Allgemeine Zeitung. Nr. 93. Augsburg, 2. April 1840.eine auf Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Verfahrens gebaute Strafproceßordnung eingeführt werde? Die Kammer hat schon auf mehreren Landtagen den Wunsch, daß ein solcher Strafproceß vorgelegt werde, ausgesprochen. Bei diesem Anlaß stellte nun der Abg. Weller den Antrag, daß der Strafgesetzesentwurf, wenn er gleich materiell die Billigung der Kammer erhalte, doch erst alsdann in Wirksamkeit trete, wenn auch der noch vorzulegende Strafproceß angenommen seyn werde, indem man die Anwendung unbestimmter Strafgesetze nur denjenigen Richtern anvertrauen könne, welche bei einem mündlichen Verfahren den Angeschuldigten und die Zeugen selbst hören, und dadurch ein vollständigeres und getreueres Bild von der Sache erhalten, als durch die Acten des Untersuchungsrichters und Vorträge der Referenten. Die Abstimmung über Wellers Antrag wurde jedoch bis zur Berathung des Einführungsedicts verschoben, da in diesem Edicte ohnehin einige, wenn auch nur provisorische Bestimmungen über das Verfahren aufzunehmen nöthig-seyn werde. (Fortsetzung folgt.) Heidelberg, 29 März. Gestern Abend halb 10 Uhr verschied im 69sten Jahre sanft und ohne Schmerzen Anton Friedrich Justus Thibaut, der hochberühmte Rechtslehrer Deutschlands, in seiner Wissenschaft ein wahrer praeceptor Germaniae. Er war eine der ältesten Zierden unserer Universität, und bis an seinen Tod, dem ein Krankenlager von nur wenigen Tagen vorausging, von der musterhaftesten Treue und Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung des Berufes, dem er mit entschiedener Hingebung, aber auch belohnender Anerkennung Kraft und Leben gewidmet. Was er als Gelehrter gewesen, werden Sachverständige gehörigen Ortes zu preisen wissen. Hier genüge über den Menschen in Eile das kurze Wort: er war ein ganzer Mann, von ächtem Schrot und Korn, eine edle Natur, voll Geist, Leben und Liebe, gerecht und mild, streng und versöhnlich, gütig und wohlthätig. Die Stadt, die eine lange Reihe von Jahren Zeuge seines hohen, stets ungeschwächten Ansehns gewesen, wird noch in späten Zeiten seinen Namen mit Stolz und Dankbarkeit nennen. Sein vertrauter Jugendfreund Niebuhr hat in seinen kürzlich gedruckten Briefen dem Adel seines Wesens, der auf eine höchst bedeutende Weise in der Würde seiner ausgezeichneten Persönlichkeit ausgeprägt war, ein Denkmal der Wahrheit und Liebe gesetzt, an dem er sich bei theilweiser Verkennung, der große und ungewöhnliche Charaktere immer ausgesetzt sind, innigst erfreute. Goethe, der ihn in Jena, als er auch dieser Universität, von Kiel dahin berufen, in dem frischesten Mannesalter Glanz und Ruhm verlieh, suchte und liebte, nennt ihn einmal "eine weiche musikalische Natur." Derselbe Mann, der, ein Virtuos des akademischen Vortrags, wie wenige, vom Katheder herab durch die Genialität einer bewundernswürdig eindringlichen Verstandesthätigkeit die trockensten Gegenstände anschaulich zu beleben und anziehend zu machen wußte, entzündete und veredelte in einem musikalischen Vereine, den er zur Bildung des Geschmacks an alter, gediegener Musik schon frühe gegründet, und mit vielen Opfern immer erhalten, durch Begeisterung für die Reinheit der Tonkunst die Gemüther der Jugend. Dieser weiche musikalische Sinn begleitete ihn auch aus seinem stillen Hause, wo er in patriarchalischer Einfachheit, geborgen von dem Geräusche der Welt, in der Liebe der Seinigen jene Feste feierte, die nie Ueberdruß gewähren, ins äußere Leben hinaus, und wenn er mit dem Donner seines beredten Wortes Eitelkeit und Erbärmlichkeit züchtigte, so war er in seinem Herzen nicht böse, sondern sein reizbares, feines Gehör war durch widerliche Dissonanzen verletzt und empört. Darmstadt, 29 März. (Großh. hess. Z.) In der Sitzung der zweiten Kammer der Stände am 23 d. M. eröffnete der Präsident die Berathung über den Antrag des Abgeordneten Glaubrech, den Sinn und die Interpretation des von hoher deutscher Bundesversammlung in der hannover'schen Verfassungssache unterm 5 Sept. 1839 erlassenen Beschlusses betreffend. Der Berathung wohnten keine großherzogl. Regierungscommissäre bei. Alle Redner (Schmitt, Emmerling, zweiter Präsident Knorr, Hellmann, Brunck, Präsident Schenck) sprachen in kürzeren Reden oder einfachen Erklärungen sich im Sinne des Antrags aus und wünschen baldige Erledigung der Sache durch Einschreiten des hohen Bundes. - Durch die in der Sitzung am 26 März erfolgte Abstimmung trat die Kammer einstimmig dem Antrage des Abg. Glaubrech bei: "Es wolle verehrlicher Kammer gefallen, ihr festes und zuversichtliches Vertrauen in das Protokoll niederzulegen, daß hohe Staatsregierung nicht unterlassen werde, nach Kräften dahin zu wirken, daß alle beängstigenden Zweifel über den Sinn des Bundestagsbeschlusses vom 5 Sept. entfernt, und namentlich diejenige Interpretation widerlegt und beseitigt werde, welche nur dahin führen kann, den Glauben an die Aufrechthaltung der in den Grundsätzen des deutschen Bundes enthaltenen Garantien aller in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen zu erschüttern." Dresden, 28 März. Es ist bekannt, einen wie wenig günstigen Ausgang die Stephan'sche Auswanderung aus den sächsischen Landen nach den nordamerikanischen Freistaaten gehabt hat. Das Haupt derselben, der Pastor Stephan, ist als Heuchler und Betrüger von seinen eigenen Anhängern entlarvt worden, und die verblendete Gemeinde theilweise in sich selbst zerfallen. Einige der namhaftesten Mitglieder derselben sind bereits nach ihrer hiesigen Heimath zurückgekehrt, und von diesen ist der ehemalige Secretär des geheimen Archivs, Dr. Wehse, auch als Historiker bekannt, im Begriff, in einer kleinen Schrift - der zweiten, die über diesen Gegenstand erscheint - umständlichen Bericht von den Schicksalen der Colonie zu geben. Er bekennt sich darin selbst als Verführten und warnt vor unbedachter Auswanderung, indem er besonders die breiten Schattenseiten andeutet, die das Leben in den Freistaaten für den gebildeteren Deutschen hat, der die heimische Gemüthlichkeit zu schätzen weiß. Vor Allem merkwürdig ist in der Sache der Umstand, daß der Verfasser als Hauptgrund der weltlichen Mißgeschicke der Gemeinde - die wegen angeblichen Glaubensdruckes auswanderte - die geistliche Herrschsucht ihrer sämmtlichen Seelenhirten, nicht bloß Stephans, anklagt, und man erkennt daraus, wie weit entfernt die Hierarchie ist, irgendwo vorzugsweise domicilirt zu seyn. - Das erledigte Portefeuille des Cultusministeriums hat einstweilen der Staatsminister v. Lindenau übernommen. Ueber die definitive Besetzung dieser Stelle ist noch nichts bekannt. Jedoch hält man für möglich, daß der Kreisdirector v. Falkenstein in Leipzig oder der hiesige Bürgermeister Dr. Hübler dazu bestimmt seyn könnten. Den Geheimerath v. Langenn nennt man zwar in der Beziehung ebenfalls; nur ist nicht wahrscheinlich, daß derselbe seine jetzige nicht minder wichtige Stellung als Erzieher des Prinzen Albert, der er in so hohem Grade genügt, verlassen werde. - Für den Fall, der in Rede stehen soll, daß der sächsische Bundestagsgesandte, Frhr. v. Manteuffel, sich von den Geschäften zurückzöge, dürfte noch eine andere Ministerialveränderung eintreten. - Friedrich v. Raumer bringt, wie immer, auch dießmal wieder einen Theil der Universitätsferien bei seinem Freunde Tieck zu. Zugleich eine auf Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Verfahrens gebaute Strafproceßordnung eingeführt werde? Die Kammer hat schon auf mehreren Landtagen den Wunsch, daß ein solcher Strafproceß vorgelegt werde, ausgesprochen. Bei diesem Anlaß stellte nun der Abg. Weller den Antrag, daß der Strafgesetzesentwurf, wenn er gleich materiell die Billigung der Kammer erhalte, doch erst alsdann in Wirksamkeit trete, wenn auch der noch vorzulegende Strafproceß angenommen seyn werde, indem man die Anwendung unbestimmter Strafgesetze nur denjenigen Richtern anvertrauen könne, welche bei einem mündlichen Verfahren den Angeschuldigten und die Zeugen selbst hören, und dadurch ein vollständigeres und getreueres Bild von der Sache erhalten, als durch die Acten des Untersuchungsrichters und Vorträge der Referenten. Die Abstimmung über Wellers Antrag wurde jedoch bis zur Berathung des Einführungsedicts verschoben, da in diesem Edicte ohnehin einige, wenn auch nur provisorische Bestimmungen über das Verfahren aufzunehmen nöthig-seyn werde. (Fortsetzung folgt.) Heidelberg, 29 März. Gestern Abend halb 10 Uhr verschied im 69sten Jahre sanft und ohne Schmerzen Anton Friedrich Justus Thibaut, der hochberühmte Rechtslehrer Deutschlands, in seiner Wissenschaft ein wahrer praeceptor Germaniae. Er war eine der ältesten Zierden unserer Universität, und bis an seinen Tod, dem ein Krankenlager von nur wenigen Tagen vorausging, von der musterhaftesten Treue und Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung des Berufes, dem er mit entschiedener Hingebung, aber auch belohnender Anerkennung Kraft und Leben gewidmet. Was er als Gelehrter gewesen, werden Sachverständige gehörigen Ortes zu preisen wissen. Hier genüge über den Menschen in Eile das kurze Wort: er war ein ganzer Mann, von ächtem Schrot und Korn, eine edle Natur, voll Geist, Leben und Liebe, gerecht und mild, streng und versöhnlich, gütig und wohlthätig. Die Stadt, die eine lange Reihe von Jahren Zeuge seines hohen, stets ungeschwächten Ansehns gewesen, wird noch in späten Zeiten seinen Namen mit Stolz und Dankbarkeit nennen. Sein vertrauter Jugendfreund Niebuhr hat in seinen kürzlich gedruckten Briefen dem Adel seines Wesens, der auf eine höchst bedeutende Weise in der Würde seiner ausgezeichneten Persönlichkeit ausgeprägt war, ein Denkmal der Wahrheit und Liebe gesetzt, an dem er sich bei theilweiser Verkennung, der große und ungewöhnliche Charaktere immer ausgesetzt sind, innigst erfreute. Goethe, der ihn in Jena, als er auch dieser Universität, von Kiel dahin berufen, in dem frischesten Mannesalter Glanz und Ruhm verlieh, suchte und liebte, nennt ihn einmal „eine weiche musikalische Natur.“ Derselbe Mann, der, ein Virtuos des akademischen Vortrags, wie wenige, vom Katheder herab durch die Genialität einer bewundernswürdig eindringlichen Verstandesthätigkeit die trockensten Gegenstände anschaulich zu beleben und anziehend zu machen wußte, entzündete und veredelte in einem musikalischen Vereine, den er zur Bildung des Geschmacks an alter, gediegener Musik schon frühe gegründet, und mit vielen Opfern immer erhalten, durch Begeisterung für die Reinheit der Tonkunst die Gemüther der Jugend. Dieser weiche musikalische Sinn begleitete ihn auch aus seinem stillen Hause, wo er in patriarchalischer Einfachheit, geborgen von dem Geräusche der Welt, in der Liebe der Seinigen jene Feste feierte, die nie Ueberdruß gewähren, ins äußere Leben hinaus, und wenn er mit dem Donner seines beredten Wortes Eitelkeit und Erbärmlichkeit züchtigte, so war er in seinem Herzen nicht böse, sondern sein reizbares, feines Gehör war durch widerliche Dissonanzen verletzt und empört. Darmstadt, 29 März. (Großh. hess. Z.) In der Sitzung der zweiten Kammer der Stände am 23 d. M. eröffnete der Präsident die Berathung über den Antrag des Abgeordneten Glaubrech, den Sinn und die Interpretation des von hoher deutscher Bundesversammlung in der hannover'schen Verfassungssache unterm 5 Sept. 1839 erlassenen Beschlusses betreffend. Der Berathung wohnten keine großherzogl. Regierungscommissäre bei. Alle Redner (Schmitt, Emmerling, zweiter Präsident Knorr, Hellmann, Brunck, Präsident Schenck) sprachen in kürzeren Reden oder einfachen Erklärungen sich im Sinne des Antrags aus und wünschen baldige Erledigung der Sache durch Einschreiten des hohen Bundes. – Durch die in der Sitzung am 26 März erfolgte Abstimmung trat die Kammer einstimmig dem Antrage des Abg. Glaubrech bei: „Es wolle verehrlicher Kammer gefallen, ihr festes und zuversichtliches Vertrauen in das Protokoll niederzulegen, daß hohe Staatsregierung nicht unterlassen werde, nach Kräften dahin zu wirken, daß alle beängstigenden Zweifel über den Sinn des Bundestagsbeschlusses vom 5 Sept. entfernt, und namentlich diejenige Interpretation widerlegt und beseitigt werde, welche nur dahin führen kann, den Glauben an die Aufrechthaltung der in den Grundsätzen des deutschen Bundes enthaltenen Garantien aller in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen zu erschüttern.“ Dresden, 28 März. Es ist bekannt, einen wie wenig günstigen Ausgang die Stephan'sche Auswanderung aus den sächsischen Landen nach den nordamerikanischen Freistaaten gehabt hat. Das Haupt derselben, der Pastor Stephan, ist als Heuchler und Betrüger von seinen eigenen Anhängern entlarvt worden, und die verblendete Gemeinde theilweise in sich selbst zerfallen. Einige der namhaftesten Mitglieder derselben sind bereits nach ihrer hiesigen Heimath zurückgekehrt, und von diesen ist der ehemalige Secretär des geheimen Archivs, Dr. Wehse, auch als Historiker bekannt, im Begriff, in einer kleinen Schrift – der zweiten, die über diesen Gegenstand erscheint – umständlichen Bericht von den Schicksalen der Colonie zu geben. Er bekennt sich darin selbst als Verführten und warnt vor unbedachter Auswanderung, indem er besonders die breiten Schattenseiten andeutet, die das Leben in den Freistaaten für den gebildeteren Deutschen hat, der die heimische Gemüthlichkeit zu schätzen weiß. Vor Allem merkwürdig ist in der Sache der Umstand, daß der Verfasser als Hauptgrund der weltlichen Mißgeschicke der Gemeinde – die wegen angeblichen Glaubensdruckes auswanderte – die geistliche Herrschsucht ihrer sämmtlichen Seelenhirten, nicht bloß Stephans, anklagt, und man erkennt daraus, wie weit entfernt die Hierarchie ist, irgendwo vorzugsweise domicilirt zu seyn. – Das erledigte Portefeuille des Cultusministeriums hat einstweilen der Staatsminister v. Lindenau übernommen. Ueber die definitive Besetzung dieser Stelle ist noch nichts bekannt. Jedoch hält man für möglich, daß der Kreisdirector v. Falkenstein in Leipzig oder der hiesige Bürgermeister Dr. Hübler dazu bestimmt seyn könnten. Den Geheimerath v. Langenn nennt man zwar in der Beziehung ebenfalls; nur ist nicht wahrscheinlich, daß derselbe seine jetzige nicht minder wichtige Stellung als Erzieher des Prinzen Albert, der er in so hohem Grade genügt, verlassen werde. – Für den Fall, der in Rede stehen soll, daß der sächsische Bundestagsgesandte, Frhr. v. Manteuffel, sich von den Geschäften zurückzöge, dürfte noch eine andere Ministerialveränderung eintreten. – Friedrich v. Raumer bringt, wie immer, auch dießmal wieder einen Theil der Universitätsferien bei seinem Freunde Tieck zu. Zugleich <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0006" n="0742"/> eine auf Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Verfahrens gebaute Straf<hi rendition="#g">proceßordnung</hi> eingeführt werde? Die Kammer hat schon auf mehreren Landtagen den Wunsch, daß ein solcher Strafproceß vorgelegt werde, ausgesprochen. 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Dieser weiche musikalische Sinn begleitete ihn auch aus seinem stillen Hause, wo er in patriarchalischer Einfachheit, geborgen von dem Geräusche der Welt, in der Liebe der Seinigen jene Feste feierte, die nie Ueberdruß gewähren, ins äußere Leben hinaus, und wenn er mit dem Donner seines beredten Wortes Eitelkeit und Erbärmlichkeit züchtigte, so war er in seinem Herzen nicht böse, sondern sein reizbares, feines Gehör war durch widerliche Dissonanzen verletzt und empört.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Darmstadt,</hi> 29 März.</dateline> <p> (<hi rendition="#g">Großh</hi>. <hi rendition="#g">hess</hi>. Z.) In der Sitzung der zweiten Kammer der Stände am 23 d. 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Glaubrech bei: „Es wolle verehrlicher Kammer gefallen, ihr festes und zuversichtliches Vertrauen in das Protokoll niederzulegen, daß hohe Staatsregierung nicht unterlassen werde, nach Kräften dahin zu wirken, daß alle beängstigenden Zweifel über den Sinn des Bundestagsbeschlusses vom 5 Sept. entfernt, und namentlich diejenige Interpretation widerlegt und beseitigt werde, welche nur dahin führen kann, den Glauben an die Aufrechthaltung der in den Grundsätzen des deutschen Bundes enthaltenen Garantien aller in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen zu erschüttern.“</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 28 März.</dateline> <p> Es ist bekannt, einen wie wenig günstigen Ausgang die Stephan'sche Auswanderung aus den sächsischen Landen nach den nordamerikanischen Freistaaten gehabt hat. 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Vor Allem merkwürdig ist in der Sache der Umstand, daß der Verfasser als Hauptgrund der weltlichen Mißgeschicke der Gemeinde – die wegen angeblichen Glaubensdruckes auswanderte – die geistliche Herrschsucht ihrer sämmtlichen Seelenhirten, nicht bloß Stephans, anklagt, und man erkennt daraus, wie weit entfernt die Hierarchie ist, irgendwo vorzugsweise domicilirt zu seyn. – Das erledigte Portefeuille des Cultusministeriums hat einstweilen der Staatsminister v. Lindenau übernommen. Ueber die definitive Besetzung dieser Stelle ist noch nichts bekannt. Jedoch hält man für möglich, daß der Kreisdirector v. Falkenstein in Leipzig oder der hiesige Bürgermeister Dr. Hübler dazu bestimmt seyn könnten. Den Geheimerath v. Langenn nennt man zwar in der Beziehung ebenfalls; nur ist nicht wahrscheinlich, daß derselbe seine jetzige nicht minder wichtige Stellung als Erzieher des Prinzen Albert, der er in so hohem Grade genügt, verlassen werde. – Für den Fall, der in Rede stehen soll, daß der sächsische Bundestagsgesandte, Frhr. v. Manteuffel, sich von den Geschäften zurückzöge, dürfte noch eine andere Ministerialveränderung eintreten. – Friedrich v. Raumer bringt, wie immer, auch dießmal wieder einen Theil der Universitätsferien bei seinem Freunde Tieck zu. Zugleich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0742/0006]
eine auf Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Verfahrens gebaute Strafproceßordnung eingeführt werde? Die Kammer hat schon auf mehreren Landtagen den Wunsch, daß ein solcher Strafproceß vorgelegt werde, ausgesprochen. Bei diesem Anlaß stellte nun der Abg. Weller den Antrag, daß der Strafgesetzesentwurf, wenn er gleich materiell die Billigung der Kammer erhalte, doch erst alsdann in Wirksamkeit trete, wenn auch der noch vorzulegende Strafproceß angenommen seyn werde, indem man die Anwendung unbestimmter Strafgesetze nur denjenigen Richtern anvertrauen könne, welche bei einem mündlichen Verfahren den Angeschuldigten und die Zeugen selbst hören, und dadurch ein vollständigeres und getreueres Bild von der Sache erhalten, als durch die Acten des Untersuchungsrichters und Vorträge der Referenten. Die Abstimmung über Wellers Antrag wurde jedoch bis zur Berathung des Einführungsedicts verschoben, da in diesem Edicte ohnehin einige, wenn auch nur provisorische Bestimmungen über das Verfahren aufzunehmen nöthig-seyn werde.
(Fortsetzung folgt.)
_ Heidelberg, 29 März. Gestern Abend halb 10 Uhr verschied im 69sten Jahre sanft und ohne Schmerzen Anton Friedrich Justus Thibaut, der hochberühmte Rechtslehrer Deutschlands, in seiner Wissenschaft ein wahrer praeceptor Germaniae. Er war eine der ältesten Zierden unserer Universität, und bis an seinen Tod, dem ein Krankenlager von nur wenigen Tagen vorausging, von der musterhaftesten Treue und Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung des Berufes, dem er mit entschiedener Hingebung, aber auch belohnender Anerkennung Kraft und Leben gewidmet. Was er als Gelehrter gewesen, werden Sachverständige gehörigen Ortes zu preisen wissen. Hier genüge über den Menschen in Eile das kurze Wort: er war ein ganzer Mann, von ächtem Schrot und Korn, eine edle Natur, voll Geist, Leben und Liebe, gerecht und mild, streng und versöhnlich, gütig und wohlthätig. Die Stadt, die eine lange Reihe von Jahren Zeuge seines hohen, stets ungeschwächten Ansehns gewesen, wird noch in späten Zeiten seinen Namen mit Stolz und Dankbarkeit nennen. Sein vertrauter Jugendfreund Niebuhr hat in seinen kürzlich gedruckten Briefen dem Adel seines Wesens, der auf eine höchst bedeutende Weise in der Würde seiner ausgezeichneten Persönlichkeit ausgeprägt war, ein Denkmal der Wahrheit und Liebe gesetzt, an dem er sich bei theilweiser Verkennung, der große und ungewöhnliche Charaktere immer ausgesetzt sind, innigst erfreute. Goethe, der ihn in Jena, als er auch dieser Universität, von Kiel dahin berufen, in dem frischesten Mannesalter Glanz und Ruhm verlieh, suchte und liebte, nennt ihn einmal „eine weiche musikalische Natur.“ Derselbe Mann, der, ein Virtuos des akademischen Vortrags, wie wenige, vom Katheder herab durch die Genialität einer bewundernswürdig eindringlichen Verstandesthätigkeit die trockensten Gegenstände anschaulich zu beleben und anziehend zu machen wußte, entzündete und veredelte in einem musikalischen Vereine, den er zur Bildung des Geschmacks an alter, gediegener Musik schon frühe gegründet, und mit vielen Opfern immer erhalten, durch Begeisterung für die Reinheit der Tonkunst die Gemüther der Jugend. Dieser weiche musikalische Sinn begleitete ihn auch aus seinem stillen Hause, wo er in patriarchalischer Einfachheit, geborgen von dem Geräusche der Welt, in der Liebe der Seinigen jene Feste feierte, die nie Ueberdruß gewähren, ins äußere Leben hinaus, und wenn er mit dem Donner seines beredten Wortes Eitelkeit und Erbärmlichkeit züchtigte, so war er in seinem Herzen nicht böse, sondern sein reizbares, feines Gehör war durch widerliche Dissonanzen verletzt und empört.
_ Darmstadt, 29 März. (Großh. hess. Z.) In der Sitzung der zweiten Kammer der Stände am 23 d. M. eröffnete der Präsident die Berathung über den Antrag des Abgeordneten Glaubrech, den Sinn und die Interpretation des von hoher deutscher Bundesversammlung in der hannover'schen Verfassungssache unterm 5 Sept. 1839 erlassenen Beschlusses betreffend. Der Berathung wohnten keine großherzogl. Regierungscommissäre bei. Alle Redner (Schmitt, Emmerling, zweiter Präsident Knorr, Hellmann, Brunck, Präsident Schenck) sprachen in kürzeren Reden oder einfachen Erklärungen sich im Sinne des Antrags aus und wünschen baldige Erledigung der Sache durch Einschreiten des hohen Bundes. – Durch die in der Sitzung am 26 März erfolgte Abstimmung trat die Kammer einstimmig dem Antrage des Abg. Glaubrech bei: „Es wolle verehrlicher Kammer gefallen, ihr festes und zuversichtliches Vertrauen in das Protokoll niederzulegen, daß hohe Staatsregierung nicht unterlassen werde, nach Kräften dahin zu wirken, daß alle beängstigenden Zweifel über den Sinn des Bundestagsbeschlusses vom 5 Sept. entfernt, und namentlich diejenige Interpretation widerlegt und beseitigt werde, welche nur dahin führen kann, den Glauben an die Aufrechthaltung der in den Grundsätzen des deutschen Bundes enthaltenen Garantien aller in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen zu erschüttern.“
_ Dresden, 28 März. Es ist bekannt, einen wie wenig günstigen Ausgang die Stephan'sche Auswanderung aus den sächsischen Landen nach den nordamerikanischen Freistaaten gehabt hat. Das Haupt derselben, der Pastor Stephan, ist als Heuchler und Betrüger von seinen eigenen Anhängern entlarvt worden, und die verblendete Gemeinde theilweise in sich selbst zerfallen. Einige der namhaftesten Mitglieder derselben sind bereits nach ihrer hiesigen Heimath zurückgekehrt, und von diesen ist der ehemalige Secretär des geheimen Archivs, Dr. Wehse, auch als Historiker bekannt, im Begriff, in einer kleinen Schrift – der zweiten, die über diesen Gegenstand erscheint – umständlichen Bericht von den Schicksalen der Colonie zu geben. Er bekennt sich darin selbst als Verführten und warnt vor unbedachter Auswanderung, indem er besonders die breiten Schattenseiten andeutet, die das Leben in den Freistaaten für den gebildeteren Deutschen hat, der die heimische Gemüthlichkeit zu schätzen weiß. Vor Allem merkwürdig ist in der Sache der Umstand, daß der Verfasser als Hauptgrund der weltlichen Mißgeschicke der Gemeinde – die wegen angeblichen Glaubensdruckes auswanderte – die geistliche Herrschsucht ihrer sämmtlichen Seelenhirten, nicht bloß Stephans, anklagt, und man erkennt daraus, wie weit entfernt die Hierarchie ist, irgendwo vorzugsweise domicilirt zu seyn. – Das erledigte Portefeuille des Cultusministeriums hat einstweilen der Staatsminister v. Lindenau übernommen. Ueber die definitive Besetzung dieser Stelle ist noch nichts bekannt. Jedoch hält man für möglich, daß der Kreisdirector v. Falkenstein in Leipzig oder der hiesige Bürgermeister Dr. Hübler dazu bestimmt seyn könnten. Den Geheimerath v. Langenn nennt man zwar in der Beziehung ebenfalls; nur ist nicht wahrscheinlich, daß derselbe seine jetzige nicht minder wichtige Stellung als Erzieher des Prinzen Albert, der er in so hohem Grade genügt, verlassen werde. – Für den Fall, der in Rede stehen soll, daß der sächsische Bundestagsgesandte, Frhr. v. Manteuffel, sich von den Geschäften zurückzöge, dürfte noch eine andere Ministerialveränderung eintreten. – Friedrich v. Raumer bringt, wie immer, auch dießmal wieder einen Theil der Universitätsferien bei seinem Freunde Tieck zu. Zugleich
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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