Allgemeine Zeitung. Nr. 136. Augsburg, 15. Mai 1840.de Ebro befanden. Der General Vanhalen hat nach Erreichung seines Zweckes, Solsona zu verproviantiren, diesen Platz am 28 wieder verlassen, und mit den Carlisten, die sich ihm auf Anhöhen und Engpässen abermals entgegenstellten, ein hitziges Gefecht bestanden, in welchem er selbst an der Hand verwundet wurde. Während der Nacht lagerte er sich mit seinen Truppen in und bei Biosca. Demnach scheint es, daß er die Carlisten nicht verhindern konnte, Solsona aufs neue einzuschließen. Der Chef derselben, Segarra, soll in dem Treffen vom 24 verwundet worden seyn. - Gestern wurden mit großen Feierlichkeiten die Gebeine der beiden Artellerieofficiere Daviz und Velarde, die am 2 Mai 1808 als die ersten Schlachtopfer für die Unabhängigkeit Spaniens fielen, so wie auch die Ueberreste anderer an jenem Tage gefallener Schlachtopfer, aus der Kirche S. Isidro, wo sie bisher aufbewahrt wurden, nach dem Campo de la Lealtad an der Ecke, welche der Prado mit der nach dem Buen Retiro hinaufführenden Allee bildet, versetzt, und an dem Piedestal des dort aufgerichteten Obelisten aufgestellt. - Die von Saragossa kommende Diligence wurde vorgestern bei Guadalarara von 10 berittenen Factiosen aufgefangen und verbrannt. Sämmtliche in ihr befindliche Reisende wurden fortgeschleppt. Bekanntlich hat Balmaseda alle mit der Dilligence reisenden Personen mit dem Tode bedroht. (Moniteur.) Telegraphische Depesche. Bayonne, 8 Mai. In den Provinzen ist Alles vollkommen ruhig. Die Truppen kehren in ihre Garnisonen zurück. Täglich suchen Officiere, die an der letzten Auflehnung Theil genommen, eine Zuflucht auf unserm Gebiete. Großbritannien. London, 8 Mai. Schon am frühen Morgen waren heute die Gangwege an beiden Seiten der Norfolkstraße, wo Lord William Russells Haus steht, gedrängt voll von Leuten, die theils um die Oertlichkeit des Hauses zu besichtigen, theils um etwas von den weitern Ergebnissen der eingeleiteten polizeilichen Untersuchung zu erfahren, von allen Theilen des Stadtviertels herbeiströmten; bald erschienen in derselben Absicht auch viele Personen der höhern Classen zu Pferd und Wagen, so wie mehrere Verwandte und Bekannte des Ermordeten, welche die Leiche selbst besuchten; und dieser Zudrang der Neugierigen hat den ganzen Tag hindurch fortgedauert. Norfolkstraße, zwischen Park-lane, Parkstraße und Grosvenor-Square gelegen, ist eine kleine Straße von 31 Häusern, die alle von Seitenverwandtschaften aristokratischer Geschlechter bewohnt werden; Lord Williams Haus (Nr. 14), übrigens klein und etwas verfallen, stößt mit seinem Hinterhofe an einen großen Marstallhof (Ham-Yard), der es von Park-Street trennt, ohne daß jedoch die Marställe mit dem Hinterhofe des Hauses selbst eine Verbindung hätten. Dieser Hof ist rings mit Mauern umschlossen, von denen die gegen den Marstallplatz 30 Fuß Höhe hat; die andern aber, weniger hoch, an die Höfe der benachbarten Häuser stoßen; alle sind mit Schiefer gedeckt, der, wenn Jemand hier hinübergestiegen wäre - sey es zum Sicheinschleichen oder zum Entfliehen - nothwendig Spuren davon zeigen müßte. Aber nirgends auch nur der leiseste Bruch oder Anstreif. Wenn also der Thäter in der That noch nicht entkommen ist, wo kann er sich versteckt finden? In den Essen und Schornsteinen, so wie Rinnen und Abzügen, die man hat durchsuchen lassen, hat sich nichts gefunden; doch ist ein Abzug, nach dem sich Courvoisier ängstlich erkundigt haben soll, Schwierigkeits halber noch nicht untersucht worden. Eingeschlichen haben könnte sich der Verbrecher durch das Hinterthor in der Zeit, daß Courvoisier ausging, Bier zu holen (gegen 10 Uhr); indessen hat man bei der ersten Aussagenaufnahme versäumt, Courvoisier zu fragen, ob er nicht schon, als er ging, jenes Thor zuschloß. Alle übrigen Nachsuchungen sind bis jetzt fruchtlos gewesen. Auch den Heinrich Carr, jenen bei Courvoisier zum Besuch gewesenen Kutscher, hat man, nachdem er sein alibi für jenen Abend hinlänglich nachgewiesen hat, wieder in Freiheit gesetzt. Doch fand sich in seinem Bericht eine falsche, später von ihm zurückgenommene Angabe. Eine vollkommen beschreibende Liste der gestohlnen Dinge ist an alle Pfandleiher, Goldschmiede und Uhrmacher verschickt worden, eben so insbesondere eine genaue Beschreibung der gestohlnen Uhr, nach Angabe des Uhrmachers, der sie erst vor kurzem gereinigt hatte. Auffallend ist es, daß sich in allen Zimmern nur eine einzige Blutspur - in der Schlafkammer selbst nicht weit vom Bette - nirgends ein Abdruck blutiger Finger gefunden hat. Die Zeit des Mords muß nach zwei zusammenstimmenden Zeugnissen ungefähr um 2 Uhr nach Mitternacht gewesen seyn; anderthalb bis zwei Stunden nämlich, sieht man, brannte das Nachtlicht, und gegen 2 Uhr hörte die im benachbarten Hause wohnende Frau Anstruther ein lautes Aechzen, offenbar den, wahrscheinlich durch ein aufgedrücktes Kissen verdumpften, Todesschrei des Getroffenen. Der Leichnam ist jetzt in reinlichem Anzug und mit verdeckter Wunde ausgestellt, und zeigt in seinen ruhigen, schlummernden Gesichtszügen keine Nachwirkung des gewaltsamen Endes. Am nächsten Dienstag (12 Mai) soll das Begräbniß stattfinden. Wir haben nachträglich über die Sitzung des Unterhauses am 5 Mai zu berichten, in welcher bei Gelegenheit einer von Sir William Molesworth eingereichten Bittschrift lehrreiche Unterhandlungen gepflogen wurden über Vor- und Nachtheile der Deportationsstrafe. Jene Bittschrift nämlich, unterzeichnet von vielen Einwohnern Londons, verlangt vollkommene Abschaffung dieser Strafe, als einer Maaßregel, die nicht nur den Bestraften selbst physisch und moralisch zu Grunde richte, sondern auch für einen großen Theil der übrigen Colonisten von den verderblichsten Folgen sey; und Sir William, als Vorsitzer der Gesellschaft, welche die Bittschrift übersandt, unterstützt letztere durch eine besondere Motion, in welcher er "1) die schädliche Wirkung der Deportation auf den Bestraften selbst 2) ihre nicht minder schädliche Wirkung auf die mit dem Bestraften zusammenlebende Gesellschaft, und 3) die Möglichkeit, sie durch eine andere Strafe zu ersetzen," umständlich zu entwickeln sucht. Hinsichtlich des dritten Punktes schlägt er vor, die Verbrecher, anstatt der Deportation, vielmehr einem verbesserten Pönitentiarsystem in Besserungshäusern und Gefangenschiffen mit abgesonderten Zellen zu übergeben, und ihnen dann, nach Ablauf der Straffrist, und wenn sie sich einer solchen Gunst würdig gezeigt, die Auswanderung auf öffentliche Kosten, die mit dem Verkauf unbebauter Ländereien in Neu-Süd-Wales und Vandiemensland gedeckt werden müßten, zu gestatten. Lord J. Russell antwortet, daß von den beiden sich entgegenstehenden Straftheorien, der des Abschreckungssystems einerseits und der des Besserungssystems andrerseits, der sehr ehrenwerthe Baronet, nach dem Beispiele seines Freundes, des Erzbischofs von Dublin, dem Extrem der zweiten Theorie etwas zu geneigt scheine, und deshalb die Unmöglichkeit eines augenblicklichen vollkommenen Aufhebens der Deportation für die Regierung nicht gehörig berücksichtige. Indessen habe die Regierung selbst, der die vielen mit der Deportation verbundenen Mißbräuche und Nachtheile nicht entgangen, schon seit längerer Zeit daran gedacht, vor Allem den Gebrauch des Zuschreibens der Deportirten an je einen bestimmten Herrn (the assignment system) aufzuheben; sie habe ferner auch eine de Ebro befanden. Der General Vanhalen hat nach Erreichung seines Zweckes, Solsona zu verproviantiren, diesen Platz am 28 wieder verlassen, und mit den Carlisten, die sich ihm auf Anhöhen und Engpässen abermals entgegenstellten, ein hitziges Gefecht bestanden, in welchem er selbst an der Hand verwundet wurde. Während der Nacht lagerte er sich mit seinen Truppen in und bei Biosca. Demnach scheint es, daß er die Carlisten nicht verhindern konnte, Solsona aufs neue einzuschließen. Der Chef derselben, Segarra, soll in dem Treffen vom 24 verwundet worden seyn. – Gestern wurden mit großen Feierlichkeiten die Gebeine der beiden Artellerieofficiere Daviz und Velarde, die am 2 Mai 1808 als die ersten Schlachtopfer für die Unabhängigkeit Spaniens fielen, so wie auch die Ueberreste anderer an jenem Tage gefallener Schlachtopfer, aus der Kirche S. Isidro, wo sie bisher aufbewahrt wurden, nach dem Campo de la Lealtad an der Ecke, welche der Prado mit der nach dem Buen Retiro hinaufführenden Allee bildet, versetzt, und an dem Piedestal des dort aufgerichteten Obelisten aufgestellt. – Die von Saragossa kommende Diligence wurde vorgestern bei Guadalarara von 10 berittenen Factiosen aufgefangen und verbrannt. Sämmtliche in ihr befindliche Reisende wurden fortgeschleppt. Bekanntlich hat Balmaseda alle mit der Dilligence reisenden Personen mit dem Tode bedroht. (Moniteur.) Telegraphische Depesche. Bayonne, 8 Mai. In den Provinzen ist Alles vollkommen ruhig. Die Truppen kehren in ihre Garnisonen zurück. Täglich suchen Officiere, die an der letzten Auflehnung Theil genommen, eine Zuflucht auf unserm Gebiete. Großbritannien. London, 8 Mai. Schon am frühen Morgen waren heute die Gangwege an beiden Seiten der Norfolkstraße, wo Lord William Russells Haus steht, gedrängt voll von Leuten, die theils um die Oertlichkeit des Hauses zu besichtigen, theils um etwas von den weitern Ergebnissen der eingeleiteten polizeilichen Untersuchung zu erfahren, von allen Theilen des Stadtviertels herbeiströmten; bald erschienen in derselben Absicht auch viele Personen der höhern Classen zu Pferd und Wagen, so wie mehrere Verwandte und Bekannte des Ermordeten, welche die Leiche selbst besuchten; und dieser Zudrang der Neugierigen hat den ganzen Tag hindurch fortgedauert. Norfolkstraße, zwischen Park-lane, Parkstraße und Grosvenor-Square gelegen, ist eine kleine Straße von 31 Häusern, die alle von Seitenverwandtschaften aristokratischer Geschlechter bewohnt werden; Lord Williams Haus (Nr. 14), übrigens klein und etwas verfallen, stößt mit seinem Hinterhofe an einen großen Marstallhof (Ham-Yard), der es von Park-Street trennt, ohne daß jedoch die Marställe mit dem Hinterhofe des Hauses selbst eine Verbindung hätten. Dieser Hof ist rings mit Mauern umschlossen, von denen die gegen den Marstallplatz 30 Fuß Höhe hat; die andern aber, weniger hoch, an die Höfe der benachbarten Häuser stoßen; alle sind mit Schiefer gedeckt, der, wenn Jemand hier hinübergestiegen wäre – sey es zum Sicheinschleichen oder zum Entfliehen – nothwendig Spuren davon zeigen müßte. Aber nirgends auch nur der leiseste Bruch oder Anstreif. Wenn also der Thäter in der That noch nicht entkommen ist, wo kann er sich versteckt finden? In den Essen und Schornsteinen, so wie Rinnen und Abzügen, die man hat durchsuchen lassen, hat sich nichts gefunden; doch ist ein Abzug, nach dem sich Courvoisier ängstlich erkundigt haben soll, Schwierigkeits halber noch nicht untersucht worden. Eingeschlichen haben könnte sich der Verbrecher durch das Hinterthor in der Zeit, daß Courvoisier ausging, Bier zu holen (gegen 10 Uhr); indessen hat man bei der ersten Aussagenaufnahme versäumt, Courvoisier zu fragen, ob er nicht schon, als er ging, jenes Thor zuschloß. Alle übrigen Nachsuchungen sind bis jetzt fruchtlos gewesen. Auch den Heinrich Carr, jenen bei Courvoisier zum Besuch gewesenen Kutscher, hat man, nachdem er sein alibi für jenen Abend hinlänglich nachgewiesen hat, wieder in Freiheit gesetzt. Doch fand sich in seinem Bericht eine falsche, später von ihm zurückgenommene Angabe. Eine vollkommen beschreibende Liste der gestohlnen Dinge ist an alle Pfandleiher, Goldschmiede und Uhrmacher verschickt worden, eben so insbesondere eine genaue Beschreibung der gestohlnen Uhr, nach Angabe des Uhrmachers, der sie erst vor kurzem gereinigt hatte. Auffallend ist es, daß sich in allen Zimmern nur eine einzige Blutspur – in der Schlafkammer selbst nicht weit vom Bette – nirgends ein Abdruck blutiger Finger gefunden hat. Die Zeit des Mords muß nach zwei zusammenstimmenden Zeugnissen ungefähr um 2 Uhr nach Mitternacht gewesen seyn; anderthalb bis zwei Stunden nämlich, sieht man, brannte das Nachtlicht, und gegen 2 Uhr hörte die im benachbarten Hause wohnende Frau Anstruther ein lautes Aechzen, offenbar den, wahrscheinlich durch ein aufgedrücktes Kissen verdumpften, Todesschrei des Getroffenen. Der Leichnam ist jetzt in reinlichem Anzug und mit verdeckter Wunde ausgestellt, und zeigt in seinen ruhigen, schlummernden Gesichtszügen keine Nachwirkung des gewaltsamen Endes. Am nächsten Dienstag (12 Mai) soll das Begräbniß stattfinden. Wir haben nachträglich über die Sitzung des Unterhauses am 5 Mai zu berichten, in welcher bei Gelegenheit einer von Sir William Molesworth eingereichten Bittschrift lehrreiche Unterhandlungen gepflogen wurden über Vor- und Nachtheile der Deportationsstrafe. Jene Bittschrift nämlich, unterzeichnet von vielen Einwohnern Londons, verlangt vollkommene Abschaffung dieser Strafe, als einer Maaßregel, die nicht nur den Bestraften selbst physisch und moralisch zu Grunde richte, sondern auch für einen großen Theil der übrigen Colonisten von den verderblichsten Folgen sey; und Sir William, als Vorsitzer der Gesellschaft, welche die Bittschrift übersandt, unterstützt letztere durch eine besondere Motion, in welcher er „1) die schädliche Wirkung der Deportation auf den Bestraften selbst 2) ihre nicht minder schädliche Wirkung auf die mit dem Bestraften zusammenlebende Gesellschaft, und 3) die Möglichkeit, sie durch eine andere Strafe zu ersetzen,“ umständlich zu entwickeln sucht. Hinsichtlich des dritten Punktes schlägt er vor, die Verbrecher, anstatt der Deportation, vielmehr einem verbesserten Pönitentiarsystem in Besserungshäusern und Gefangenschiffen mit abgesonderten Zellen zu übergeben, und ihnen dann, nach Ablauf der Straffrist, und wenn sie sich einer solchen Gunst würdig gezeigt, die Auswanderung auf öffentliche Kosten, die mit dem Verkauf unbebauter Ländereien in Neu-Süd-Wales und Vandiemensland gedeckt werden müßten, zu gestatten. Lord J. Russell antwortet, daß von den beiden sich entgegenstehenden Straftheorien, der des Abschreckungssystems einerseits und der des Besserungssystems andrerseits, der sehr ehrenwerthe Baronet, nach dem Beispiele seines Freundes, des Erzbischofs von Dublin, dem Extrem der zweiten Theorie etwas zu geneigt scheine, und deshalb die Unmöglichkeit eines augenblicklichen vollkommenen Aufhebens der Deportation für die Regierung nicht gehörig berücksichtige. Indessen habe die Regierung selbst, der die vielen mit der Deportation verbundenen Mißbräuche und Nachtheile nicht entgangen, schon seit längerer Zeit daran gedacht, vor Allem den Gebrauch des Zuschreibens der Deportirten an je einen bestimmten Herrn (the assignment system) aufzuheben; sie habe ferner auch eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0002" n="1082"/> de Ebro befanden. Der General Vanhalen hat nach Erreichung seines Zweckes, Solsona zu verproviantiren, diesen Platz am 28 wieder verlassen, und mit den Carlisten, die sich ihm auf Anhöhen und Engpässen abermals entgegenstellten, ein hitziges Gefecht bestanden, in welchem er selbst an der Hand verwundet wurde. Während der Nacht lagerte er sich mit seinen Truppen in und bei Biosca. Demnach scheint es, daß er die Carlisten nicht verhindern konnte, Solsona aufs neue einzuschließen. Der Chef derselben, Segarra, soll in dem Treffen vom 24 verwundet worden seyn. – Gestern wurden mit großen Feierlichkeiten die Gebeine der beiden Artellerieofficiere Daviz und Velarde, die am 2 Mai 1808 als die ersten Schlachtopfer für die Unabhängigkeit Spaniens fielen, so wie auch die Ueberreste anderer an jenem Tage gefallener Schlachtopfer, aus der Kirche S. Isidro, wo sie bisher aufbewahrt wurden, nach dem Campo de la Lealtad an der Ecke, welche der Prado mit der nach dem Buen Retiro hinaufführenden Allee bildet, versetzt, und an dem Piedestal des dort aufgerichteten Obelisten aufgestellt. – Die von Saragossa kommende Diligence wurde vorgestern bei Guadalarara von 10 berittenen Factiosen aufgefangen und verbrannt. Sämmtliche in ihr befindliche Reisende wurden fortgeschleppt. Bekanntlich hat Balmaseda alle mit der Dilligence reisenden Personen mit dem Tode bedroht.</p><lb/> <p>(<hi rendition="#g">Moniteur</hi>.) Telegraphische Depesche. <hi rendition="#b">Bayonne,</hi> 8 Mai. 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Norfolkstraße, zwischen Park-lane, Parkstraße und Grosvenor-Square gelegen, ist eine kleine Straße von 31 Häusern, die alle von Seitenverwandtschaften aristokratischer Geschlechter bewohnt werden; Lord Williams Haus (Nr. 14), übrigens klein und etwas verfallen, stößt mit seinem Hinterhofe an einen großen Marstallhof (Ham-Yard), der es von Park-Street trennt, ohne daß jedoch die Marställe mit dem Hinterhofe des Hauses selbst eine Verbindung hätten. Dieser Hof ist rings mit Mauern umschlossen, von denen die gegen den Marstallplatz 30 Fuß Höhe hat; die andern aber, weniger hoch, an die Höfe der benachbarten Häuser stoßen; alle sind mit Schiefer gedeckt, der, wenn Jemand hier hinübergestiegen wäre – sey es zum Sicheinschleichen oder zum Entfliehen – nothwendig Spuren davon zeigen müßte. Aber nirgends auch nur der leiseste Bruch oder Anstreif. Wenn also der Thäter in der That noch nicht entkommen ist, wo kann er sich versteckt finden? In den Essen und Schornsteinen, so wie Rinnen und Abzügen, die man hat durchsuchen lassen, hat sich nichts gefunden; doch ist ein Abzug, nach dem sich Courvoisier ängstlich erkundigt haben soll, Schwierigkeits halber noch nicht untersucht worden. Eingeschlichen haben könnte sich der Verbrecher durch das Hinterthor in der Zeit, daß Courvoisier ausging, Bier zu holen (gegen 10 Uhr); indessen hat man bei der ersten Aussagenaufnahme versäumt, Courvoisier zu fragen, ob er nicht schon, als er ging, jenes Thor zuschloß. Alle übrigen Nachsuchungen sind bis jetzt fruchtlos gewesen. Auch den Heinrich Carr, jenen bei Courvoisier zum Besuch gewesenen Kutscher, hat man, nachdem er sein alibi für jenen Abend hinlänglich nachgewiesen hat, wieder in Freiheit gesetzt. Doch fand sich in seinem Bericht eine falsche, später von ihm zurückgenommene Angabe. Eine vollkommen beschreibende Liste der gestohlnen Dinge ist an alle Pfandleiher, Goldschmiede und Uhrmacher verschickt worden, eben so insbesondere eine genaue Beschreibung der gestohlnen Uhr, nach Angabe des Uhrmachers, der sie erst vor kurzem gereinigt hatte. Auffallend ist es, daß sich in allen Zimmern nur eine einzige Blutspur – in der Schlafkammer selbst nicht weit vom Bette – nirgends ein Abdruck blutiger Finger gefunden hat. Die Zeit des Mords muß nach zwei zusammenstimmenden Zeugnissen ungefähr um 2 Uhr nach Mitternacht gewesen seyn; anderthalb bis zwei Stunden nämlich, sieht man, brannte das Nachtlicht, und gegen 2 Uhr hörte die im benachbarten Hause wohnende Frau Anstruther ein lautes Aechzen, offenbar den, wahrscheinlich durch ein aufgedrücktes Kissen verdumpften, Todesschrei des Getroffenen. Der Leichnam ist jetzt in reinlichem Anzug und mit verdeckter Wunde ausgestellt, und zeigt in seinen ruhigen, schlummernden Gesichtszügen keine Nachwirkung des gewaltsamen Endes. 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Hinsichtlich des dritten Punktes schlägt er vor, die Verbrecher, anstatt der Deportation, vielmehr einem verbesserten Pönitentiarsystem in Besserungshäusern und Gefangenschiffen mit abgesonderten Zellen zu übergeben, und ihnen dann, nach Ablauf der Straffrist, und wenn sie sich einer solchen Gunst würdig gezeigt, die Auswanderung auf öffentliche Kosten, die mit dem Verkauf unbebauter Ländereien in Neu-Süd-Wales und Vandiemensland gedeckt werden müßten, zu gestatten. Lord J. <hi rendition="#g">Russell</hi> antwortet, daß von den beiden sich entgegenstehenden Straftheorien, der des Abschreckungssystems einerseits und der des Besserungssystems andrerseits, der sehr ehrenwerthe Baronet, nach dem Beispiele seines Freundes, des Erzbischofs von Dublin, dem Extrem der zweiten Theorie etwas zu geneigt scheine, und deshalb die Unmöglichkeit eines augenblicklichen vollkommenen Aufhebens der Deportation für die Regierung nicht gehörig berücksichtige. Indessen habe die Regierung selbst, der die vielen mit der Deportation verbundenen Mißbräuche und Nachtheile nicht entgangen, schon seit längerer Zeit daran gedacht, vor Allem den Gebrauch des Zuschreibens der Deportirten an je einen bestimmten Herrn (the assignment system) aufzuheben; sie habe ferner auch eine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1082/0002]
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(Moniteur.) Telegraphische Depesche. Bayonne, 8 Mai. In den Provinzen ist Alles vollkommen ruhig. Die Truppen kehren in ihre Garnisonen zurück. Täglich suchen Officiere, die an der letzten Auflehnung Theil genommen, eine Zuflucht auf unserm Gebiete.
Großbritannien.
_ London, 8 Mai.
Schon am frühen Morgen waren heute die Gangwege an beiden Seiten der Norfolkstraße, wo Lord William Russells Haus steht, gedrängt voll von Leuten, die theils um die Oertlichkeit des Hauses zu besichtigen, theils um etwas von den weitern Ergebnissen der eingeleiteten polizeilichen Untersuchung zu erfahren, von allen Theilen des Stadtviertels herbeiströmten; bald erschienen in derselben Absicht auch viele Personen der höhern Classen zu Pferd und Wagen, so wie mehrere Verwandte und Bekannte des Ermordeten, welche die Leiche selbst besuchten; und dieser Zudrang der Neugierigen hat den ganzen Tag hindurch fortgedauert. Norfolkstraße, zwischen Park-lane, Parkstraße und Grosvenor-Square gelegen, ist eine kleine Straße von 31 Häusern, die alle von Seitenverwandtschaften aristokratischer Geschlechter bewohnt werden; Lord Williams Haus (Nr. 14), übrigens klein und etwas verfallen, stößt mit seinem Hinterhofe an einen großen Marstallhof (Ham-Yard), der es von Park-Street trennt, ohne daß jedoch die Marställe mit dem Hinterhofe des Hauses selbst eine Verbindung hätten. Dieser Hof ist rings mit Mauern umschlossen, von denen die gegen den Marstallplatz 30 Fuß Höhe hat; die andern aber, weniger hoch, an die Höfe der benachbarten Häuser stoßen; alle sind mit Schiefer gedeckt, der, wenn Jemand hier hinübergestiegen wäre – sey es zum Sicheinschleichen oder zum Entfliehen – nothwendig Spuren davon zeigen müßte. Aber nirgends auch nur der leiseste Bruch oder Anstreif. Wenn also der Thäter in der That noch nicht entkommen ist, wo kann er sich versteckt finden? In den Essen und Schornsteinen, so wie Rinnen und Abzügen, die man hat durchsuchen lassen, hat sich nichts gefunden; doch ist ein Abzug, nach dem sich Courvoisier ängstlich erkundigt haben soll, Schwierigkeits halber noch nicht untersucht worden. Eingeschlichen haben könnte sich der Verbrecher durch das Hinterthor in der Zeit, daß Courvoisier ausging, Bier zu holen (gegen 10 Uhr); indessen hat man bei der ersten Aussagenaufnahme versäumt, Courvoisier zu fragen, ob er nicht schon, als er ging, jenes Thor zuschloß. Alle übrigen Nachsuchungen sind bis jetzt fruchtlos gewesen. Auch den Heinrich Carr, jenen bei Courvoisier zum Besuch gewesenen Kutscher, hat man, nachdem er sein alibi für jenen Abend hinlänglich nachgewiesen hat, wieder in Freiheit gesetzt. Doch fand sich in seinem Bericht eine falsche, später von ihm zurückgenommene Angabe. Eine vollkommen beschreibende Liste der gestohlnen Dinge ist an alle Pfandleiher, Goldschmiede und Uhrmacher verschickt worden, eben so insbesondere eine genaue Beschreibung der gestohlnen Uhr, nach Angabe des Uhrmachers, der sie erst vor kurzem gereinigt hatte. Auffallend ist es, daß sich in allen Zimmern nur eine einzige Blutspur – in der Schlafkammer selbst nicht weit vom Bette – nirgends ein Abdruck blutiger Finger gefunden hat. Die Zeit des Mords muß nach zwei zusammenstimmenden Zeugnissen ungefähr um 2 Uhr nach Mitternacht gewesen seyn; anderthalb bis zwei Stunden nämlich, sieht man, brannte das Nachtlicht, und gegen 2 Uhr hörte die im benachbarten Hause wohnende Frau Anstruther ein lautes Aechzen, offenbar den, wahrscheinlich durch ein aufgedrücktes Kissen verdumpften, Todesschrei des Getroffenen. Der Leichnam ist jetzt in reinlichem Anzug und mit verdeckter Wunde ausgestellt, und zeigt in seinen ruhigen, schlummernden Gesichtszügen keine Nachwirkung des gewaltsamen Endes. Am nächsten Dienstag (12 Mai) soll das Begräbniß stattfinden.
Wir haben nachträglich über die Sitzung des Unterhauses am 5 Mai zu berichten, in welcher bei Gelegenheit einer von Sir William Molesworth eingereichten Bittschrift lehrreiche Unterhandlungen gepflogen wurden über Vor- und Nachtheile der Deportationsstrafe. Jene Bittschrift nämlich, unterzeichnet von vielen Einwohnern Londons, verlangt vollkommene Abschaffung dieser Strafe, als einer Maaßregel, die nicht nur den Bestraften selbst physisch und moralisch zu Grunde richte, sondern auch für einen großen Theil der übrigen Colonisten von den verderblichsten Folgen sey; und Sir William, als Vorsitzer der Gesellschaft, welche die Bittschrift übersandt, unterstützt letztere durch eine besondere Motion, in welcher er „1) die schädliche Wirkung der Deportation auf den Bestraften selbst 2) ihre nicht minder schädliche Wirkung auf die mit dem Bestraften zusammenlebende Gesellschaft, und 3) die Möglichkeit, sie durch eine andere Strafe zu ersetzen,“ umständlich zu entwickeln sucht. Hinsichtlich des dritten Punktes schlägt er vor, die Verbrecher, anstatt der Deportation, vielmehr einem verbesserten Pönitentiarsystem in Besserungshäusern und Gefangenschiffen mit abgesonderten Zellen zu übergeben, und ihnen dann, nach Ablauf der Straffrist, und wenn sie sich einer solchen Gunst würdig gezeigt, die Auswanderung auf öffentliche Kosten, die mit dem Verkauf unbebauter Ländereien in Neu-Süd-Wales und Vandiemensland gedeckt werden müßten, zu gestatten. Lord J. Russell antwortet, daß von den beiden sich entgegenstehenden Straftheorien, der des Abschreckungssystems einerseits und der des Besserungssystems andrerseits, der sehr ehrenwerthe Baronet, nach dem Beispiele seines Freundes, des Erzbischofs von Dublin, dem Extrem der zweiten Theorie etwas zu geneigt scheine, und deshalb die Unmöglichkeit eines augenblicklichen vollkommenen Aufhebens der Deportation für die Regierung nicht gehörig berücksichtige. Indessen habe die Regierung selbst, der die vielen mit der Deportation verbundenen Mißbräuche und Nachtheile nicht entgangen, schon seit längerer Zeit daran gedacht, vor Allem den Gebrauch des Zuschreibens der Deportirten an je einen bestimmten Herrn (the assignment system) aufzuheben; sie habe ferner auch eine
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
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