Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 136. Augsburg, 15. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

verstorbenen jungen Dichter zu einer Art von Romanhelden herauszuputzen, dessen Geist rücksichtsloser Behandlung und unwürdigen Lebensverhältnissen im österreichischen Soldatenrocke erlegen sey. Die Sache ist einfach die: Hilscher, Soldatenkind, im Militärerziehungshause erzogen, wurde später als Feldwebel selbst so lange Lehrer darin, bis man ihn zum Regimente nach Italien berief. Er war ein junger Mensch von gutem Charakter und vorzüglichen Geistesgaben, aber von schwacher Gesundheit und wenig militärischen Eigenschaften. Dennoch hatte man ihn zum Cadet ernannt, und wollte ihn auch, wie er selbst sagt, eben zum Officier befördern, als er starb. Dieß ist die ganze Lebensgeschichte des jungen Mannes, wenn sie vom romantischen Beiwerk entkleidet wird. Man sieht daraus, daß schon das Streben Hilschers von seinen Vorgesetzten im Militär erkannt ward, und daß man aus freiem Antrieb alle möglichen Rücksichten für ihn eintreten ließ. Er ward der niedrigen Dienstsphäre entzogen und befand sich in keiner unvortheilhafteren Stellung als die unzähligen Jünglinge, auch aus den besten Familien, die auf das Officierspatent warten. Hilschers Lebensansichten waren noch im höchsten Grade unklar, und sein Charakter scheint wenig Schwungkraft und Energie gehabt zu haben. Sein poetisches Talent aber zeigt sich, selbst in den Proben, die wir hier erhalten, eminent. Besser als in den beigegebenen Nachbildungen ist Byron nicht übersetzt worden. Hilscher ist in den Geist des Dichters vollkommen eingedrungen, und sein Ausdruck ist höchst glücklich und gewandt. Aber die Schwierigkeiten einer Uebersetzung aller andern Dichtungen, zum Childe Harold, sind wie Eins zu Zehn, und diese Lösung ist uns Hilscher leider schuldig geblieben. Der junge Dichter sagt, er traue sich die Kraft zu dieser Arbeit zu. Vielleicht hatte er sie. Wenn Einer, dann er gewiß, indeß können wir eine solche Versicherung nicht auf bloßen Glauben hinnehmen; nur zu oft versagt der Ikarus-Flügel seinen Dienst! Das soll indeß dem trefflichen jungen Mann, an dem der deutsche Dichterkreis um eine herrliche Blüthe ärmer geworden ist, nicht zur Schmähung gereichen. In der That, Oesterreich hat sich seiner Dichter nicht zu schämen, und Hilscher war begabt genug, um sich einst an seine besten anzureihen.

Unsere Bemerkungen in den Wiener Briefen über das Burgtheater wurden mit einer zweiten Reclamation bedroht, die, wie man verbreitete, vernichtend seyn sollte. Nun hat der Berg geboren und die Maus läuft in Nr. 97 der Allgem. Zeitung vor dem Publicum herum. Natürlich lassen wir sie laufen! Wir werden deßhalb vor wie nach unsere Bemerkungen fortsetzen, und keine andere Rücksicht eintreten lassen, als die der Kunst, die wir eben so gut, und vielleicht noch etwas besser als unsere Reclamanten, zu verstehen glauben. Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Seit unserm letzten Berichte brachte das Repertoire eine Kleinigkeit von Mad. Weißenthurn: "Der Bevollmächtigte." Das Publicum, das keine Gelegenheit vorübergehen läßt, der Verfasserin zu beweisen, wie dankbar eingedenk es ihrer verdienstlichen Leistungen als Schriftstellerin sey, nahm auch diese kleine Gabe mit größter Erkenntlichkeit auf. Eine zweite Kleinigkeit: "Nach Mitternacht", aus dem Französischen, hat sehr lachen gemacht. Wir haben hier, wie oft zuvor, Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß, jemehr die Versammlung sich bei solchen gründlich lustigen Stücken unterhielt, und je herzlicher sie lachte, zartsinnige Rigoristen immer die Bemerkung machten, solche Stücke schickten sich nicht für das Hoftheater. Warum denn nicht? Wir versichern ihnen, daß zu einer guten Posse gerade so viel tüchtiges Talent, darstellende Kunst und feiner Tact gehört, als zu jeder andern dramatischen Gattung; daß oft eben solche wahrhafte Possen einen guten Theil höher an Kunstwerth stehen, als die meisten saftlosen Präparate, die uns unter dem Titel seiner Lustspiele geboten werden, und daß es viel mehr guten Geschmack verräth, einen kräftigen Spaß zu beklatschen, als den Schneider einer gut angezogenen Schauspielerin, was wir hier auch schon erlebt haben.

Die italienische Oper hat ihre Vorstellungen begonnen, und man muß den Unternehmern Morelli und Balocchino zugestehen, daß es nicht möglich ist, besseren Willen, größere Thätigkeit und Uneigennützigkeit zu zeigen, um ihren Verbindlichkeiten auf das ehrenvollste nachzukommen. Eine billige, unparteiische, umsichtige Ueberwachung sichert überdieß die Ansprüche des Publicums. Die Sänger: Moriani, Ronconi, Badiali, Frezzolini, Ropa, Lonati, die Sängerinnen: Ungher, Gabassi, Brambilla, Frezzolini bilden einen Verein, wie ich ihn in Italien in letzter Zeit nirgends angetroffen. Stimmen, wie die Moriani's, Badiali's, gehören zu den seltensten, eben so Sänger von Ronconi's Trefflichkeit. Man kann hundert schönere Stimmen als die der Mlle. Ungher finden, schwerlich aber in Italien oder Deutschland eine vollendetere dramatische Sängerin. - Im Ballette tanzt Mad. Taglioni mit derselben unübertrefflichen Grazie, die wir früher an ihr kannten.

Ein Werk von größerer Bedeutung ist Halms neuestes Trauerspiel: "Ein mildes Urtheil." Die Kunst dramatischen Baues, die der Verfasser in hohem Grade besitzt, tritt auch hier vortheilhaft hervor, dabei sind manche Scenen, z. B. die der beiden Gatten bei dem Könige, von großer Vortrefflichkeit. Das Ganze macht indeß einen mehr peinlichen, als tragischen Eindruck. Die Aufnahme war die günstigste, und Anschütz spielte mit seiner alten Meisterschaft.

Nächstens etwas über Neubauten, Industrie und Gewerbthätigkeit, in denen wir ein rasches, bewegtes Leben wahrnehmen.

Spanien.

Ein Naturerzeugniß, welches giftige und heilende Kräfte in sich vereinigt, das Opium, führt Feindseligkeiten herbei zwischen den Beherrschern der Meere und dem himmlischen Mittelreiche; Schwefel bedroht die uns östlich liegende Halbinsel mit Erschütterungen; ein anderes Mineral hat hier in Madrid eine höchst unerwartete Krisis veranlaßt - das Quecksilber. Man wird sich erinnern, daß der Graf Toreno den Antrag gestellt hatte, der Congreß möchte untersuchen, ob die Klage, welche der General Sevane gegen ihn wegen des mit dem Hause Rothschild abgeschlossenen Quecksilbercontracts erhoben, rechtlich begründet sey. Die deßhalb niedergesetzte Commission zeigte in ihrem ausführlichen Berichte, daß alle gegen die Gültigkeit dieses Contracts aufgestellten Gründe nicht nur vollkommen nichtig seyen, sondern daß auch aus jenem Contract für den Staat selbst der größte Vortheil erwachsen wäre. Die Commission trug demnach darauf an, der Congreß möge erklären, daß der von dem General Seoane am 1 Februar 1838 gegen den im Jahr 1835 Finanzminister gewesenen Grafen Toreno aufgestellten Anklage nicht Statt gegeben werden könne. In der That bewiesen die Feinde Toreno's eine große Ungeschicklichkeit, indem sie gerade das Quecksilbergeschäft zum Vorwande nahmen, um den öffentlichen Ruf jenes Mannes anzugreifen. Andere Seiten seiner Verwaltung bieten offenbar größere Blößen dar, wenn man nicht den Grundsatz gelten lassen will, den auf sehr naive Weise ein hiesiges ministerielles Blatt (der Correo Nacional von vorgestern) aufstellt, es sey eine so allgemeine Sache, daß Minister ihre Lage benutzten, um Geld zu machen, daß

verstorbenen jungen Dichter zu einer Art von Romanhelden herauszuputzen, dessen Geist rücksichtsloser Behandlung und unwürdigen Lebensverhältnissen im österreichischen Soldatenrocke erlegen sey. Die Sache ist einfach die: Hilscher, Soldatenkind, im Militärerziehungshause erzogen, wurde später als Feldwebel selbst so lange Lehrer darin, bis man ihn zum Regimente nach Italien berief. Er war ein junger Mensch von gutem Charakter und vorzüglichen Geistesgaben, aber von schwacher Gesundheit und wenig militärischen Eigenschaften. Dennoch hatte man ihn zum Cadet ernannt, und wollte ihn auch, wie er selbst sagt, eben zum Officier befördern, als er starb. Dieß ist die ganze Lebensgeschichte des jungen Mannes, wenn sie vom romantischen Beiwerk entkleidet wird. Man sieht daraus, daß schon das Streben Hilschers von seinen Vorgesetzten im Militär erkannt ward, und daß man aus freiem Antrieb alle möglichen Rücksichten für ihn eintreten ließ. Er ward der niedrigen Dienstsphäre entzogen und befand sich in keiner unvortheilhafteren Stellung als die unzähligen Jünglinge, auch aus den besten Familien, die auf das Officierspatent warten. Hilschers Lebensansichten waren noch im höchsten Grade unklar, und sein Charakter scheint wenig Schwungkraft und Energie gehabt zu haben. Sein poetisches Talent aber zeigt sich, selbst in den Proben, die wir hier erhalten, eminent. Besser als in den beigegebenen Nachbildungen ist Byron nicht übersetzt worden. Hilscher ist in den Geist des Dichters vollkommen eingedrungen, und sein Ausdruck ist höchst glücklich und gewandt. Aber die Schwierigkeiten einer Uebersetzung aller andern Dichtungen, zum Childe Harold, sind wie Eins zu Zehn, und diese Lösung ist uns Hilscher leider schuldig geblieben. Der junge Dichter sagt, er traue sich die Kraft zu dieser Arbeit zu. Vielleicht hatte er sie. Wenn Einer, dann er gewiß, indeß können wir eine solche Versicherung nicht auf bloßen Glauben hinnehmen; nur zu oft versagt der Ikarus-Flügel seinen Dienst! Das soll indeß dem trefflichen jungen Mann, an dem der deutsche Dichterkreis um eine herrliche Blüthe ärmer geworden ist, nicht zur Schmähung gereichen. In der That, Oesterreich hat sich seiner Dichter nicht zu schämen, und Hilscher war begabt genug, um sich einst an seine besten anzureihen.

Unsere Bemerkungen in den Wiener Briefen über das Burgtheater wurden mit einer zweiten Reclamation bedroht, die, wie man verbreitete, vernichtend seyn sollte. Nun hat der Berg geboren und die Maus läuft in Nr. 97 der Allgem. Zeitung vor dem Publicum herum. Natürlich lassen wir sie laufen! Wir werden deßhalb vor wie nach unsere Bemerkungen fortsetzen, und keine andere Rücksicht eintreten lassen, als die der Kunst, die wir eben so gut, und vielleicht noch etwas besser als unsere Reclamanten, zu verstehen glauben. Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Seit unserm letzten Berichte brachte das Repertoire eine Kleinigkeit von Mad. Weißenthurn: „Der Bevollmächtigte.“ Das Publicum, das keine Gelegenheit vorübergehen läßt, der Verfasserin zu beweisen, wie dankbar eingedenk es ihrer verdienstlichen Leistungen als Schriftstellerin sey, nahm auch diese kleine Gabe mit größter Erkenntlichkeit auf. Eine zweite Kleinigkeit: „Nach Mitternacht“, aus dem Französischen, hat sehr lachen gemacht. Wir haben hier, wie oft zuvor, Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß, jemehr die Versammlung sich bei solchen gründlich lustigen Stücken unterhielt, und je herzlicher sie lachte, zartsinnige Rigoristen immer die Bemerkung machten, solche Stücke schickten sich nicht für das Hoftheater. Warum denn nicht? Wir versichern ihnen, daß zu einer guten Posse gerade so viel tüchtiges Talent, darstellende Kunst und feiner Tact gehört, als zu jeder andern dramatischen Gattung; daß oft eben solche wahrhafte Possen einen guten Theil höher an Kunstwerth stehen, als die meisten saftlosen Präparate, die uns unter dem Titel seiner Lustspiele geboten werden, und daß es viel mehr guten Geschmack verräth, einen kräftigen Spaß zu beklatschen, als den Schneider einer gut angezogenen Schauspielerin, was wir hier auch schon erlebt haben.

Die italienische Oper hat ihre Vorstellungen begonnen, und man muß den Unternehmern Morelli und Balocchino zugestehen, daß es nicht möglich ist, besseren Willen, größere Thätigkeit und Uneigennützigkeit zu zeigen, um ihren Verbindlichkeiten auf das ehrenvollste nachzukommen. Eine billige, unparteiische, umsichtige Ueberwachung sichert überdieß die Ansprüche des Publicums. Die Sänger: Moriani, Ronconi, Badiali, Frezzolini, Ropa, Lonati, die Sängerinnen: Ungher, Gabassi, Brambilla, Frezzolini bilden einen Verein, wie ich ihn in Italien in letzter Zeit nirgends angetroffen. Stimmen, wie die Moriani's, Badiali's, gehören zu den seltensten, eben so Sänger von Ronconi's Trefflichkeit. Man kann hundert schönere Stimmen als die der Mlle. Ungher finden, schwerlich aber in Italien oder Deutschland eine vollendetere dramatische Sängerin. – Im Ballette tanzt Mad. Taglioni mit derselben unübertrefflichen Grazie, die wir früher an ihr kannten.

Ein Werk von größerer Bedeutung ist Halms neuestes Trauerspiel: „Ein mildes Urtheil.“ Die Kunst dramatischen Baues, die der Verfasser in hohem Grade besitzt, tritt auch hier vortheilhaft hervor, dabei sind manche Scenen, z. B. die der beiden Gatten bei dem Könige, von großer Vortrefflichkeit. Das Ganze macht indeß einen mehr peinlichen, als tragischen Eindruck. Die Aufnahme war die günstigste, und Anschütz spielte mit seiner alten Meisterschaft.

Nächstens etwas über Neubauten, Industrie und Gewerbthätigkeit, in denen wir ein rasches, bewegtes Leben wahrnehmen.

Spanien.

Ein Naturerzeugniß, welches giftige und heilende Kräfte in sich vereinigt, das Opium, führt Feindseligkeiten herbei zwischen den Beherrschern der Meere und dem himmlischen Mittelreiche; Schwefel bedroht die uns östlich liegende Halbinsel mit Erschütterungen; ein anderes Mineral hat hier in Madrid eine höchst unerwartete Krisis veranlaßt – das Quecksilber. Man wird sich erinnern, daß der Graf Toreno den Antrag gestellt hatte, der Congreß möchte untersuchen, ob die Klage, welche der General Sevane gegen ihn wegen des mit dem Hause Rothschild abgeschlossenen Quecksilbercontracts erhoben, rechtlich begründet sey. Die deßhalb niedergesetzte Commission zeigte in ihrem ausführlichen Berichte, daß alle gegen die Gültigkeit dieses Contracts aufgestellten Gründe nicht nur vollkommen nichtig seyen, sondern daß auch aus jenem Contract für den Staat selbst der größte Vortheil erwachsen wäre. Die Commission trug demnach darauf an, der Congreß möge erklären, daß der von dem General Seoane am 1 Februar 1838 gegen den im Jahr 1835 Finanzminister gewesenen Grafen Toreno aufgestellten Anklage nicht Statt gegeben werden könne. In der That bewiesen die Feinde Toreno's eine große Ungeschicklichkeit, indem sie gerade das Quecksilbergeschäft zum Vorwande nahmen, um den öffentlichen Ruf jenes Mannes anzugreifen. Andere Seiten seiner Verwaltung bieten offenbar größere Blößen dar, wenn man nicht den Grundsatz gelten lassen will, den auf sehr naive Weise ein hiesiges ministerielles Blatt (der Correo Nacional von vorgestern) aufstellt, es sey eine so allgemeine Sache, daß Minister ihre Lage benutzten, um Geld zu machen, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="1084"/>
verstorbenen jungen Dichter zu einer Art von Romanhelden herauszuputzen, dessen Geist rücksichtsloser Behandlung und unwürdigen Lebensverhältnissen im österreichischen Soldatenrocke erlegen sey. Die Sache ist einfach die: Hilscher, Soldatenkind, im Militärerziehungshause erzogen, wurde später als Feldwebel selbst so lange Lehrer darin, bis man ihn zum Regimente nach Italien berief. Er war ein junger Mensch von gutem Charakter und vorzüglichen Geistesgaben, aber von schwacher Gesundheit und wenig militärischen Eigenschaften. Dennoch hatte man ihn zum Cadet ernannt, und wollte ihn auch, wie er selbst sagt, eben zum Officier befördern, als er starb. Dieß ist die ganze Lebensgeschichte des jungen Mannes, wenn sie vom romantischen Beiwerk entkleidet wird. Man sieht daraus, daß schon das Streben Hilschers von seinen Vorgesetzten im Militär erkannt ward, und daß man aus freiem Antrieb alle möglichen Rücksichten für ihn eintreten ließ. Er ward der niedrigen Dienstsphäre entzogen und befand sich in keiner unvortheilhafteren Stellung als die unzähligen Jünglinge, auch aus den besten Familien, die auf das Officierspatent warten. Hilschers Lebensansichten waren noch im höchsten Grade unklar, und sein Charakter scheint wenig Schwungkraft und Energie gehabt zu haben. Sein poetisches Talent aber zeigt sich, selbst in den Proben, die wir hier erhalten, eminent. Besser als in den beigegebenen Nachbildungen ist Byron nicht übersetzt worden. Hilscher ist in den Geist des Dichters vollkommen eingedrungen, und sein Ausdruck ist höchst glücklich und gewandt. Aber die Schwierigkeiten einer Uebersetzung aller andern Dichtungen, zum Childe Harold, sind wie Eins zu Zehn, und diese Lösung ist uns Hilscher leider schuldig geblieben. Der junge Dichter sagt, er traue sich die Kraft zu dieser Arbeit zu. Vielleicht hatte er sie. Wenn <hi rendition="#g">Einer</hi>, dann er gewiß, indeß können wir eine solche Versicherung nicht auf bloßen Glauben hinnehmen; nur zu oft versagt der Ikarus-Flügel seinen Dienst! Das soll indeß dem trefflichen jungen Mann, an dem der deutsche Dichterkreis um eine herrliche Blüthe ärmer geworden ist, nicht zur Schmähung gereichen. In der That, Oesterreich hat sich seiner Dichter nicht zu schämen, und Hilscher war begabt genug, um sich einst an seine besten anzureihen.</p><lb/>
        <p>Unsere Bemerkungen in den Wiener Briefen über das Burgtheater wurden mit einer zweiten Reclamation bedroht, die, wie man verbreitete, <hi rendition="#g">vernichtend</hi> seyn sollte. Nun hat der Berg geboren und die Maus läuft in Nr. 97 der Allgem. Zeitung vor dem Publicum herum. Natürlich lassen wir sie laufen! Wir werden deßhalb vor wie nach unsere Bemerkungen fortsetzen, und keine andere Rücksicht eintreten lassen, als die der Kunst, die wir eben so gut, und vielleicht noch etwas besser als unsere Reclamanten, zu verstehen glauben. Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Seit unserm letzten Berichte brachte das Repertoire eine Kleinigkeit von Mad. Weißenthurn: &#x201E;Der Bevollmächtigte.&#x201C; Das Publicum, das keine Gelegenheit vorübergehen läßt, der Verfasserin zu beweisen, wie dankbar eingedenk es ihrer verdienstlichen Leistungen als Schriftstellerin sey, nahm auch diese kleine Gabe mit größter Erkenntlichkeit auf. Eine zweite Kleinigkeit: &#x201E;Nach Mitternacht&#x201C;, aus dem Französischen, hat sehr lachen gemacht. Wir haben hier, wie oft zuvor, Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß, jemehr die Versammlung sich bei solchen gründlich lustigen Stücken unterhielt, und je herzlicher sie lachte, zartsinnige Rigoristen immer die Bemerkung machten, solche Stücke schickten sich nicht für das Hoftheater. Warum denn nicht? Wir versichern ihnen, daß zu einer guten Posse gerade so viel tüchtiges Talent, darstellende Kunst und feiner Tact gehört, als zu jeder andern dramatischen Gattung; daß oft eben solche wahrhafte Possen einen guten Theil höher an Kunstwerth stehen, als die meisten saftlosen Präparate, die uns unter dem Titel seiner Lustspiele geboten werden, und daß es viel mehr guten Geschmack verräth, einen kräftigen Spaß zu beklatschen, als den Schneider einer gut angezogenen Schauspielerin, was wir hier auch schon erlebt haben.</p><lb/>
        <p>Die italienische Oper hat ihre Vorstellungen begonnen, und man muß den Unternehmern Morelli und Balocchino zugestehen, daß es nicht möglich ist, besseren Willen, größere Thätigkeit und Uneigennützigkeit zu zeigen, um ihren Verbindlichkeiten auf das ehrenvollste nachzukommen. Eine billige, unparteiische, umsichtige Ueberwachung sichert überdieß die Ansprüche des Publicums. Die Sänger: Moriani, Ronconi, Badiali, Frezzolini, Ropa, Lonati, die Sängerinnen: Ungher, Gabassi, Brambilla, Frezzolini bilden einen Verein, wie ich ihn in Italien in letzter Zeit nirgends angetroffen. Stimmen, wie die Moriani's, Badiali's, gehören zu den seltensten, eben so Sänger von Ronconi's Trefflichkeit. Man kann hundert schönere Stimmen als die der Mlle. Ungher finden, schwerlich aber in Italien oder Deutschland eine vollendetere dramatische Sängerin. &#x2013; Im Ballette tanzt Mad. Taglioni mit derselben unübertrefflichen Grazie, die wir früher an ihr kannten.</p><lb/>
        <p>Ein Werk von größerer Bedeutung ist Halms neuestes Trauerspiel: &#x201E;<hi rendition="#g">Ein mildes Urtheil</hi>.&#x201C; Die Kunst dramatischen Baues, die der Verfasser in hohem Grade besitzt, tritt auch hier vortheilhaft hervor, dabei sind manche Scenen, z. B. die der beiden Gatten bei dem Könige, von großer Vortrefflichkeit. Das Ganze macht indeß einen mehr peinlichen, als tragischen Eindruck. Die Aufnahme war die günstigste, und Anschütz spielte mit seiner alten Meisterschaft.</p><lb/>
        <p>Nächstens etwas über Neubauten, Industrie und Gewerbthätigkeit, in denen wir ein rasches, bewegtes Leben wahrnehmen.</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Madrid,</hi> 1 Mai.</dateline>
          <p> Ein Naturerzeugniß, welches giftige und heilende Kräfte in sich vereinigt, das Opium, führt Feindseligkeiten herbei zwischen den Beherrschern der Meere und dem himmlischen Mittelreiche; Schwefel bedroht die uns östlich liegende Halbinsel mit Erschütterungen; ein anderes Mineral hat hier in Madrid eine höchst unerwartete Krisis veranlaßt &#x2013; das Quecksilber. Man wird sich erinnern, daß der Graf Toreno den Antrag gestellt hatte, der Congreß möchte untersuchen, ob die Klage, welche der General Sevane gegen ihn wegen des mit dem Hause Rothschild abgeschlossenen Quecksilbercontracts erhoben, rechtlich begründet sey. Die deßhalb niedergesetzte Commission zeigte in ihrem ausführlichen Berichte, daß alle gegen die Gültigkeit dieses Contracts aufgestellten Gründe nicht nur vollkommen nichtig seyen, sondern daß auch aus jenem Contract für den Staat selbst der größte Vortheil erwachsen wäre. Die Commission trug demnach darauf an, der Congreß möge erklären, daß der von dem General Seoane am 1 Februar 1838 gegen den im Jahr 1835 Finanzminister gewesenen Grafen Toreno aufgestellten Anklage nicht Statt gegeben werden könne. In der That bewiesen die Feinde Toreno's eine große Ungeschicklichkeit, indem sie gerade das Quecksilbergeschäft zum Vorwande nahmen, um den öffentlichen Ruf jenes Mannes anzugreifen. Andere Seiten seiner Verwaltung bieten offenbar größere Blößen dar, wenn man nicht den Grundsatz gelten lassen will, den auf sehr naive Weise ein hiesiges ministerielles Blatt (der Correo Nacional von vorgestern) aufstellt, es sey eine so allgemeine Sache, daß Minister ihre Lage benutzten, um Geld zu machen, daß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1084/0012] verstorbenen jungen Dichter zu einer Art von Romanhelden herauszuputzen, dessen Geist rücksichtsloser Behandlung und unwürdigen Lebensverhältnissen im österreichischen Soldatenrocke erlegen sey. Die Sache ist einfach die: Hilscher, Soldatenkind, im Militärerziehungshause erzogen, wurde später als Feldwebel selbst so lange Lehrer darin, bis man ihn zum Regimente nach Italien berief. Er war ein junger Mensch von gutem Charakter und vorzüglichen Geistesgaben, aber von schwacher Gesundheit und wenig militärischen Eigenschaften. Dennoch hatte man ihn zum Cadet ernannt, und wollte ihn auch, wie er selbst sagt, eben zum Officier befördern, als er starb. Dieß ist die ganze Lebensgeschichte des jungen Mannes, wenn sie vom romantischen Beiwerk entkleidet wird. Man sieht daraus, daß schon das Streben Hilschers von seinen Vorgesetzten im Militär erkannt ward, und daß man aus freiem Antrieb alle möglichen Rücksichten für ihn eintreten ließ. Er ward der niedrigen Dienstsphäre entzogen und befand sich in keiner unvortheilhafteren Stellung als die unzähligen Jünglinge, auch aus den besten Familien, die auf das Officierspatent warten. Hilschers Lebensansichten waren noch im höchsten Grade unklar, und sein Charakter scheint wenig Schwungkraft und Energie gehabt zu haben. Sein poetisches Talent aber zeigt sich, selbst in den Proben, die wir hier erhalten, eminent. Besser als in den beigegebenen Nachbildungen ist Byron nicht übersetzt worden. Hilscher ist in den Geist des Dichters vollkommen eingedrungen, und sein Ausdruck ist höchst glücklich und gewandt. Aber die Schwierigkeiten einer Uebersetzung aller andern Dichtungen, zum Childe Harold, sind wie Eins zu Zehn, und diese Lösung ist uns Hilscher leider schuldig geblieben. Der junge Dichter sagt, er traue sich die Kraft zu dieser Arbeit zu. Vielleicht hatte er sie. Wenn Einer, dann er gewiß, indeß können wir eine solche Versicherung nicht auf bloßen Glauben hinnehmen; nur zu oft versagt der Ikarus-Flügel seinen Dienst! Das soll indeß dem trefflichen jungen Mann, an dem der deutsche Dichterkreis um eine herrliche Blüthe ärmer geworden ist, nicht zur Schmähung gereichen. In der That, Oesterreich hat sich seiner Dichter nicht zu schämen, und Hilscher war begabt genug, um sich einst an seine besten anzureihen. Unsere Bemerkungen in den Wiener Briefen über das Burgtheater wurden mit einer zweiten Reclamation bedroht, die, wie man verbreitete, vernichtend seyn sollte. Nun hat der Berg geboren und die Maus läuft in Nr. 97 der Allgem. Zeitung vor dem Publicum herum. Natürlich lassen wir sie laufen! Wir werden deßhalb vor wie nach unsere Bemerkungen fortsetzen, und keine andere Rücksicht eintreten lassen, als die der Kunst, die wir eben so gut, und vielleicht noch etwas besser als unsere Reclamanten, zu verstehen glauben. Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Seit unserm letzten Berichte brachte das Repertoire eine Kleinigkeit von Mad. Weißenthurn: „Der Bevollmächtigte.“ Das Publicum, das keine Gelegenheit vorübergehen läßt, der Verfasserin zu beweisen, wie dankbar eingedenk es ihrer verdienstlichen Leistungen als Schriftstellerin sey, nahm auch diese kleine Gabe mit größter Erkenntlichkeit auf. Eine zweite Kleinigkeit: „Nach Mitternacht“, aus dem Französischen, hat sehr lachen gemacht. Wir haben hier, wie oft zuvor, Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß, jemehr die Versammlung sich bei solchen gründlich lustigen Stücken unterhielt, und je herzlicher sie lachte, zartsinnige Rigoristen immer die Bemerkung machten, solche Stücke schickten sich nicht für das Hoftheater. Warum denn nicht? Wir versichern ihnen, daß zu einer guten Posse gerade so viel tüchtiges Talent, darstellende Kunst und feiner Tact gehört, als zu jeder andern dramatischen Gattung; daß oft eben solche wahrhafte Possen einen guten Theil höher an Kunstwerth stehen, als die meisten saftlosen Präparate, die uns unter dem Titel seiner Lustspiele geboten werden, und daß es viel mehr guten Geschmack verräth, einen kräftigen Spaß zu beklatschen, als den Schneider einer gut angezogenen Schauspielerin, was wir hier auch schon erlebt haben. Die italienische Oper hat ihre Vorstellungen begonnen, und man muß den Unternehmern Morelli und Balocchino zugestehen, daß es nicht möglich ist, besseren Willen, größere Thätigkeit und Uneigennützigkeit zu zeigen, um ihren Verbindlichkeiten auf das ehrenvollste nachzukommen. Eine billige, unparteiische, umsichtige Ueberwachung sichert überdieß die Ansprüche des Publicums. Die Sänger: Moriani, Ronconi, Badiali, Frezzolini, Ropa, Lonati, die Sängerinnen: Ungher, Gabassi, Brambilla, Frezzolini bilden einen Verein, wie ich ihn in Italien in letzter Zeit nirgends angetroffen. Stimmen, wie die Moriani's, Badiali's, gehören zu den seltensten, eben so Sänger von Ronconi's Trefflichkeit. Man kann hundert schönere Stimmen als die der Mlle. Ungher finden, schwerlich aber in Italien oder Deutschland eine vollendetere dramatische Sängerin. – Im Ballette tanzt Mad. Taglioni mit derselben unübertrefflichen Grazie, die wir früher an ihr kannten. Ein Werk von größerer Bedeutung ist Halms neuestes Trauerspiel: „Ein mildes Urtheil.“ Die Kunst dramatischen Baues, die der Verfasser in hohem Grade besitzt, tritt auch hier vortheilhaft hervor, dabei sind manche Scenen, z. B. die der beiden Gatten bei dem Könige, von großer Vortrefflichkeit. Das Ganze macht indeß einen mehr peinlichen, als tragischen Eindruck. Die Aufnahme war die günstigste, und Anschütz spielte mit seiner alten Meisterschaft. Nächstens etwas über Neubauten, Industrie und Gewerbthätigkeit, in denen wir ein rasches, bewegtes Leben wahrnehmen. Spanien. _ Madrid, 1 Mai. Ein Naturerzeugniß, welches giftige und heilende Kräfte in sich vereinigt, das Opium, führt Feindseligkeiten herbei zwischen den Beherrschern der Meere und dem himmlischen Mittelreiche; Schwefel bedroht die uns östlich liegende Halbinsel mit Erschütterungen; ein anderes Mineral hat hier in Madrid eine höchst unerwartete Krisis veranlaßt – das Quecksilber. Man wird sich erinnern, daß der Graf Toreno den Antrag gestellt hatte, der Congreß möchte untersuchen, ob die Klage, welche der General Sevane gegen ihn wegen des mit dem Hause Rothschild abgeschlossenen Quecksilbercontracts erhoben, rechtlich begründet sey. Die deßhalb niedergesetzte Commission zeigte in ihrem ausführlichen Berichte, daß alle gegen die Gültigkeit dieses Contracts aufgestellten Gründe nicht nur vollkommen nichtig seyen, sondern daß auch aus jenem Contract für den Staat selbst der größte Vortheil erwachsen wäre. Die Commission trug demnach darauf an, der Congreß möge erklären, daß der von dem General Seoane am 1 Februar 1838 gegen den im Jahr 1835 Finanzminister gewesenen Grafen Toreno aufgestellten Anklage nicht Statt gegeben werden könne. In der That bewiesen die Feinde Toreno's eine große Ungeschicklichkeit, indem sie gerade das Quecksilbergeschäft zum Vorwande nahmen, um den öffentlichen Ruf jenes Mannes anzugreifen. Andere Seiten seiner Verwaltung bieten offenbar größere Blößen dar, wenn man nicht den Grundsatz gelten lassen will, den auf sehr naive Weise ein hiesiges ministerielles Blatt (der Correo Nacional von vorgestern) aufstellt, es sey eine so allgemeine Sache, daß Minister ihre Lage benutzten, um Geld zu machen, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_136_18400515
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_136_18400515/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 136. Augsburg, 15. Mai 1840, S. 1084. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_136_18400515/12>, abgerufen am 29.04.2024.