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Allgemeine Zeitung. Nr. 119. Augsburg, 28. April 1840.

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Frankreich Gelegenheit zu verschaffen, mit den übrigen Hand in Hand zu gehen. Nicht nur hier, sondern auch in Rußland war der Eindruck des Regierungswechsels in Frankreich die Veranlassung zu Aussöhnungsversuchen. Wir sahen, wie Hr. v. Pahlen, sobald die Kunde dieses Ereignisses nach St. Petersburg kam, sich in Bewegung setzte, um seinen verlassenen Posten wieder einzunehmen, wir sahen wie der gereizte Ton, der bis dahin in den zwischen Paris und St. Petersburg gepflogenen Communicationen vorgeherrscht hatte, plötzlich einen mildern Charakter annahm, und sich endlich in eine so versöhnliche Stimmung auflöste, daß man sich beiderseits wegen unvordenklicher Beleidigungen entschuldigte, wie unter andern die Erläuterungen und übertriebenen Apologien des Tagsbefehls von Borodino uns noch vor wenigen Tagen in nicht geringes Erstaunen versetzten. Auch Preußen schien durch Thiers' Ernennung zum Conseilpräsidenten eher angenehm als unangenehm berührt zu seyn, und wenn Oesterreich eine unverkennbare Gleichgültigkeit bei diesem Wechsel an den Tag legte, so frohlockte um so sorgloser in unmotivirter Freude die Pforte. Nicht minder ward das Ereigniß in Alexandrien gefeiert, und Mehemed Ali, der doch offenbar aus der Sprache des neuen französischen Premiers nicht die günstigen Deductionen für sich ziehen konnte, die ihm unter Soult erlaubt seyn mußten, begrüßte die neue Gestaltung der Dinge mit aufrichtig gemeinter oder berechneter Freude. Nur die 221 spieen Gift und Flamme gegen das "parlamentarische" Ministerium und verschworen sich zu dessen Unterminirung, zu dessen Verderben. Es ist nicht meine Sache, die Mittel, deren sie sich zu diesem Zwecke bedienten, aufzuführen, noch eine Geschichte ihrer Bestrebungen zu liefern, jetzt wo sie zersprengt und völlig aus dem Felde geschlagen sind. Auch hier zeigte sich, wie verderblich der kleinliche Ehrgeiz einiger Wenigen wirkte, indem man eine kostbare Zeit mit Unterhandlungen verlor und den rechten Augenblick bereits versäumt hatte, als endlich dem Hrn. v. Mole das Portefeuille des Aeußern, dem Marschall Soult der Vorsitz im Ministerrath angetragen wurde. Man täuschte sich gewaltig, bis man nach dieser langen Transaction des Ehrgeizes das Ministerium Thiers als nicht reif zum Sturz erklärte und sich aufs Zuwarten verstand, bis der rechte Zeitpunkt gekommen wäre. Dieser aber war schon vorüber, und dürfte nicht leicht wieder kommen; die Anwartschaft der HH. Soult und Mole ist auf die Zukunft verwiesen, auf ein Ereigniß, dessen mögliches Eintreffen, was man auch darüber sagen mag, Hrn. Thiers gewiß nicht mit sonderlicher Unruhe erfüllen wird. Aber noch von einer andern Seite ward ein Versuch gegen Thiers gemacht: hier leitete Hr. Duchatel die Bewegungen und die drei Schreiben, die er an Hrn. Guizot richtete, um ihn zu bestimmen, seinen Posten in London aufzugeben und gegen das "parlamentarische" Princip ins Feld zu rücken, wurden durch drei andere Briefe des Herzogs von Broglie an den neuen französischen Botschafter am Hofe zu St. James dermaßen neutralisirt, daß sich Hr. Guizot zu der bekannten Juste-Milieu-Erklärung veranlaßt fand, er wolle ruhig und aufmerksam dem neuen Gang der Dinge zusehen, und erst dann nach Paris eilen, wenn dieser Gang sich als verderblich für das constitutionelle Frankreich zeigen sollte. So trugen im Innern die Umstände zur Consolidation des Thiersschen Ministeriums ohne Zuthun des letztern bei. In den äußern Verhältnissen jedoch gewahrte man bald unter den Mächten eine gewaltige Oscillation, der eben sobald eine rasche Bewegung nach den früheren Positionen folgte. Man überzeugte sich, daß nicht die geringste Veranlassung zur Feier des 1 März vorhanden war; und wem noch jetzt darüber ein Zweifel bleibt, der recapitulire die am 14 April in der französischen Pairskammer von Hrn. Thiers gemachten Aeußerungen. Sie sind Kinder derselben Politik, die Soult im Widerspruche mit der früher zur Schau gestellten in den letzten Monaten seines Ministeriums befolgte, Palinodien französischer Staatsnoten aus demselben Zeitraum, gegen welche, wenn nicht mit gleichem Effect, doch gewiß mit gleichem Grund dieselbe berühmte Rede wiederholt werden dürfte, die so viel zum Sturze des letzten Ministeriums beigetragen hatte. Leise trat Thiers im Anfang auf und suchte die Meinung, die man von ihm hegte, zu bestärken. Man traute ihm halb und halb, wurde jedoch aufgescheucht durch eine wie wohlmeinende Belehrung klingende Aeußerung des Hrn. Thiers in der zweiten diplomatischen Communication, die er mit unserm Cabinette pflog. Hier suchte der französische Minister die Meinung geltend zu machen, daß die Wiedervereinigung Syriens mit dem osmanischen Reiche, weit entfernt, diesem neue Kraft zuzuführen, vielmehr die Pforte schwächen müßte. Man sah ein, daß auch Hr. Thiers eine ganz andere Idee als die übrigen Mächte mit dem Ausdrucke "Integrität" verbinde, und glaubte, dieselbe Vorsicht gegen das neue Cabinet anwenden zu müssen, die man früher gegen das Soult'sche befolgte. So beurtheile ich den jetzigen Stand der Dinge und theile Ihnen zum Belege Folgendes mit. Seit der Ankunft Nuri Effendi's in London fanden mehrere Berathungen zwischen ihm, Lord Palmerston und den Repräsentanten von drei andern Großmächten statt. Guizot war nicht zugegen. In diesen Berathungen ward beschlossen, Syrien müsse der Pforte restituirt werden. Dagegen erklärte Hr. Thiers am 14 April in der Pairskammer: "Frankreich wolle zwar das türkische Reich aufrecht halten; dieß sage aber keineswegs, daß man ihm die davon abgerissenen Glieder zurückgeben müsse. Frankreich habe Niemand ein Geheimniß aus dieser Gesinnung gemacht." Hier hielt sich der französische Minister offenbar nicht streng an die Wahrheit. Denn erstens hat nicht nur Frankreich zu einer gewissen Zeit allerdings ein Geheimniß daraus gemacht, weil es in dieser Hinsicht geschwiegen, wo es hätte reden sollen, ja noch vor sechs Wochen machte Hr. Thiers selbst ein Geheimniß aus der Uebereinstimmung seiner Gesinnungen mit der vorgeblich beharrlichen Gesinnung Frankreichs; dann aber hat Frankreich nicht die Aufrechthaltung des türkischen Reichs allein, sondern die Aufrechthaltung desselben in seiner Integrität ausgesprochen, mit welcher die zu Gunsten des Vicekönigs zu bewerkstelligende Adjudication einer großen Provinz, die durch Rebellion abgetrennt und deren Trennung nie sanctionirt worden, nicht zu vereinbaren ist. Auch mit der von Frankreich verbürgten Unabhängigkeit des türkischen Sultans verträgt sich die jetzige Sprache des Cabinets der Tuilerien nicht. Denn ein Ausfluß dieser Unabhängigkeit ist die ungehinderte Ausübung des dem Padischah zukommenden Rechts, seine Gouverneurs in den sämmtlichen Provinzen des Reichs nach eigener Wahl zu bestellen. Dieses Recht erstreckt sich sogar auf Aegypten, und jede Ausnahme, die in dieser Hinsicht festgestellt werden sollte, erscheint als eine dem Pascha, als eine Frankreich gemachte Concession.

Frankreich.

(Moniteur.) Telegraphische Depesche. Toulon, 22 April. Der Seepräfect an den Seeminister. Die Prinzen sind am 17 Mittags von Algier aufgebrochen. Sie sollten zu Duera übernachten, und sich alsdann nach Buffarik begeben, wo der Herzog von Orleans das Commando seiner Division übernehmen wird. Der Marschall ist am 18 nach Fonduck abgegangen. Er geleitet einen Convoi, und sollte am 21 in Algier zurück

Frankreich Gelegenheit zu verschaffen, mit den übrigen Hand in Hand zu gehen. Nicht nur hier, sondern auch in Rußland war der Eindruck des Regierungswechsels in Frankreich die Veranlassung zu Aussöhnungsversuchen. Wir sahen, wie Hr. v. Pahlen, sobald die Kunde dieses Ereignisses nach St. Petersburg kam, sich in Bewegung setzte, um seinen verlassenen Posten wieder einzunehmen, wir sahen wie der gereizte Ton, der bis dahin in den zwischen Paris und St. Petersburg gepflogenen Communicationen vorgeherrscht hatte, plötzlich einen mildern Charakter annahm, und sich endlich in eine so versöhnliche Stimmung auflöste, daß man sich beiderseits wegen unvordenklicher Beleidigungen entschuldigte, wie unter andern die Erläuterungen und übertriebenen Apologien des Tagsbefehls von Borodino uns noch vor wenigen Tagen in nicht geringes Erstaunen versetzten. Auch Preußen schien durch Thiers' Ernennung zum Conseilpräsidenten eher angenehm als unangenehm berührt zu seyn, und wenn Oesterreich eine unverkennbare Gleichgültigkeit bei diesem Wechsel an den Tag legte, so frohlockte um so sorgloser in unmotivirter Freude die Pforte. Nicht minder ward das Ereigniß in Alexandrien gefeiert, und Mehemed Ali, der doch offenbar aus der Sprache des neuen französischen Premiers nicht die günstigen Deductionen für sich ziehen konnte, die ihm unter Soult erlaubt seyn mußten, begrüßte die neue Gestaltung der Dinge mit aufrichtig gemeinter oder berechneter Freude. Nur die 221 spieen Gift und Flamme gegen das „parlamentarische“ Ministerium und verschworen sich zu dessen Unterminirung, zu dessen Verderben. Es ist nicht meine Sache, die Mittel, deren sie sich zu diesem Zwecke bedienten, aufzuführen, noch eine Geschichte ihrer Bestrebungen zu liefern, jetzt wo sie zersprengt und völlig aus dem Felde geschlagen sind. Auch hier zeigte sich, wie verderblich der kleinliche Ehrgeiz einiger Wenigen wirkte, indem man eine kostbare Zeit mit Unterhandlungen verlor und den rechten Augenblick bereits versäumt hatte, als endlich dem Hrn. v. Molé das Portefeuille des Aeußern, dem Marschall Soult der Vorsitz im Ministerrath angetragen wurde. Man täuschte sich gewaltig, bis man nach dieser langen Transaction des Ehrgeizes das Ministerium Thiers als nicht reif zum Sturz erklärte und sich aufs Zuwarten verstand, bis der rechte Zeitpunkt gekommen wäre. Dieser aber war schon vorüber, und dürfte nicht leicht wieder kommen; die Anwartschaft der HH. Soult und Molé ist auf die Zukunft verwiesen, auf ein Ereigniß, dessen mögliches Eintreffen, was man auch darüber sagen mag, Hrn. Thiers gewiß nicht mit sonderlicher Unruhe erfüllen wird. Aber noch von einer andern Seite ward ein Versuch gegen Thiers gemacht: hier leitete Hr. Duchatel die Bewegungen und die drei Schreiben, die er an Hrn. Guizot richtete, um ihn zu bestimmen, seinen Posten in London aufzugeben und gegen das „parlamentarische“ Princip ins Feld zu rücken, wurden durch drei andere Briefe des Herzogs von Broglie an den neuen französischen Botschafter am Hofe zu St. James dermaßen neutralisirt, daß sich Hr. Guizot zu der bekannten Juste-Milieu-Erklärung veranlaßt fand, er wolle ruhig und aufmerksam dem neuen Gang der Dinge zusehen, und erst dann nach Paris eilen, wenn dieser Gang sich als verderblich für das constitutionelle Frankreich zeigen sollte. So trugen im Innern die Umstände zur Consolidation des Thiersschen Ministeriums ohne Zuthun des letztern bei. In den äußern Verhältnissen jedoch gewahrte man bald unter den Mächten eine gewaltige Oscillation, der eben sobald eine rasche Bewegung nach den früheren Positionen folgte. Man überzeugte sich, daß nicht die geringste Veranlassung zur Feier des 1 März vorhanden war; und wem noch jetzt darüber ein Zweifel bleibt, der recapitulire die am 14 April in der französischen Pairskammer von Hrn. Thiers gemachten Aeußerungen. Sie sind Kinder derselben Politik, die Soult im Widerspruche mit der früher zur Schau gestellten in den letzten Monaten seines Ministeriums befolgte, Palinodien französischer Staatsnoten aus demselben Zeitraum, gegen welche, wenn nicht mit gleichem Effect, doch gewiß mit gleichem Grund dieselbe berühmte Rede wiederholt werden dürfte, die so viel zum Sturze des letzten Ministeriums beigetragen hatte. Leise trat Thiers im Anfang auf und suchte die Meinung, die man von ihm hegte, zu bestärken. Man traute ihm halb und halb, wurde jedoch aufgescheucht durch eine wie wohlmeinende Belehrung klingende Aeußerung des Hrn. Thiers in der zweiten diplomatischen Communication, die er mit unserm Cabinette pflog. Hier suchte der französische Minister die Meinung geltend zu machen, daß die Wiedervereinigung Syriens mit dem osmanischen Reiche, weit entfernt, diesem neue Kraft zuzuführen, vielmehr die Pforte schwächen müßte. Man sah ein, daß auch Hr. Thiers eine ganz andere Idee als die übrigen Mächte mit dem Ausdrucke „Integrität“ verbinde, und glaubte, dieselbe Vorsicht gegen das neue Cabinet anwenden zu müssen, die man früher gegen das Soult'sche befolgte. So beurtheile ich den jetzigen Stand der Dinge und theile Ihnen zum Belege Folgendes mit. Seit der Ankunft Nuri Effendi's in London fanden mehrere Berathungen zwischen ihm, Lord Palmerston und den Repräsentanten von drei andern Großmächten statt. Guizot war nicht zugegen. In diesen Berathungen ward beschlossen, Syrien müsse der Pforte restituirt werden. Dagegen erklärte Hr. Thiers am 14 April in der Pairskammer: „Frankreich wolle zwar das türkische Reich aufrecht halten; dieß sage aber keineswegs, daß man ihm die davon abgerissenen Glieder zurückgeben müsse. Frankreich habe Niemand ein Geheimniß aus dieser Gesinnung gemacht.“ Hier hielt sich der französische Minister offenbar nicht streng an die Wahrheit. Denn erstens hat nicht nur Frankreich zu einer gewissen Zeit allerdings ein Geheimniß daraus gemacht, weil es in dieser Hinsicht geschwiegen, wo es hätte reden sollen, ja noch vor sechs Wochen machte Hr. Thiers selbst ein Geheimniß aus der Uebereinstimmung seiner Gesinnungen mit der vorgeblich beharrlichen Gesinnung Frankreichs; dann aber hat Frankreich nicht die Aufrechthaltung des türkischen Reichs allein, sondern die Aufrechthaltung desselben in seiner Integrität ausgesprochen, mit welcher die zu Gunsten des Vicekönigs zu bewerkstelligende Adjudication einer großen Provinz, die durch Rebellion abgetrennt und deren Trennung nie sanctionirt worden, nicht zu vereinbaren ist. Auch mit der von Frankreich verbürgten Unabhängigkeit des türkischen Sultans verträgt sich die jetzige Sprache des Cabinets der Tuilerien nicht. Denn ein Ausfluß dieser Unabhängigkeit ist die ungehinderte Ausübung des dem Padischah zukommenden Rechts, seine Gouverneurs in den sämmtlichen Provinzen des Reichs nach eigener Wahl zu bestellen. Dieses Recht erstreckt sich sogar auf Aegypten, und jede Ausnahme, die in dieser Hinsicht festgestellt werden sollte, erscheint als eine dem Pascha, als eine Frankreich gemachte Concession.

Frankreich.

(Moniteur.) Telegraphische Depesche. Toulon, 22 April. Der Seepräfect an den Seeminister. Die Prinzen sind am 17 Mittags von Algier aufgebrochen. Sie sollten zu Duera übernachten, und sich alsdann nach Buffarik begeben, wo der Herzog von Orleans das Commando seiner Division übernehmen wird. Der Marschall ist am 18 nach Fonduck abgegangen. Er geleitet einen Convoi, und sollte am 21 in Algier zurück

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Auch Preußen schien durch Thiers' Ernennung zum Conseilpräsidenten eher angenehm als unangenehm berührt zu seyn, und wenn Oesterreich eine unverkennbare Gleichgültigkeit bei diesem Wechsel an den Tag legte, so frohlockte um so sorgloser in unmotivirter Freude die Pforte. Nicht minder ward das Ereigniß in Alexandrien gefeiert, und Mehemed Ali, der doch offenbar aus der Sprache des neuen französischen Premiers nicht die günstigen Deductionen für sich ziehen konnte, die ihm unter Soult erlaubt seyn mußten, begrüßte die neue Gestaltung der Dinge mit aufrichtig gemeinter oder berechneter Freude. Nur die 221 spieen Gift und Flamme gegen das &#x201E;parlamentarische&#x201C; Ministerium und verschworen sich zu dessen Unterminirung, zu dessen Verderben. Es ist nicht meine Sache, die Mittel, deren sie sich zu diesem Zwecke bedienten, aufzuführen, noch eine Geschichte ihrer Bestrebungen zu liefern, jetzt wo sie zersprengt und völlig aus dem Felde geschlagen sind. Auch hier zeigte sich, wie verderblich der kleinliche Ehrgeiz einiger Wenigen wirkte, indem man eine kostbare Zeit mit Unterhandlungen verlor und den rechten Augenblick bereits versäumt hatte, als endlich dem Hrn. v. Molé das Portefeuille des Aeußern, dem Marschall Soult der Vorsitz im Ministerrath angetragen wurde. Man täuschte sich gewaltig, bis man nach dieser langen Transaction des Ehrgeizes das Ministerium Thiers als nicht reif zum Sturz erklärte und sich aufs Zuwarten verstand, bis der rechte Zeitpunkt gekommen wäre. Dieser aber war schon vorüber, und dürfte nicht leicht wieder kommen; die Anwartschaft der HH. Soult und Molé ist auf die Zukunft verwiesen, auf ein Ereigniß, dessen mögliches Eintreffen, was man auch darüber sagen mag, Hrn. Thiers gewiß nicht mit sonderlicher Unruhe erfüllen wird. Aber noch von einer andern Seite ward ein Versuch gegen Thiers gemacht: hier leitete Hr. Duchatel die Bewegungen und die drei Schreiben, die er an Hrn. Guizot richtete, um ihn zu bestimmen, seinen Posten in London aufzugeben und gegen das &#x201E;parlamentarische&#x201C; Princip ins Feld zu rücken, wurden durch drei andere Briefe des Herzogs von Broglie an den neuen französischen Botschafter am Hofe zu St. James dermaßen neutralisirt, daß sich Hr. Guizot zu der bekannten Juste-Milieu-Erklärung veranlaßt fand, er wolle ruhig und aufmerksam dem neuen Gang der Dinge zusehen, und erst dann nach Paris eilen, wenn dieser Gang sich als verderblich für das constitutionelle Frankreich zeigen sollte. So trugen im Innern die Umstände zur Consolidation des Thiersschen Ministeriums ohne Zuthun des letztern bei. In den äußern Verhältnissen jedoch gewahrte man bald unter den Mächten eine gewaltige Oscillation, der eben sobald eine rasche Bewegung nach den früheren Positionen folgte. Man überzeugte sich, daß nicht die geringste Veranlassung zur Feier des 1 März vorhanden war; und wem noch jetzt darüber ein Zweifel bleibt, der recapitulire die am 14 April in der französischen Pairskammer von Hrn. Thiers gemachten Aeußerungen. Sie sind Kinder derselben Politik, die Soult im Widerspruche mit der früher zur Schau gestellten in den letzten Monaten seines Ministeriums befolgte, Palinodien französischer Staatsnoten aus demselben Zeitraum, gegen welche, wenn nicht mit gleichem Effect, doch gewiß mit gleichem Grund dieselbe berühmte Rede wiederholt werden dürfte, die so viel zum Sturze des letzten Ministeriums beigetragen hatte. Leise trat Thiers im Anfang auf und suchte die Meinung, die man von ihm hegte, zu bestärken. Man traute ihm halb und halb, wurde jedoch aufgescheucht durch eine wie wohlmeinende Belehrung klingende Aeußerung des Hrn. Thiers in der zweiten diplomatischen Communication, die er mit unserm Cabinette pflog. Hier suchte der französische Minister die Meinung geltend zu machen, daß die Wiedervereinigung Syriens mit dem osmanischen Reiche, weit entfernt, diesem neue Kraft zuzuführen, vielmehr die Pforte schwächen müßte. Man sah ein, daß auch Hr. Thiers eine ganz andere Idee als die übrigen Mächte mit dem Ausdrucke &#x201E;Integrität&#x201C; verbinde, und glaubte, dieselbe Vorsicht gegen das neue Cabinet anwenden zu müssen, die man früher gegen das Soult'sche befolgte. So beurtheile ich den jetzigen Stand der Dinge und theile Ihnen zum Belege Folgendes mit. Seit der Ankunft Nuri Effendi's in London fanden mehrere Berathungen zwischen ihm, Lord Palmerston und den Repräsentanten von drei andern Großmächten statt. Guizot war nicht zugegen. In diesen Berathungen ward beschlossen, <hi rendition="#g">Syrien müsse der Pforte restituirt werden</hi>. Dagegen erklärte Hr. 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[0947/0003] Frankreich Gelegenheit zu verschaffen, mit den übrigen Hand in Hand zu gehen. Nicht nur hier, sondern auch in Rußland war der Eindruck des Regierungswechsels in Frankreich die Veranlassung zu Aussöhnungsversuchen. Wir sahen, wie Hr. v. Pahlen, sobald die Kunde dieses Ereignisses nach St. Petersburg kam, sich in Bewegung setzte, um seinen verlassenen Posten wieder einzunehmen, wir sahen wie der gereizte Ton, der bis dahin in den zwischen Paris und St. Petersburg gepflogenen Communicationen vorgeherrscht hatte, plötzlich einen mildern Charakter annahm, und sich endlich in eine so versöhnliche Stimmung auflöste, daß man sich beiderseits wegen unvordenklicher Beleidigungen entschuldigte, wie unter andern die Erläuterungen und übertriebenen Apologien des Tagsbefehls von Borodino uns noch vor wenigen Tagen in nicht geringes Erstaunen versetzten. Auch Preußen schien durch Thiers' Ernennung zum Conseilpräsidenten eher angenehm als unangenehm berührt zu seyn, und wenn Oesterreich eine unverkennbare Gleichgültigkeit bei diesem Wechsel an den Tag legte, so frohlockte um so sorgloser in unmotivirter Freude die Pforte. Nicht minder ward das Ereigniß in Alexandrien gefeiert, und Mehemed Ali, der doch offenbar aus der Sprache des neuen französischen Premiers nicht die günstigen Deductionen für sich ziehen konnte, die ihm unter Soult erlaubt seyn mußten, begrüßte die neue Gestaltung der Dinge mit aufrichtig gemeinter oder berechneter Freude. Nur die 221 spieen Gift und Flamme gegen das „parlamentarische“ Ministerium und verschworen sich zu dessen Unterminirung, zu dessen Verderben. Es ist nicht meine Sache, die Mittel, deren sie sich zu diesem Zwecke bedienten, aufzuführen, noch eine Geschichte ihrer Bestrebungen zu liefern, jetzt wo sie zersprengt und völlig aus dem Felde geschlagen sind. Auch hier zeigte sich, wie verderblich der kleinliche Ehrgeiz einiger Wenigen wirkte, indem man eine kostbare Zeit mit Unterhandlungen verlor und den rechten Augenblick bereits versäumt hatte, als endlich dem Hrn. v. Molé das Portefeuille des Aeußern, dem Marschall Soult der Vorsitz im Ministerrath angetragen wurde. Man täuschte sich gewaltig, bis man nach dieser langen Transaction des Ehrgeizes das Ministerium Thiers als nicht reif zum Sturz erklärte und sich aufs Zuwarten verstand, bis der rechte Zeitpunkt gekommen wäre. Dieser aber war schon vorüber, und dürfte nicht leicht wieder kommen; die Anwartschaft der HH. Soult und Molé ist auf die Zukunft verwiesen, auf ein Ereigniß, dessen mögliches Eintreffen, was man auch darüber sagen mag, Hrn. Thiers gewiß nicht mit sonderlicher Unruhe erfüllen wird. Aber noch von einer andern Seite ward ein Versuch gegen Thiers gemacht: hier leitete Hr. Duchatel die Bewegungen und die drei Schreiben, die er an Hrn. Guizot richtete, um ihn zu bestimmen, seinen Posten in London aufzugeben und gegen das „parlamentarische“ Princip ins Feld zu rücken, wurden durch drei andere Briefe des Herzogs von Broglie an den neuen französischen Botschafter am Hofe zu St. James dermaßen neutralisirt, daß sich Hr. Guizot zu der bekannten Juste-Milieu-Erklärung veranlaßt fand, er wolle ruhig und aufmerksam dem neuen Gang der Dinge zusehen, und erst dann nach Paris eilen, wenn dieser Gang sich als verderblich für das constitutionelle Frankreich zeigen sollte. So trugen im Innern die Umstände zur Consolidation des Thiersschen Ministeriums ohne Zuthun des letztern bei. In den äußern Verhältnissen jedoch gewahrte man bald unter den Mächten eine gewaltige Oscillation, der eben sobald eine rasche Bewegung nach den früheren Positionen folgte. Man überzeugte sich, daß nicht die geringste Veranlassung zur Feier des 1 März vorhanden war; und wem noch jetzt darüber ein Zweifel bleibt, der recapitulire die am 14 April in der französischen Pairskammer von Hrn. Thiers gemachten Aeußerungen. Sie sind Kinder derselben Politik, die Soult im Widerspruche mit der früher zur Schau gestellten in den letzten Monaten seines Ministeriums befolgte, Palinodien französischer Staatsnoten aus demselben Zeitraum, gegen welche, wenn nicht mit gleichem Effect, doch gewiß mit gleichem Grund dieselbe berühmte Rede wiederholt werden dürfte, die so viel zum Sturze des letzten Ministeriums beigetragen hatte. Leise trat Thiers im Anfang auf und suchte die Meinung, die man von ihm hegte, zu bestärken. Man traute ihm halb und halb, wurde jedoch aufgescheucht durch eine wie wohlmeinende Belehrung klingende Aeußerung des Hrn. Thiers in der zweiten diplomatischen Communication, die er mit unserm Cabinette pflog. Hier suchte der französische Minister die Meinung geltend zu machen, daß die Wiedervereinigung Syriens mit dem osmanischen Reiche, weit entfernt, diesem neue Kraft zuzuführen, vielmehr die Pforte schwächen müßte. Man sah ein, daß auch Hr. Thiers eine ganz andere Idee als die übrigen Mächte mit dem Ausdrucke „Integrität“ verbinde, und glaubte, dieselbe Vorsicht gegen das neue Cabinet anwenden zu müssen, die man früher gegen das Soult'sche befolgte. So beurtheile ich den jetzigen Stand der Dinge und theile Ihnen zum Belege Folgendes mit. Seit der Ankunft Nuri Effendi's in London fanden mehrere Berathungen zwischen ihm, Lord Palmerston und den Repräsentanten von drei andern Großmächten statt. Guizot war nicht zugegen. In diesen Berathungen ward beschlossen, Syrien müsse der Pforte restituirt werden. Dagegen erklärte Hr. Thiers am 14 April in der Pairskammer: „Frankreich wolle zwar das türkische Reich aufrecht halten; dieß sage aber keineswegs, daß man ihm die davon abgerissenen Glieder zurückgeben müsse. Frankreich habe Niemand ein Geheimniß aus dieser Gesinnung gemacht.“ Hier hielt sich der französische Minister offenbar nicht streng an die Wahrheit. Denn erstens hat nicht nur Frankreich zu einer gewissen Zeit allerdings ein Geheimniß daraus gemacht, weil es in dieser Hinsicht geschwiegen, wo es hätte reden sollen, ja noch vor sechs Wochen machte Hr. Thiers selbst ein Geheimniß aus der Uebereinstimmung seiner Gesinnungen mit der vorgeblich beharrlichen Gesinnung Frankreichs; dann aber hat Frankreich nicht die Aufrechthaltung des türkischen Reichs allein, sondern die Aufrechthaltung desselben in seiner Integrität ausgesprochen, mit welcher die zu Gunsten des Vicekönigs zu bewerkstelligende Adjudication einer großen Provinz, die durch Rebellion abgetrennt und deren Trennung nie sanctionirt worden, nicht zu vereinbaren ist. Auch mit der von Frankreich verbürgten Unabhängigkeit des türkischen Sultans verträgt sich die jetzige Sprache des Cabinets der Tuilerien nicht. Denn ein Ausfluß dieser Unabhängigkeit ist die ungehinderte Ausübung des dem Padischah zukommenden Rechts, seine Gouverneurs in den sämmtlichen Provinzen des Reichs nach eigener Wahl zu bestellen. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 119. Augsburg, 28. April 1840, S. 0947. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_119_18400428/3>, abgerufen am 27.04.2024.