Allgemeine Zeitung. Nr. 97. Augsburg, 6. April 1840.sie an, aber setzt sie zunächst herab. Nur einige "unfruchtbare Palmen" sind es gewesen, die dem Deutschen der Sieg von seinen Wagen zugeworfen. Gleichwohl stehen von der Katzbach bis zur Seine die Trophäen, wenn auch nicht in "Bronzesäulen", welche die deutsche Großmuth auf der Place Vendome geschont hat, aber doch in der Erinnerung der noch Lebenden und der künftigen Jahrhunderte aufgestellt, welche die Thaten und die Siege bezeugen, durch die allein es möglich war, der deutschen Erde ihre alte Ehre zu retten, in Europa die einzige zu seyn, die nie ein fremdes Joch getragen! Oder verdienen diejenigen, welche damals als Männer, als Jünglinge und zum Theil als Knaben gefochten haben und nicht auf den Schlachtfeldern geblieben sind, verdienen sie den Tadel, den ihnen sofort nach jener Verkleinerung ihres Ruhmes gallischer Neid zusendet, daß sie nach dem Sieg und dem Frieden zu den unterbrochenen Studien mit Eifer zurückkehrten, verdienen sie den Vorwurf dieses litterarischen Putzmachers, daß sie ihr Heldenthum eines Tages alsobald am Studirpult vergessen hätten? Mag er, die schlechte Gesinnung in schlechter Metapher ausdrückend, ihnen nachsagen, sie hätten sich bemüht, "unter einem Dintenstrom den Blutstrom zu verbergen", den sie hatten fließen gesehen, und mag seine verletzte Eitelkeit sich darin gefallen, die guten Streiche, welche damals die gallica levitas empfing, nachträglich mit absurder Rhetorik zu bezahlen - die edle Haltung, ja die Großartigkeit der Gesinnung, mit welcher von jenem Geschlecht die Thätigkeit in den Waffen auf die Zeit des Kampfes beschränkt und, wie der letzte Schlag geschehen, durch die verdoppelte Thätigkeit des Friedens ersetzt wurde, als gälte es die auf die Waffenübungen verwendete Zeit einzubringen, verliert nichts von der ihr inwohnenden Würde, daß Hr. Marmier nichts davon begreifen kann oder begreifen will. Nur ihm und andern seines Geistes ist es gegeben, die Heimgekehrten, die zu ihren Studien heimgekehrten Kriegsmänner, alsobald in so viele Federhelden, Duckmäuser und Broschürenschmiede zu verwandeln. Wir andern, Zeugen, zum Theil Theilnehmer der Ereignisse, haben die Gelehrten, welche an jenem Kampfe Theil nahmen, die Steffens, die Jahn, die Raumer, nach demselben nicht anders gesehen, als sie vor ihm waren, und die Jünglinge nach ihrer Heimkehr nicht auf dem litterarischen Trödel, sondern auf den Bänken der Gymnasien, in den Hörsälen der Universitäten, zum Theil zu den Füßen der Lehrer, in deren Gesellschaft sie gefochten hatten, wiedererblickt, umgeben von vielen jungen Männern des Militärs, die erst während des Kriegs und der Noth, und als der Hannibal vor den Thoren stand, die Nothwendigkeit und Heilsamkeit einer tiefern Einsicht und weitergehenden Bildung gefühlt hatten. Ist aber seitdem in Deutschland Waffenruhe gewesen, so geschah es nicht, weil indeß jener Geist in Traum und Nebel verdampft ist, wie man sich dort einbildet, sondern weil die leichtfertigen Nachbarn im Westen bis dahin bei der vor 27 Jahren empfangenen Lection sich selbst beruhigt und uns in Ruhe gelassen, oder weil sie nur mit Worten und Ergießungen politischer Habsucht oder nationaler Eitelkeit die Gränzmarken von Deutschland überschritten haben. Oder sollen wir ohne weiteres zu den Waffen greifen und sie zum Kampfe fordern, um nicht hinter den Großthaten von Antwerpen, Ancona, S. Ulloa und der Tafna zurückzubleiben, oder bloß um dem Hrn. Marmier keine Gelegenheit zu geben, uns des Mangels an Thaten anzuklagen und als ein Volk von Träumern und Broschürenschreibern darzustellen? Nur in Einem Fall würden wir den Tadel verdienen, wenn wir die Zeit des Friedens nicht benutzt hätten, um auf den Krieg vorbereitet zu bleiben, und wenn uns begegnet wäre, die fünfundzwanzigjährige Waffenruhe für den Anfang des ewigen Friedens wenigstens am Rhein und jenseits der Alpen zu halten. Glaubt aber Hr. Marmier das, so möchte der Beweis ihm schwer zu führen seyn. Oesterreich - und man weiß das in Frankreich sehr wohl, wenn auch nicht in den Bureaux des Hr. Marmier, doch in einem andern Bureau - steht gerüsteter als je und gedeckt durch mehr als eine Kette von Festungen ersten Ranges, die während des Friedens gebaut wurden, und von welchen die uneinnehmbar gewordenen Bollwerke der Alpen in Italien und an der deutschen Gränze flankirt werden. Nicht weniger gewappnet steht Preußen am Niederrhein, den es durch unvergleichliche Werke zum stärksten Bollwerk seiner Macht erhoben hat, mit einem Heer von 300,000 Mann, auf eine Landwehr von 900,000 gestützt, die aus lauter gedienten Soldaten besteht. Das sind keine Zeichen, daß man geträumt oder geschlafen. Will man Geist und Richtung einer Nation beurtheilen, will man wissen, ob sie handle oder träg sey, so darf man sich nicht auf ihre Studirstube beschränken, und läßt man gleichwohl die ganze Thätigkeit außer derselben aus den Augen, sieht man vor dem "Wald von Federn," mit dem hier eine vom Leipziger Meßkatalog erhitzte Phantasie dem Hr. Marmier statt mit der alten Hercynia sylva Deutschland bedeckt zeigt, nichts und wieder nichts von einer die großen Verhältnisse störenden oder ordnenden Thätigkeit, so hat man nur das Maaß seiner eigenen Beschränktheit und seine Unfähigkeit gegenüber fremden Zustände zu beurtheilen. Allerdings bietet Deutschland fortdauernd dem französischen Angriff eine schwache Seite von Basel bis Mainz, und wir sind weit entfernt zu verschweigen, was dort versäumt, oder zu verkennen, daß noch Vieles zu thun ist; die Heere aber der süddeutschen Staaten sind darum nicht weniger gerüstet, und werden noch in diesem Jahr Gelegenheit haben, ihre Waffenfähigkeit zu zeigen. In einem ernsten Kampf aber erscheinen sie überhaupt zunächst als Vorhut der österreichischen Macht. Man kennt in Wien so gut wie in Paris die Alternative, daß man von Seite Oesterreichs die vorliegenden Staaten von Bayern, Würtemberg und Baden bis hinab nach Nassau entweder als Bundesgenossen am Rhein zu vertheidigen, oder als Gegner mit den Franzosen am Inn zu bekämpfen hat, und die österreichischen Heere würden ebenso über Bregenz wie gegen Straßburg, wie über Alessandria gegen Lyon heranrücken, um den Stoß der französischen Waffen zu brechen, gesetzt auch, daß der Schwarzwald, und daß Rastadt noch nicht mit jenen Werken umgeben wären, welche die Vertheidigungslinie von Landau und Germersheim vollenden, und das südliche Deutschland vor den ersten Angriffen schützen würden. Ueber alles dieses sind die militärischen wie die politischen Behörden von Deutschland einig, und die öffentliche Meinung ist deßhalb beruhigt. Daß sie dieses seyn kann, ist der Erfolg einer weisen, beharrlichen, die Sicherheit des gemeinsamen deutschen Vaterlandes im Auge habenden Thätigkeit, vorzüglich der Großmächte von Deutschland, in deren Bewußtseyn und Erfolg ein jeder die Caricaturen deutscher Träumerei und Lässigkeit verlachen kann, mit welchen Hr. Marmier sich und seine leichtgläubigen Landsleute zu ergötzen oder zu ermuthigen sucht. Ist Deutschland, wie Hr. Marmier sagt, eine Spinne, die im Winkel ihres Hauses sitzt, so ist es eine Kreuzspinne der größten Art, und die Fäden des Netzes, die sie gesponnen hat, sind stark genug alle politischen Fliegen darin aufzufangen und festzuhalten, die etwa an dem Rhein hereinschwärmen und in ihr Gehäg eindringen möchten. Ja sieht man von der Zukunft auf die nächste Vergangenheit, was hat denn 1830 die enorme Kampflust der unerfahrenen Jugend in Frankreich zurückgehalten, sie an, aber setzt sie zunächst herab. Nur einige „unfruchtbare Palmen“ sind es gewesen, die dem Deutschen der Sieg von seinen Wagen zugeworfen. Gleichwohl stehen von der Katzbach bis zur Seine die Trophäen, wenn auch nicht in „Bronzesäulen“, welche die deutsche Großmuth auf der Place Vendome geschont hat, aber doch in der Erinnerung der noch Lebenden und der künftigen Jahrhunderte aufgestellt, welche die Thaten und die Siege bezeugen, durch die allein es möglich war, der deutschen Erde ihre alte Ehre zu retten, in Europa die einzige zu seyn, die nie ein fremdes Joch getragen! Oder verdienen diejenigen, welche damals als Männer, als Jünglinge und zum Theil als Knaben gefochten haben und nicht auf den Schlachtfeldern geblieben sind, verdienen sie den Tadel, den ihnen sofort nach jener Verkleinerung ihres Ruhmes gallischer Neid zusendet, daß sie nach dem Sieg und dem Frieden zu den unterbrochenen Studien mit Eifer zurückkehrten, verdienen sie den Vorwurf dieses litterarischen Putzmachers, daß sie ihr Heldenthum eines Tages alsobald am Studirpult vergessen hätten? Mag er, die schlechte Gesinnung in schlechter Metapher ausdrückend, ihnen nachsagen, sie hätten sich bemüht, „unter einem Dintenstrom den Blutstrom zu verbergen“, den sie hatten fließen gesehen, und mag seine verletzte Eitelkeit sich darin gefallen, die guten Streiche, welche damals die gallica levitas empfing, nachträglich mit absurder Rhetorik zu bezahlen – die edle Haltung, ja die Großartigkeit der Gesinnung, mit welcher von jenem Geschlecht die Thätigkeit in den Waffen auf die Zeit des Kampfes beschränkt und, wie der letzte Schlag geschehen, durch die verdoppelte Thätigkeit des Friedens ersetzt wurde, als gälte es die auf die Waffenübungen verwendete Zeit einzubringen, verliert nichts von der ihr inwohnenden Würde, daß Hr. Marmier nichts davon begreifen kann oder begreifen will. Nur ihm und andern seines Geistes ist es gegeben, die Heimgekehrten, die zu ihren Studien heimgekehrten Kriegsmänner, alsobald in so viele Federhelden, Duckmäuser und Broschürenschmiede zu verwandeln. Wir andern, Zeugen, zum Theil Theilnehmer der Ereignisse, haben die Gelehrten, welche an jenem Kampfe Theil nahmen, die Steffens, die Jahn, die Raumer, nach demselben nicht anders gesehen, als sie vor ihm waren, und die Jünglinge nach ihrer Heimkehr nicht auf dem litterarischen Trödel, sondern auf den Bänken der Gymnasien, in den Hörsälen der Universitäten, zum Theil zu den Füßen der Lehrer, in deren Gesellschaft sie gefochten hatten, wiedererblickt, umgeben von vielen jungen Männern des Militärs, die erst während des Kriegs und der Noth, und als der Hannibal vor den Thoren stand, die Nothwendigkeit und Heilsamkeit einer tiefern Einsicht und weitergehenden Bildung gefühlt hatten. Ist aber seitdem in Deutschland Waffenruhe gewesen, so geschah es nicht, weil indeß jener Geist in Traum und Nebel verdampft ist, wie man sich dort einbildet, sondern weil die leichtfertigen Nachbarn im Westen bis dahin bei der vor 27 Jahren empfangenen Lection sich selbst beruhigt und uns in Ruhe gelassen, oder weil sie nur mit Worten und Ergießungen politischer Habsucht oder nationaler Eitelkeit die Gränzmarken von Deutschland überschritten haben. Oder sollen wir ohne weiteres zu den Waffen greifen und sie zum Kampfe fordern, um nicht hinter den Großthaten von Antwerpen, Ancona, S. Ulloa und der Tafna zurückzubleiben, oder bloß um dem Hrn. Marmier keine Gelegenheit zu geben, uns des Mangels an Thaten anzuklagen und als ein Volk von Träumern und Broschürenschreibern darzustellen? Nur in Einem Fall würden wir den Tadel verdienen, wenn wir die Zeit des Friedens nicht benutzt hätten, um auf den Krieg vorbereitet zu bleiben, und wenn uns begegnet wäre, die fünfundzwanzigjährige Waffenruhe für den Anfang des ewigen Friedens wenigstens am Rhein und jenseits der Alpen zu halten. Glaubt aber Hr. Marmier das, so möchte der Beweis ihm schwer zu führen seyn. Oesterreich – und man weiß das in Frankreich sehr wohl, wenn auch nicht in den Bureaux des Hr. Marmier, doch in einem andern Bureau – steht gerüsteter als je und gedeckt durch mehr als eine Kette von Festungen ersten Ranges, die während des Friedens gebaut wurden, und von welchen die uneinnehmbar gewordenen Bollwerke der Alpen in Italien und an der deutschen Gränze flankirt werden. Nicht weniger gewappnet steht Preußen am Niederrhein, den es durch unvergleichliche Werke zum stärksten Bollwerk seiner Macht erhoben hat, mit einem Heer von 300,000 Mann, auf eine Landwehr von 900,000 gestützt, die aus lauter gedienten Soldaten besteht. Das sind keine Zeichen, daß man geträumt oder geschlafen. Will man Geist und Richtung einer Nation beurtheilen, will man wissen, ob sie handle oder träg sey, so darf man sich nicht auf ihre Studirstube beschränken, und läßt man gleichwohl die ganze Thätigkeit außer derselben aus den Augen, sieht man vor dem „Wald von Federn,“ mit dem hier eine vom Leipziger Meßkatalog erhitzte Phantasie dem Hr. Marmier statt mit der alten Hercynia sylva Deutschland bedeckt zeigt, nichts und wieder nichts von einer die großen Verhältnisse störenden oder ordnenden Thätigkeit, so hat man nur das Maaß seiner eigenen Beschränktheit und seine Unfähigkeit gegenüber fremden Zustände zu beurtheilen. Allerdings bietet Deutschland fortdauernd dem französischen Angriff eine schwache Seite von Basel bis Mainz, und wir sind weit entfernt zu verschweigen, was dort versäumt, oder zu verkennen, daß noch Vieles zu thun ist; die Heere aber der süddeutschen Staaten sind darum nicht weniger gerüstet, und werden noch in diesem Jahr Gelegenheit haben, ihre Waffenfähigkeit zu zeigen. In einem ernsten Kampf aber erscheinen sie überhaupt zunächst als Vorhut der österreichischen Macht. Man kennt in Wien so gut wie in Paris die Alternative, daß man von Seite Oesterreichs die vorliegenden Staaten von Bayern, Würtemberg und Baden bis hinab nach Nassau entweder als Bundesgenossen am Rhein zu vertheidigen, oder als Gegner mit den Franzosen am Inn zu bekämpfen hat, und die österreichischen Heere würden ebenso über Bregenz wie gegen Straßburg, wie über Alessandria gegen Lyon heranrücken, um den Stoß der französischen Waffen zu brechen, gesetzt auch, daß der Schwarzwald, und daß Rastadt noch nicht mit jenen Werken umgeben wären, welche die Vertheidigungslinie von Landau und Germersheim vollenden, und das südliche Deutschland vor den ersten Angriffen schützen würden. Ueber alles dieses sind die militärischen wie die politischen Behörden von Deutschland einig, und die öffentliche Meinung ist deßhalb beruhigt. Daß sie dieses seyn kann, ist der Erfolg einer weisen, beharrlichen, die Sicherheit des gemeinsamen deutschen Vaterlandes im Auge habenden Thätigkeit, vorzüglich der Großmächte von Deutschland, in deren Bewußtseyn und Erfolg ein jeder die Caricaturen deutscher Träumerei und Lässigkeit verlachen kann, mit welchen Hr. Marmier sich und seine leichtgläubigen Landsleute zu ergötzen oder zu ermuthigen sucht. Ist Deutschland, wie Hr. Marmier sagt, eine Spinne, die im Winkel ihres Hauses sitzt, so ist es eine Kreuzspinne der größten Art, und die Fäden des Netzes, die sie gesponnen hat, sind stark genug alle politischen Fliegen darin aufzufangen und festzuhalten, die etwa an dem Rhein hereinschwärmen und in ihr Gehäg eindringen möchten. Ja sieht man von der Zukunft auf die nächste Vergangenheit, was hat denn 1830 die enorme Kampflust der unerfahrenen Jugend in Frankreich zurückgehalten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="0770"/> sie an, aber setzt sie zunächst herab. Nur einige „unfruchtbare Palmen“ sind es gewesen, die dem Deutschen der Sieg von seinen Wagen zugeworfen. Gleichwohl stehen von der Katzbach bis zur Seine die Trophäen, wenn auch nicht in „Bronzesäulen“, welche die deutsche Großmuth auf der Place Vendome geschont hat, aber doch in der Erinnerung der noch Lebenden und der künftigen Jahrhunderte aufgestellt, welche die Thaten und die Siege bezeugen, durch die allein es möglich war, der deutschen Erde ihre alte Ehre zu retten, in Europa die einzige zu seyn, die nie ein fremdes Joch getragen! Oder verdienen diejenigen, welche damals als Männer, als Jünglinge und zum Theil als Knaben gefochten haben und nicht auf den Schlachtfeldern geblieben sind, verdienen sie den Tadel, den ihnen sofort nach jener Verkleinerung ihres Ruhmes gallischer Neid zusendet, daß sie nach dem Sieg und dem Frieden zu den unterbrochenen Studien mit Eifer zurückkehrten, verdienen sie den Vorwurf dieses litterarischen Putzmachers, daß sie ihr Heldenthum eines Tages alsobald am Studirpult vergessen hätten? Mag er, die schlechte Gesinnung in schlechter Metapher ausdrückend, ihnen nachsagen, sie hätten sich bemüht, „unter einem Dintenstrom den Blutstrom zu verbergen“, den sie hatten fließen gesehen, und mag seine verletzte Eitelkeit sich darin gefallen, die guten Streiche, welche damals die gallica levitas empfing, nachträglich mit absurder Rhetorik zu bezahlen – die edle Haltung, ja die Großartigkeit der Gesinnung, mit welcher von jenem Geschlecht die Thätigkeit in den Waffen auf die Zeit des Kampfes beschränkt und, wie der letzte Schlag geschehen, durch die verdoppelte Thätigkeit des Friedens ersetzt wurde, als gälte es die auf die Waffenübungen verwendete Zeit einzubringen, verliert nichts von der ihr inwohnenden Würde, daß Hr. Marmier nichts davon begreifen kann oder begreifen will. Nur ihm und andern seines Geistes ist es gegeben, die Heimgekehrten, die zu ihren Studien heimgekehrten Kriegsmänner, alsobald in so viele Federhelden, Duckmäuser und Broschürenschmiede zu verwandeln. Wir andern, Zeugen, zum Theil Theilnehmer der Ereignisse, haben die Gelehrten, welche an jenem Kampfe Theil nahmen, die Steffens, die Jahn, die Raumer, nach demselben nicht anders gesehen, als sie vor ihm waren, und die Jünglinge nach ihrer Heimkehr nicht auf dem litterarischen Trödel, sondern auf den Bänken der Gymnasien, in den Hörsälen der Universitäten, zum Theil zu den Füßen der Lehrer, in deren Gesellschaft sie gefochten hatten, wiedererblickt, umgeben von vielen jungen Männern des Militärs, die erst während des Kriegs und der Noth, und als der Hannibal vor den Thoren stand, die Nothwendigkeit und Heilsamkeit einer tiefern Einsicht und weitergehenden Bildung gefühlt hatten.</p><lb/> <p>Ist aber seitdem in Deutschland Waffenruhe gewesen, so geschah es nicht, weil indeß jener Geist in Traum und Nebel verdampft ist, wie man sich dort einbildet, sondern weil die leichtfertigen Nachbarn im Westen bis dahin bei der vor 27 Jahren empfangenen Lection sich selbst beruhigt und uns in Ruhe gelassen, oder weil sie nur mit Worten und Ergießungen politischer Habsucht oder nationaler Eitelkeit die Gränzmarken von Deutschland überschritten haben. Oder sollen wir ohne weiteres zu den Waffen greifen und sie zum Kampfe fordern, um nicht hinter den Großthaten von Antwerpen, Ancona, S. Ulloa und der Tafna zurückzubleiben, oder bloß um dem Hrn. Marmier keine Gelegenheit zu geben, uns des Mangels an Thaten anzuklagen und als ein Volk von Träumern und Broschürenschreibern darzustellen? Nur in Einem Fall würden wir den Tadel verdienen, wenn wir die Zeit des Friedens nicht benutzt hätten, um auf den Krieg vorbereitet zu bleiben, und wenn uns begegnet wäre, die fünfundzwanzigjährige Waffenruhe für den Anfang des ewigen Friedens wenigstens am Rhein und jenseits der Alpen zu halten. Glaubt aber Hr. Marmier das, so möchte der Beweis ihm schwer zu führen seyn. Oesterreich – und man weiß das in Frankreich sehr wohl, wenn auch nicht in den Bureaux des Hr. Marmier, doch in einem andern Bureau – steht gerüsteter als je und gedeckt durch mehr als eine Kette von Festungen ersten Ranges, die während des Friedens gebaut wurden, und von welchen die uneinnehmbar gewordenen Bollwerke der Alpen in Italien und an der deutschen Gränze flankirt werden. Nicht weniger gewappnet steht Preußen am Niederrhein, den es durch unvergleichliche Werke zum stärksten Bollwerk seiner Macht erhoben hat, mit einem Heer von 300,000 Mann, auf eine Landwehr von 900,000 gestützt, die aus lauter gedienten Soldaten besteht. Das sind keine Zeichen, daß man geträumt oder geschlafen. Will man Geist und Richtung einer Nation beurtheilen, will man wissen, ob sie handle oder träg sey, so darf man sich nicht auf ihre Studirstube beschränken, und läßt man gleichwohl die ganze Thätigkeit außer derselben aus den Augen, sieht man vor dem „Wald von Federn,“ mit dem hier eine vom Leipziger Meßkatalog erhitzte Phantasie dem Hr. Marmier statt mit der alten Hercynia sylva Deutschland bedeckt zeigt, nichts und wieder nichts von einer die großen Verhältnisse störenden oder ordnenden Thätigkeit, so hat man nur das Maaß seiner eigenen Beschränktheit und seine Unfähigkeit gegenüber fremden Zustände zu beurtheilen.</p><lb/> <p>Allerdings bietet Deutschland fortdauernd dem französischen Angriff eine schwache Seite von Basel bis Mainz, und wir sind weit entfernt zu verschweigen, was dort versäumt, oder zu verkennen, daß noch Vieles zu thun ist; die Heere aber der süddeutschen Staaten sind darum nicht weniger gerüstet, und werden noch in diesem Jahr Gelegenheit haben, ihre Waffenfähigkeit zu zeigen. In einem ernsten Kampf aber erscheinen sie überhaupt zunächst als Vorhut der österreichischen Macht. Man kennt in Wien so gut wie in Paris die Alternative, daß man von Seite Oesterreichs die vorliegenden Staaten von Bayern, Würtemberg und Baden bis hinab nach Nassau entweder als Bundesgenossen am Rhein zu vertheidigen, oder als Gegner mit den Franzosen am Inn zu bekämpfen hat, und die österreichischen Heere würden ebenso über Bregenz wie gegen Straßburg, wie über Alessandria gegen Lyon heranrücken, um den Stoß der französischen Waffen zu brechen, gesetzt auch, daß der Schwarzwald, und daß Rastadt noch nicht mit jenen Werken umgeben wären, welche die Vertheidigungslinie von Landau und Germersheim vollenden, und das südliche Deutschland vor den ersten Angriffen schützen würden. Ueber alles dieses sind die militärischen wie die politischen Behörden von Deutschland einig, und die öffentliche Meinung ist deßhalb beruhigt. Daß sie dieses seyn kann, ist der Erfolg einer weisen, beharrlichen, die Sicherheit des gemeinsamen deutschen Vaterlandes im Auge habenden Thätigkeit, vorzüglich der Großmächte von Deutschland, in deren Bewußtseyn und Erfolg ein jeder die Caricaturen deutscher Träumerei und Lässigkeit verlachen kann, mit welchen Hr. Marmier sich und seine leichtgläubigen Landsleute zu ergötzen oder zu ermuthigen sucht. Ist Deutschland, wie Hr. Marmier sagt, eine Spinne, die im Winkel ihres Hauses sitzt, so ist es eine Kreuzspinne der größten Art, und die Fäden des Netzes, die sie gesponnen hat, sind stark genug alle politischen Fliegen darin aufzufangen und festzuhalten, die etwa an dem Rhein hereinschwärmen und in ihr Gehäg eindringen möchten. Ja sieht man von der Zukunft auf die nächste Vergangenheit, was hat denn 1830 die enorme Kampflust der unerfahrenen Jugend in Frankreich zurückgehalten,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0770/0010]
sie an, aber setzt sie zunächst herab. Nur einige „unfruchtbare Palmen“ sind es gewesen, die dem Deutschen der Sieg von seinen Wagen zugeworfen. Gleichwohl stehen von der Katzbach bis zur Seine die Trophäen, wenn auch nicht in „Bronzesäulen“, welche die deutsche Großmuth auf der Place Vendome geschont hat, aber doch in der Erinnerung der noch Lebenden und der künftigen Jahrhunderte aufgestellt, welche die Thaten und die Siege bezeugen, durch die allein es möglich war, der deutschen Erde ihre alte Ehre zu retten, in Europa die einzige zu seyn, die nie ein fremdes Joch getragen! Oder verdienen diejenigen, welche damals als Männer, als Jünglinge und zum Theil als Knaben gefochten haben und nicht auf den Schlachtfeldern geblieben sind, verdienen sie den Tadel, den ihnen sofort nach jener Verkleinerung ihres Ruhmes gallischer Neid zusendet, daß sie nach dem Sieg und dem Frieden zu den unterbrochenen Studien mit Eifer zurückkehrten, verdienen sie den Vorwurf dieses litterarischen Putzmachers, daß sie ihr Heldenthum eines Tages alsobald am Studirpult vergessen hätten? Mag er, die schlechte Gesinnung in schlechter Metapher ausdrückend, ihnen nachsagen, sie hätten sich bemüht, „unter einem Dintenstrom den Blutstrom zu verbergen“, den sie hatten fließen gesehen, und mag seine verletzte Eitelkeit sich darin gefallen, die guten Streiche, welche damals die gallica levitas empfing, nachträglich mit absurder Rhetorik zu bezahlen – die edle Haltung, ja die Großartigkeit der Gesinnung, mit welcher von jenem Geschlecht die Thätigkeit in den Waffen auf die Zeit des Kampfes beschränkt und, wie der letzte Schlag geschehen, durch die verdoppelte Thätigkeit des Friedens ersetzt wurde, als gälte es die auf die Waffenübungen verwendete Zeit einzubringen, verliert nichts von der ihr inwohnenden Würde, daß Hr. Marmier nichts davon begreifen kann oder begreifen will. Nur ihm und andern seines Geistes ist es gegeben, die Heimgekehrten, die zu ihren Studien heimgekehrten Kriegsmänner, alsobald in so viele Federhelden, Duckmäuser und Broschürenschmiede zu verwandeln. Wir andern, Zeugen, zum Theil Theilnehmer der Ereignisse, haben die Gelehrten, welche an jenem Kampfe Theil nahmen, die Steffens, die Jahn, die Raumer, nach demselben nicht anders gesehen, als sie vor ihm waren, und die Jünglinge nach ihrer Heimkehr nicht auf dem litterarischen Trödel, sondern auf den Bänken der Gymnasien, in den Hörsälen der Universitäten, zum Theil zu den Füßen der Lehrer, in deren Gesellschaft sie gefochten hatten, wiedererblickt, umgeben von vielen jungen Männern des Militärs, die erst während des Kriegs und der Noth, und als der Hannibal vor den Thoren stand, die Nothwendigkeit und Heilsamkeit einer tiefern Einsicht und weitergehenden Bildung gefühlt hatten.
Ist aber seitdem in Deutschland Waffenruhe gewesen, so geschah es nicht, weil indeß jener Geist in Traum und Nebel verdampft ist, wie man sich dort einbildet, sondern weil die leichtfertigen Nachbarn im Westen bis dahin bei der vor 27 Jahren empfangenen Lection sich selbst beruhigt und uns in Ruhe gelassen, oder weil sie nur mit Worten und Ergießungen politischer Habsucht oder nationaler Eitelkeit die Gränzmarken von Deutschland überschritten haben. Oder sollen wir ohne weiteres zu den Waffen greifen und sie zum Kampfe fordern, um nicht hinter den Großthaten von Antwerpen, Ancona, S. Ulloa und der Tafna zurückzubleiben, oder bloß um dem Hrn. Marmier keine Gelegenheit zu geben, uns des Mangels an Thaten anzuklagen und als ein Volk von Träumern und Broschürenschreibern darzustellen? Nur in Einem Fall würden wir den Tadel verdienen, wenn wir die Zeit des Friedens nicht benutzt hätten, um auf den Krieg vorbereitet zu bleiben, und wenn uns begegnet wäre, die fünfundzwanzigjährige Waffenruhe für den Anfang des ewigen Friedens wenigstens am Rhein und jenseits der Alpen zu halten. Glaubt aber Hr. Marmier das, so möchte der Beweis ihm schwer zu führen seyn. Oesterreich – und man weiß das in Frankreich sehr wohl, wenn auch nicht in den Bureaux des Hr. Marmier, doch in einem andern Bureau – steht gerüsteter als je und gedeckt durch mehr als eine Kette von Festungen ersten Ranges, die während des Friedens gebaut wurden, und von welchen die uneinnehmbar gewordenen Bollwerke der Alpen in Italien und an der deutschen Gränze flankirt werden. Nicht weniger gewappnet steht Preußen am Niederrhein, den es durch unvergleichliche Werke zum stärksten Bollwerk seiner Macht erhoben hat, mit einem Heer von 300,000 Mann, auf eine Landwehr von 900,000 gestützt, die aus lauter gedienten Soldaten besteht. Das sind keine Zeichen, daß man geträumt oder geschlafen. Will man Geist und Richtung einer Nation beurtheilen, will man wissen, ob sie handle oder träg sey, so darf man sich nicht auf ihre Studirstube beschränken, und läßt man gleichwohl die ganze Thätigkeit außer derselben aus den Augen, sieht man vor dem „Wald von Federn,“ mit dem hier eine vom Leipziger Meßkatalog erhitzte Phantasie dem Hr. Marmier statt mit der alten Hercynia sylva Deutschland bedeckt zeigt, nichts und wieder nichts von einer die großen Verhältnisse störenden oder ordnenden Thätigkeit, so hat man nur das Maaß seiner eigenen Beschränktheit und seine Unfähigkeit gegenüber fremden Zustände zu beurtheilen.
Allerdings bietet Deutschland fortdauernd dem französischen Angriff eine schwache Seite von Basel bis Mainz, und wir sind weit entfernt zu verschweigen, was dort versäumt, oder zu verkennen, daß noch Vieles zu thun ist; die Heere aber der süddeutschen Staaten sind darum nicht weniger gerüstet, und werden noch in diesem Jahr Gelegenheit haben, ihre Waffenfähigkeit zu zeigen. In einem ernsten Kampf aber erscheinen sie überhaupt zunächst als Vorhut der österreichischen Macht. Man kennt in Wien so gut wie in Paris die Alternative, daß man von Seite Oesterreichs die vorliegenden Staaten von Bayern, Würtemberg und Baden bis hinab nach Nassau entweder als Bundesgenossen am Rhein zu vertheidigen, oder als Gegner mit den Franzosen am Inn zu bekämpfen hat, und die österreichischen Heere würden ebenso über Bregenz wie gegen Straßburg, wie über Alessandria gegen Lyon heranrücken, um den Stoß der französischen Waffen zu brechen, gesetzt auch, daß der Schwarzwald, und daß Rastadt noch nicht mit jenen Werken umgeben wären, welche die Vertheidigungslinie von Landau und Germersheim vollenden, und das südliche Deutschland vor den ersten Angriffen schützen würden. Ueber alles dieses sind die militärischen wie die politischen Behörden von Deutschland einig, und die öffentliche Meinung ist deßhalb beruhigt. Daß sie dieses seyn kann, ist der Erfolg einer weisen, beharrlichen, die Sicherheit des gemeinsamen deutschen Vaterlandes im Auge habenden Thätigkeit, vorzüglich der Großmächte von Deutschland, in deren Bewußtseyn und Erfolg ein jeder die Caricaturen deutscher Träumerei und Lässigkeit verlachen kann, mit welchen Hr. Marmier sich und seine leichtgläubigen Landsleute zu ergötzen oder zu ermuthigen sucht. Ist Deutschland, wie Hr. Marmier sagt, eine Spinne, die im Winkel ihres Hauses sitzt, so ist es eine Kreuzspinne der größten Art, und die Fäden des Netzes, die sie gesponnen hat, sind stark genug alle politischen Fliegen darin aufzufangen und festzuhalten, die etwa an dem Rhein hereinschwärmen und in ihr Gehäg eindringen möchten. Ja sieht man von der Zukunft auf die nächste Vergangenheit, was hat denn 1830 die enorme Kampflust der unerfahrenen Jugend in Frankreich zurückgehalten,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |