Allgemeine Zeitung. Nr. 110. Augsburg, 19. April 1840.Dieses von Werner generalisirte Bild der Unebenheiten der Erdoberfläche paßt allerdings auf manche Landstriche. Namentlich entsprechen demselben häufig die Thäler in den neuesten oder sogenannten tertiären Gebirgen; dasselbe ist aber auch bei verschiedenen größeren Unterbrechungen des Zusammenhangs deutlich ausgeprägt. So beobachtet man z. B., daß der Canal zwischen England und Frankreich aus Thalwänden besteht, in denen die nahezu wagerechten Schichten der Kreide einander gegenseitig entsprechen; vom Bosporus und mehreren Durchbrüchen der Art scheint dasselbe zu gelten. Aber diese Vorstellung ist offenbar auf die größeren Gebirge nicht anwendbar, ob man nun ihre allgemeine Form oder ihre innere Structur betrachtet. Unsere Alpen können als Typus der bei weitem meisten Gebirge der Erde dienen. Die Alpen streichen nun aber vom Mittelmeer bis nach Ungarn über 130 Meilen lang, bei verhältnißmäßig sehr geringer Breite, ununterbrochen fort, und sie steigen überall wie eine Mauer, mit steilem Abfall gegen Süden und gegen Norden, aus der Ebene auf. Schon dieses Dammartige der Gebirge widerspricht der Werner'schen Annahme; denn nach dieser müßte ja die ganze ungeheure Lücke zwischen den Gipfeln des Gebirgs und den anstoßenden Ebenen einst mit denselben Massen, aus denen das Gebirge selbst besteht, erfüllt gewesen seyn; die an den Alpen hoch aufgehobenen Flötzschichten z. B., und die ihnen etwa entsprechenden Glieder in den skandinavischen Hochgebirgen wären nur Reste einst zusammenhängender Flötze, und ganz Deutschland sammt den nördlichen Meeren nur ein vom Wasser wieder eingerissener Thalgrund. Aber noch stärker, unabweislicher wird der Widerspruch, wenn man den innern Bau des Gebirges betrachtet. Werners Voraussetzung, daß sämmtliche Schichten der Erdrinde im Großen nur in geringen Winkeln fallen, wird hier überall vom Augenschein widerlegt: sanfter Schichtenfall kommt hier gerade nur ausnahmsweise und local vor; fast alle Schichten zeigen sich durch die ganze Kette hindurch steil und senkrecht aufgerichtet, verbogen, zerknickt, übergestürzt. Es ist eine ganz allgemeine Beobachtung, daß die Schichten an beiden Abfällen da, wo das Gebirge anfängt, sich überall steil aufrichten und gegen das Innere des Gebirgs einfallen. Dieses Verhältniß, das in Hochgebirgen, wie den Alpen und den Pyrenäen, überall aufs augenfälligste entgegentritt, ist auch bei den meisten niedrigern Bergketten mehr oder weniger auffallend angedeutet. Ueberhaupt steigen die allermeisten Gebirge mit scharfen Gränzen aus der Ebene auf, und die langgestreckte Kettengestalt ist die gewöhnlichste Form derselben. Dabei sind aber volle drei Viertheile von Europa, und wahrscheinlich auch der andern Continente, allerdings aus nahezu wagerechten Schichten gebildet; das eben oder fast eben Hingestreckte nimmt überall, mit Ausnahme weniger Landstriche, unendlich mehr Raum ein, als das Emporgethürmte. Sänken alle Continente gleichmäßig nur um tausend Fuß, so erschienen sie alle als Inselgruppen in einer ungeheuern See; und der Grundunterschied zwischen neptunistischer und vulcanistischer Betrachtungsweise läuft im Allgemeinsten darauf hinaus, ob man die aus dem allgemeinen Niveau aufspringenden Dämme sich durchaus als Reste früherer, in der Höhe der Berge aufgeschichteter Wasserbildungen vorstellt, oder ob man sie als stehengebliebene Auftreibungen des geschichteten Meeresbodens mit vulcanischen Kernen begreift. Wenn sich aus dem Wasser niedergeschlagene Substanzen auf dem Grunde des Wassers aufhäufen, so müssen sie, wie auch der Boden gestaltet sey, nach den ewigen Gesetzen der Schwere eine Fläche bilden, welche von der Ebene des Horizonts nur wenig abweichen kann. Nun sind aber alle deutlich geschichteten Gebirgsglieder offenkundig nichts Anderes als mechanische Niederschläge aus dem Wasser; steil und senkrecht stehende Schichten können sich somit unmöglich in dieser Lage ursprünglich gebildet haben. Könnte darüber noch der geringste Zweifel obwalten, so würde er gleich durch die Betrachtung zerstreut, daß alle fremdartigen, in den Schichten eingeschlossenen Körper von bestimmter Figur darin immer genau so liegen, wie sie in der Voraussetzung der ursprünglich horizontalen Lagerung nach den mechanischen Gesetzen liegen müssen. Wo sich z. B. in senkrecht aufgestellten Schichten Muschelbänke finden, welche naturgemäß auf dem Meeresboden horizontal gelagert waren, wo Korallenstämme darin vorkommen, welche vertical wachsen mußten, da zeigen sich jene senkrecht, diese horizontal gestellt. Dasselbe gilt von den dünnen, scheibenförmigen Fragmenten älterer Gebirgsarten, welche häufig in jüngern Conglomeraten eingeschlossen sind: solche Stücke müssen sich im Schlamm, aus dem die Schicht ursprünglich bestand, nothwendig auf ihre breite Seite niedergelegt haben, und sie liegen auch immer der Auflagerungsfläche der Schichten parallel, ob nun letztere horizontal oder in irgend einem Winkel aufgerichtet sind. Der Annahme eines periodisch wiederholten Anschwellens und Zurückziehens der Gewässer über die ganze Erde, als Ursache der Bildung der Gebirge, widerspricht also die Structur dieser Gebirge im Großen, und noch mehr im Einzelnen, und der sinnliche Augenschein protestirt durchaus dagegen. Diese Hypothese empört überhaupt die Einbildungskraft, sofern es gar nicht begreiflich zu machen ist, wo jedesmal die ungeheure Wassermasse hergekommen und was wieder aus derselben geworden seyn soll. Die größte Schwierigkeit dabei bietet aber gerade der Punkt, der sichtbar Wernern zu seiner ganzen Theorie verführt hat. Er konnte sich nämlich nach den chemischen Begriffen seiner Zeit nicht überzeugen, daß die dichten, krystallinischen Gebirgsarten, welche überall die Unterlage der geschichteten bilden oder sich zwischen die letztern eindrängen, daß Granite, Porphyre, Grünsteine, Basalte erstarrte Producte der feurigen Auflösung, der Schmelzung seyen, wie von jeher die gemeine Vorstellung wenigstens von vielen derselben vorausgesetzt. Er erklärte sie durchaus für Krystallisationen aus dem Wasser. Diese Gesteine sind nun im jetzigen Meerwasser völlig unauflöslich; er mußte nichtsdestoweniger annehmen, daß einst ihre Elemente im allgemeinen Gewässer aufgelöst gewesen und sich aus demselben als Krystalle niedergeschlagen haben, und so blieb ihm nichts übrig, als ganz willkürlich den alten Meeren neben einer unendlich größern Masse eine ganz andere chemische Beschaffenheit zuzuschreiben, als dem heutigen zukommt. Es stand im nächsten Zusammenhang mit diesen Ideen, wenn Werner, wie schon oben erwähnt, alle Vulcane nur für große Erdbrände hielt, für Erscheinungen, welche mit der Erdbildung im Großen nichts zu schaffen haben. - Und dieß ist nun der Punkt, den nach ihm die Forschung zuerst berichtigt hat, und von dem aus sie schnell zu einem einfachern und der sinnlichen Anschauung entsprechenderen Begriff von der Bildung der Erdrinde zurückgekehrt ist. Es wurde erwiesen, daß die Vulcane die ältesten bekannten Gebirgsarten durchbrechen; es unterlag nicht länger einem Zweifel, daß die Erdbeben nur Symptome ihrer Wirksamkeit sind, und daß tief unter der Oberfläche die ausgedehnten Herde vulcanischer Thätigkeit liegen müssen. Die vulcanische Natur jener oben genannten Gebirgsarten, der Granite, Basalte u. s. w. ließ sich nicht länger verläugnen; auch protestirte die allermittelst fortgeschrittene Chemie nicht mehr dagegen, und die mannichfachsten Beobachtungen machten die Annahme unadweisbar, daß sich in allen Perioden der Erdbildung vulcanische Gebirgsarten aus dem Innern der Erde gewaltsam hervorgedrängt haben, Dieses von Werner generalisirte Bild der Unebenheiten der Erdoberfläche paßt allerdings auf manche Landstriche. Namentlich entsprechen demselben häufig die Thäler in den neuesten oder sogenannten tertiären Gebirgen; dasselbe ist aber auch bei verschiedenen größeren Unterbrechungen des Zusammenhangs deutlich ausgeprägt. So beobachtet man z. B., daß der Canal zwischen England und Frankreich aus Thalwänden besteht, in denen die nahezu wagerechten Schichten der Kreide einander gegenseitig entsprechen; vom Bosporus und mehreren Durchbrüchen der Art scheint dasselbe zu gelten. Aber diese Vorstellung ist offenbar auf die größeren Gebirge nicht anwendbar, ob man nun ihre allgemeine Form oder ihre innere Structur betrachtet. Unsere Alpen können als Typus der bei weitem meisten Gebirge der Erde dienen. Die Alpen streichen nun aber vom Mittelmeer bis nach Ungarn über 130 Meilen lang, bei verhältnißmäßig sehr geringer Breite, ununterbrochen fort, und sie steigen überall wie eine Mauer, mit steilem Abfall gegen Süden und gegen Norden, aus der Ebene auf. Schon dieses Dammartige der Gebirge widerspricht der Werner'schen Annahme; denn nach dieser müßte ja die ganze ungeheure Lücke zwischen den Gipfeln des Gebirgs und den anstoßenden Ebenen einst mit denselben Massen, aus denen das Gebirge selbst besteht, erfüllt gewesen seyn; die an den Alpen hoch aufgehobenen Flötzschichten z. B., und die ihnen etwa entsprechenden Glieder in den skandinavischen Hochgebirgen wären nur Reste einst zusammenhängender Flötze, und ganz Deutschland sammt den nördlichen Meeren nur ein vom Wasser wieder eingerissener Thalgrund. Aber noch stärker, unabweislicher wird der Widerspruch, wenn man den innern Bau des Gebirges betrachtet. Werners Voraussetzung, daß sämmtliche Schichten der Erdrinde im Großen nur in geringen Winkeln fallen, wird hier überall vom Augenschein widerlegt: sanfter Schichtenfall kommt hier gerade nur ausnahmsweise und local vor; fast alle Schichten zeigen sich durch die ganze Kette hindurch steil und senkrecht aufgerichtet, verbogen, zerknickt, übergestürzt. Es ist eine ganz allgemeine Beobachtung, daß die Schichten an beiden Abfällen da, wo das Gebirge anfängt, sich überall steil aufrichten und gegen das Innere des Gebirgs einfallen. Dieses Verhältniß, das in Hochgebirgen, wie den Alpen und den Pyrenäen, überall aufs augenfälligste entgegentritt, ist auch bei den meisten niedrigern Bergketten mehr oder weniger auffallend angedeutet. Ueberhaupt steigen die allermeisten Gebirge mit scharfen Gränzen aus der Ebene auf, und die langgestreckte Kettengestalt ist die gewöhnlichste Form derselben. Dabei sind aber volle drei Viertheile von Europa, und wahrscheinlich auch der andern Continente, allerdings aus nahezu wagerechten Schichten gebildet; das eben oder fast eben Hingestreckte nimmt überall, mit Ausnahme weniger Landstriche, unendlich mehr Raum ein, als das Emporgethürmte. Sänken alle Continente gleichmäßig nur um tausend Fuß, so erschienen sie alle als Inselgruppen in einer ungeheuern See; und der Grundunterschied zwischen neptunistischer und vulcanistischer Betrachtungsweise läuft im Allgemeinsten darauf hinaus, ob man die aus dem allgemeinen Niveau aufspringenden Dämme sich durchaus als Reste früherer, in der Höhe der Berge aufgeschichteter Wasserbildungen vorstellt, oder ob man sie als stehengebliebene Auftreibungen des geschichteten Meeresbodens mit vulcanischen Kernen begreift. Wenn sich aus dem Wasser niedergeschlagene Substanzen auf dem Grunde des Wassers aufhäufen, so müssen sie, wie auch der Boden gestaltet sey, nach den ewigen Gesetzen der Schwere eine Fläche bilden, welche von der Ebene des Horizonts nur wenig abweichen kann. Nun sind aber alle deutlich geschichteten Gebirgsglieder offenkundig nichts Anderes als mechanische Niederschläge aus dem Wasser; steil und senkrecht stehende Schichten können sich somit unmöglich in dieser Lage ursprünglich gebildet haben. Könnte darüber noch der geringste Zweifel obwalten, so würde er gleich durch die Betrachtung zerstreut, daß alle fremdartigen, in den Schichten eingeschlossenen Körper von bestimmter Figur darin immer genau so liegen, wie sie in der Voraussetzung der ursprünglich horizontalen Lagerung nach den mechanischen Gesetzen liegen müssen. Wo sich z. B. in senkrecht aufgestellten Schichten Muschelbänke finden, welche naturgemäß auf dem Meeresboden horizontal gelagert waren, wo Korallenstämme darin vorkommen, welche vertical wachsen mußten, da zeigen sich jene senkrecht, diese horizontal gestellt. Dasselbe gilt von den dünnen, scheibenförmigen Fragmenten älterer Gebirgsarten, welche häufig in jüngern Conglomeraten eingeschlossen sind: solche Stücke müssen sich im Schlamm, aus dem die Schicht ursprünglich bestand, nothwendig auf ihre breite Seite niedergelegt haben, und sie liegen auch immer der Auflagerungsfläche der Schichten parallel, ob nun letztere horizontal oder in irgend einem Winkel aufgerichtet sind. Der Annahme eines periodisch wiederholten Anschwellens und Zurückziehens der Gewässer über die ganze Erde, als Ursache der Bildung der Gebirge, widerspricht also die Structur dieser Gebirge im Großen, und noch mehr im Einzelnen, und der sinnliche Augenschein protestirt durchaus dagegen. Diese Hypothese empört überhaupt die Einbildungskraft, sofern es gar nicht begreiflich zu machen ist, wo jedesmal die ungeheure Wassermasse hergekommen und was wieder aus derselben geworden seyn soll. Die größte Schwierigkeit dabei bietet aber gerade der Punkt, der sichtbar Wernern zu seiner ganzen Theorie verführt hat. Er konnte sich nämlich nach den chemischen Begriffen seiner Zeit nicht überzeugen, daß die dichten, krystallinischen Gebirgsarten, welche überall die Unterlage der geschichteten bilden oder sich zwischen die letztern eindrängen, daß Granite, Porphyre, Grünsteine, Basalte erstarrte Producte der feurigen Auflösung, der Schmelzung seyen, wie von jeher die gemeine Vorstellung wenigstens von vielen derselben vorausgesetzt. Er erklärte sie durchaus für Krystallisationen aus dem Wasser. Diese Gesteine sind nun im jetzigen Meerwasser völlig unauflöslich; er mußte nichtsdestoweniger annehmen, daß einst ihre Elemente im allgemeinen Gewässer aufgelöst gewesen und sich aus demselben als Krystalle niedergeschlagen haben, und so blieb ihm nichts übrig, als ganz willkürlich den alten Meeren neben einer unendlich größern Masse eine ganz andere chemische Beschaffenheit zuzuschreiben, als dem heutigen zukommt. Es stand im nächsten Zusammenhang mit diesen Ideen, wenn Werner, wie schon oben erwähnt, alle Vulcane nur für große Erdbrände hielt, für Erscheinungen, welche mit der Erdbildung im Großen nichts zu schaffen haben. – Und dieß ist nun der Punkt, den nach ihm die Forschung zuerst berichtigt hat, und von dem aus sie schnell zu einem einfachern und der sinnlichen Anschauung entsprechenderen Begriff von der Bildung der Erdrinde zurückgekehrt ist. Es wurde erwiesen, daß die Vulcane die ältesten bekannten Gebirgsarten durchbrechen; es unterlag nicht länger einem Zweifel, daß die Erdbeben nur Symptome ihrer Wirksamkeit sind, und daß tief unter der Oberfläche die ausgedehnten Herde vulcanischer Thätigkeit liegen müssen. Die vulcanische Natur jener oben genannten Gebirgsarten, der Granite, Basalte u. s. w. ließ sich nicht länger verläugnen; auch protestirte die allermittelst fortgeschrittene Chemie nicht mehr dagegen, und die mannichfachsten Beobachtungen machten die Annahme unadweisbar, daß sich in allen Perioden der Erdbildung vulcanische Gebirgsarten aus dem Innern der Erde gewaltsam hervorgedrängt haben, <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0010" n="0874"/> <p>Dieses von Werner generalisirte Bild der Unebenheiten der Erdoberfläche paßt allerdings auf manche Landstriche. Namentlich entsprechen demselben häufig die Thäler in den neuesten oder sogenannten tertiären Gebirgen; dasselbe ist aber auch bei verschiedenen größeren Unterbrechungen des Zusammenhangs deutlich ausgeprägt. So beobachtet man z. B., daß der Canal zwischen England und Frankreich aus Thalwänden besteht, in denen die nahezu wagerechten Schichten der Kreide einander gegenseitig entsprechen; vom Bosporus und mehreren Durchbrüchen der Art scheint dasselbe zu gelten. Aber diese Vorstellung ist offenbar auf die größeren Gebirge nicht anwendbar, ob man nun ihre allgemeine Form oder ihre innere Structur betrachtet. Unsere Alpen können als Typus der bei weitem meisten Gebirge der Erde dienen. Die Alpen streichen nun aber vom Mittelmeer bis nach Ungarn über 130 Meilen lang, bei verhältnißmäßig sehr geringer Breite, ununterbrochen fort, und sie steigen überall wie eine Mauer, mit steilem Abfall gegen Süden und gegen Norden, aus der Ebene auf. Schon dieses Dammartige der Gebirge widerspricht der Werner'schen Annahme; denn nach dieser müßte ja die ganze ungeheure Lücke zwischen den Gipfeln des Gebirgs und den anstoßenden Ebenen einst mit denselben Massen, aus denen das Gebirge selbst besteht, erfüllt gewesen seyn; die an den Alpen hoch aufgehobenen Flötzschichten z. B., und die ihnen etwa entsprechenden Glieder in den skandinavischen Hochgebirgen wären nur Reste einst zusammenhängender Flötze, und ganz Deutschland sammt den nördlichen Meeren nur ein vom Wasser wieder eingerissener Thalgrund. Aber noch stärker, unabweislicher wird der Widerspruch, wenn man den innern Bau des Gebirges betrachtet. Werners Voraussetzung, daß sämmtliche Schichten der Erdrinde im Großen nur in geringen Winkeln fallen, wird hier überall vom Augenschein widerlegt: sanfter Schichtenfall kommt hier gerade nur ausnahmsweise und local vor; fast alle Schichten zeigen sich durch die ganze Kette hindurch steil und senkrecht aufgerichtet, verbogen, zerknickt, übergestürzt. Es ist eine ganz allgemeine Beobachtung, daß die Schichten an beiden Abfällen da, wo das Gebirge anfängt, sich überall steil aufrichten und gegen das Innere des Gebirgs einfallen. Dieses Verhältniß, das in Hochgebirgen, wie den Alpen und den Pyrenäen, überall aufs augenfälligste entgegentritt, ist auch bei den meisten niedrigern Bergketten mehr oder weniger auffallend angedeutet. Ueberhaupt steigen die allermeisten Gebirge mit scharfen Gränzen aus der Ebene auf, und die langgestreckte Kettengestalt ist die gewöhnlichste Form derselben. Dabei sind aber volle drei Viertheile von Europa, und wahrscheinlich auch der andern Continente, allerdings aus nahezu wagerechten Schichten gebildet; das eben oder fast eben Hingestreckte nimmt überall, mit Ausnahme weniger Landstriche, unendlich mehr Raum ein, als das Emporgethürmte. Sänken alle Continente gleichmäßig nur um tausend Fuß, so erschienen sie alle als Inselgruppen in einer ungeheuern See; und der Grundunterschied zwischen neptunistischer und vulcanistischer Betrachtungsweise läuft im Allgemeinsten darauf hinaus, ob man die aus dem allgemeinen Niveau aufspringenden Dämme sich durchaus als Reste früherer, in der Höhe der Berge aufgeschichteter Wasserbildungen vorstellt, oder ob man sie als stehengebliebene Auftreibungen des geschichteten Meeresbodens mit vulcanischen Kernen begreift.</p><lb/> <p>Wenn sich aus dem Wasser niedergeschlagene Substanzen auf dem Grunde des Wassers aufhäufen, so müssen sie, wie auch der Boden gestaltet sey, nach den ewigen Gesetzen der Schwere eine Fläche bilden, welche von der Ebene des Horizonts nur wenig abweichen kann. Nun sind aber alle deutlich geschichteten Gebirgsglieder offenkundig nichts Anderes als mechanische Niederschläge aus dem Wasser; steil und senkrecht stehende Schichten können sich somit unmöglich in dieser Lage ursprünglich gebildet haben. Könnte darüber noch der geringste Zweifel obwalten, so würde er gleich durch die Betrachtung zerstreut, daß alle fremdartigen, in den Schichten eingeschlossenen Körper von bestimmter Figur darin immer genau so liegen, wie sie in der Voraussetzung der ursprünglich horizontalen Lagerung nach den mechanischen Gesetzen liegen müssen. Wo sich z. B. in senkrecht aufgestellten Schichten Muschelbänke finden, welche naturgemäß auf dem Meeresboden horizontal gelagert waren, wo Korallenstämme darin vorkommen, welche vertical wachsen mußten, da zeigen sich jene senkrecht, diese horizontal gestellt. Dasselbe gilt von den dünnen, scheibenförmigen Fragmenten älterer Gebirgsarten, welche häufig in jüngern Conglomeraten eingeschlossen sind: solche Stücke müssen sich im Schlamm, aus dem die Schicht ursprünglich bestand, nothwendig auf ihre breite Seite niedergelegt haben, und sie liegen auch immer der Auflagerungsfläche der Schichten parallel, ob nun letztere horizontal oder in irgend einem Winkel aufgerichtet sind.</p><lb/> <p>Der Annahme eines periodisch wiederholten Anschwellens und Zurückziehens der Gewässer über die ganze Erde, als Ursache der Bildung der Gebirge, widerspricht also die Structur dieser Gebirge im Großen, und noch mehr im Einzelnen, und der sinnliche Augenschein protestirt durchaus dagegen. Diese Hypothese empört überhaupt die Einbildungskraft, sofern es gar nicht begreiflich zu machen ist, wo jedesmal die ungeheure Wassermasse hergekommen und was wieder aus derselben geworden seyn soll. Die größte Schwierigkeit dabei bietet aber gerade der Punkt, der sichtbar Wernern zu seiner ganzen Theorie verführt hat. Er konnte sich nämlich nach den chemischen Begriffen seiner Zeit nicht überzeugen, daß die dichten, krystallinischen Gebirgsarten, welche überall die Unterlage der geschichteten bilden oder sich zwischen die letztern eindrängen, daß Granite, Porphyre, Grünsteine, Basalte erstarrte Producte der feurigen Auflösung, der Schmelzung seyen, wie von jeher die gemeine Vorstellung wenigstens von vielen derselben vorausgesetzt. Er erklärte sie durchaus für Krystallisationen aus dem Wasser. Diese Gesteine sind nun im jetzigen Meerwasser völlig unauflöslich; er mußte nichtsdestoweniger annehmen, daß einst ihre Elemente im allgemeinen Gewässer aufgelöst gewesen und sich aus demselben als Krystalle niedergeschlagen haben, und so blieb ihm nichts übrig, als ganz willkürlich den alten Meeren neben einer unendlich größern Masse eine ganz andere chemische Beschaffenheit zuzuschreiben, als dem heutigen zukommt. Es stand im nächsten Zusammenhang mit diesen Ideen, wenn Werner, wie schon oben erwähnt, alle Vulcane nur für große Erdbrände hielt, für Erscheinungen, welche mit der Erdbildung im Großen nichts zu schaffen haben. – Und dieß ist nun der Punkt, den nach ihm die Forschung zuerst berichtigt hat, und von dem aus sie schnell zu einem einfachern und der sinnlichen Anschauung entsprechenderen Begriff von der Bildung der Erdrinde zurückgekehrt ist. Es wurde erwiesen, daß die Vulcane die ältesten bekannten Gebirgsarten durchbrechen; es unterlag nicht länger einem Zweifel, daß die Erdbeben nur Symptome ihrer Wirksamkeit sind, und daß tief unter der Oberfläche die ausgedehnten Herde vulcanischer Thätigkeit liegen müssen. Die vulcanische Natur jener oben genannten Gebirgsarten, der Granite, Basalte u. s. w. ließ sich nicht länger verläugnen; auch protestirte die allermittelst fortgeschrittene Chemie nicht mehr dagegen, und die mannichfachsten Beobachtungen machten die Annahme unadweisbar, daß sich in allen Perioden der Erdbildung vulcanische Gebirgsarten aus dem Innern der Erde gewaltsam hervorgedrängt haben,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0874/0010]
Dieses von Werner generalisirte Bild der Unebenheiten der Erdoberfläche paßt allerdings auf manche Landstriche. Namentlich entsprechen demselben häufig die Thäler in den neuesten oder sogenannten tertiären Gebirgen; dasselbe ist aber auch bei verschiedenen größeren Unterbrechungen des Zusammenhangs deutlich ausgeprägt. So beobachtet man z. B., daß der Canal zwischen England und Frankreich aus Thalwänden besteht, in denen die nahezu wagerechten Schichten der Kreide einander gegenseitig entsprechen; vom Bosporus und mehreren Durchbrüchen der Art scheint dasselbe zu gelten. Aber diese Vorstellung ist offenbar auf die größeren Gebirge nicht anwendbar, ob man nun ihre allgemeine Form oder ihre innere Structur betrachtet. Unsere Alpen können als Typus der bei weitem meisten Gebirge der Erde dienen. Die Alpen streichen nun aber vom Mittelmeer bis nach Ungarn über 130 Meilen lang, bei verhältnißmäßig sehr geringer Breite, ununterbrochen fort, und sie steigen überall wie eine Mauer, mit steilem Abfall gegen Süden und gegen Norden, aus der Ebene auf. Schon dieses Dammartige der Gebirge widerspricht der Werner'schen Annahme; denn nach dieser müßte ja die ganze ungeheure Lücke zwischen den Gipfeln des Gebirgs und den anstoßenden Ebenen einst mit denselben Massen, aus denen das Gebirge selbst besteht, erfüllt gewesen seyn; die an den Alpen hoch aufgehobenen Flötzschichten z. B., und die ihnen etwa entsprechenden Glieder in den skandinavischen Hochgebirgen wären nur Reste einst zusammenhängender Flötze, und ganz Deutschland sammt den nördlichen Meeren nur ein vom Wasser wieder eingerissener Thalgrund. Aber noch stärker, unabweislicher wird der Widerspruch, wenn man den innern Bau des Gebirges betrachtet. Werners Voraussetzung, daß sämmtliche Schichten der Erdrinde im Großen nur in geringen Winkeln fallen, wird hier überall vom Augenschein widerlegt: sanfter Schichtenfall kommt hier gerade nur ausnahmsweise und local vor; fast alle Schichten zeigen sich durch die ganze Kette hindurch steil und senkrecht aufgerichtet, verbogen, zerknickt, übergestürzt. Es ist eine ganz allgemeine Beobachtung, daß die Schichten an beiden Abfällen da, wo das Gebirge anfängt, sich überall steil aufrichten und gegen das Innere des Gebirgs einfallen. Dieses Verhältniß, das in Hochgebirgen, wie den Alpen und den Pyrenäen, überall aufs augenfälligste entgegentritt, ist auch bei den meisten niedrigern Bergketten mehr oder weniger auffallend angedeutet. Ueberhaupt steigen die allermeisten Gebirge mit scharfen Gränzen aus der Ebene auf, und die langgestreckte Kettengestalt ist die gewöhnlichste Form derselben. Dabei sind aber volle drei Viertheile von Europa, und wahrscheinlich auch der andern Continente, allerdings aus nahezu wagerechten Schichten gebildet; das eben oder fast eben Hingestreckte nimmt überall, mit Ausnahme weniger Landstriche, unendlich mehr Raum ein, als das Emporgethürmte. Sänken alle Continente gleichmäßig nur um tausend Fuß, so erschienen sie alle als Inselgruppen in einer ungeheuern See; und der Grundunterschied zwischen neptunistischer und vulcanistischer Betrachtungsweise läuft im Allgemeinsten darauf hinaus, ob man die aus dem allgemeinen Niveau aufspringenden Dämme sich durchaus als Reste früherer, in der Höhe der Berge aufgeschichteter Wasserbildungen vorstellt, oder ob man sie als stehengebliebene Auftreibungen des geschichteten Meeresbodens mit vulcanischen Kernen begreift.
Wenn sich aus dem Wasser niedergeschlagene Substanzen auf dem Grunde des Wassers aufhäufen, so müssen sie, wie auch der Boden gestaltet sey, nach den ewigen Gesetzen der Schwere eine Fläche bilden, welche von der Ebene des Horizonts nur wenig abweichen kann. Nun sind aber alle deutlich geschichteten Gebirgsglieder offenkundig nichts Anderes als mechanische Niederschläge aus dem Wasser; steil und senkrecht stehende Schichten können sich somit unmöglich in dieser Lage ursprünglich gebildet haben. Könnte darüber noch der geringste Zweifel obwalten, so würde er gleich durch die Betrachtung zerstreut, daß alle fremdartigen, in den Schichten eingeschlossenen Körper von bestimmter Figur darin immer genau so liegen, wie sie in der Voraussetzung der ursprünglich horizontalen Lagerung nach den mechanischen Gesetzen liegen müssen. Wo sich z. B. in senkrecht aufgestellten Schichten Muschelbänke finden, welche naturgemäß auf dem Meeresboden horizontal gelagert waren, wo Korallenstämme darin vorkommen, welche vertical wachsen mußten, da zeigen sich jene senkrecht, diese horizontal gestellt. Dasselbe gilt von den dünnen, scheibenförmigen Fragmenten älterer Gebirgsarten, welche häufig in jüngern Conglomeraten eingeschlossen sind: solche Stücke müssen sich im Schlamm, aus dem die Schicht ursprünglich bestand, nothwendig auf ihre breite Seite niedergelegt haben, und sie liegen auch immer der Auflagerungsfläche der Schichten parallel, ob nun letztere horizontal oder in irgend einem Winkel aufgerichtet sind.
Der Annahme eines periodisch wiederholten Anschwellens und Zurückziehens der Gewässer über die ganze Erde, als Ursache der Bildung der Gebirge, widerspricht also die Structur dieser Gebirge im Großen, und noch mehr im Einzelnen, und der sinnliche Augenschein protestirt durchaus dagegen. Diese Hypothese empört überhaupt die Einbildungskraft, sofern es gar nicht begreiflich zu machen ist, wo jedesmal die ungeheure Wassermasse hergekommen und was wieder aus derselben geworden seyn soll. Die größte Schwierigkeit dabei bietet aber gerade der Punkt, der sichtbar Wernern zu seiner ganzen Theorie verführt hat. Er konnte sich nämlich nach den chemischen Begriffen seiner Zeit nicht überzeugen, daß die dichten, krystallinischen Gebirgsarten, welche überall die Unterlage der geschichteten bilden oder sich zwischen die letztern eindrängen, daß Granite, Porphyre, Grünsteine, Basalte erstarrte Producte der feurigen Auflösung, der Schmelzung seyen, wie von jeher die gemeine Vorstellung wenigstens von vielen derselben vorausgesetzt. Er erklärte sie durchaus für Krystallisationen aus dem Wasser. Diese Gesteine sind nun im jetzigen Meerwasser völlig unauflöslich; er mußte nichtsdestoweniger annehmen, daß einst ihre Elemente im allgemeinen Gewässer aufgelöst gewesen und sich aus demselben als Krystalle niedergeschlagen haben, und so blieb ihm nichts übrig, als ganz willkürlich den alten Meeren neben einer unendlich größern Masse eine ganz andere chemische Beschaffenheit zuzuschreiben, als dem heutigen zukommt. Es stand im nächsten Zusammenhang mit diesen Ideen, wenn Werner, wie schon oben erwähnt, alle Vulcane nur für große Erdbrände hielt, für Erscheinungen, welche mit der Erdbildung im Großen nichts zu schaffen haben. – Und dieß ist nun der Punkt, den nach ihm die Forschung zuerst berichtigt hat, und von dem aus sie schnell zu einem einfachern und der sinnlichen Anschauung entsprechenderen Begriff von der Bildung der Erdrinde zurückgekehrt ist. Es wurde erwiesen, daß die Vulcane die ältesten bekannten Gebirgsarten durchbrechen; es unterlag nicht länger einem Zweifel, daß die Erdbeben nur Symptome ihrer Wirksamkeit sind, und daß tief unter der Oberfläche die ausgedehnten Herde vulcanischer Thätigkeit liegen müssen. Die vulcanische Natur jener oben genannten Gebirgsarten, der Granite, Basalte u. s. w. ließ sich nicht länger verläugnen; auch protestirte die allermittelst fortgeschrittene Chemie nicht mehr dagegen, und die mannichfachsten Beobachtungen machten die Annahme unadweisbar, daß sich in allen Perioden der Erdbildung vulcanische Gebirgsarten aus dem Innern der Erde gewaltsam hervorgedrängt haben,
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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