Herrn und König. Alle Versuche und Lockungen scheiterten an ihm; Dom Alvaro da Costa verstand es nie, mit seinen Eiden zu spielen und mit seiner Ehre zu feilschen. Als die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal anerkannt wurde, verließ er Amerika von wenigen Officieren begleitet, eine bescheidene Stellung in seinem Vaterlande den glänzendsten Anerbietungen des Usurpators vorziehend, den selbst die Anerkennung aller Mächte zum rechtmäßigen Monarchen für ihn nicht umstempeln konnte. Er ward zum Gouverneur von Setubal und später zum Generalcapitän der Provinz Tras-os-Montes ernannt. In letzterem Amte fand ihn Dom Miguel, als er den Thron seiner Väter bestieg; er vertraute ihm die Inseln Madeira und Puerto Santo an, wichtige Punkte im Ocean, einer vorgerückten Feldwache gleich. Bisher nur Soldat, sollte Dom Alvaro da Costa nun auch Administrator werden. Durch jahrelange Vernachlässigung war die so reiche Insel Madeira in jeder Beziehung herabgekommen; die Einwohner lebten im drückendsten Elend; die Einkünfte deckten die Kosten der Verwaltung nicht mehr; wenn eine Galione vom Mutterstaate ausblieb, gerieth Alles in Stocken; die Fortificationen der Landungsplätze sicherten die Insel vor feindlichen Ueberfällen nicht mehr; das Castell von Funchal war eine Ruine. Der unermüdeten Anstrengung des neuen Generalcapitäns gelang es in zwei Jahren diesem blühenden Eiland seinen alten Flor wieder zu geben. Die kleine Hauptstadt hob sich aus den Trümmern, und wenn gleich der sichere Blick Dom Alvaro's finstere Wolken am politischen Horizonte seines Vaterlandes sich aufthürmen sah, so konnte er doch mit Sicherheit nicht wissen, daß mit jedem Stein an den Bollwerken Funchal's er am Gebäude seines bleibenden Ruhmes baue. Terceira war übergegangen, Oporto längst vom Feinde besetzt; da schrieb er seinem Könige: "ich halte die mir anvertraute Insel, bis wilde Pferde und Steinböcke ihre einzigen Bewohner seyn werden." Die Antwort Dom Miguels war die Ernennung zum Grafen von Madeira. Das Inselreich des Königs ward die Grafschaft des Vasallen und der Herr wie der Diener wußten, daß jeder gute Ritter sich unter den Trümmern der Burg begraben läßt, deren Namen er führt. Durch 64 Tage kreuzten die vereinigten englisch-pedristischen Geschwader vor der Insel Madeira. Funchal ward bombardirt, Puerto Santo occupirt; der Graf von Madeira stand fest. Da kam die Nachricht von der Convention zu Evora Monte. Dom Miguel hatte Land und Krone aufgegeben. Einem Emissäre des Grafen von Madeira war es wenige Tage zuvor gelungen, sich auf einem kleinen Nachen zwischen den blokirenden Kriegsschiffen durchzuschleichen; er brachte einen Brief an den König mit der Bitte des Grafen, wenn Alles zusammenbräche, nach Madeira zu kommen; der Felsenboden der Insel würde so wenig wanken, als die Treue des kleinen Häufleins, das ihn dort erwarte. Der Emissär landete in einer Bucht Algarbiens am Tage nach dem Abschluß der Convention von Evora Monte. Es war zu spät. Das große Drama hatte ausgespielt, ein klägliches Ende genommen. - Ein eigenhändiger Brief seines Königs gebot dem Grafen von Madeira sein Gouvernement abzugeben. Er that es mit allen Kriegsehren, gewiß mit blutendem Herzen, doch mit aller Würde bis zum letzten Augenblick. Die Uebergabsacte unterschrieb er: "auf Befehl meines Königs - der Graf v. Madeira." Als die pedristischen Autoritäten dieß nicht annehmen wollten, antwortete er kurz: "Nun, so werde ich gar nicht übergeben." Von Funchal eilte der Graf v. Madeira nach Genua, seinen König aufzusuchen. Zu spät sah Dom Miguel ein, daß er seinen besten General in secundärer Sphäre großartige Gaben nutzlos hatte entfalten lassen, und beweint wohl noch jetzt die namenlose Blindheit, die ihn bei fremden Nationen den Feldherrn suchen ließ, den er mitten in seinem Heere, aus der Blüthe seines Adels hätte wählen sollen - der König von Portugal den Portugiesen, nicht den Schotten oder Franzosen.

Mit dem Grafen v. Madeira ist alle Hoffnung einer royalistischen Reaction in Portugal zu Grabe gegangen. Er war der Einzige; nun ist Keiner mehr. - Als in seinem Vaterlande nichts mehr zu thun, wandte er sich nach Spanien, dem Schwesterreich der Hesperiden, wo für ein gleiches Recht

*) Von einem Generalofficier in Don Carlos' Diensten.

seinen Namen mit auf den Titel des „Musenalmanachs.“ In einem Lande, wo das Leben im voraus geregelt ist, wo die systematische Wiederkehr der nämlichen materiellen und intellectuellen Freuden als ein Glück mehr betrachtet wird, gehört die Erscheinung dieser Büchlein, die unter ihrem Mohrfutteral erstaunliche Ansprüche auf Eleganz verbergen, mit zu den naiv ersehnten Weihnachtsfreuden großer Kinder, deren (der Weihnachtsfreuden nämlich) unsere unruhige und bewegliche Existenz uns enterbt hat. Deutschland würde wohl ebenso erstaunt – fast hätt' ich gesagt, ebenso betrübt seyn, einen Winter ohne Taschenbücher, als einen Frühling ohne Sonnenschein oder einen Herbst ohne Früchtesegen zu erleben. Die Mehrzahl dieser Sammlungen enthält nur Verse und Novellen. Andere sind eigens Notizen über Kunst, Theater, Geschichte gewidmet. Jeder Leser wählt sich seinen Almanach wie wir unser politisches Journal, und es gibt Familien, die ihre Taschenbücher mit einer Pietät aufbewahren wie die Erinnerungen der Jahre, die nicht mehr sind.“

(Beschluß folgt.)

Der Graf von Madeira. *)*)

Abermals ist ein Kämpe abgetreten vom großen Schauplatz des Kampfes in beiden Reichen der iberischen Halbinsel, in denen sein Name berühmt geworden. Der Graf von Madeira war einer der ersten Generale der Könige Karl und Miguel; der Titel, den sein heldenmüthiger Widerstand geschaffen, erlöscht mit seinem Tode; keiner wird ihn nach ihm tragen, den hingeschiedenen Heroen gleich, die ihre Rüstung zurücklassen, jedem Erben zu groß und zu schwer. Nur jenen Namen, den ihm seine Geburt verliehen, altberühmt in den Annalen Lusitaniens, gibt er den Seinen wieder, in neuem Glanze strahlend. Dom Alvaro da Costa Souza y Albuquerque, war einem der größten Geschlechter Portugals entsprossen, wie es die Vereinigung dreier welthistorischen Namen wohl genugsam andeutet. Als zweiter Sohn von Jugend auf den Waffen bestimmt, schickte ihn sein Vater, der Graf von Misquitil, im 14ten Lebensjahre zur Armee, als ganz Europa in Flammen stand. – Es liegt außer dem Zwecke dieser wenigen Worte – einem verblichenen Freunde und Kriegsgefährten des Verfassers geweiht – durch den ganzen Peninsularkrieg, in der Schlacht von den Arapilen, an den Linien von Torres Vedras, bei Albuhera, und an so vielen ewig denkwürdigen Tagen ihm nachzufolgen, an denen allen er Theil genommen, in deren meisten er sich ausgezeichnet hat, so daß er an der Seite des Marschall Beresford oft ruhmvoll genannt wurde. Als Johann VI aus Brasilien zurückkam, war Dom Alvaro Oberst. Später diente er mit Auszeichnung im portugiesischen Amerika und in seinem 26sten Jahre stand er als commandirender General an der Spitze der Provinz Montevideo. Als alle seine Collegen, dem Aufruf Dom Pedro's folgend, dem Sohne halfen die Krone des Vaters rauben, war er der einzige, der fest blieb in unerschütterlicher Treue für seinen Herrn und König. Alle Versuche und Lockungen scheiterten an ihm; Dom Alvaro da Costa verstand es nie, mit seinen Eiden zu spielen und mit seiner Ehre zu feilschen. Als die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal anerkannt wurde, verließ er Amerika von wenigen Officieren begleitet, eine bescheidene Stellung in seinem Vaterlande den glänzendsten Anerbietungen des Usurpators vorziehend, den selbst die Anerkennung aller Mächte zum rechtmäßigen Monarchen für ihn nicht umstempeln konnte. Er ward zum Gouverneur von Setubal und später zum Generalcapitän der Provinz Tras-os-Montes ernannt. In letzterem Amte fand ihn Dom Miguel, als er den Thron seiner Väter bestieg; er vertraute ihm die Inseln Madeira und Puerto Santo an, wichtige Punkte im Ocean, einer vorgerückten Feldwache gleich. Bisher nur Soldat, sollte Dom Alvaro da Costa nun auch Administrator werden. Durch jahrelange Vernachlässigung war die so reiche Insel Madeira in jeder Beziehung herabgekommen; die Einwohner lebten im drückendsten Elend; die Einkünfte deckten die Kosten der Verwaltung nicht mehr; wenn eine Galione vom Mutterstaate ausblieb, gerieth Alles in Stocken; die Fortificationen der Landungsplätze sicherten die Insel vor feindlichen Ueberfällen nicht mehr; das Castell von Funchal war eine Ruine. Der unermüdeten Anstrengung des neuen Generalcapitäns gelang es in zwei Jahren diesem blühenden Eiland seinen alten Flor wieder zu geben. Die kleine Hauptstadt hob sich aus den Trümmern, und wenn gleich der sichere Blick Dom Alvaro's finstere Wolken am politischen Horizonte seines Vaterlandes sich aufthürmen sah, so konnte er doch mit Sicherheit nicht wissen, daß mit jedem Stein an den Bollwerken Funchal's er am Gebäude seines bleibenden Ruhmes baue. Terceira war übergegangen, Oporto längst vom Feinde besetzt; da schrieb er seinem Könige: „ich halte die mir anvertraute Insel, bis wilde Pferde und Steinböcke ihre einzigen Bewohner seyn werden.“ Die Antwort Dom Miguels war die Ernennung zum Grafen von Madeira. Das Inselreich des Königs ward die Grafschaft des Vasallen und der Herr wie der Diener wußten, daß jeder gute Ritter sich unter den Trümmern der Burg begraben läßt, deren Namen er führt. Durch 64 Tage kreuzten die vereinigten englisch-pedristischen Geschwader vor der Insel Madeira. Funchal ward bombardirt, Puerto Santo occupirt; der Graf von Madeira stand fest. Da kam die Nachricht von der Convention zu Evora Monte. Dom Miguel hatte Land und Krone aufgegeben. Einem Emissäre des Grafen von Madeira war es wenige Tage zuvor gelungen, sich auf einem kleinen Nachen zwischen den blokirenden Kriegsschiffen durchzuschleichen; er brachte einen Brief an den König mit der Bitte des Grafen, wenn Alles zusammenbräche, nach Madeira zu kommen; der Felsenboden der Insel würde so wenig wanken, als die Treue des kleinen Häufleins, das ihn dort erwarte. Der Emissär landete in einer Bucht Algarbiens am Tage nach dem Abschluß der Convention von Evora Monte. Es war zu spät. Das große Drama hatte ausgespielt, ein klägliches Ende genommen. – Ein eigenhändiger Brief seines Königs gebot dem Grafen von Madeira sein Gouvernement abzugeben. Er that es mit allen Kriegsehren, gewiß mit blutendem Herzen, doch mit aller Würde bis zum letzten Augenblick. Die Uebergabsacte unterschrieb er: „auf Befehl meines Königs – der Graf v. Madeira.“ Als die pedristischen Autoritäten dieß nicht annehmen wollten, antwortete er kurz: „Nun, so werde ich gar nicht übergeben.“ Von Funchal eilte der Graf v. Madeira nach Genua, seinen König aufzusuchen. Zu spät sah Dom Miguel ein, daß er seinen besten General in secundärer Sphäre großartige Gaben nutzlos hatte entfalten lassen, und beweint wohl noch jetzt die namenlose Blindheit, die ihn bei fremden Nationen den Feldherrn suchen ließ, den er mitten in seinem Heere, aus der Blüthe seines Adels hätte wählen sollen – der König von Portugal den Portugiesen, nicht den Schotten oder Franzosen.

Mit dem Grafen v. Madeira ist alle Hoffnung einer royalistischen Reaction in Portugal zu Grabe gegangen. Er war der Einzige; nun ist Keiner mehr. – Als in seinem Vaterlande nichts mehr zu thun, wandte er sich nach Spanien, dem Schwesterreich der Hesperiden, wo für ein gleiches Recht

*) Von einem Generalofficier in Don Carlos' Diensten.
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Als zweiter Sohn von Jugend auf den Waffen bestimmt, schickte ihn sein Vater, der Graf von Misquitil, im 14ten Lebensjahre zur Armee, als ganz Europa in Flammen stand. &#x2013; Es liegt außer dem Zwecke dieser wenigen Worte &#x2013; einem verblichenen Freunde und Kriegsgefährten des Verfassers geweiht &#x2013; durch den ganzen Peninsularkrieg, in der Schlacht von den Arapilen, an den Linien von Torres Vedras, bei Albuhera, und an so vielen ewig denkwürdigen Tagen ihm nachzufolgen, an denen allen er Theil genommen, in deren meisten er sich ausgezeichnet hat, so daß er an der Seite des Marschall Beresford oft ruhmvoll genannt wurde. Als Johann VI aus Brasilien zurückkam, war Dom Alvaro Oberst. Später diente er mit Auszeichnung im portugiesischen Amerika und in seinem 26sten Jahre stand er als commandirender General an der Spitze der Provinz Montevideo. Als alle seine Collegen, dem Aufruf Dom Pedro's folgend, dem Sohne halfen die Krone des Vaters rauben, war er der einzige, der fest blieb in unerschütterlicher Treue für seinen Herrn und König. Alle Versuche und Lockungen scheiterten an ihm; Dom Alvaro da Costa verstand es nie, mit seinen Eiden zu spielen und mit seiner Ehre zu feilschen. Als die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal anerkannt wurde, verließ er Amerika von wenigen Officieren begleitet, eine bescheidene Stellung in seinem Vaterlande den glänzendsten Anerbietungen des Usurpators vorziehend, den selbst die Anerkennung aller Mächte zum rechtmäßigen Monarchen für ihn nicht umstempeln konnte. Er ward zum Gouverneur von Setubal und später zum Generalcapitän der Provinz Tras-os-Montes ernannt. In letzterem Amte fand ihn Dom Miguel, als er den Thron seiner Väter bestieg; er vertraute ihm die Inseln Madeira und Puerto Santo an, wichtige Punkte im Ocean, einer vorgerückten Feldwache gleich. Bisher nur Soldat, sollte Dom Alvaro da Costa nun auch Administrator werden. Durch jahrelange Vernachlässigung war die so reiche Insel Madeira in jeder Beziehung herabgekommen; die Einwohner lebten im drückendsten Elend; die Einkünfte deckten die Kosten der Verwaltung nicht mehr; wenn eine Galione vom Mutterstaate ausblieb, gerieth Alles in Stocken; die Fortificationen der Landungsplätze sicherten die Insel vor feindlichen Ueberfällen nicht mehr; das Castell von Funchal war eine Ruine. Der unermüdeten Anstrengung des neuen Generalcapitäns gelang es in zwei Jahren diesem blühenden Eiland seinen alten Flor wieder zu geben. Die kleine Hauptstadt hob sich aus den Trümmern, und wenn gleich der sichere Blick Dom Alvaro's finstere Wolken am politischen Horizonte seines Vaterlandes sich aufthürmen sah, so konnte er doch mit Sicherheit nicht wissen, daß mit jedem Stein an den Bollwerken Funchal's er am Gebäude seines bleibenden Ruhmes baue. Terceira war übergegangen, Oporto längst vom Feinde besetzt; da schrieb er seinem Könige: &#x201E;ich halte die mir anvertraute Insel, bis wilde Pferde und Steinböcke ihre einzigen Bewohner seyn werden.&#x201C; Die Antwort Dom Miguels war die Ernennung zum Grafen von Madeira. Das Inselreich des Königs ward die Grafschaft des Vasallen und der Herr wie der Diener wußten, daß jeder gute Ritter sich unter den Trümmern der Burg begraben läßt, deren Namen er führt. Durch 64 Tage kreuzten die vereinigten englisch-pedristischen Geschwader vor der Insel Madeira. Funchal ward bombardirt, Puerto Santo occupirt; der Graf von Madeira stand fest. Da kam die Nachricht von der Convention zu Evora Monte. Dom Miguel hatte Land und Krone aufgegeben. Einem Emissäre des Grafen von Madeira war es wenige Tage zuvor gelungen, sich auf einem kleinen Nachen zwischen den blokirenden Kriegsschiffen durchzuschleichen; er brachte einen Brief an den König mit der Bitte des Grafen, wenn Alles zusammenbräche, nach Madeira zu kommen; der Felsenboden der Insel würde so wenig wanken, als die Treue des kleinen Häufleins, das ihn dort erwarte. Der Emissär landete in einer Bucht Algarbiens am Tage <hi rendition="#g">nach</hi> dem Abschluß der Convention von Evora Monte. Es war zu spät. Das große Drama hatte ausgespielt, ein klägliches Ende genommen. &#x2013; Ein eigenhändiger Brief seines Königs gebot dem Grafen von Madeira sein Gouvernement abzugeben. Er that es mit allen Kriegsehren, gewiß mit blutendem Herzen, doch mit aller Würde bis zum letzten Augenblick. Die Uebergabsacte unterschrieb er: &#x201E;auf Befehl meines Königs &#x2013; der Graf v. Madeira.&#x201C; Als die pedristischen Autoritäten dieß nicht annehmen wollten, antwortete er kurz: &#x201E;Nun, so werde ich gar nicht übergeben.&#x201C; Von Funchal eilte der Graf v. Madeira nach Genua, seinen König aufzusuchen. Zu spät sah Dom Miguel ein, daß er seinen besten General in secundärer Sphäre großartige Gaben nutzlos hatte entfalten lassen, und beweint wohl noch jetzt die namenlose Blindheit, die ihn bei fremden Nationen den Feldherrn suchen ließ, den er mitten in seinem Heere, aus der Blüthe seines Adels hätte wählen sollen &#x2013; der König von Portugal den Portugiesen, nicht den Schotten oder Franzosen.</p><lb/>
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[0603/0011] seinen Namen mit auf den Titel des „Musenalmanachs.“ In einem Lande, wo das Leben im voraus geregelt ist, wo die systematische Wiederkehr der nämlichen materiellen und intellectuellen Freuden als ein Glück mehr betrachtet wird, gehört die Erscheinung dieser Büchlein, die unter ihrem Mohrfutteral erstaunliche Ansprüche auf Eleganz verbergen, mit zu den naiv ersehnten Weihnachtsfreuden großer Kinder, deren (der Weihnachtsfreuden nämlich) unsere unruhige und bewegliche Existenz uns enterbt hat. Deutschland würde wohl ebenso erstaunt – fast hätt' ich gesagt, ebenso betrübt seyn, einen Winter ohne Taschenbücher, als einen Frühling ohne Sonnenschein oder einen Herbst ohne Früchtesegen zu erleben. Die Mehrzahl dieser Sammlungen enthält nur Verse und Novellen. Andere sind eigens Notizen über Kunst, Theater, Geschichte gewidmet. Jeder Leser wählt sich seinen Almanach wie wir unser politisches Journal, und es gibt Familien, die ihre Taschenbücher mit einer Pietät aufbewahren wie die Erinnerungen der Jahre, die nicht mehr sind.“ (Beschluß folgt.) Der Graf von Madeira. *) *) Abermals ist ein Kämpe abgetreten vom großen Schauplatz des Kampfes in beiden Reichen der iberischen Halbinsel, in denen sein Name berühmt geworden. Der Graf von Madeira war einer der ersten Generale der Könige Karl und Miguel; der Titel, den sein heldenmüthiger Widerstand geschaffen, erlöscht mit seinem Tode; keiner wird ihn nach ihm tragen, den hingeschiedenen Heroen gleich, die ihre Rüstung zurücklassen, jedem Erben zu groß und zu schwer. Nur jenen Namen, den ihm seine Geburt verliehen, altberühmt in den Annalen Lusitaniens, gibt er den Seinen wieder, in neuem Glanze strahlend. Dom Alvaro da Costa Souza y Albuquerque, war einem der größten Geschlechter Portugals entsprossen, wie es die Vereinigung dreier welthistorischen Namen wohl genugsam andeutet. Als zweiter Sohn von Jugend auf den Waffen bestimmt, schickte ihn sein Vater, der Graf von Misquitil, im 14ten Lebensjahre zur Armee, als ganz Europa in Flammen stand. – Es liegt außer dem Zwecke dieser wenigen Worte – einem verblichenen Freunde und Kriegsgefährten des Verfassers geweiht – durch den ganzen Peninsularkrieg, in der Schlacht von den Arapilen, an den Linien von Torres Vedras, bei Albuhera, und an so vielen ewig denkwürdigen Tagen ihm nachzufolgen, an denen allen er Theil genommen, in deren meisten er sich ausgezeichnet hat, so daß er an der Seite des Marschall Beresford oft ruhmvoll genannt wurde. Als Johann VI aus Brasilien zurückkam, war Dom Alvaro Oberst. Später diente er mit Auszeichnung im portugiesischen Amerika und in seinem 26sten Jahre stand er als commandirender General an der Spitze der Provinz Montevideo. Als alle seine Collegen, dem Aufruf Dom Pedro's folgend, dem Sohne halfen die Krone des Vaters rauben, war er der einzige, der fest blieb in unerschütterlicher Treue für seinen Herrn und König. Alle Versuche und Lockungen scheiterten an ihm; Dom Alvaro da Costa verstand es nie, mit seinen Eiden zu spielen und mit seiner Ehre zu feilschen. Als die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal anerkannt wurde, verließ er Amerika von wenigen Officieren begleitet, eine bescheidene Stellung in seinem Vaterlande den glänzendsten Anerbietungen des Usurpators vorziehend, den selbst die Anerkennung aller Mächte zum rechtmäßigen Monarchen für ihn nicht umstempeln konnte. Er ward zum Gouverneur von Setubal und später zum Generalcapitän der Provinz Tras-os-Montes ernannt. In letzterem Amte fand ihn Dom Miguel, als er den Thron seiner Väter bestieg; er vertraute ihm die Inseln Madeira und Puerto Santo an, wichtige Punkte im Ocean, einer vorgerückten Feldwache gleich. Bisher nur Soldat, sollte Dom Alvaro da Costa nun auch Administrator werden. Durch jahrelange Vernachlässigung war die so reiche Insel Madeira in jeder Beziehung herabgekommen; die Einwohner lebten im drückendsten Elend; die Einkünfte deckten die Kosten der Verwaltung nicht mehr; wenn eine Galione vom Mutterstaate ausblieb, gerieth Alles in Stocken; die Fortificationen der Landungsplätze sicherten die Insel vor feindlichen Ueberfällen nicht mehr; das Castell von Funchal war eine Ruine. Der unermüdeten Anstrengung des neuen Generalcapitäns gelang es in zwei Jahren diesem blühenden Eiland seinen alten Flor wieder zu geben. Die kleine Hauptstadt hob sich aus den Trümmern, und wenn gleich der sichere Blick Dom Alvaro's finstere Wolken am politischen Horizonte seines Vaterlandes sich aufthürmen sah, so konnte er doch mit Sicherheit nicht wissen, daß mit jedem Stein an den Bollwerken Funchal's er am Gebäude seines bleibenden Ruhmes baue. Terceira war übergegangen, Oporto längst vom Feinde besetzt; da schrieb er seinem Könige: „ich halte die mir anvertraute Insel, bis wilde Pferde und Steinböcke ihre einzigen Bewohner seyn werden.“ Die Antwort Dom Miguels war die Ernennung zum Grafen von Madeira. Das Inselreich des Königs ward die Grafschaft des Vasallen und der Herr wie der Diener wußten, daß jeder gute Ritter sich unter den Trümmern der Burg begraben läßt, deren Namen er führt. Durch 64 Tage kreuzten die vereinigten englisch-pedristischen Geschwader vor der Insel Madeira. Funchal ward bombardirt, Puerto Santo occupirt; der Graf von Madeira stand fest. Da kam die Nachricht von der Convention zu Evora Monte. Dom Miguel hatte Land und Krone aufgegeben. Einem Emissäre des Grafen von Madeira war es wenige Tage zuvor gelungen, sich auf einem kleinen Nachen zwischen den blokirenden Kriegsschiffen durchzuschleichen; er brachte einen Brief an den König mit der Bitte des Grafen, wenn Alles zusammenbräche, nach Madeira zu kommen; der Felsenboden der Insel würde so wenig wanken, als die Treue des kleinen Häufleins, das ihn dort erwarte. Der Emissär landete in einer Bucht Algarbiens am Tage nach dem Abschluß der Convention von Evora Monte. Es war zu spät. Das große Drama hatte ausgespielt, ein klägliches Ende genommen. – Ein eigenhändiger Brief seines Königs gebot dem Grafen von Madeira sein Gouvernement abzugeben. Er that es mit allen Kriegsehren, gewiß mit blutendem Herzen, doch mit aller Würde bis zum letzten Augenblick. Die Uebergabsacte unterschrieb er: „auf Befehl meines Königs – der Graf v. Madeira.“ Als die pedristischen Autoritäten dieß nicht annehmen wollten, antwortete er kurz: „Nun, so werde ich gar nicht übergeben.“ Von Funchal eilte der Graf v. Madeira nach Genua, seinen König aufzusuchen. Zu spät sah Dom Miguel ein, daß er seinen besten General in secundärer Sphäre großartige Gaben nutzlos hatte entfalten lassen, und beweint wohl noch jetzt die namenlose Blindheit, die ihn bei fremden Nationen den Feldherrn suchen ließ, den er mitten in seinem Heere, aus der Blüthe seines Adels hätte wählen sollen – der König von Portugal den Portugiesen, nicht den Schotten oder Franzosen. Mit dem Grafen v. Madeira ist alle Hoffnung einer royalistischen Reaction in Portugal zu Grabe gegangen. Er war der Einzige; nun ist Keiner mehr. – Als in seinem Vaterlande nichts mehr zu thun, wandte er sich nach Spanien, dem Schwesterreich der Hesperiden, wo für ein gleiches Recht *) Von einem Generalofficier in Don Carlos' Diensten.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 76. Augsburg, 16. März 1840, S. 0603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_076_18400316/11>, abgerufen am 04.05.2024.