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Allgemeine Zeitung. Nr. 93. Augsburg, 2. April 1840.

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Ministeriums Mole; und nur die Anhänger dieses letzteren blieben ihm feindlich gegenüber. - Die gestrige Abstimmung gibt das erste Beispiel seit 1830, daß das Ministerium das Centrum der Kammer gegen sich hatte, und dagegen von allen übrigen Fractionen unterstützt war: man kann daher auch in der Wirklichkeit sagen, daß die öffentliche Gewalt jetzt in eine andere Abtheilung der Kammer übergegangen ist (le pouvoir cst deplace). Man fährt fort, allgemein zu glauben, daß der Rest der 221 nur vermöge der Impulsion einer hohen Person gehandelt habe, welche letztere mit der erfolgten Abstimmung nichts weniger als zufrieden sey und den Rücktritt des kaum gebildeten Cabinets nicht ungern gesehen hätte. Ob übrigens Hr. Thiers die mancherlei Versprechungen halten wird, die er im Laufe der Debatten gemacht hat, ist eine große Frage: es wird ihm, selbst beim besten Willen, unmöglich seyn, im steten Einklang mit der Linken zu regieren und deren Wünsche zu erfüllen, denn er würde sich dann zu oft mit einer hohen Person im Widerspruch finden. Von seiner Gewandtheit läßt sich erwarten, daß er es dahin bringe, einen Theil der 160 für sich zu gewinnen; und dann benutzt er diese zur Durchsetzung derjenigen Maaßregeln, womit die Linke nicht einverstanden ist. - Die Rede des Hrn. Garnier-Pages hat denselben in den Augen vieler Deputirten der dynastischen Linken höher als Hrn. Odilon-Barrot gestellt, dessen Rede etwas zu nachgiebig gegen das Ministerium war. Bekommt Hr. Barrot noch ein paar solcher Stöße, so möchte er leicht seine Stellung als Chef der dynastischen Linken abtreten müssen. - Seit ein paar Tagen sprechen die hiesigen Blätter wieder viel von Hrn. v. Brunnow, und erwähnen einer angeblichen Unterredung zwischen Hrn. Guizot und Lord Palmerston, worin ersterer mit einiger Heftigkeit in Betreff der orientalischen Frage aufgetreten sey. Dieß ist wieder eine von den gewöhnlichen Fabeln, womit die hiesigen Blätter so oft ihre Leser erfreuen, wenn sie vom Auslande sprechen; ich weiß aus guter Quelle, daß Hr. Guizot bis jetzt keine politische Conferenz mit Lord Palmerston gehabt hat.

Die Rente, alle Actien, besonders die der Eisenbahnen, sind gestern ungemein gestiegen, in Folge der Verhandlungen über die geheimen Fonds, und auch die Resultate der heutigen Börse zeigen ein steigendes Vertrauen in die Dauer und die Popularität des neuen Ministeriums. Der Geist des Fortschritts und der Verbesserung (o Wunder!) ist sogar, wie man behauptet, in das Centrum gefahren. Die Conservativen wollen nun selbst die Initiative ihrer eigenen Purification ergreifen, und darauf antragen, daß die Bekleidung eines Staatsamtes als unverträglich mit der Stelle eines Deputirten erklärt werden soll. Daß ein solcher Antrag demnächst und zwar in wenigen Tagen von der Linken ausgehen soll, habe ich früher schon gewußt. Daß aber das Centrum der Linken dieses Verdienst streitig machen sollte, kommt mir gar zu noble vor. In diesem Theil der Kammer war bisher Alles mehr zu Hause als die Uneigennützigkeit und die Resignation. Offenbar ist der Streich gegen jenes Häuflein gerichtet, welches man die Unbedingten nennen könnte, und das bisher seine Parole eben da geholt hat, wo sie das Journal des Debats noch immer holt. Dieses Journal fährt heute wie gestern fort, gegen Hrn. Thiers heftig zu opponiren, woraus hervorleuchtet, daß man die alte Taktik noch nicht aufgegeben hat. Feindselige Absichten gegen das Ministerium liegen dabei für den Augenblick nicht zu Grunde. Man will demselben nur begreiflich machen, daß das Schwert des Damokles immer noch über seinem Haupte hängt, und daß man im Stande ist, jeden Augenblick das alte Spiel aufs neue zu beginnen. Die "Presse" dagegen hat sich in den letzten Tagen ganz still verhalten. In den sämmtlichen Ministerien herrscht ungemeine Thätigkeit. Man will dem Lande zeigen, was man will und kann.

Niederlande.

Der König - heißt es im Amsterdamer Handelsblad - hat sich selbst überwunden! Freut euch, Niederländer! über einen Triumph, dessen sich wenige der Helden, deren Namen einst die Welt erfüllte, haben rühmen können. Freut euch über einen Triumph, der nicht durch Blut und Thränen errungen ist, der aber dennoch in den Annalen der Geschichte aufgezeichnet seyn wird unter den glänzendsten Thaten des Hauses Oranien, dessen Ruhm mit dem Niederlands so innig verbunden ist, und dessen Glanz so herrlich auf uns niederstrahlt. Der über uns regierende Fürst hat über sein eigenes Herz triumphirt - dazu gehört mehr Selbstverläugnung, als dem Vaterlande sein Leben zu opfern; er hat gesiegt über seine Neigungen - dieß erheischt mehr Muth und Ausdauer, als um Reiche zu erobern und Völker zu unterjochen. Der Fürst, der eine solche Tugend an Tag legt, hat Anspruch auf unsere Bewunderung; wenn er dieß aber thut; um seinem getreuen Volke Schmerz zu ersparen und dessen Trauer in Freude zu verwandeln, dann verdient er zugleich unsere innigste Liebe, unsere herzlichste Dankbarkeit! Ja, Landesgenossen! Gott hat unser Gebet erhört, und unsere erste That sey denn auch, dem Himmel zu danken. Gott hat das Herz unseres Königs gerührt, und nun kann Niederland wieder jauchzen. Zeigen wir nun auch vor Allem, wie sehr wir das große Opfer zu schätzen wissen, das der König auf den Altar des Vaterlandes gebracht hat. Und geben wir daher, wenn möglich, unsere Treue und Ergebenheit, geben wir, was auch geschehe, unser Vertrauen auf des Königs Weisheit nicht auf, zweifeln wir nie, daß die Stimme seines Volks bis zu ihm durchdringe. Das Geschehene möge vorall uns zur Lehre dienen, stets, wenn wir überzeugt sind, es gelte der Sache des Vaterlandes und des Thrones, ehrerbietig, aber ernst und unermüdlich unsere Wünsche und Bedürfnisse durch die freie Presse dem Staatsoberhaupte mitzutheilen. Seyd versichert, Niederländer! daß, wenn ein Fürst, wie Wilhelm I das Land regiert, das Recht, trotz der scheinbar unüberwindlichsten Hindernisse endlich siegen werde. Der König hat sich selbst überwunden. Der Geist eines Fürsten, der das thun konnte, wo es einer Sache galt, die er für das Glück seines Lebens nöthig erachtete, ist zu aufgeklärt, sein Herz ist zu edel und zu großmüthig, als daß er lange die wesentlichen Bedürfnisse seines Volkes verkennen, und ungeneigt seyn sollte, dessen billigen Wünschen zu entsprechen.

Italien.

Die gestern aus Neapel eingetroffenen officiellen Mittheilungen erregen hier großes Aufsehen, indem die Schwefelfrage neuerdings Anlaß zu einem unangenehmen Streit zwischen England und Neapel zu geben droht. Die dortige Regierung will bei ihrem einmal angenommenen System verharren, trotz aller bisher gegebenen Versprechungen, durch welche sich nunmehr der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Fürst Cassaro, so compromittirt glaubt, daß er seine Dimission einreichte, welche vom König auch augenblicklich angenommen wurde. Da man (wohl mit übertriebener Besorgniß) einer baldigen Blokade der Häfen des Königreichs durch englische Schiffe entgegen sieht, so werden in der größten Eile die Küsten in Vertheidigungsstand gesetzt, und Alles gewinnt ein kriegerisches Ansehn. Obgleich wir anzunehmen geneigt sind, daß eine befreundete Macht die Vermittlung zwischen England und Neapel übernehmen werde, und an einen Ausbruch wirklicher

Ministeriums Molé; und nur die Anhänger dieses letzteren blieben ihm feindlich gegenüber. – Die gestrige Abstimmung gibt das erste Beispiel seit 1830, daß das Ministerium das Centrum der Kammer gegen sich hatte, und dagegen von allen übrigen Fractionen unterstützt war: man kann daher auch in der Wirklichkeit sagen, daß die öffentliche Gewalt jetzt in eine andere Abtheilung der Kammer übergegangen ist (le pouvoir cst déplacé). Man fährt fort, allgemein zu glauben, daß der Rest der 221 nur vermöge der Impulsion einer hohen Person gehandelt habe, welche letztere mit der erfolgten Abstimmung nichts weniger als zufrieden sey und den Rücktritt des kaum gebildeten Cabinets nicht ungern gesehen hätte. Ob übrigens Hr. Thiers die mancherlei Versprechungen halten wird, die er im Laufe der Debatten gemacht hat, ist eine große Frage: es wird ihm, selbst beim besten Willen, unmöglich seyn, im steten Einklang mit der Linken zu regieren und deren Wünsche zu erfüllen, denn er würde sich dann zu oft mit einer hohen Person im Widerspruch finden. Von seiner Gewandtheit läßt sich erwarten, daß er es dahin bringe, einen Theil der 160 für sich zu gewinnen; und dann benutzt er diese zur Durchsetzung derjenigen Maaßregeln, womit die Linke nicht einverstanden ist. – Die Rede des Hrn. Garnier-Pagès hat denselben in den Augen vieler Deputirten der dynastischen Linken höher als Hrn. Odilon-Barrot gestellt, dessen Rede etwas zu nachgiebig gegen das Ministerium war. Bekommt Hr. Barrot noch ein paar solcher Stöße, so möchte er leicht seine Stellung als Chef der dynastischen Linken abtreten müssen. – Seit ein paar Tagen sprechen die hiesigen Blätter wieder viel von Hrn. v. Brunnow, und erwähnen einer angeblichen Unterredung zwischen Hrn. Guizot und Lord Palmerston, worin ersterer mit einiger Heftigkeit in Betreff der orientalischen Frage aufgetreten sey. Dieß ist wieder eine von den gewöhnlichen Fabeln, womit die hiesigen Blätter so oft ihre Leser erfreuen, wenn sie vom Auslande sprechen; ich weiß aus guter Quelle, daß Hr. Guizot bis jetzt keine politische Conferenz mit Lord Palmerston gehabt hat.

Die Rente, alle Actien, besonders die der Eisenbahnen, sind gestern ungemein gestiegen, in Folge der Verhandlungen über die geheimen Fonds, und auch die Resultate der heutigen Börse zeigen ein steigendes Vertrauen in die Dauer und die Popularität des neuen Ministeriums. Der Geist des Fortschritts und der Verbesserung (o Wunder!) ist sogar, wie man behauptet, in das Centrum gefahren. Die Conservativen wollen nun selbst die Initiative ihrer eigenen Purification ergreifen, und darauf antragen, daß die Bekleidung eines Staatsamtes als unverträglich mit der Stelle eines Deputirten erklärt werden soll. Daß ein solcher Antrag demnächst und zwar in wenigen Tagen von der Linken ausgehen soll, habe ich früher schon gewußt. Daß aber das Centrum der Linken dieses Verdienst streitig machen sollte, kommt mir gar zu noble vor. In diesem Theil der Kammer war bisher Alles mehr zu Hause als die Uneigennützigkeit und die Resignation. Offenbar ist der Streich gegen jenes Häuflein gerichtet, welches man die Unbedingten nennen könnte, und das bisher seine Parole eben da geholt hat, wo sie das Journal des Débats noch immer holt. Dieses Journal fährt heute wie gestern fort, gegen Hrn. Thiers heftig zu opponiren, woraus hervorleuchtet, daß man die alte Taktik noch nicht aufgegeben hat. Feindselige Absichten gegen das Ministerium liegen dabei für den Augenblick nicht zu Grunde. Man will demselben nur begreiflich machen, daß das Schwert des Damokles immer noch über seinem Haupte hängt, und daß man im Stande ist, jeden Augenblick das alte Spiel aufs neue zu beginnen. Die „Presse“ dagegen hat sich in den letzten Tagen ganz still verhalten. In den sämmtlichen Ministerien herrscht ungemeine Thätigkeit. Man will dem Lande zeigen, was man will und kann.

Niederlande.

Der König – heißt es im Amsterdamer Handelsblad – hat sich selbst überwunden! Freut euch, Niederländer! über einen Triumph, dessen sich wenige der Helden, deren Namen einst die Welt erfüllte, haben rühmen können. Freut euch über einen Triumph, der nicht durch Blut und Thränen errungen ist, der aber dennoch in den Annalen der Geschichte aufgezeichnet seyn wird unter den glänzendsten Thaten des Hauses Oranien, dessen Ruhm mit dem Niederlands so innig verbunden ist, und dessen Glanz so herrlich auf uns niederstrahlt. Der über uns regierende Fürst hat über sein eigenes Herz triumphirt – dazu gehört mehr Selbstverläugnung, als dem Vaterlande sein Leben zu opfern; er hat gesiegt über seine Neigungen – dieß erheischt mehr Muth und Ausdauer, als um Reiche zu erobern und Völker zu unterjochen. Der Fürst, der eine solche Tugend an Tag legt, hat Anspruch auf unsere Bewunderung; wenn er dieß aber thut; um seinem getreuen Volke Schmerz zu ersparen und dessen Trauer in Freude zu verwandeln, dann verdient er zugleich unsere innigste Liebe, unsere herzlichste Dankbarkeit! Ja, Landesgenossen! Gott hat unser Gebet erhört, und unsere erste That sey denn auch, dem Himmel zu danken. Gott hat das Herz unseres Königs gerührt, und nun kann Niederland wieder jauchzen. Zeigen wir nun auch vor Allem, wie sehr wir das große Opfer zu schätzen wissen, das der König auf den Altar des Vaterlandes gebracht hat. Und geben wir daher, wenn möglich, unsere Treue und Ergebenheit, geben wir, was auch geschehe, unser Vertrauen auf des Königs Weisheit nicht auf, zweifeln wir nie, daß die Stimme seines Volks bis zu ihm durchdringe. Das Geschehene möge vorall uns zur Lehre dienen, stets, wenn wir überzeugt sind, es gelte der Sache des Vaterlandes und des Thrones, ehrerbietig, aber ernst und unermüdlich unsere Wünsche und Bedürfnisse durch die freie Presse dem Staatsoberhaupte mitzutheilen. Seyd versichert, Niederländer! daß, wenn ein Fürst, wie Wilhelm I das Land regiert, das Recht, trotz der scheinbar unüberwindlichsten Hindernisse endlich siegen werde. Der König hat sich selbst überwunden. Der Geist eines Fürsten, der das thun konnte, wo es einer Sache galt, die er für das Glück seines Lebens nöthig erachtete, ist zu aufgeklärt, sein Herz ist zu edel und zu großmüthig, als daß er lange die wesentlichen Bedürfnisse seines Volkes verkennen, und ungeneigt seyn sollte, dessen billigen Wünschen zu entsprechen.

Italien.

Die gestern aus Neapel eingetroffenen officiellen Mittheilungen erregen hier großes Aufsehen, indem die Schwefelfrage neuerdings Anlaß zu einem unangenehmen Streit zwischen England und Neapel zu geben droht. Die dortige Regierung will bei ihrem einmal angenommenen System verharren, trotz aller bisher gegebenen Versprechungen, durch welche sich nunmehr der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Fürst Cassaro, so compromittirt glaubt, daß er seine Dimission einreichte, welche vom König auch augenblicklich angenommen wurde. Da man (wohl mit übertriebener Besorgniß) einer baldigen Blokade der Häfen des Königreichs durch englische Schiffe entgegen sieht, so werden in der größten Eile die Küsten in Vertheidigungsstand gesetzt, und Alles gewinnt ein kriegerisches Ansehn. Obgleich wir anzunehmen geneigt sind, daß eine befreundete Macht die Vermittlung zwischen England und Neapel übernehmen werde, und an einen Ausbruch wirklicher

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[0740/0004] Ministeriums Molé; und nur die Anhänger dieses letzteren blieben ihm feindlich gegenüber. – Die gestrige Abstimmung gibt das erste Beispiel seit 1830, daß das Ministerium das Centrum der Kammer gegen sich hatte, und dagegen von allen übrigen Fractionen unterstützt war: man kann daher auch in der Wirklichkeit sagen, daß die öffentliche Gewalt jetzt in eine andere Abtheilung der Kammer übergegangen ist (le pouvoir cst déplacé). Man fährt fort, allgemein zu glauben, daß der Rest der 221 nur vermöge der Impulsion einer hohen Person gehandelt habe, welche letztere mit der erfolgten Abstimmung nichts weniger als zufrieden sey und den Rücktritt des kaum gebildeten Cabinets nicht ungern gesehen hätte. Ob übrigens Hr. Thiers die mancherlei Versprechungen halten wird, die er im Laufe der Debatten gemacht hat, ist eine große Frage: es wird ihm, selbst beim besten Willen, unmöglich seyn, im steten Einklang mit der Linken zu regieren und deren Wünsche zu erfüllen, denn er würde sich dann zu oft mit einer hohen Person im Widerspruch finden. Von seiner Gewandtheit läßt sich erwarten, daß er es dahin bringe, einen Theil der 160 für sich zu gewinnen; und dann benutzt er diese zur Durchsetzung derjenigen Maaßregeln, womit die Linke nicht einverstanden ist. – Die Rede des Hrn. Garnier-Pagès hat denselben in den Augen vieler Deputirten der dynastischen Linken höher als Hrn. Odilon-Barrot gestellt, dessen Rede etwas zu nachgiebig gegen das Ministerium war. Bekommt Hr. Barrot noch ein paar solcher Stöße, so möchte er leicht seine Stellung als Chef der dynastischen Linken abtreten müssen. – Seit ein paar Tagen sprechen die hiesigen Blätter wieder viel von Hrn. v. Brunnow, und erwähnen einer angeblichen Unterredung zwischen Hrn. Guizot und Lord Palmerston, worin ersterer mit einiger Heftigkeit in Betreff der orientalischen Frage aufgetreten sey. Dieß ist wieder eine von den gewöhnlichen Fabeln, womit die hiesigen Blätter so oft ihre Leser erfreuen, wenn sie vom Auslande sprechen; ich weiß aus guter Quelle, daß Hr. Guizot bis jetzt keine politische Conferenz mit Lord Palmerston gehabt hat. _ Paris, 28 März. Die Rente, alle Actien, besonders die der Eisenbahnen, sind gestern ungemein gestiegen, in Folge der Verhandlungen über die geheimen Fonds, und auch die Resultate der heutigen Börse zeigen ein steigendes Vertrauen in die Dauer und die Popularität des neuen Ministeriums. Der Geist des Fortschritts und der Verbesserung (o Wunder!) ist sogar, wie man behauptet, in das Centrum gefahren. Die Conservativen wollen nun selbst die Initiative ihrer eigenen Purification ergreifen, und darauf antragen, daß die Bekleidung eines Staatsamtes als unverträglich mit der Stelle eines Deputirten erklärt werden soll. Daß ein solcher Antrag demnächst und zwar in wenigen Tagen von der Linken ausgehen soll, habe ich früher schon gewußt. Daß aber das Centrum der Linken dieses Verdienst streitig machen sollte, kommt mir gar zu noble vor. In diesem Theil der Kammer war bisher Alles mehr zu Hause als die Uneigennützigkeit und die Resignation. Offenbar ist der Streich gegen jenes Häuflein gerichtet, welches man die Unbedingten nennen könnte, und das bisher seine Parole eben da geholt hat, wo sie das Journal des Débats noch immer holt. Dieses Journal fährt heute wie gestern fort, gegen Hrn. Thiers heftig zu opponiren, woraus hervorleuchtet, daß man die alte Taktik noch nicht aufgegeben hat. Feindselige Absichten gegen das Ministerium liegen dabei für den Augenblick nicht zu Grunde. Man will demselben nur begreiflich machen, daß das Schwert des Damokles immer noch über seinem Haupte hängt, und daß man im Stande ist, jeden Augenblick das alte Spiel aufs neue zu beginnen. Die „Presse“ dagegen hat sich in den letzten Tagen ganz still verhalten. In den sämmtlichen Ministerien herrscht ungemeine Thätigkeit. Man will dem Lande zeigen, was man will und kann. Niederlande. Der König – heißt es im Amsterdamer Handelsblad – hat sich selbst überwunden! Freut euch, Niederländer! über einen Triumph, dessen sich wenige der Helden, deren Namen einst die Welt erfüllte, haben rühmen können. Freut euch über einen Triumph, der nicht durch Blut und Thränen errungen ist, der aber dennoch in den Annalen der Geschichte aufgezeichnet seyn wird unter den glänzendsten Thaten des Hauses Oranien, dessen Ruhm mit dem Niederlands so innig verbunden ist, und dessen Glanz so herrlich auf uns niederstrahlt. Der über uns regierende Fürst hat über sein eigenes Herz triumphirt – dazu gehört mehr Selbstverläugnung, als dem Vaterlande sein Leben zu opfern; er hat gesiegt über seine Neigungen – dieß erheischt mehr Muth und Ausdauer, als um Reiche zu erobern und Völker zu unterjochen. Der Fürst, der eine solche Tugend an Tag legt, hat Anspruch auf unsere Bewunderung; wenn er dieß aber thut; um seinem getreuen Volke Schmerz zu ersparen und dessen Trauer in Freude zu verwandeln, dann verdient er zugleich unsere innigste Liebe, unsere herzlichste Dankbarkeit! Ja, Landesgenossen! Gott hat unser Gebet erhört, und unsere erste That sey denn auch, dem Himmel zu danken. Gott hat das Herz unseres Königs gerührt, und nun kann Niederland wieder jauchzen. Zeigen wir nun auch vor Allem, wie sehr wir das große Opfer zu schätzen wissen, das der König auf den Altar des Vaterlandes gebracht hat. Und geben wir daher, wenn möglich, unsere Treue und Ergebenheit, geben wir, was auch geschehe, unser Vertrauen auf des Königs Weisheit nicht auf, zweifeln wir nie, daß die Stimme seines Volks bis zu ihm durchdringe. Das Geschehene möge vorall uns zur Lehre dienen, stets, wenn wir überzeugt sind, es gelte der Sache des Vaterlandes und des Thrones, ehrerbietig, aber ernst und unermüdlich unsere Wünsche und Bedürfnisse durch die freie Presse dem Staatsoberhaupte mitzutheilen. Seyd versichert, Niederländer! daß, wenn ein Fürst, wie Wilhelm I das Land regiert, das Recht, trotz der scheinbar unüberwindlichsten Hindernisse endlich siegen werde. Der König hat sich selbst überwunden. Der Geist eines Fürsten, der das thun konnte, wo es einer Sache galt, die er für das Glück seines Lebens nöthig erachtete, ist zu aufgeklärt, sein Herz ist zu edel und zu großmüthig, als daß er lange die wesentlichen Bedürfnisse seines Volkes verkennen, und ungeneigt seyn sollte, dessen billigen Wünschen zu entsprechen. Italien. _ Rom, 24 März. Die gestern aus Neapel eingetroffenen officiellen Mittheilungen erregen hier großes Aufsehen, indem die Schwefelfrage neuerdings Anlaß zu einem unangenehmen Streit zwischen England und Neapel zu geben droht. Die dortige Regierung will bei ihrem einmal angenommenen System verharren, trotz aller bisher gegebenen Versprechungen, durch welche sich nunmehr der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Fürst Cassaro, so compromittirt glaubt, daß er seine Dimission einreichte, welche vom König auch augenblicklich angenommen wurde. Da man (wohl mit übertriebener Besorgniß) einer baldigen Blokade der Häfen des Königreichs durch englische Schiffe entgegen sieht, so werden in der größten Eile die Küsten in Vertheidigungsstand gesetzt, und Alles gewinnt ein kriegerisches Ansehn. Obgleich wir anzunehmen geneigt sind, daß eine befreundete Macht die Vermittlung zwischen England und Neapel übernehmen werde, und an einen Ausbruch wirklicher

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 93. Augsburg, 2. April 1840, S. 0740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_093_18400402/4>, abgerufen am 23.11.2024.