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Allgemeine Zeitung. Nr. 118. Augsburg, 27. April 1840.

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und peremptorisches Begehren um Abhülfe ward erst gestellt, als die leidenden englischen Kaufleute sich bitter beklagt, und an die öffentliche Meinung appellirt hatten. Dann allerdings gerieth die Melbourne'sche Regierung in Allarm. Dann sprach und drohte und rüstete sie. Mittlerweile hatte aber auch die neapolitanische Regierung gesehen, daß die Angelegenheiten China's und Aegyptens, die erneuerte feindselige Stimmung Persiens und, schlimmer als Alles, die wachsende Schärfe und Bitterkeit der Streitigkeiten in Nordamerika, die Königin von England behelligten. Unterdessen hatte sich ferner die eifersüchtige Eitelkeit, der persönliche Murrsinn unsers auswärtigen Amtes in der beleidigenden Sprache gegen den König beider Sicilien verrathen, der Groll und Trotz zeigte, als er Englands Aufforderungen erhielt - und die Früchte dieser Transactionen sieht man jetzt in einem directen Befehl an den brittischen Admiral, die neapolitanischen Schiffe und Ladungen wegzunehmen und sie den brittischen Admiralitätshöfen zur Adjudication zu überliefern! Welche Wirkung ferner haben diese Zänkereien mit China und Neapel auf unsre Verhältnisse zu Mehemed Ali geäußert? Das Ultimatum Lord Palmerstons, nämlich das peremtorische Verlangen, die türkische Flotte zurückzugeben, ward, als es bekannt wurde, daß wir in andere ähnliche unentwirrbare Streitigkeiten verflochten seyen, von dem Pascha verlacht; der brittische Consul verläßt Alexandria, und wir befinden uns dem Wesen nach im Kriegszustand mit Aegypten. Man richte den Blick nun nach jenseits des atlantischen Meeres. Die diplomatische Correspondenz zwischen Hrn. Fox und der republicanischen Regierung hat seit einigen Monaten ein immer bedrohlicheres Ansehen gewonnen. Wie der Streit mit China, Neapel, Aegypten, so ist jener beklagenswerthe Streit mit Nordamerika zu drohendem Kriege gereift aus der skandalösen Nachlässigkeit Lord Palmerstons, der das fast vollendete Werk seines Amtsvorfahrs niederriß; denn wäre Lord Palmerston den Vereinigten Staaten gegenüber auf dem Halten ihres Contracts und auf der Annahme des Schiedsspruches des Königs von Holland bestanden, so würde diese allen Friedliebenden in beiden Ländern so furchtbare Frage ruhig beigelegt und beiderseits längst vergessen seyn. Wie indessen jetzt die Sachen stehen, darf uns kein noch so gerechter Tadel gegen einen Minister zur Mißachtung der Rechte, der Ehre und der Interessen unsers Landes verleiten. Die Frage ist: sollen wir unsere nordamerikanischen Provinzen behalten? Die Straße, durch die allein die sechs Wintermonate hindurch England die physische Möglichkeit besitzt, mit Quebec, der Hauptstadt des brittischen Nordamerika's zu verkehren - diese Straße, die sich von St. Johns und Frederickton in Neubraunschweig längs dem südwestlichen Ufer des St. Johns River an den St. Lorenz erstreckt, sucht beharrlich der Staat Maine in Besitz zu nehmen, zusammt einem Gebiete von 100 Meilen nördlich besagter Straße und Flusses. Die directe Folge solch' einer Beraubung Großbritanniens wäre, daß ihm aller unabhängige Verkehr mit seinen canadischen Provinzen abgeschnitten, dadurch aber der Verlust von nahezu der Hälfte Neubraunschweigs, so wie die eventuelle und leichte Eroberung des übrigen Theils von Neubraunschweig und Neuschottland, zusammt dem Hafen von Halifax, dem schönsten an der Westküste des atlantischen Meeres, herbeigeführt würde. Wofern wir daher nicht bereit sind, ganz brittisch Nordamerika zu opfern, so sind wir verpflichtet, diesem Verlangen der Vereinigten Staaten Widerstand zu leisten vi et armis. Hr. Van Buren hat kürzlich durch den Staatssecretär Forsyth gemeinsame Sache mit Maine gemacht. Wenn daher keine Partei nachgibt - und wir haben bereits die unvermeidliche Folge eines Nachgebens von Seite Großbritanniens gezeigt - so bleibt uns nichts übrig als den 12 oder 14,000 Mann regulärer Infanterie unter den Befehlen Sir R. Jacksons mächtige Verstärkungen zukommen zu lassen, und das Heer durch eine starke Abtheilung der Flotte Englands zu unterstützen. Solche Vertheidigungsmaaßregeln vertragen sich mit dem ungeheuchelten Wunsche, die erste Gelegenheit zu Erneuerung der Freundschaft mit unsern unbilligen Brüdern der Vereinigten Staaten zu ergreifen.

Frankreich.

(Moniteur.) Mehrere Journale haben gemeldet, daß Frankreich England seine Vermittelung in der Angelegenheit, welche die Cabinette von London und Neapel trennt, angeboten habe. Diese Nachricht ist richtig. Es ist ganz wahr, wie sie gesagt haben, daß diese Vermittelung von Frankreich angeboten und von England angenommen ward, daß die Feindseligkeiten während des Laufs der Unterhandlungen suspendirt werden sollen, und daß ein Dampfboot von Toulon abgegangen ist, um dem König von Neapel ein ähnliches Anerbieten zu machen.

In der Sitzung der Akademie der Wissenschaften am 19 April ward Hr. Leopold v. Buch an die Stelle des verewigten Blumenbach zum auswärtigen Mitglied der Akademie ernannt.

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 21 April folgte bei Erörterung des Rentenentwurfs auf Hrn. Dupin Hr. Garnier Pages, der gleich Anfangs gegen Hrn. Dupin bemerkte, daß er nur denen, die wissen, wie Millionen geschaffen werden, das Recht zuerkenne, sich mit Fragen, die Millionen betreffen, zu beschäftigen. Hr. Garnier Pages durchging alle Meinungsphasen der verschiedenen Ministerien über die Conversion und schien zu fürchten, daß auch das gegenwärtige Ministerium keinen besonders starken Willen für diese Maaßregel haben möchte. Er wisse wohl, sagte er, daß der Handelsminister ein Anhänger derselben sey, besorge aber, daß das übrige Cabinet und unter andern der Conseilpräsident von dessen Ueberzeugung nicht sehr durchdrungen sey. Hr. Thiers gab hierauf dem Hrn. Garnier Pages in kurzer Rede volle Beruhigung. Er glaubt, wie letzterer, man müsse diese Sache endlich zum Ziel bringen, und das einzige Mittel dazu sey, die Conversion zu votiren. Er habe niemals das Recht des Staats geläugnet, und schon 1835 gesagt: "Dieß ist eine harte, aber gerechte Maaßregel." Seine Opposition habe damals nur die Opportunität betroffen. Jetzt sey es nach dem von den Kammern ausgedrückten Wunsche Sache ihrer Würde, darauf zu beharren; er schließe sich ihrer Würde an. Da überdieß das Recht vorhanden sey, so sey es auch Pflicht des Staats, Gebrauch davon zu machen, wenn dieß die Umstände erlauben. Das Recht anerkennen, ohne sich dessen zu bedienen, hieße eine Ungerechtigkeit gegen die Steuerpflichtigen begehen, der er sich nicht beigesellen könne. Inzwischen wolle er sich damit nicht ohne weitere Rücksicht verpflichten. Er glaube wohl, daß die Ereignisse die Vollziehung der Maaßregel gestatten werden; wolle man aber aus dem Votum des Gesetzes ein gebieterisches Mandat für das Ministerium machen, so müsse er dieses ablehnen. Man habe von dem Ernst der Ereignisse von 1838 gesprochen. Die gegenwärtige Lage erscheine ihm noch ernster. Er hoffe, daß im Innern, trotz der beklagenswerthen Theurung der Lebensmittel, kein bedeutendes Ereigniß dem Willen des Cabinets entgegentreten werde; hauptsächlich habe er aber dabei die auswärtige Frage im Auge; als Schutzwächter der Würde Frankreichs müsse das Cabinet mögliche Verlegenheiten verhüten. Träten solche ein, so würde das Cabinet unter seiner Verantwortlichkeit die Vollziehung einer Maaßregel vorschieben,

und peremptorisches Begehren um Abhülfe ward erst gestellt, als die leidenden englischen Kaufleute sich bitter beklagt, und an die öffentliche Meinung appellirt hatten. Dann allerdings gerieth die Melbourne'sche Regierung in Allarm. Dann sprach und drohte und rüstete sie. Mittlerweile hatte aber auch die neapolitanische Regierung gesehen, daß die Angelegenheiten China's und Aegyptens, die erneuerte feindselige Stimmung Persiens und, schlimmer als Alles, die wachsende Schärfe und Bitterkeit der Streitigkeiten in Nordamerika, die Königin von England behelligten. Unterdessen hatte sich ferner die eifersüchtige Eitelkeit, der persönliche Murrsinn unsers auswärtigen Amtes in der beleidigenden Sprache gegen den König beider Sicilien verrathen, der Groll und Trotz zeigte, als er Englands Aufforderungen erhielt – und die Früchte dieser Transactionen sieht man jetzt in einem directen Befehl an den brittischen Admiral, die neapolitanischen Schiffe und Ladungen wegzunehmen und sie den brittischen Admiralitätshöfen zur Adjudication zu überliefern! Welche Wirkung ferner haben diese Zänkereien mit China und Neapel auf unsre Verhältnisse zu Mehemed Ali geäußert? Das Ultimatum Lord Palmerstons, nämlich das peremtorische Verlangen, die türkische Flotte zurückzugeben, ward, als es bekannt wurde, daß wir in andere ähnliche unentwirrbare Streitigkeiten verflochten seyen, von dem Pascha verlacht; der brittische Consul verläßt Alexandria, und wir befinden uns dem Wesen nach im Kriegszustand mit Aegypten. Man richte den Blick nun nach jenseits des atlantischen Meeres. Die diplomatische Correspondenz zwischen Hrn. Fox und der republicanischen Regierung hat seit einigen Monaten ein immer bedrohlicheres Ansehen gewonnen. Wie der Streit mit China, Neapel, Aegypten, so ist jener beklagenswerthe Streit mit Nordamerika zu drohendem Kriege gereift aus der skandalösen Nachlässigkeit Lord Palmerstons, der das fast vollendete Werk seines Amtsvorfahrs niederriß; denn wäre Lord Palmerston den Vereinigten Staaten gegenüber auf dem Halten ihres Contracts und auf der Annahme des Schiedsspruches des Königs von Holland bestanden, so würde diese allen Friedliebenden in beiden Ländern so furchtbare Frage ruhig beigelegt und beiderseits längst vergessen seyn. Wie indessen jetzt die Sachen stehen, darf uns kein noch so gerechter Tadel gegen einen Minister zur Mißachtung der Rechte, der Ehre und der Interessen unsers Landes verleiten. Die Frage ist: sollen wir unsere nordamerikanischen Provinzen behalten? Die Straße, durch die allein die sechs Wintermonate hindurch England die physische Möglichkeit besitzt, mit Quebec, der Hauptstadt des brittischen Nordamerika's zu verkehren – diese Straße, die sich von St. Johns und Frederickton in Neubraunschweig längs dem südwestlichen Ufer des St. Johns River an den St. Lorenz erstreckt, sucht beharrlich der Staat Maine in Besitz zu nehmen, zusammt einem Gebiete von 100 Meilen nördlich besagter Straße und Flusses. Die directe Folge solch' einer Beraubung Großbritanniens wäre, daß ihm aller unabhängige Verkehr mit seinen canadischen Provinzen abgeschnitten, dadurch aber der Verlust von nahezu der Hälfte Neubraunschweigs, so wie die eventuelle und leichte Eroberung des übrigen Theils von Neubraunschweig und Neuschottland, zusammt dem Hafen von Halifax, dem schönsten an der Westküste des atlantischen Meeres, herbeigeführt würde. Wofern wir daher nicht bereit sind, ganz brittisch Nordamerika zu opfern, so sind wir verpflichtet, diesem Verlangen der Vereinigten Staaten Widerstand zu leisten vi et armis. Hr. Van Buren hat kürzlich durch den Staatssecretär Forsyth gemeinsame Sache mit Maine gemacht. Wenn daher keine Partei nachgibt – und wir haben bereits die unvermeidliche Folge eines Nachgebens von Seite Großbritanniens gezeigt – so bleibt uns nichts übrig als den 12 oder 14,000 Mann regulärer Infanterie unter den Befehlen Sir R. Jacksons mächtige Verstärkungen zukommen zu lassen, und das Heer durch eine starke Abtheilung der Flotte Englands zu unterstützen. Solche Vertheidigungsmaaßregeln vertragen sich mit dem ungeheuchelten Wunsche, die erste Gelegenheit zu Erneuerung der Freundschaft mit unsern unbilligen Brüdern der Vereinigten Staaten zu ergreifen.

Frankreich.

(Moniteur.) Mehrere Journale haben gemeldet, daß Frankreich England seine Vermittelung in der Angelegenheit, welche die Cabinette von London und Neapel trennt, angeboten habe. Diese Nachricht ist richtig. Es ist ganz wahr, wie sie gesagt haben, daß diese Vermittelung von Frankreich angeboten und von England angenommen ward, daß die Feindseligkeiten während des Laufs der Unterhandlungen suspendirt werden sollen, und daß ein Dampfboot von Toulon abgegangen ist, um dem König von Neapel ein ähnliches Anerbieten zu machen.

In der Sitzung der Akademie der Wissenschaften am 19 April ward Hr. Leopold v. Buch an die Stelle des verewigten Blumenbach zum auswärtigen Mitglied der Akademie ernannt.

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 21 April folgte bei Erörterung des Rentenentwurfs auf Hrn. Dupin Hr. Garnier Pagès, der gleich Anfangs gegen Hrn. Dupin bemerkte, daß er nur denen, die wissen, wie Millionen geschaffen werden, das Recht zuerkenne, sich mit Fragen, die Millionen betreffen, zu beschäftigen. Hr. Garnier Pagès durchging alle Meinungsphasen der verschiedenen Ministerien über die Conversion und schien zu fürchten, daß auch das gegenwärtige Ministerium keinen besonders starken Willen für diese Maaßregel haben möchte. Er wisse wohl, sagte er, daß der Handelsminister ein Anhänger derselben sey, besorge aber, daß das übrige Cabinet und unter andern der Conseilpräsident von dessen Ueberzeugung nicht sehr durchdrungen sey. Hr. Thiers gab hierauf dem Hrn. Garnier Pagès in kurzer Rede volle Beruhigung. Er glaubt, wie letzterer, man müsse diese Sache endlich zum Ziel bringen, und das einzige Mittel dazu sey, die Conversion zu votiren. Er habe niemals das Recht des Staats geläugnet, und schon 1835 gesagt: „Dieß ist eine harte, aber gerechte Maaßregel.“ Seine Opposition habe damals nur die Opportunität betroffen. Jetzt sey es nach dem von den Kammern ausgedrückten Wunsche Sache ihrer Würde, darauf zu beharren; er schließe sich ihrer Würde an. Da überdieß das Recht vorhanden sey, so sey es auch Pflicht des Staats, Gebrauch davon zu machen, wenn dieß die Umstände erlauben. Das Recht anerkennen, ohne sich dessen zu bedienen, hieße eine Ungerechtigkeit gegen die Steuerpflichtigen begehen, der er sich nicht beigesellen könne. Inzwischen wolle er sich damit nicht ohne weitere Rücksicht verpflichten. Er glaube wohl, daß die Ereignisse die Vollziehung der Maaßregel gestatten werden; wolle man aber aus dem Votum des Gesetzes ein gebieterisches Mandat für das Ministerium machen, so müsse er dieses ablehnen. Man habe von dem Ernst der Ereignisse von 1838 gesprochen. Die gegenwärtige Lage erscheine ihm noch ernster. Er hoffe, daß im Innern, trotz der beklagenswerthen Theurung der Lebensmittel, kein bedeutendes Ereigniß dem Willen des Cabinets entgegentreten werde; hauptsächlich habe er aber dabei die auswärtige Frage im Auge; als Schutzwächter der Würde Frankreichs müsse das Cabinet mögliche Verlegenheiten verhüten. Träten solche ein, so würde das Cabinet unter seiner Verantwortlichkeit die Vollziehung einer Maaßregel vorschieben,

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[0938/0002] und peremptorisches Begehren um Abhülfe ward erst gestellt, als die leidenden englischen Kaufleute sich bitter beklagt, und an die öffentliche Meinung appellirt hatten. Dann allerdings gerieth die Melbourne'sche Regierung in Allarm. Dann sprach und drohte und rüstete sie. Mittlerweile hatte aber auch die neapolitanische Regierung gesehen, daß die Angelegenheiten China's und Aegyptens, die erneuerte feindselige Stimmung Persiens und, schlimmer als Alles, die wachsende Schärfe und Bitterkeit der Streitigkeiten in Nordamerika, die Königin von England behelligten. Unterdessen hatte sich ferner die eifersüchtige Eitelkeit, der persönliche Murrsinn unsers auswärtigen Amtes in der beleidigenden Sprache gegen den König beider Sicilien verrathen, der Groll und Trotz zeigte, als er Englands Aufforderungen erhielt – und die Früchte dieser Transactionen sieht man jetzt in einem directen Befehl an den brittischen Admiral, die neapolitanischen Schiffe und Ladungen wegzunehmen und sie den brittischen Admiralitätshöfen zur Adjudication zu überliefern! Welche Wirkung ferner haben diese Zänkereien mit China und Neapel auf unsre Verhältnisse zu Mehemed Ali geäußert? Das Ultimatum Lord Palmerstons, nämlich das peremtorische Verlangen, die türkische Flotte zurückzugeben, ward, als es bekannt wurde, daß wir in andere ähnliche unentwirrbare Streitigkeiten verflochten seyen, von dem Pascha verlacht; der brittische Consul verläßt Alexandria, und wir befinden uns dem Wesen nach im Kriegszustand mit Aegypten. Man richte den Blick nun nach jenseits des atlantischen Meeres. Die diplomatische Correspondenz zwischen Hrn. Fox und der republicanischen Regierung hat seit einigen Monaten ein immer bedrohlicheres Ansehen gewonnen. Wie der Streit mit China, Neapel, Aegypten, so ist jener beklagenswerthe Streit mit Nordamerika zu drohendem Kriege gereift aus der skandalösen Nachlässigkeit Lord Palmerstons, der das fast vollendete Werk seines Amtsvorfahrs niederriß; denn wäre Lord Palmerston den Vereinigten Staaten gegenüber auf dem Halten ihres Contracts und auf der Annahme des Schiedsspruches des Königs von Holland bestanden, so würde diese allen Friedliebenden in beiden Ländern so furchtbare Frage ruhig beigelegt und beiderseits längst vergessen seyn. Wie indessen jetzt die Sachen stehen, darf uns kein noch so gerechter Tadel gegen einen Minister zur Mißachtung der Rechte, der Ehre und der Interessen unsers Landes verleiten. Die Frage ist: sollen wir unsere nordamerikanischen Provinzen behalten? Die Straße, durch die allein die sechs Wintermonate hindurch England die physische Möglichkeit besitzt, mit Quebec, der Hauptstadt des brittischen Nordamerika's zu verkehren – diese Straße, die sich von St. Johns und Frederickton in Neubraunschweig längs dem südwestlichen Ufer des St. Johns River an den St. Lorenz erstreckt, sucht beharrlich der Staat Maine in Besitz zu nehmen, zusammt einem Gebiete von 100 Meilen nördlich besagter Straße und Flusses. Die directe Folge solch' einer Beraubung Großbritanniens wäre, daß ihm aller unabhängige Verkehr mit seinen canadischen Provinzen abgeschnitten, dadurch aber der Verlust von nahezu der Hälfte Neubraunschweigs, so wie die eventuelle und leichte Eroberung des übrigen Theils von Neubraunschweig und Neuschottland, zusammt dem Hafen von Halifax, dem schönsten an der Westküste des atlantischen Meeres, herbeigeführt würde. Wofern wir daher nicht bereit sind, ganz brittisch Nordamerika zu opfern, so sind wir verpflichtet, diesem Verlangen der Vereinigten Staaten Widerstand zu leisten vi et armis. Hr. Van Buren hat kürzlich durch den Staatssecretär Forsyth gemeinsame Sache mit Maine gemacht. Wenn daher keine Partei nachgibt – und wir haben bereits die unvermeidliche Folge eines Nachgebens von Seite Großbritanniens gezeigt – so bleibt uns nichts übrig als den 12 oder 14,000 Mann regulärer Infanterie unter den Befehlen Sir R. Jacksons mächtige Verstärkungen zukommen zu lassen, und das Heer durch eine starke Abtheilung der Flotte Englands zu unterstützen. Solche Vertheidigungsmaaßregeln vertragen sich mit dem ungeheuchelten Wunsche, die erste Gelegenheit zu Erneuerung der Freundschaft mit unsern unbilligen Brüdern der Vereinigten Staaten zu ergreifen. Frankreich. _ Paris, 22 April. (Moniteur.) Mehrere Journale haben gemeldet, daß Frankreich England seine Vermittelung in der Angelegenheit, welche die Cabinette von London und Neapel trennt, angeboten habe. Diese Nachricht ist richtig. Es ist ganz wahr, wie sie gesagt haben, daß diese Vermittelung von Frankreich angeboten und von England angenommen ward, daß die Feindseligkeiten während des Laufs der Unterhandlungen suspendirt werden sollen, und daß ein Dampfboot von Toulon abgegangen ist, um dem König von Neapel ein ähnliches Anerbieten zu machen. In der Sitzung der Akademie der Wissenschaften am 19 April ward Hr. Leopold v. Buch an die Stelle des verewigten Blumenbach zum auswärtigen Mitglied der Akademie ernannt. In der Sitzung der Deputirtenkammer am 21 April folgte bei Erörterung des Rentenentwurfs auf Hrn. Dupin Hr. Garnier Pagès, der gleich Anfangs gegen Hrn. Dupin bemerkte, daß er nur denen, die wissen, wie Millionen geschaffen werden, das Recht zuerkenne, sich mit Fragen, die Millionen betreffen, zu beschäftigen. Hr. Garnier Pagès durchging alle Meinungsphasen der verschiedenen Ministerien über die Conversion und schien zu fürchten, daß auch das gegenwärtige Ministerium keinen besonders starken Willen für diese Maaßregel haben möchte. Er wisse wohl, sagte er, daß der Handelsminister ein Anhänger derselben sey, besorge aber, daß das übrige Cabinet und unter andern der Conseilpräsident von dessen Ueberzeugung nicht sehr durchdrungen sey. Hr. Thiers gab hierauf dem Hrn. Garnier Pagès in kurzer Rede volle Beruhigung. Er glaubt, wie letzterer, man müsse diese Sache endlich zum Ziel bringen, und das einzige Mittel dazu sey, die Conversion zu votiren. Er habe niemals das Recht des Staats geläugnet, und schon 1835 gesagt: „Dieß ist eine harte, aber gerechte Maaßregel.“ Seine Opposition habe damals nur die Opportunität betroffen. Jetzt sey es nach dem von den Kammern ausgedrückten Wunsche Sache ihrer Würde, darauf zu beharren; er schließe sich ihrer Würde an. Da überdieß das Recht vorhanden sey, so sey es auch Pflicht des Staats, Gebrauch davon zu machen, wenn dieß die Umstände erlauben. Das Recht anerkennen, ohne sich dessen zu bedienen, hieße eine Ungerechtigkeit gegen die Steuerpflichtigen begehen, der er sich nicht beigesellen könne. Inzwischen wolle er sich damit nicht ohne weitere Rücksicht verpflichten. Er glaube wohl, daß die Ereignisse die Vollziehung der Maaßregel gestatten werden; wolle man aber aus dem Votum des Gesetzes ein gebieterisches Mandat für das Ministerium machen, so müsse er dieses ablehnen. Man habe von dem Ernst der Ereignisse von 1838 gesprochen. Die gegenwärtige Lage erscheine ihm noch ernster. Er hoffe, daß im Innern, trotz der beklagenswerthen Theurung der Lebensmittel, kein bedeutendes Ereigniß dem Willen des Cabinets entgegentreten werde; hauptsächlich habe er aber dabei die auswärtige Frage im Auge; als Schutzwächter der Würde Frankreichs müsse das Cabinet mögliche Verlegenheiten verhüten. Träten solche ein, so würde das Cabinet unter seiner Verantwortlichkeit die Vollziehung einer Maaßregel vorschieben,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 118. Augsburg, 27. April 1840, S. 0938. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_118_18400427/2>, abgerufen am 29.04.2024.