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Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840.

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solchen Wohlthaten unser Zeitalter beglückte. Hoffen wir, daß dieser Friede noch fünfundzwanzig Jahre und darüber dauere, daß er nie unterbrochen werde, es sey denn für eine gerechte und unvermeidliche Sache; dieß ist der aufrichtige Wunsch meines Vaterlandes, wie des Ihrigen. Möchte einst durch die Wirkung langen und glücklichen Friedens das ganze Menschengeschlecht während seines Wandelns auf Erden in Geist und Herz vereinigt werden, denn wir alle sind Kinder Eines Gottes, der im Himmel thront."

Am 20 April trat im Coventgarden-Theater der "letzte der Kemble" zum letztenmal auf, und zwar in seiner berühmten Rolle Hamlet, die er mit aller Vollendung seiner frühern Jahre spielte. Der Applaus, mit dem das Publicum dem betagten Mimen Lebewohl sagte, war allgemein und stürmisch. - Am 18. April landete, von Rotterdam kommend, die mehrerwähnte deutsche Schauspielergesellschaft, aus 94 Köpfen bestehend. Die Elsner haben sich nach den Vereinigten Staaten eingeschifft.

Man ist hier in großer Verlegenheit, woran allerdings die geringe Menschenkenntniß oder der Leichtsinn Lord Palmerstons Schuld ist. Wir stehen auf dem Punkt mit der halben Welt zu brechen, ohne daß wir solcher Aufgabe gewachsen wären. Alt-England, sagt man, braucht bloß zu wollen, und es kann; allerdings! aber Alt-England ist verschwunden, und lebt nur noch in der Einbildung einiger Kurzsichtigen, die da nicht sehen, was um sie vorgeht. Wehe, wenn es so weit kommen sollte, den alten Namen, den alten Geist, das alte Gewicht hervorzusuchen. Man würde sich bald überzeugen, daß die Todten todt sind. Ist aber einmal der Nimbus verschwunden, so kehrt er nicht wieder. - Drei Fragen hat Lord Palmerston jetzt zu schlichten: China, Neapel, Aegypten. Alle drei behandelt er auf gleiche Weise, das heißt, mit gleichem Ungestüm, gleicher Leidenschaft. Alle drei, durch bloße Handelsinteressen ins Leben gerufen, sind durch unkundige und vorlaute Agenten total verdorben und so vorgetrieben worden, daß jetzt überall die Degenspitze durchblickt. Elliot hat, nach dem eigenen Geständniß der Minister, nicht die Umsicht, um ohne deutliche Instructionen zu handeln. Er hätte sonst manches verhindern, manches anders leiten können. Die nöthige Intelligenz scheint ihm aber, wie man aus den Debatten im Parlament entnehmen kann, zu fehlen, und dennoch blieb er auf seinem Posten. Temple, der im Gegentheil durch kleinliche, in alle Details eingehende Instructionen sich gebunden fühlte, fehlt es an dem Tacte, an jener Art geschmeidiger Festigkeit, die vor Allem den Diplomaten auszeichnen soll, um sich selbst zu bewegen, den Impuls mehr zu geben als zu empfangen. Er brachte es so weit, daß wir am Vorabend eines Conflicts mit Neapel stehen, der im besten Fall die Abweisung unserer industriellen Erzeugnisse aus dem gesammten Italien zur Folge haben könnte. Wahrlich kein kleiner Nachtheil, sobald der König von Neapel auf seinem Recht besteht, die andern italienischen Fürsten ihn dabei unterstützen, und um uns zu strafen, ein allgemeines Zollsystem aufstellen, das uns den italienischen Markt so gut als verschließen würde. Dieß ist keine bloß hingeworfene Idee; es ist davon schon wirklich die Rede gewesen. Lord Palmerston weiß es so gut als ich, und, man sollte es kaum glauben, er findet, daß Temple zu den Geschicktesten des Tags gehöre, und daß er die kräftigste Unterstützung verdiene. Nichtsdestoweniger hat er für gut erachtet, Lord Stopford directe Verhaltungsbefehle zukommen zu lassen, die ihn von dem Gesandten am sicilianischen Hof unabhängig lassen und ihn autorisiren, nach Umständen zu verfahren. Obrist Hodges, der in Serbien bewiesen hat, daß wenn es sich darum handelt, Jemand aufzufinden, um allen Einfluß in einem Lande zu verlieren, in einem Lande, das man zu gewinnen suchte, und auf welches weitaussehende Plane gebaut waren, er der beste und handfesteste Mann ist, dergleichen zu bewerkstelligen. - Hodges ward erkoren, um in einem kritischen Augenblick bei einem der routinirtesten, talentvollsten und muthigsten Fürsten accreditirt zu werden, und zwar in der Absicht, diesem einen andern Begriff von uns beizubringen, als er haben mochte, und auf gütlichem Wege von ihm zu erlangen, was zu erzwingen die Klugheit verbietet. Nun, dieser unglückbringende Bote hat es so weit gebracht, daß er die Schwelle desjenigen nicht mehr betritt, bei dem er sich einzunisten beauftragt war. Er hat mit Mehemed Ali förmlich gebrochen, der ihm zum Trotze alle Anordnungen zurücknimmt, die er allerdings nur scheinbar, aber dennoch aus Deferenz für die Pforte hatte eintreten lassen. Er hat ohne Umschweife erklärt, daß er es vorziehe, in offener Fehde mit uns zu seyn, als länger solche Anmaßungen zu dulden. Hodges schreibt deßwegen in seinem letzten Berichte, daß nichts Anderes übrig bleibe, als Mehemed Ali, der ihm die Thür geschlossen, dafür zu züchtigen. Man sollte meinen, Lord Palmerston, der sich zum zweitenmal in Hodges vergriffen, würde jetzt besser belehrt seyn. Keineswegs, er findet ihn ganz an seinem Platze, und will ihn dort halten, um so mehr, als er von der Ansicht ausgeht, daß Mehemed Ali doch nur durch Coercitivmaaßregeln zu zähmen sey, die er in Gemeinschaft mit andern Mächten vorzunehmen gedenkt. Hierin wird er sich aber sehr getäuscht sehen, wenn es zum wirklichen Handeln kommt. - In solche Hände ist das Geschick Englands und damit gewissermaßen der gesammten Welt gelegt!

In der Ferne glaubt man wohl, daß Alles bei uns in der schrecklichsten Unruhe und Bewegung seyn müsse: Krieg mit China und Neapel; die orientalischen Angelegenheiten immer noch unberichtigt; unsere Verhältnisse mit Persien gespannt, wo nicht feindselig; ein russisches Corps im Begriff bald wieder gegen Mittelasien aufzubrechen (?), und die Vereinigten Staaten lauter als je in ihren Forderungen an uns. Dabei Bewegung gegen die Getreidegesetze, Bewegung, unter der Geistlichkeit wenigstens, zur Herrschendmachung der Kirche, und in Irland Bewegung für die Auflösung der Union und Umsturz eben dieser Kirche. Und doch ist Alles ruhig, und dem Anscheine nach unbesorgt. Die Regierung ist thätig im Cabinet wie in den Arsenalen und Schiffswerften; Parteimänner sind thätig hier und da, entweder einzeln, um sich für die nächste Wahl in irgend einer Nachbarschaft Einfluß zu sichern oder zu erwerben, oder in Massen zur Erreichung irgend eines allgemeinen, oder besondern Zweckes. Vor allen ist es O'Connell. Lord Stanley's Angriff auf die populäre Partei in Irland, seine Bill, welche die Wähler derselben zu vernichten droht, scheint bei ihr alle Skrupel beseitigt zu haben, die sie sonst gegen eine Aufregung für Auflösung der Union zu hegen pflegten. O'Connell sagt jetzt unverhohlen, es gelte die Auflösung, und das brittische Parlament könne der Bewegung nur dadurch Einhalt thun, daß es Irland alle bisher vorenthaltenen Gerechtsame bewillige; und da er dieses weder hoffe noch wünsche, setzt er hinzu, so solle nur jeder, dem es nicht darum zu thun sey, daß Irland sein eigenes Parlament habe, von dem neuen Vereine weg bleiben. Auch sind die Leinster, Charleville und andere vornehme Whigs, die er vorher aufgefordert hatte, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, weggeblieben. Die Agitation wird trotz dem fortgesetzt. Aber dennoch ist die Nation, wenigstens in England und Schottland, ohne alle Besorgniß: man gibt Feste, reißt ein und bauet auf, bildet neue Vereine und Gesellschaften aller Art, stiftet Schulen, Collegien, Krankenhäuser,

solchen Wohlthaten unser Zeitalter beglückte. Hoffen wir, daß dieser Friede noch fünfundzwanzig Jahre und darüber dauere, daß er nie unterbrochen werde, es sey denn für eine gerechte und unvermeidliche Sache; dieß ist der aufrichtige Wunsch meines Vaterlandes, wie des Ihrigen. Möchte einst durch die Wirkung langen und glücklichen Friedens das ganze Menschengeschlecht während seines Wandelns auf Erden in Geist und Herz vereinigt werden, denn wir alle sind Kinder Eines Gottes, der im Himmel thront.“

Am 20 April trat im Coventgarden-Theater der „letzte der Kemble“ zum letztenmal auf, und zwar in seiner berühmten Rolle Hamlet, die er mit aller Vollendung seiner frühern Jahre spielte. Der Applaus, mit dem das Publicum dem betagten Mimen Lebewohl sagte, war allgemein und stürmisch. – Am 18. April landete, von Rotterdam kommend, die mehrerwähnte deutsche Schauspielergesellschaft, aus 94 Köpfen bestehend. Die Elsner haben sich nach den Vereinigten Staaten eingeschifft.

Man ist hier in großer Verlegenheit, woran allerdings die geringe Menschenkenntniß oder der Leichtsinn Lord Palmerstons Schuld ist. Wir stehen auf dem Punkt mit der halben Welt zu brechen, ohne daß wir solcher Aufgabe gewachsen wären. Alt-England, sagt man, braucht bloß zu wollen, und es kann; allerdings! aber Alt-England ist verschwunden, und lebt nur noch in der Einbildung einiger Kurzsichtigen, die da nicht sehen, was um sie vorgeht. Wehe, wenn es so weit kommen sollte, den alten Namen, den alten Geist, das alte Gewicht hervorzusuchen. Man würde sich bald überzeugen, daß die Todten todt sind. Ist aber einmal der Nimbus verschwunden, so kehrt er nicht wieder. – Drei Fragen hat Lord Palmerston jetzt zu schlichten: China, Neapel, Aegypten. Alle drei behandelt er auf gleiche Weise, das heißt, mit gleichem Ungestüm, gleicher Leidenschaft. Alle drei, durch bloße Handelsinteressen ins Leben gerufen, sind durch unkundige und vorlaute Agenten total verdorben und so vorgetrieben worden, daß jetzt überall die Degenspitze durchblickt. Elliot hat, nach dem eigenen Geständniß der Minister, nicht die Umsicht, um ohne deutliche Instructionen zu handeln. Er hätte sonst manches verhindern, manches anders leiten können. Die nöthige Intelligenz scheint ihm aber, wie man aus den Debatten im Parlament entnehmen kann, zu fehlen, und dennoch blieb er auf seinem Posten. Temple, der im Gegentheil durch kleinliche, in alle Details eingehende Instructionen sich gebunden fühlte, fehlt es an dem Tacte, an jener Art geschmeidiger Festigkeit, die vor Allem den Diplomaten auszeichnen soll, um sich selbst zu bewegen, den Impuls mehr zu geben als zu empfangen. Er brachte es so weit, daß wir am Vorabend eines Conflicts mit Neapel stehen, der im besten Fall die Abweisung unserer industriellen Erzeugnisse aus dem gesammten Italien zur Folge haben könnte. Wahrlich kein kleiner Nachtheil, sobald der König von Neapel auf seinem Recht besteht, die andern italienischen Fürsten ihn dabei unterstützen, und um uns zu strafen, ein allgemeines Zollsystem aufstellen, das uns den italienischen Markt so gut als verschließen würde. Dieß ist keine bloß hingeworfene Idee; es ist davon schon wirklich die Rede gewesen. Lord Palmerston weiß es so gut als ich, und, man sollte es kaum glauben, er findet, daß Temple zu den Geschicktesten des Tags gehöre, und daß er die kräftigste Unterstützung verdiene. Nichtsdestoweniger hat er für gut erachtet, Lord Stopford directe Verhaltungsbefehle zukommen zu lassen, die ihn von dem Gesandten am sicilianischen Hof unabhängig lassen und ihn autorisiren, nach Umständen zu verfahren. Obrist Hodges, der in Serbien bewiesen hat, daß wenn es sich darum handelt, Jemand aufzufinden, um allen Einfluß in einem Lande zu verlieren, in einem Lande, das man zu gewinnen suchte, und auf welches weitaussehende Plane gebaut waren, er der beste und handfesteste Mann ist, dergleichen zu bewerkstelligen. – Hodges ward erkoren, um in einem kritischen Augenblick bei einem der routinirtesten, talentvollsten und muthigsten Fürsten accreditirt zu werden, und zwar in der Absicht, diesem einen andern Begriff von uns beizubringen, als er haben mochte, und auf gütlichem Wege von ihm zu erlangen, was zu erzwingen die Klugheit verbietet. Nun, dieser unglückbringende Bote hat es so weit gebracht, daß er die Schwelle desjenigen nicht mehr betritt, bei dem er sich einzunisten beauftragt war. Er hat mit Mehemed Ali förmlich gebrochen, der ihm zum Trotze alle Anordnungen zurücknimmt, die er allerdings nur scheinbar, aber dennoch aus Deferenz für die Pforte hatte eintreten lassen. Er hat ohne Umschweife erklärt, daß er es vorziehe, in offener Fehde mit uns zu seyn, als länger solche Anmaßungen zu dulden. Hodges schreibt deßwegen in seinem letzten Berichte, daß nichts Anderes übrig bleibe, als Mehemed Ali, der ihm die Thür geschlossen, dafür zu züchtigen. Man sollte meinen, Lord Palmerston, der sich zum zweitenmal in Hodges vergriffen, würde jetzt besser belehrt seyn. Keineswegs, er findet ihn ganz an seinem Platze, und will ihn dort halten, um so mehr, als er von der Ansicht ausgeht, daß Mehemed Ali doch nur durch Coërcitivmaaßregeln zu zähmen sey, die er in Gemeinschaft mit andern Mächten vorzunehmen gedenkt. Hierin wird er sich aber sehr getäuscht sehen, wenn es zum wirklichen Handeln kommt. – In solche Hände ist das Geschick Englands und damit gewissermaßen der gesammten Welt gelegt!

In der Ferne glaubt man wohl, daß Alles bei uns in der schrecklichsten Unruhe und Bewegung seyn müsse: Krieg mit China und Neapel; die orientalischen Angelegenheiten immer noch unberichtigt; unsere Verhältnisse mit Persien gespannt, wo nicht feindselig; ein russisches Corps im Begriff bald wieder gegen Mittelasien aufzubrechen (?), und die Vereinigten Staaten lauter als je in ihren Forderungen an uns. Dabei Bewegung gegen die Getreidegesetze, Bewegung, unter der Geistlichkeit wenigstens, zur Herrschendmachung der Kirche, und in Irland Bewegung für die Auflösung der Union und Umsturz eben dieser Kirche. Und doch ist Alles ruhig, und dem Anscheine nach unbesorgt. Die Regierung ist thätig im Cabinet wie in den Arsenalen und Schiffswerften; Parteimänner sind thätig hier und da, entweder einzeln, um sich für die nächste Wahl in irgend einer Nachbarschaft Einfluß zu sichern oder zu erwerben, oder in Massen zur Erreichung irgend eines allgemeinen, oder besondern Zweckes. Vor allen ist es O'Connell. Lord Stanley's Angriff auf die populäre Partei in Irland, seine Bill, welche die Wähler derselben zu vernichten droht, scheint bei ihr alle Skrupel beseitigt zu haben, die sie sonst gegen eine Aufregung für Auflösung der Union zu hegen pflegten. O'Connell sagt jetzt unverhohlen, es gelte die Auflösung, und das brittische Parlament könne der Bewegung nur dadurch Einhalt thun, daß es Irland alle bisher vorenthaltenen Gerechtsame bewillige; und da er dieses weder hoffe noch wünsche, setzt er hinzu, so solle nur jeder, dem es nicht darum zu thun sey, daß Irland sein eigenes Parlament habe, von dem neuen Vereine weg bleiben. Auch sind die Leinster, Charleville und andere vornehme Whigs, die er vorher aufgefordert hatte, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, weggeblieben. Die Agitation wird trotz dem fortgesetzt. Aber dennoch ist die Nation, wenigstens in England und Schottland, ohne alle Besorgniß: man gibt Feste, reißt ein und bauet auf, bildet neue Vereine und Gesellschaften aller Art, stiftet Schulen, Collegien, Krankenhäuser,

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[0962/0002] solchen Wohlthaten unser Zeitalter beglückte. Hoffen wir, daß dieser Friede noch fünfundzwanzig Jahre und darüber dauere, daß er nie unterbrochen werde, es sey denn für eine gerechte und unvermeidliche Sache; dieß ist der aufrichtige Wunsch meines Vaterlandes, wie des Ihrigen. Möchte einst durch die Wirkung langen und glücklichen Friedens das ganze Menschengeschlecht während seines Wandelns auf Erden in Geist und Herz vereinigt werden, denn wir alle sind Kinder Eines Gottes, der im Himmel thront.“ Am 20 April trat im Coventgarden-Theater der „letzte der Kemble“ zum letztenmal auf, und zwar in seiner berühmten Rolle Hamlet, die er mit aller Vollendung seiner frühern Jahre spielte. Der Applaus, mit dem das Publicum dem betagten Mimen Lebewohl sagte, war allgemein und stürmisch. – Am 18. April landete, von Rotterdam kommend, die mehrerwähnte deutsche Schauspielergesellschaft, aus 94 Köpfen bestehend. Die Elsner haben sich nach den Vereinigten Staaten eingeschifft. _ London, 17 April. Man ist hier in großer Verlegenheit, woran allerdings die geringe Menschenkenntniß oder der Leichtsinn Lord Palmerstons Schuld ist. Wir stehen auf dem Punkt mit der halben Welt zu brechen, ohne daß wir solcher Aufgabe gewachsen wären. Alt-England, sagt man, braucht bloß zu wollen, und es kann; allerdings! aber Alt-England ist verschwunden, und lebt nur noch in der Einbildung einiger Kurzsichtigen, die da nicht sehen, was um sie vorgeht. Wehe, wenn es so weit kommen sollte, den alten Namen, den alten Geist, das alte Gewicht hervorzusuchen. Man würde sich bald überzeugen, daß die Todten todt sind. Ist aber einmal der Nimbus verschwunden, so kehrt er nicht wieder. – Drei Fragen hat Lord Palmerston jetzt zu schlichten: China, Neapel, Aegypten. Alle drei behandelt er auf gleiche Weise, das heißt, mit gleichem Ungestüm, gleicher Leidenschaft. Alle drei, durch bloße Handelsinteressen ins Leben gerufen, sind durch unkundige und vorlaute Agenten total verdorben und so vorgetrieben worden, daß jetzt überall die Degenspitze durchblickt. Elliot hat, nach dem eigenen Geständniß der Minister, nicht die Umsicht, um ohne deutliche Instructionen zu handeln. Er hätte sonst manches verhindern, manches anders leiten können. Die nöthige Intelligenz scheint ihm aber, wie man aus den Debatten im Parlament entnehmen kann, zu fehlen, und dennoch blieb er auf seinem Posten. Temple, der im Gegentheil durch kleinliche, in alle Details eingehende Instructionen sich gebunden fühlte, fehlt es an dem Tacte, an jener Art geschmeidiger Festigkeit, die vor Allem den Diplomaten auszeichnen soll, um sich selbst zu bewegen, den Impuls mehr zu geben als zu empfangen. Er brachte es so weit, daß wir am Vorabend eines Conflicts mit Neapel stehen, der im besten Fall die Abweisung unserer industriellen Erzeugnisse aus dem gesammten Italien zur Folge haben könnte. Wahrlich kein kleiner Nachtheil, sobald der König von Neapel auf seinem Recht besteht, die andern italienischen Fürsten ihn dabei unterstützen, und um uns zu strafen, ein allgemeines Zollsystem aufstellen, das uns den italienischen Markt so gut als verschließen würde. Dieß ist keine bloß hingeworfene Idee; es ist davon schon wirklich die Rede gewesen. Lord Palmerston weiß es so gut als ich, und, man sollte es kaum glauben, er findet, daß Temple zu den Geschicktesten des Tags gehöre, und daß er die kräftigste Unterstützung verdiene. Nichtsdestoweniger hat er für gut erachtet, Lord Stopford directe Verhaltungsbefehle zukommen zu lassen, die ihn von dem Gesandten am sicilianischen Hof unabhängig lassen und ihn autorisiren, nach Umständen zu verfahren. Obrist Hodges, der in Serbien bewiesen hat, daß wenn es sich darum handelt, Jemand aufzufinden, um allen Einfluß in einem Lande zu verlieren, in einem Lande, das man zu gewinnen suchte, und auf welches weitaussehende Plane gebaut waren, er der beste und handfesteste Mann ist, dergleichen zu bewerkstelligen. – Hodges ward erkoren, um in einem kritischen Augenblick bei einem der routinirtesten, talentvollsten und muthigsten Fürsten accreditirt zu werden, und zwar in der Absicht, diesem einen andern Begriff von uns beizubringen, als er haben mochte, und auf gütlichem Wege von ihm zu erlangen, was zu erzwingen die Klugheit verbietet. Nun, dieser unglückbringende Bote hat es so weit gebracht, daß er die Schwelle desjenigen nicht mehr betritt, bei dem er sich einzunisten beauftragt war. Er hat mit Mehemed Ali förmlich gebrochen, der ihm zum Trotze alle Anordnungen zurücknimmt, die er allerdings nur scheinbar, aber dennoch aus Deferenz für die Pforte hatte eintreten lassen. Er hat ohne Umschweife erklärt, daß er es vorziehe, in offener Fehde mit uns zu seyn, als länger solche Anmaßungen zu dulden. Hodges schreibt deßwegen in seinem letzten Berichte, daß nichts Anderes übrig bleibe, als Mehemed Ali, der ihm die Thür geschlossen, dafür zu züchtigen. Man sollte meinen, Lord Palmerston, der sich zum zweitenmal in Hodges vergriffen, würde jetzt besser belehrt seyn. Keineswegs, er findet ihn ganz an seinem Platze, und will ihn dort halten, um so mehr, als er von der Ansicht ausgeht, daß Mehemed Ali doch nur durch Coërcitivmaaßregeln zu zähmen sey, die er in Gemeinschaft mit andern Mächten vorzunehmen gedenkt. Hierin wird er sich aber sehr getäuscht sehen, wenn es zum wirklichen Handeln kommt. – In solche Hände ist das Geschick Englands und damit gewissermaßen der gesammten Welt gelegt! _ London, 22 April. In der Ferne glaubt man wohl, daß Alles bei uns in der schrecklichsten Unruhe und Bewegung seyn müsse: Krieg mit China und Neapel; die orientalischen Angelegenheiten immer noch unberichtigt; unsere Verhältnisse mit Persien gespannt, wo nicht feindselig; ein russisches Corps im Begriff bald wieder gegen Mittelasien aufzubrechen (?), und die Vereinigten Staaten lauter als je in ihren Forderungen an uns. Dabei Bewegung gegen die Getreidegesetze, Bewegung, unter der Geistlichkeit wenigstens, zur Herrschendmachung der Kirche, und in Irland Bewegung für die Auflösung der Union und Umsturz eben dieser Kirche. Und doch ist Alles ruhig, und dem Anscheine nach unbesorgt. Die Regierung ist thätig im Cabinet wie in den Arsenalen und Schiffswerften; Parteimänner sind thätig hier und da, entweder einzeln, um sich für die nächste Wahl in irgend einer Nachbarschaft Einfluß zu sichern oder zu erwerben, oder in Massen zur Erreichung irgend eines allgemeinen, oder besondern Zweckes. Vor allen ist es O'Connell. Lord Stanley's Angriff auf die populäre Partei in Irland, seine Bill, welche die Wähler derselben zu vernichten droht, scheint bei ihr alle Skrupel beseitigt zu haben, die sie sonst gegen eine Aufregung für Auflösung der Union zu hegen pflegten. O'Connell sagt jetzt unverhohlen, es gelte die Auflösung, und das brittische Parlament könne der Bewegung nur dadurch Einhalt thun, daß es Irland alle bisher vorenthaltenen Gerechtsame bewillige; und da er dieses weder hoffe noch wünsche, setzt er hinzu, so solle nur jeder, dem es nicht darum zu thun sey, daß Irland sein eigenes Parlament habe, von dem neuen Vereine weg bleiben. Auch sind die Leinster, Charleville und andere vornehme Whigs, die er vorher aufgefordert hatte, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, weggeblieben. Die Agitation wird trotz dem fortgesetzt. Aber dennoch ist die Nation, wenigstens in England und Schottland, ohne alle Besorgniß: man gibt Feste, reißt ein und bauet auf, bildet neue Vereine und Gesellschaften aller Art, stiftet Schulen, Collegien, Krankenhäuser,

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840, S. 0962. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_121_18400430/2>, abgerufen am 23.11.2024.