Allgemeine Zeitung. Nr. 126. Augsburg, 5. Mai 1840.Alle getreuen Landesunterthanen sind mit uns der Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung zwischen König und Ständen in unserm Lande jederzeit, und selbst jetzt nach beinahe dreijährigem bitterm Zerwürfniß und bei täglich tiefer dringender Aufregung der Gemüther ein Leichtes sey, wenn es nur gelingt, von beiden Seiten Schritte zu bewirken, welche das dem deutschen und zumal unserm Volke eingeborne, jetzt leider im innersten Grunde erschütterte Vertrauen neu beleben könnten. Wir hielten uns, um zu diesem Ziele nach unsern schwachen Kräften hinzuwirken, trotz der unter dem 15 Januar 1839 über uns ausgesprochenen harten Mißbilligung, verpflichtet, die nochmalige unterthänigste Bitte an Se. k. Majestät nicht zu scheuen, Wir glaubten in dieser Bitte das Aeußerste gethan zu haben, was zu Anbahnung einer Vermittlung, wie der hohe deutsche Bund sie zu fordern schien, uns möglich war. Denn nur die Auflösung konnte alle jene Streitfragen beseitigen, welche in der Composition dieser Versammlung liegen, und welche ohne die höchste Gefahr für jede Verfassung, insbesondere aber für jede Einigung, weder beruhen bleiben noch erörtert werden können. Unsere Absicht war auf den Frieden gerichtet, eine anmaßliche Beeinträchtigung der Rechte Sr. k. Majestät lag uns fern. Allein es wurde durch die Bekanntmachung vom 15 October v. J. nur dieser Gesichtspunkt hervorgehoben, und damit unsere Bitte wirkungslos. Nach dieser Zeit aber hat eine Ausdehnung der Polizeigewalt, wie sie unserm Lande bisher gottlob fremd geblieben, dann die durch die Verordnung vom 16 November v. J. festgestellte und mit noch minderer Schonung auf eine mit den Gesetzen über die Quartierpflicht schwer zu vereinigende Weise ausgeführte Verwendung des Militärs zu Steuerexecutionen; endlich die Verordnung vom 17 Januar 1840 über die unmangelhafte Befolgung der Gesetze, einen Zustand des Zwanges und der rechtlichen Schutzlosigkeit herbeigeführt, welcher die Aussicht auf eine freie, vertrauensvolle, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung gänzlich vernichtet. Auch jetzt ist ein abermals nach Ablauf der dreijährigen Landtagsperiode von den Städten des Fürstenthums Osnabrück an Se. k. Majestät gerichtetes Gesuch um Berufung der bei der Verfassung, namentlich bei jeder Veränderung der Gesetzgebungsrechte tief betheiligten Provinciallandschaft ohne alle Resolution geblieben. Unter diesen Umständen ist in Folge des allerhöchsten Erlasses vom 10 Februar auch unsere Stadt zu einer Ergänzungswahl für die bestehende zweite Kammer aufgefordert, und ist uns ferner durch ein hohes Cabinetsrescript vom 29 Februar in Bezugnahme unserer obigen Bitte um Auflösung eröffnet: Allein zu unserm tiefen Leidwesen sehen wir uns durch die gedachten Actenstücke gänzlich außer Stand gesetzt, zu einer Wahl zu schreiten. Diejenigen Thatumstände, die uns im Jahre 1838 von der Wahl zurückhielten, und die uns im Jahre 1839 zu Erhebung eines Protestes nöthigten, sind unverändert dieselben. Es kann Beides ist durch eine behauptete Nothwendigkeit um so weniger zu entschuldigen, als der Regierung zu keiner Zeit und in keiner Provinz das Recht zugestanden hat, die Zusammensetzung der ständischen Versammlungen auf den Grund einer ihrerseits erkannten Nothwendigkeit ohne Zustimmung der Stände zu verändern, und als namentlich die allerhöchste Proclamation vom 15 Februar 1839 die Gültigkeit des Grundgesetzes hauptsächlich aus dem Grunde bestreitet, weil (nach einer erwiesen irrigen Annahme) das Schatzcollegium ohne ständische Zustimmung entfernt sey. Was aber dort gelten soll, wird hier nicht minder gelten müssen. Es ist aber ferner Gegenwärtig ist freilich uns und andern Corporationen die gnädige Eröffnung zu Theil geworden, Allein so dankbar dieß zu erkennen ist, so wird doch dadurch jene Ausschließung selbst nur um so schwerer zu rechtfertigen. Wo die Ursache wegfällt, da muß auch die Wirkung aufhören. Wenn jene Erklärung gegen die Verfassung von 1819 jetzt kein genügender Grund ist, die Wahl zu vernichten, so konnte sie auch damals kein Grund der Ausschließung seyn, mithin sind jene dieserhalb ausgeschlossenen Deputirten, und nicht die neugewählten, als wahre Deputirte zu betrachten. Dieß aber ist um so mehr der Fall, als Aus Nichtigem kann nie Gültiges erwachsen! - Wenn schon die geringen Formfehler, welche man an dem Staatsgrundgesetze zu finden glaubt, im Stande gewesen sind, so schwere Zerwürfnisse herbeizuführen, wie dieß leider der Fall ist, dann ist es noch viel gefährlicher um diejenige Verfassung bestellt, die jetzt berathen werden soll! Wer aber die letztvergangenen Jahre erlebt hat; wer es weiß, wie viel Gutes und Nothwendiges dieselben gehemmt; welche Aufregung sie hervorgerufen; welche bittere Saat der Feindseligkeit und des Mißtrauens sie in den Gemüthern Alle getreuen Landesunterthanen sind mit uns der Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung zwischen König und Ständen in unserm Lande jederzeit, und selbst jetzt nach beinahe dreijährigem bitterm Zerwürfniß und bei täglich tiefer dringender Aufregung der Gemüther ein Leichtes sey, wenn es nur gelingt, von beiden Seiten Schritte zu bewirken, welche das dem deutschen und zumal unserm Volke eingeborne, jetzt leider im innersten Grunde erschütterte Vertrauen neu beleben könnten. Wir hielten uns, um zu diesem Ziele nach unsern schwachen Kräften hinzuwirken, trotz der unter dem 15 Januar 1839 über uns ausgesprochenen harten Mißbilligung, verpflichtet, die nochmalige unterthänigste Bitte an Se. k. Majestät nicht zu scheuen, Wir glaubten in dieser Bitte das Aeußerste gethan zu haben, was zu Anbahnung einer Vermittlung, wie der hohe deutsche Bund sie zu fordern schien, uns möglich war. Denn nur die Auflösung konnte alle jene Streitfragen beseitigen, welche in der Composition dieser Versammlung liegen, und welche ohne die höchste Gefahr für jede Verfassung, insbesondere aber für jede Einigung, weder beruhen bleiben noch erörtert werden können. Unsere Absicht war auf den Frieden gerichtet, eine anmaßliche Beeinträchtigung der Rechte Sr. k. Majestät lag uns fern. Allein es wurde durch die Bekanntmachung vom 15 October v. J. nur dieser Gesichtspunkt hervorgehoben, und damit unsere Bitte wirkungslos. Nach dieser Zeit aber hat eine Ausdehnung der Polizeigewalt, wie sie unserm Lande bisher gottlob fremd geblieben, dann die durch die Verordnung vom 16 November v. J. festgestellte und mit noch minderer Schonung auf eine mit den Gesetzen über die Quartierpflicht schwer zu vereinigende Weise ausgeführte Verwendung des Militärs zu Steuerexecutionen; endlich die Verordnung vom 17 Januar 1840 über die unmangelhafte Befolgung der Gesetze, einen Zustand des Zwanges und der rechtlichen Schutzlosigkeit herbeigeführt, welcher die Aussicht auf eine freie, vertrauensvolle, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung gänzlich vernichtet. Auch jetzt ist ein abermals nach Ablauf der dreijährigen Landtagsperiode von den Städten des Fürstenthums Osnabrück an Se. k. Majestät gerichtetes Gesuch um Berufung der bei der Verfassung, namentlich bei jeder Veränderung der Gesetzgebungsrechte tief betheiligten Provinciallandschaft ohne alle Resolution geblieben. Unter diesen Umständen ist in Folge des allerhöchsten Erlasses vom 10 Februar auch unsere Stadt zu einer Ergänzungswahl für die bestehende zweite Kammer aufgefordert, und ist uns ferner durch ein hohes Cabinetsrescript vom 29 Februar in Bezugnahme unserer obigen Bitte um Auflösung eröffnet: Allein zu unserm tiefen Leidwesen sehen wir uns durch die gedachten Actenstücke gänzlich außer Stand gesetzt, zu einer Wahl zu schreiten. Diejenigen Thatumstände, die uns im Jahre 1838 von der Wahl zurückhielten, und die uns im Jahre 1839 zu Erhebung eines Protestes nöthigten, sind unverändert dieselben. Es kann Beides ist durch eine behauptete Nothwendigkeit um so weniger zu entschuldigen, als der Regierung zu keiner Zeit und in keiner Provinz das Recht zugestanden hat, die Zusammensetzung der ständischen Versammlungen auf den Grund einer ihrerseits erkannten Nothwendigkeit ohne Zustimmung der Stände zu verändern, und als namentlich die allerhöchste Proclamation vom 15 Februar 1839 die Gültigkeit des Grundgesetzes hauptsächlich aus dem Grunde bestreitet, weil (nach einer erwiesen irrigen Annahme) das Schatzcollegium ohne ständische Zustimmung entfernt sey. Was aber dort gelten soll, wird hier nicht minder gelten müssen. Es ist aber ferner Gegenwärtig ist freilich uns und andern Corporationen die gnädige Eröffnung zu Theil geworden, Allein so dankbar dieß zu erkennen ist, so wird doch dadurch jene Ausschließung selbst nur um so schwerer zu rechtfertigen. Wo die Ursache wegfällt, da muß auch die Wirkung aufhören. Wenn jene Erklärung gegen die Verfassung von 1819 jetzt kein genügender Grund ist, die Wahl zu vernichten, so konnte sie auch damals kein Grund der Ausschließung seyn, mithin sind jene dieserhalb ausgeschlossenen Deputirten, und nicht die neugewählten, als wahre Deputirte zu betrachten. Dieß aber ist um so mehr der Fall, als Aus Nichtigem kann nie Gültiges erwachsen! – Wenn schon die geringen Formfehler, welche man an dem Staatsgrundgesetze zu finden glaubt, im Stande gewesen sind, so schwere Zerwürfnisse herbeizuführen, wie dieß leider der Fall ist, dann ist es noch viel gefährlicher um diejenige Verfassung bestellt, die jetzt berathen werden soll! Wer aber die letztvergangenen Jahre erlebt hat; wer es weiß, wie viel Gutes und Nothwendiges dieselben gehemmt; welche Aufregung sie hervorgerufen; welche bittere Saat der Feindseligkeit und des Mißtrauens sie in den Gemüthern <TEI> <text> <body> <div type="jAnnouncements"> <div xml:id="jAn1623" type="jAn" n="2"> <p><pb facs="#f0006" n="1006"/> Alle getreuen Landesunterthanen sind mit uns der Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung zwischen König und Ständen in unserm Lande jederzeit, und selbst jetzt nach beinahe dreijährigem bitterm Zerwürfniß und bei täglich tiefer dringender Aufregung der Gemüther ein Leichtes sey, wenn es nur gelingt, von beiden Seiten Schritte zu bewirken, welche das dem deutschen und zumal unserm Volke eingeborne, jetzt leider im innersten Grunde erschütterte Vertrauen neu beleben könnten. Wir hielten uns, um zu diesem Ziele nach unsern schwachen Kräften hinzuwirken, trotz der unter dem 15 Januar 1839 über uns ausgesprochenen harten Mißbilligung, verpflichtet, die nochmalige unterthänigste Bitte an Se. k. Majestät nicht zu scheuen,<lb/> daß Allerhöchstdieselben geruhen mögen, die gegenwärtige Stände-Versammlung aufzulösen, eine neue zu berufen, und dem Lande die huldvolle Versicherung zu geben, daß keinem Gewählten wegen seiner bisher ausgesprochenen Anhänglichkeit an das Staatsgrundgesetz der Eintritt in diese Versammlung versagt werden solle.</p><lb/> <p>Wir glaubten in dieser Bitte das Aeußerste gethan zu haben, was zu Anbahnung einer Vermittlung, wie der hohe deutsche Bund sie zu fordern schien, uns möglich war. Denn nur die Auflösung konnte alle jene Streitfragen beseitigen, welche in der Composition dieser Versammlung liegen, und welche ohne die höchste Gefahr für jede Verfassung, insbesondere aber für jede Einigung, weder beruhen bleiben noch erörtert werden können. Unsere Absicht war auf den Frieden gerichtet, eine anmaßliche Beeinträchtigung der Rechte Sr. k. Majestät lag uns fern. Allein es wurde durch die Bekanntmachung vom 15 October v. J. nur dieser Gesichtspunkt hervorgehoben, und damit unsere Bitte wirkungslos.</p><lb/> <p>Nach dieser Zeit aber hat eine Ausdehnung der Polizeigewalt, wie sie unserm Lande bisher gottlob fremd geblieben, dann die durch die Verordnung vom 16 November v. J. festgestellte und mit noch minderer Schonung auf eine mit den Gesetzen über die Quartierpflicht schwer zu vereinigende Weise ausgeführte Verwendung des Militärs zu Steuerexecutionen; endlich die Verordnung vom 17 Januar 1840 über die unmangelhafte Befolgung der Gesetze, einen Zustand des Zwanges und der rechtlichen Schutzlosigkeit herbeigeführt, welcher die Aussicht auf eine freie, vertrauensvolle, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung gänzlich vernichtet.</p><lb/> <p>Auch jetzt ist ein abermals nach Ablauf der dreijährigen Landtagsperiode von den Städten des Fürstenthums Osnabrück an Se. k. Majestät gerichtetes Gesuch um Berufung der bei der Verfassung, namentlich bei jeder Veränderung der Gesetzgebungsrechte tief betheiligten Provinciallandschaft ohne alle Resolution geblieben.</p><lb/> <p>Unter diesen Umständen ist in Folge des allerhöchsten Erlasses vom 10 Februar auch unsere Stadt zu einer Ergänzungswahl für die bestehende zweite Kammer aufgefordert, und ist uns ferner durch ein hohes Cabinetsrescript vom 29 Februar in Bezugnahme unserer obigen Bitte um Auflösung eröffnet:<lb/> daß die gegen einzelne Wahlhandlungen erhobenen Bedenken in der Wahrheit nicht begründet seyen;<lb/> daß überall kein genügender Grund vorhanden sey, das Vertrauen der Unterthanen in die dermalen vertagte allgemeine Ständeversammlung in Zweifel zu ziehen;<lb/> auch mangle es an jeder Veranlassung, anzunehmen, daß erwählten und übrigens qualificirten Deputirten aus Gründen, welche lediglich von ihren politischen Gesinnungen hergenommen worden, ihre passive Wahlfähigkeit abgesprochen werden solle.</p><lb/> <p>Allein zu unserm tiefen Leidwesen sehen wir uns durch die gedachten Actenstücke gänzlich außer Stand gesetzt, zu einer Wahl zu schreiten. Diejenigen Thatumstände, die uns im Jahre 1838 von der Wahl zurückhielten, und die uns im Jahre 1839 zu Erhebung eines Protestes nöthigten, sind unverändert dieselben. Es kann<lb/> 1) jetzt so wenig, wie zu irgend einer Zeit nach Publication des Staatsgrundgesetzes einer andern Versammlung, als der diesem Gesetz entsprechenden, ein ständischer Charakter beigelegt werden. Hierin ist<lb/> 2) durch den Bundesbeschluß, welchen die allerhöchste Proclamation vom 10 September v. J. zu allgemeiner Kenntniß gebracht hat, nichts geändert, vielmehr nur ein Vergleichsversuch angerathen, unter ausdrücklichem Vorbehalt aller Rechte, wodurch der gegenwärtigen Versammlung keine weitere Befugniß beigelegt wird, als sie ohnehin besitzt. Es kann mithin<lb/> 3) die gegenwärtige Versammlung schon, weil sie dem Grundgesetze widerspricht, zu verbindlichen Beschlüssen berechtigt nicht gehalten werden. Wäre aber auch möglich, eine Versammlung nach dem Patente vom 7 December 1819 als rechtlich bestehend und zu einer Vereinigung genügend zu betrachten, so würde dennoch die gegenwärtige Versammlung daher keinen Gewinn ziehen können; denn es fehlt<lb/> a) derselben der wesentliche Bestandtheil des Schatzcollegiums, und ebenso beruht<lb/> b) die Vertretung des wichtigen Bauernstandes nicht auf verfassungsmäßigen Normen, sondern auf einseitiger Anordnung der Regierung.</p><lb/> <p>Beides ist durch eine behauptete Nothwendigkeit um so weniger zu entschuldigen, als der Regierung zu keiner Zeit und in keiner Provinz das Recht zugestanden hat, die Zusammensetzung der ständischen Versammlungen auf den Grund einer ihrerseits erkannten Nothwendigkeit ohne Zustimmung der Stände zu verändern, und als namentlich die allerhöchste Proclamation vom 15 Februar 1839 die Gültigkeit des Grundgesetzes hauptsächlich aus dem Grunde bestreitet, weil (nach einer erwiesen irrigen Annahme) das Schatzcollegium ohne ständische Zustimmung entfernt sey. Was aber dort gelten soll, wird hier nicht minder gelten müssen. Es ist aber ferner<lb/> c) aus der zweiten Kammer dieser Versammlung, wie der allerhöchste Erlaß vom 2 März 1839 ergibt, die Mehrzahl der Mitglieder entfernt und theils ohne allen Formfehler ihrerseits und wider ihren Willen ausgestoßen, weil dieselbe die Verfassung von 1819 als die rechtlich gültige nicht anerkennen konnte. Ja es sind in solchen Fällen, wo die also ausgeschiedenen Deputirten von ihren Wahlcollegien wieder erwählt werden wollten, diese Wahlen als ungültig bezeichnet und zurückgewiesen.</p><lb/> <p>Gegenwärtig ist freilich uns und andern Corporationen die gnädige Eröffnung zu Theil geworden,<lb/> daß jene Ausschließung durch die Verfügung vom 2 März oder die politische Gesinnung einen Ausschließungsgrund der passiven Wahlfähigkeit nicht geben solle.</p><lb/> <p>Allein so dankbar dieß zu erkennen ist, so wird doch dadurch jene Ausschließung selbst nur um so schwerer zu rechtfertigen. Wo die Ursache wegfällt, da muß auch die Wirkung aufhören. Wenn jene Erklärung gegen die Verfassung von 1819 jetzt kein genügender Grund ist, die Wahl zu vernichten, so konnte sie auch damals kein Grund der Ausschließung seyn, mithin sind jene dieserhalb ausgeschlossenen Deputirten, und nicht die neugewählten, als wahre Deputirte zu betrachten. Dieß aber ist um so mehr der Fall, als<lb/> d) jene Ergänzungswahlen dem größten Theile nach auf das heftigste bestritten worden. Man hat, wie bemerkt, den freien Willen der Wähler gebunden, indem man die Männer ihres Vertrauens aus einem jetzt für unhaltbar erklärten Grund ausschloß. Es sind theils die Wahlen von erheblichen Minoritäten aus Rechtsgründen angefochten. In andern Fällen ist selbst gegen den Willen der Mehrzahl nur durch eine Minorität gewählt worden, und alle Deputirten, die auf solche Weise gewählt sind, finden sich in dieser Versammlung, in welche man sie aufgenommen und zur Abstimmung zugelassen, ehe und bevor derselben die verfassungsmäßige Prüfung der Vollmachten möglich war; ja es ist noch in diesem Augenblick der Streit über ihre Legitimation und somit über die gesetzliche Beschlußfähigkeit der ganzen Versammlung offen und unerledigt. Somit sind gegen diese Versammlung Formfehler von solcher Art zu rügen, daß eine von ihr genehmigte Verfassung den Keim des Todes in sich tragen muß. Dazu aber kommt noch<lb/> 4) daß selbst der Grund und Schutz der ständischen Redefreiheit, das eigene Urtheil der Kammern über die Reden ihrer Mitglieder, bloßgestellt ist. Denn nach der allerhöchsten Verordnung vom 17 Januar d. J. bedarf es lediglich eines Erlasses, um jedes Gericht zu autorisiren, über ständische Vota zu urtheilen.</p><lb/> <p>Aus Nichtigem kann nie Gültiges erwachsen! – Wenn schon die geringen Formfehler, welche man an dem Staatsgrundgesetze zu finden glaubt, im Stande gewesen sind, so schwere Zerwürfnisse herbeizuführen, wie dieß leider der Fall ist, dann ist es noch viel gefährlicher um diejenige Verfassung bestellt, die jetzt berathen werden soll! Wer aber die letztvergangenen Jahre erlebt hat; wer es weiß, wie viel Gutes und Nothwendiges dieselben gehemmt; welche Aufregung sie hervorgerufen; welche bittere Saat der Feindseligkeit und des Mißtrauens sie in den Gemüthern<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1006/0006]
Alle getreuen Landesunterthanen sind mit uns der Ueberzeugung, daß eine Vereinbarung zwischen König und Ständen in unserm Lande jederzeit, und selbst jetzt nach beinahe dreijährigem bitterm Zerwürfniß und bei täglich tiefer dringender Aufregung der Gemüther ein Leichtes sey, wenn es nur gelingt, von beiden Seiten Schritte zu bewirken, welche das dem deutschen und zumal unserm Volke eingeborne, jetzt leider im innersten Grunde erschütterte Vertrauen neu beleben könnten. Wir hielten uns, um zu diesem Ziele nach unsern schwachen Kräften hinzuwirken, trotz der unter dem 15 Januar 1839 über uns ausgesprochenen harten Mißbilligung, verpflichtet, die nochmalige unterthänigste Bitte an Se. k. Majestät nicht zu scheuen,
daß Allerhöchstdieselben geruhen mögen, die gegenwärtige Stände-Versammlung aufzulösen, eine neue zu berufen, und dem Lande die huldvolle Versicherung zu geben, daß keinem Gewählten wegen seiner bisher ausgesprochenen Anhänglichkeit an das Staatsgrundgesetz der Eintritt in diese Versammlung versagt werden solle.
Wir glaubten in dieser Bitte das Aeußerste gethan zu haben, was zu Anbahnung einer Vermittlung, wie der hohe deutsche Bund sie zu fordern schien, uns möglich war. Denn nur die Auflösung konnte alle jene Streitfragen beseitigen, welche in der Composition dieser Versammlung liegen, und welche ohne die höchste Gefahr für jede Verfassung, insbesondere aber für jede Einigung, weder beruhen bleiben noch erörtert werden können. Unsere Absicht war auf den Frieden gerichtet, eine anmaßliche Beeinträchtigung der Rechte Sr. k. Majestät lag uns fern. Allein es wurde durch die Bekanntmachung vom 15 October v. J. nur dieser Gesichtspunkt hervorgehoben, und damit unsere Bitte wirkungslos.
Nach dieser Zeit aber hat eine Ausdehnung der Polizeigewalt, wie sie unserm Lande bisher gottlob fremd geblieben, dann die durch die Verordnung vom 16 November v. J. festgestellte und mit noch minderer Schonung auf eine mit den Gesetzen über die Quartierpflicht schwer zu vereinigende Weise ausgeführte Verwendung des Militärs zu Steuerexecutionen; endlich die Verordnung vom 17 Januar 1840 über die unmangelhafte Befolgung der Gesetze, einen Zustand des Zwanges und der rechtlichen Schutzlosigkeit herbeigeführt, welcher die Aussicht auf eine freie, vertrauensvolle, den Rechten der Krone und der Stände entsprechende Vereinbarung gänzlich vernichtet.
Auch jetzt ist ein abermals nach Ablauf der dreijährigen Landtagsperiode von den Städten des Fürstenthums Osnabrück an Se. k. Majestät gerichtetes Gesuch um Berufung der bei der Verfassung, namentlich bei jeder Veränderung der Gesetzgebungsrechte tief betheiligten Provinciallandschaft ohne alle Resolution geblieben.
Unter diesen Umständen ist in Folge des allerhöchsten Erlasses vom 10 Februar auch unsere Stadt zu einer Ergänzungswahl für die bestehende zweite Kammer aufgefordert, und ist uns ferner durch ein hohes Cabinetsrescript vom 29 Februar in Bezugnahme unserer obigen Bitte um Auflösung eröffnet:
daß die gegen einzelne Wahlhandlungen erhobenen Bedenken in der Wahrheit nicht begründet seyen;
daß überall kein genügender Grund vorhanden sey, das Vertrauen der Unterthanen in die dermalen vertagte allgemeine Ständeversammlung in Zweifel zu ziehen;
auch mangle es an jeder Veranlassung, anzunehmen, daß erwählten und übrigens qualificirten Deputirten aus Gründen, welche lediglich von ihren politischen Gesinnungen hergenommen worden, ihre passive Wahlfähigkeit abgesprochen werden solle.
Allein zu unserm tiefen Leidwesen sehen wir uns durch die gedachten Actenstücke gänzlich außer Stand gesetzt, zu einer Wahl zu schreiten. Diejenigen Thatumstände, die uns im Jahre 1838 von der Wahl zurückhielten, und die uns im Jahre 1839 zu Erhebung eines Protestes nöthigten, sind unverändert dieselben. Es kann
1) jetzt so wenig, wie zu irgend einer Zeit nach Publication des Staatsgrundgesetzes einer andern Versammlung, als der diesem Gesetz entsprechenden, ein ständischer Charakter beigelegt werden. Hierin ist
2) durch den Bundesbeschluß, welchen die allerhöchste Proclamation vom 10 September v. J. zu allgemeiner Kenntniß gebracht hat, nichts geändert, vielmehr nur ein Vergleichsversuch angerathen, unter ausdrücklichem Vorbehalt aller Rechte, wodurch der gegenwärtigen Versammlung keine weitere Befugniß beigelegt wird, als sie ohnehin besitzt. Es kann mithin
3) die gegenwärtige Versammlung schon, weil sie dem Grundgesetze widerspricht, zu verbindlichen Beschlüssen berechtigt nicht gehalten werden. Wäre aber auch möglich, eine Versammlung nach dem Patente vom 7 December 1819 als rechtlich bestehend und zu einer Vereinigung genügend zu betrachten, so würde dennoch die gegenwärtige Versammlung daher keinen Gewinn ziehen können; denn es fehlt
a) derselben der wesentliche Bestandtheil des Schatzcollegiums, und ebenso beruht
b) die Vertretung des wichtigen Bauernstandes nicht auf verfassungsmäßigen Normen, sondern auf einseitiger Anordnung der Regierung.
Beides ist durch eine behauptete Nothwendigkeit um so weniger zu entschuldigen, als der Regierung zu keiner Zeit und in keiner Provinz das Recht zugestanden hat, die Zusammensetzung der ständischen Versammlungen auf den Grund einer ihrerseits erkannten Nothwendigkeit ohne Zustimmung der Stände zu verändern, und als namentlich die allerhöchste Proclamation vom 15 Februar 1839 die Gültigkeit des Grundgesetzes hauptsächlich aus dem Grunde bestreitet, weil (nach einer erwiesen irrigen Annahme) das Schatzcollegium ohne ständische Zustimmung entfernt sey. Was aber dort gelten soll, wird hier nicht minder gelten müssen. Es ist aber ferner
c) aus der zweiten Kammer dieser Versammlung, wie der allerhöchste Erlaß vom 2 März 1839 ergibt, die Mehrzahl der Mitglieder entfernt und theils ohne allen Formfehler ihrerseits und wider ihren Willen ausgestoßen, weil dieselbe die Verfassung von 1819 als die rechtlich gültige nicht anerkennen konnte. Ja es sind in solchen Fällen, wo die also ausgeschiedenen Deputirten von ihren Wahlcollegien wieder erwählt werden wollten, diese Wahlen als ungültig bezeichnet und zurückgewiesen.
Gegenwärtig ist freilich uns und andern Corporationen die gnädige Eröffnung zu Theil geworden,
daß jene Ausschließung durch die Verfügung vom 2 März oder die politische Gesinnung einen Ausschließungsgrund der passiven Wahlfähigkeit nicht geben solle.
Allein so dankbar dieß zu erkennen ist, so wird doch dadurch jene Ausschließung selbst nur um so schwerer zu rechtfertigen. Wo die Ursache wegfällt, da muß auch die Wirkung aufhören. Wenn jene Erklärung gegen die Verfassung von 1819 jetzt kein genügender Grund ist, die Wahl zu vernichten, so konnte sie auch damals kein Grund der Ausschließung seyn, mithin sind jene dieserhalb ausgeschlossenen Deputirten, und nicht die neugewählten, als wahre Deputirte zu betrachten. Dieß aber ist um so mehr der Fall, als
d) jene Ergänzungswahlen dem größten Theile nach auf das heftigste bestritten worden. Man hat, wie bemerkt, den freien Willen der Wähler gebunden, indem man die Männer ihres Vertrauens aus einem jetzt für unhaltbar erklärten Grund ausschloß. Es sind theils die Wahlen von erheblichen Minoritäten aus Rechtsgründen angefochten. In andern Fällen ist selbst gegen den Willen der Mehrzahl nur durch eine Minorität gewählt worden, und alle Deputirten, die auf solche Weise gewählt sind, finden sich in dieser Versammlung, in welche man sie aufgenommen und zur Abstimmung zugelassen, ehe und bevor derselben die verfassungsmäßige Prüfung der Vollmachten möglich war; ja es ist noch in diesem Augenblick der Streit über ihre Legitimation und somit über die gesetzliche Beschlußfähigkeit der ganzen Versammlung offen und unerledigt. Somit sind gegen diese Versammlung Formfehler von solcher Art zu rügen, daß eine von ihr genehmigte Verfassung den Keim des Todes in sich tragen muß. Dazu aber kommt noch
4) daß selbst der Grund und Schutz der ständischen Redefreiheit, das eigene Urtheil der Kammern über die Reden ihrer Mitglieder, bloßgestellt ist. Denn nach der allerhöchsten Verordnung vom 17 Januar d. J. bedarf es lediglich eines Erlasses, um jedes Gericht zu autorisiren, über ständische Vota zu urtheilen.
Aus Nichtigem kann nie Gültiges erwachsen! – Wenn schon die geringen Formfehler, welche man an dem Staatsgrundgesetze zu finden glaubt, im Stande gewesen sind, so schwere Zerwürfnisse herbeizuführen, wie dieß leider der Fall ist, dann ist es noch viel gefährlicher um diejenige Verfassung bestellt, die jetzt berathen werden soll! Wer aber die letztvergangenen Jahre erlebt hat; wer es weiß, wie viel Gutes und Nothwendiges dieselben gehemmt; welche Aufregung sie hervorgerufen; welche bittere Saat der Feindseligkeit und des Mißtrauens sie in den Gemüthern
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
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