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Allgemeine Zeitung. Nr. 110. Augsburg, 19. April 1840.

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und daß sich alle Unebenheiten der Erdoberfläche im Großen, alle Erhebung des Landes über die See, gerade nur aus diesem Moment erklären.

Die herrschenden und leitenden Begriffe der neuern Geologie sind demnach folgende: sämmtliche geschichtete Gebirgsarten sind nach einander auf dem Boden des Meeres im Ganzen und Großen gerade so entstanden, wie sich noch jetzt daselbst aus dem Abfall des Landes, den die Flüsse in die See führen, oder den diese selbst von den Küsten abreißt, Lager von Sand, Thon und Kalk bilden, mit denen sich die Knochen und Gehäuse der im Meer wohnenden oder in dasselbe geschwemmten Geschöpfe vermischen. Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Stellen ist diese Steinkruste der Erde durch vulcanische Kräfte zersprengt und die Ränder der Spalten durch die austretenden vulcanischen Massen aufgetrieben oder in Stücken aufgehoben worden. Nach durchgreifender Erfahrung besteht daher die Längenachse aller Gebirge aus ungeschichteten, niemals Reste organischer Körper einschließenden, aus feurigem Fluß erstarrten Gesteinen, wie Granit, Sienit u. s. w., und alle, an diesen plutonischen Kern unter den verschiedensten Winkeln angelehnten, aus Wasser schon längst vorher gebildeten und meist Versteinerungen führenden Schichten sind emporgerissene Stücke des alten Meerbodens. Auf diese Weise ist überall das früher sogenannte Urgebirge nicht, wie in der rein neptunistischen Vorstellung, das präexistirende Gerippe, an das sich spätere, jüngere Bildungen anhängten, es ist im Gegentheil das zuletzt an die Oberfläche Getretene. - Vorausgesetzt, daß nicht alle Gebirge zugleich, sondern in der Zeit nach einander entstanden, leuchtet ein, daß immer je die ältern Auftreibungen des Meeresgrundes das Material lieferten, aus dem das Meer und die Flüsse auf dem Boden der See und vorzüglich rings um das jedesmalige Festland neue, jüngere Schichten zusammensetzten, bis auch diese ihrerseits theilweise durch neue Ausbrüche über das Wasser gehoben wurden. Wir sehen somit in den Gebirgen und überhaupt im festen Land, wie es gebildet daliegt, nichts vor uns als Stücke der successiven Niederschläge des Meers, welche in verschiedenen Zeiten durch unterirdische Kräfte emporgerückt worden. Es ergibt sich damit von selbst, daß ein Gebirg desto jünger seyn muß, je mehr und je jüngere Schichten es an seinen Flanken verrückt oder mit sich emporgehoben hat, und umgekehrt desto älter, je ältere Flötzglieder sammt den darüber gelagerten in ungestörter, wagerechter Lagerung zu Füßen des Gebirges liegen. Man sieht sogleich, daß mit diesem Begriff auch die Voraussetzungen Werners hinsichtlich der Masse und der auflösenden Kraft des alten Oceans beseitigt sind: die allgemeine Flüssigkeit kann nach Niveau und chemischer Beschaffenheit von jeher im Wesentlichen dieselbe gewesen seyn wie jetzt.

Die Erhebung der Gebirge durch vulcanische Kräfte ist, wie wir im vorigen Briefe gesehen, der Gedanke, der sich seit dem Alterthum so vielen Beobachtern durch den sinnlichen Augenschein aufdrängte. Aber wirklich wissenschaftlich gefaßt und begründet konnte er erst in der neuesten Zeit werden, und dieß wurde vorzüglich nur durch Werners umfassende und geniale Leistungen möglich. Seine Synthese ist ein kolossaler Fehlschluß, aber seine analytischen Arbeiten sind die feste Grundlage aller neuern Gebirgsforschung, und sein großer Schüler brauchte nur, auf letzterer fußend, sich von jener loszumachen, um allerdings, wie Goethe sagt, die Welt geologisch auf den Kopf zu stellen, aber eben damit die von jeher geahnte Naturwahrheit zur wissenschaftlichen Ueberzeugung zu erheben.

(Fortsetzung folgt.)

Die Lage der Engländer in Indien.

Alle Berichte aus Indien, namentlich die aus den Hauptstädten, sprechen eine unbestimmte Besorgniß über den jetzigen Stand der Dinge aus, und je weniger die Mehrzahl der Berichterstatter den ganzen Zusammenhang der innern und äußern Politik der ostindischen Compagnie zu überschauen vermag, desto mehr hängen sich die Besorgnisse an einzelne Gegenstände, die bei näherer Besichtigung sich als keineswegs so furchtbar zeigen. Wenn aber auch die Besorgnisse vor einzelnen, bestimmt bezeichneten Feinden sich auf diese Weise beschwichtigen lassen, so fühlt man doch unwillkürlich, daß man auf einem hohlen Boden wandelt, und daß Englands Macht auf keinem Punkte einen wesentlichen Unfall erleiden darf, wenn nicht allenthalben die Feinde wach werden sollen. Es ist in den angloindischen Blättern viel von russischen Intriguen die Rede, die an mehreren Punkten thätig seyn sollen, und nachstehender Vorfall mag bis zu einem gewissen Punkte diese Gerüchte erklären. Vor etwa zehn Jahren erschien in Bombay mit einem Mal ein gewisser Graf Barowski, ein vollendeter Reiter, Fechter und Zeichner, gewandt in vielen Sprachen, und mit der Bildung und dem Benehmen eines Mannes von Welt. Er gab sich für einen verbannten Polen aus, der im Kampfe mit Rußland sein Vermögen verloren habe, und trug auch stets eine heftige Erbitterung gegen Rußland zur Schau. Diese Erscheinung gab damals viel zu reden: einige hielten ihn für einen Betrüger, andere für einen Spionen, sein Benehmen und seine Gewandtheit aber gaben ihm Eintritt in jede Gesellschaft, und die Keckheit, mit der er bei einigen Beleidigungen den Handschuh aufnahm, sicherte seine Stellung. Obgleich er sich für einen zu Grunde gerichteten Verbannten ausgab, so schien es ihm doch nie an Geld zu fehlen: er trieb sich bald da, bald dort herum, nahm alles in Augenschein, war der Landessprache völlig kundig, ging unter dem Vorwand, eine Magnanerie zu betreiben, nach Punah, wo er sich bald in den militärischen Cirkeln so heimisch machte, wie in Bombay. Kurze Zeit darauf aber gab er seine Seidenspeculation wieder auf, ging nach Bombay zurück, und von da nach Persien mit der ausgesprochenen Absicht, diesem Lande seine Dienste gegen Rußland anzubieten: man findet ihn nach einigen Jahren als Oberst, dann als General in persischen Diensten, wo er bei einem Sturm auf Herat verwundet wurde. Diese und einige ähnliche Erscheinungen haben manche angloindische Blätter zu dem Glauben verleitet, es bestehe gleichsam ein russisches Comite in Indien, welches das Benehmen der einheimischen Fürsten leite. So übertrieben und unwahrscheinlich auch eine solche Idee ist, so muß man doch gestehen, daß die indischen Fürsten gegen England ein Benehmen beobachten, das unter den vorwaltenden Umständen nicht feindseliger und nachtheiliger seyn könnte. Bald da, bald dort brechen kleine Unruhen aus, irgend ein einzelner Fürst erhebt das Haupt, und wenn endlich die Engländer kommen, so ist zwar die Kriegsarbeit bald gethan, aber man stößt auf feindliche Verabredungen, denen man nicht einmal recht nachspüren darf, wenn man sich nicht in ein Labyrinth verlieren will. Das auffallendste Beispiel der Art war im vorigen Jahre der Radscha von Kurnul, ein Fürst, der aus eigenen Mitteln keine tausend Mann hätte unterhalten können, und bei dem man Kriegsvorräthe für mehr als hunderttausend Mann fand. Eine Andeutung über die Verzweigung der hier zu Grund liegenden Verschwörung gibt die Verhaftung eines Prinzen von Heiderabad. Der Nizam dieses Landes ist ein weichlicher, durchaus unfähiger Fürst, sein Bruder aber, Schireddaulah, soll ein rüstiger Fechter seyn, der vielleicht im Trüben fischen und bei einer Verwirrung in Südindien

und daß sich alle Unebenheiten der Erdoberfläche im Großen, alle Erhebung des Landes über die See, gerade nur aus diesem Moment erklären.

Die herrschenden und leitenden Begriffe der neuern Geologie sind demnach folgende: sämmtliche geschichtete Gebirgsarten sind nach einander auf dem Boden des Meeres im Ganzen und Großen gerade so entstanden, wie sich noch jetzt daselbst aus dem Abfall des Landes, den die Flüsse in die See führen, oder den diese selbst von den Küsten abreißt, Lager von Sand, Thon und Kalk bilden, mit denen sich die Knochen und Gehäuse der im Meer wohnenden oder in dasselbe geschwemmten Geschöpfe vermischen. Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Stellen ist diese Steinkruste der Erde durch vulcanische Kräfte zersprengt und die Ränder der Spalten durch die austretenden vulcanischen Massen aufgetrieben oder in Stücken aufgehoben worden. Nach durchgreifender Erfahrung besteht daher die Längenachse aller Gebirge aus ungeschichteten, niemals Reste organischer Körper einschließenden, aus feurigem Fluß erstarrten Gesteinen, wie Granit, Sienit u. s. w., und alle, an diesen plutonischen Kern unter den verschiedensten Winkeln angelehnten, aus Wasser schon längst vorher gebildeten und meist Versteinerungen führenden Schichten sind emporgerissene Stücke des alten Meerbodens. Auf diese Weise ist überall das früher sogenannte Urgebirge nicht, wie in der rein neptunistischen Vorstellung, das präexistirende Gerippe, an das sich spätere, jüngere Bildungen anhängten, es ist im Gegentheil das zuletzt an die Oberfläche Getretene. – Vorausgesetzt, daß nicht alle Gebirge zugleich, sondern in der Zeit nach einander entstanden, leuchtet ein, daß immer je die ältern Auftreibungen des Meeresgrundes das Material lieferten, aus dem das Meer und die Flüsse auf dem Boden der See und vorzüglich rings um das jedesmalige Festland neue, jüngere Schichten zusammensetzten, bis auch diese ihrerseits theilweise durch neue Ausbrüche über das Wasser gehoben wurden. Wir sehen somit in den Gebirgen und überhaupt im festen Land, wie es gebildet daliegt, nichts vor uns als Stücke der successiven Niederschläge des Meers, welche in verschiedenen Zeiten durch unterirdische Kräfte emporgerückt worden. Es ergibt sich damit von selbst, daß ein Gebirg desto jünger seyn muß, je mehr und je jüngere Schichten es an seinen Flanken verrückt oder mit sich emporgehoben hat, und umgekehrt desto älter, je ältere Flötzglieder sammt den darüber gelagerten in ungestörter, wagerechter Lagerung zu Füßen des Gebirges liegen. Man sieht sogleich, daß mit diesem Begriff auch die Voraussetzungen Werners hinsichtlich der Masse und der auflösenden Kraft des alten Oceans beseitigt sind: die allgemeine Flüssigkeit kann nach Niveau und chemischer Beschaffenheit von jeher im Wesentlichen dieselbe gewesen seyn wie jetzt.

Die Erhebung der Gebirge durch vulcanische Kräfte ist, wie wir im vorigen Briefe gesehen, der Gedanke, der sich seit dem Alterthum so vielen Beobachtern durch den sinnlichen Augenschein aufdrängte. Aber wirklich wissenschaftlich gefaßt und begründet konnte er erst in der neuesten Zeit werden, und dieß wurde vorzüglich nur durch Werners umfassende und geniale Leistungen möglich. Seine Synthese ist ein kolossaler Fehlschluß, aber seine analytischen Arbeiten sind die feste Grundlage aller neuern Gebirgsforschung, und sein großer Schüler brauchte nur, auf letzterer fußend, sich von jener loszumachen, um allerdings, wie Goethe sagt, die Welt geologisch auf den Kopf zu stellen, aber eben damit die von jeher geahnte Naturwahrheit zur wissenschaftlichen Ueberzeugung zu erheben.

(Fortsetzung folgt.)

Die Lage der Engländer in Indien.

Alle Berichte aus Indien, namentlich die aus den Hauptstädten, sprechen eine unbestimmte Besorgniß über den jetzigen Stand der Dinge aus, und je weniger die Mehrzahl der Berichterstatter den ganzen Zusammenhang der innern und äußern Politik der ostindischen Compagnie zu überschauen vermag, desto mehr hängen sich die Besorgnisse an einzelne Gegenstände, die bei näherer Besichtigung sich als keineswegs so furchtbar zeigen. Wenn aber auch die Besorgnisse vor einzelnen, bestimmt bezeichneten Feinden sich auf diese Weise beschwichtigen lassen, so fühlt man doch unwillkürlich, daß man auf einem hohlen Boden wandelt, und daß Englands Macht auf keinem Punkte einen wesentlichen Unfall erleiden darf, wenn nicht allenthalben die Feinde wach werden sollen. Es ist in den angloindischen Blättern viel von russischen Intriguen die Rede, die an mehreren Punkten thätig seyn sollen, und nachstehender Vorfall mag bis zu einem gewissen Punkte diese Gerüchte erklären. Vor etwa zehn Jahren erschien in Bombay mit einem Mal ein gewisser Graf Barowski, ein vollendeter Reiter, Fechter und Zeichner, gewandt in vielen Sprachen, und mit der Bildung und dem Benehmen eines Mannes von Welt. Er gab sich für einen verbannten Polen aus, der im Kampfe mit Rußland sein Vermögen verloren habe, und trug auch stets eine heftige Erbitterung gegen Rußland zur Schau. Diese Erscheinung gab damals viel zu reden: einige hielten ihn für einen Betrüger, andere für einen Spionen, sein Benehmen und seine Gewandtheit aber gaben ihm Eintritt in jede Gesellschaft, und die Keckheit, mit der er bei einigen Beleidigungen den Handschuh aufnahm, sicherte seine Stellung. Obgleich er sich für einen zu Grunde gerichteten Verbannten ausgab, so schien es ihm doch nie an Geld zu fehlen: er trieb sich bald da, bald dort herum, nahm alles in Augenschein, war der Landessprache völlig kundig, ging unter dem Vorwand, eine Magnanerie zu betreiben, nach Punah, wo er sich bald in den militärischen Cirkeln so heimisch machte, wie in Bombay. Kurze Zeit darauf aber gab er seine Seidenspeculation wieder auf, ging nach Bombay zurück, und von da nach Persien mit der ausgesprochenen Absicht, diesem Lande seine Dienste gegen Rußland anzubieten: man findet ihn nach einigen Jahren als Oberst, dann als General in persischen Diensten, wo er bei einem Sturm auf Herat verwundet wurde. Diese und einige ähnliche Erscheinungen haben manche angloindische Blätter zu dem Glauben verleitet, es bestehe gleichsam ein russisches Comité in Indien, welches das Benehmen der einheimischen Fürsten leite. So übertrieben und unwahrscheinlich auch eine solche Idee ist, so muß man doch gestehen, daß die indischen Fürsten gegen England ein Benehmen beobachten, das unter den vorwaltenden Umständen nicht feindseliger und nachtheiliger seyn könnte. Bald da, bald dort brechen kleine Unruhen aus, irgend ein einzelner Fürst erhebt das Haupt, und wenn endlich die Engländer kommen, so ist zwar die Kriegsarbeit bald gethan, aber man stößt auf feindliche Verabredungen, denen man nicht einmal recht nachspüren darf, wenn man sich nicht in ein Labyrinth verlieren will. Das auffallendste Beispiel der Art war im vorigen Jahre der Radscha von Kurnul, ein Fürst, der aus eigenen Mitteln keine tausend Mann hätte unterhalten können, und bei dem man Kriegsvorräthe für mehr als hunderttausend Mann fand. Eine Andeutung über die Verzweigung der hier zu Grund liegenden Verschwörung gibt die Verhaftung eines Prinzen von Heiderabad. Der Nizam dieses Landes ist ein weichlicher, durchaus unfähiger Fürst, sein Bruder aber, Schireddaulah, soll ein rüstiger Fechter seyn, der vielleicht im Trüben fischen und bei einer Verwirrung in Südindien

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[0875/0011] und daß sich alle Unebenheiten der Erdoberfläche im Großen, alle Erhebung des Landes über die See, gerade nur aus diesem Moment erklären. Die herrschenden und leitenden Begriffe der neuern Geologie sind demnach folgende: sämmtliche geschichtete Gebirgsarten sind nach einander auf dem Boden des Meeres im Ganzen und Großen gerade so entstanden, wie sich noch jetzt daselbst aus dem Abfall des Landes, den die Flüsse in die See führen, oder den diese selbst von den Küsten abreißt, Lager von Sand, Thon und Kalk bilden, mit denen sich die Knochen und Gehäuse der im Meer wohnenden oder in dasselbe geschwemmten Geschöpfe vermischen. Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Stellen ist diese Steinkruste der Erde durch vulcanische Kräfte zersprengt und die Ränder der Spalten durch die austretenden vulcanischen Massen aufgetrieben oder in Stücken aufgehoben worden. Nach durchgreifender Erfahrung besteht daher die Längenachse aller Gebirge aus ungeschichteten, niemals Reste organischer Körper einschließenden, aus feurigem Fluß erstarrten Gesteinen, wie Granit, Sienit u. s. w., und alle, an diesen plutonischen Kern unter den verschiedensten Winkeln angelehnten, aus Wasser schon längst vorher gebildeten und meist Versteinerungen führenden Schichten sind emporgerissene Stücke des alten Meerbodens. Auf diese Weise ist überall das früher sogenannte Urgebirge nicht, wie in der rein neptunistischen Vorstellung, das präexistirende Gerippe, an das sich spätere, jüngere Bildungen anhängten, es ist im Gegentheil das zuletzt an die Oberfläche Getretene. – Vorausgesetzt, daß nicht alle Gebirge zugleich, sondern in der Zeit nach einander entstanden, leuchtet ein, daß immer je die ältern Auftreibungen des Meeresgrundes das Material lieferten, aus dem das Meer und die Flüsse auf dem Boden der See und vorzüglich rings um das jedesmalige Festland neue, jüngere Schichten zusammensetzten, bis auch diese ihrerseits theilweise durch neue Ausbrüche über das Wasser gehoben wurden. Wir sehen somit in den Gebirgen und überhaupt im festen Land, wie es gebildet daliegt, nichts vor uns als Stücke der successiven Niederschläge des Meers, welche in verschiedenen Zeiten durch unterirdische Kräfte emporgerückt worden. Es ergibt sich damit von selbst, daß ein Gebirg desto jünger seyn muß, je mehr und je jüngere Schichten es an seinen Flanken verrückt oder mit sich emporgehoben hat, und umgekehrt desto älter, je ältere Flötzglieder sammt den darüber gelagerten in ungestörter, wagerechter Lagerung zu Füßen des Gebirges liegen. Man sieht sogleich, daß mit diesem Begriff auch die Voraussetzungen Werners hinsichtlich der Masse und der auflösenden Kraft des alten Oceans beseitigt sind: die allgemeine Flüssigkeit kann nach Niveau und chemischer Beschaffenheit von jeher im Wesentlichen dieselbe gewesen seyn wie jetzt. Die Erhebung der Gebirge durch vulcanische Kräfte ist, wie wir im vorigen Briefe gesehen, der Gedanke, der sich seit dem Alterthum so vielen Beobachtern durch den sinnlichen Augenschein aufdrängte. Aber wirklich wissenschaftlich gefaßt und begründet konnte er erst in der neuesten Zeit werden, und dieß wurde vorzüglich nur durch Werners umfassende und geniale Leistungen möglich. Seine Synthese ist ein kolossaler Fehlschluß, aber seine analytischen Arbeiten sind die feste Grundlage aller neuern Gebirgsforschung, und sein großer Schüler brauchte nur, auf letzterer fußend, sich von jener loszumachen, um allerdings, wie Goethe sagt, die Welt geologisch auf den Kopf zu stellen, aber eben damit die von jeher geahnte Naturwahrheit zur wissenschaftlichen Ueberzeugung zu erheben. (Fortsetzung folgt.) Die Lage der Engländer in Indien. Alle Berichte aus Indien, namentlich die aus den Hauptstädten, sprechen eine unbestimmte Besorgniß über den jetzigen Stand der Dinge aus, und je weniger die Mehrzahl der Berichterstatter den ganzen Zusammenhang der innern und äußern Politik der ostindischen Compagnie zu überschauen vermag, desto mehr hängen sich die Besorgnisse an einzelne Gegenstände, die bei näherer Besichtigung sich als keineswegs so furchtbar zeigen. Wenn aber auch die Besorgnisse vor einzelnen, bestimmt bezeichneten Feinden sich auf diese Weise beschwichtigen lassen, so fühlt man doch unwillkürlich, daß man auf einem hohlen Boden wandelt, und daß Englands Macht auf keinem Punkte einen wesentlichen Unfall erleiden darf, wenn nicht allenthalben die Feinde wach werden sollen. Es ist in den angloindischen Blättern viel von russischen Intriguen die Rede, die an mehreren Punkten thätig seyn sollen, und nachstehender Vorfall mag bis zu einem gewissen Punkte diese Gerüchte erklären. Vor etwa zehn Jahren erschien in Bombay mit einem Mal ein gewisser Graf Barowski, ein vollendeter Reiter, Fechter und Zeichner, gewandt in vielen Sprachen, und mit der Bildung und dem Benehmen eines Mannes von Welt. Er gab sich für einen verbannten Polen aus, der im Kampfe mit Rußland sein Vermögen verloren habe, und trug auch stets eine heftige Erbitterung gegen Rußland zur Schau. Diese Erscheinung gab damals viel zu reden: einige hielten ihn für einen Betrüger, andere für einen Spionen, sein Benehmen und seine Gewandtheit aber gaben ihm Eintritt in jede Gesellschaft, und die Keckheit, mit der er bei einigen Beleidigungen den Handschuh aufnahm, sicherte seine Stellung. Obgleich er sich für einen zu Grunde gerichteten Verbannten ausgab, so schien es ihm doch nie an Geld zu fehlen: er trieb sich bald da, bald dort herum, nahm alles in Augenschein, war der Landessprache völlig kundig, ging unter dem Vorwand, eine Magnanerie zu betreiben, nach Punah, wo er sich bald in den militärischen Cirkeln so heimisch machte, wie in Bombay. Kurze Zeit darauf aber gab er seine Seidenspeculation wieder auf, ging nach Bombay zurück, und von da nach Persien mit der ausgesprochenen Absicht, diesem Lande seine Dienste gegen Rußland anzubieten: man findet ihn nach einigen Jahren als Oberst, dann als General in persischen Diensten, wo er bei einem Sturm auf Herat verwundet wurde. Diese und einige ähnliche Erscheinungen haben manche angloindische Blätter zu dem Glauben verleitet, es bestehe gleichsam ein russisches Comité in Indien, welches das Benehmen der einheimischen Fürsten leite. So übertrieben und unwahrscheinlich auch eine solche Idee ist, so muß man doch gestehen, daß die indischen Fürsten gegen England ein Benehmen beobachten, das unter den vorwaltenden Umständen nicht feindseliger und nachtheiliger seyn könnte. Bald da, bald dort brechen kleine Unruhen aus, irgend ein einzelner Fürst erhebt das Haupt, und wenn endlich die Engländer kommen, so ist zwar die Kriegsarbeit bald gethan, aber man stößt auf feindliche Verabredungen, denen man nicht einmal recht nachspüren darf, wenn man sich nicht in ein Labyrinth verlieren will. Das auffallendste Beispiel der Art war im vorigen Jahre der Radscha von Kurnul, ein Fürst, der aus eigenen Mitteln keine tausend Mann hätte unterhalten können, und bei dem man Kriegsvorräthe für mehr als hunderttausend Mann fand. Eine Andeutung über die Verzweigung der hier zu Grund liegenden Verschwörung gibt die Verhaftung eines Prinzen von Heiderabad. Der Nizam dieses Landes ist ein weichlicher, durchaus unfähiger Fürst, sein Bruder aber, Schireddaulah, soll ein rüstiger Fechter seyn, der vielleicht im Trüben fischen und bei einer Verwirrung in Südindien

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 110. Augsburg, 19. April 1840, S. 0875. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_110_18400419/11>, abgerufen am 29.04.2024.