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Allgemeine Zeitung. Nr. 137. Augsburg, 16. Mai 1840.

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des Rheins und der Donau gelegenen Landes schon in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, unter den Flaviern; aber erst unter Trajan und Hadrian scheinen eigentliche Niederlassungen und Städte gegründet worden zu seyn. Kein Zweifel, daß der limes schon unter Vespasian begonnen wurde; es bleibt aber völlig dunkel, zu welcher Zeit er in seinem Zusammenhang hergestellt war. Nur so viel ist wohl gewiß, daß die Werke, welche Kaiser Probus zu einer Zeit, wo die römische Herrschaft in diesen Strichen schon sehr gefährdet war (im J. 276), gegen die Alemannen errichten ließ, mit dem limes rhaeticus nichts mehr zu schaffen haben, sondern weiter südwärts, etwa an der schwäbischen Alp, angelegt waren. - Der erste Kaiser, dessen auf einem Steinmonument deutlich erwähnt wird, ist Trajanus, der letzte Gallienus. Die eigentliche Blüthe dieser Niederlassungen fällt in den schönen Nachsommer des Reichs unter den Antoninen, und sie dauerte unzweifelhaft bis zu Severus Alexander gegen das Jahr 234. - Mit Kaiser Maximin beginnen die Einfälle der Alemannen in die römischen Provinzen über dem Rhein. Von den ersten Stürmen derselben scheint der Winkel zwischen Rhein und Donau ziemlich verschont geblieben zu seyn; aber von nun an wuchs mit reißender Schnelligkeit die innere Auflösung im Reich und die Zuversicht der Barbaren. Ihre Streifzüge auf vielen Punkten gingen immer weiter ins Innere, und es war eine geographische Nothwendigkeit, daß das Vorwerk zwischen Rhein und Donau als die erste unwiederbringliche Beute den gegen das Herz des Reichs andrängenden germanischen Völkern zufiel, und nunmehr die schwachen Flüsse selbst vorläufig die mühsam behauptete, und immer häufiger und nachhaltiger überwältigte Reichsgränze wurden. Von der Mitte des dritten Jahrhunders an schwankt, nach den Winken der Geschichtschreiber, das römische Zehntland zwischen Zerstörung und Wiederherstellung, ohne daß sich Näheres ermitteln ließe. Aber die definitive Verheerung der Städte fällt bestimmt ins Jahr 275, wo nach Aurelians Tode die Kunde nach Rom gelangte, "daß die Barbaren den überrheinischen Pfahl durchbrochen und feste, blühende und reiche Städte zerstört haben." (Vopiscus.) - Probus jagt zwar die Alemannen wieder "über die Alp und den Neckar" zurück (im J. 276), legt Städte, Lager und Werke an; aber sein Vallum reichte schwerlich über den Neckar hinüber. Gleich nach seinem Tode (282) wird Alles wieder von den Alemannen verheert; vom Ende des dritten Säculums an verschwinden in der Geschichte alle Spuren römischer Herrschaft auf dem linken Donau- und rechten Rheinufer, und man weiß nur noch von einzelnen Kriegszügen der Römer in das nunmehr wieder barbarische Land. Der wichtigste dieser Züge ist der des Valentinian im J. 368: er zog vom Rhein her wider die Alemannen, wurde, nach dem einzigen Gewährsmann Ammianus, bei einem Ort Namens Solicinium mit ihnen handgemein und schlug sie in einer großen Schlacht. Wie wir sehen werden, ist auch dieses Solicinium in den sonderbaren Namensproceß unserer Römerstadt am obern Neckar verwickelt. - Als nach der Ueberschwemmung durch die Allemannen die gerade Verbindung zwischen Mainz und Straßburg einerseits, und Regensburg und Augsburg andererseits, mitten durch das Zehntland, über den Straßenknoten bei Kannstadt am Neckar, auf immer unterbrochen war, mußten die Römer außer der Donau- und Rheinlinie auch den Landstrich zwischen der obersten Donau und Augusta Rauracorum am Rhein kräftig zu behaupten suchen, um den jetzt einzigen Weg aus Gallien in die Donauprovinzen, um den Rheinwinkel bei Basel herum und am rechten Donauufer weg, frei zu halten. Dieß gelang ihnen im vierten Jahrhundert nur mit Mühe. Diesen Weg machte Kaiser Julian im J. 361 auf seinem eiligen Zug aus Gallien nach Pannonien. Er ging von Augusta Rauracorum aus über den Rhein, zog mit großer Vorsicht wegen der schwierigen Bevölkerung durch den Schwarzwald an die Donau, und sodann auf der Donaustraße am rechten Ufer fort. Diese Linie hielt man früher, und halten Manche noch für den Straßenzug der Peutinger'schen Tafel zwischen Vindonissa und Regensburg, in der Voraussetzung, daß die Tafel ein Bild vom Zustande des Reichs zur Zeit des Theodosius am Schluß des vierten Jahrhunderts gebe.

(Beschluß folgt.)

Fr. v. Raumer über Italien.

Wenn der längere Aufenthalt in Rom, diesem Mittelpunkt gelehrter Welterkenntniß, unserm Geist schon im Allgemeinen bei Beurtheilung des gesammten wissenschaftlichen Treibens der übrigen Welt eine gewisse klarblickende Ueberlegenheit ertheilt, so empfinden die in Rom Lebenden diese Ueberlegenheit insbesondere bei Beurtheilung der jährlich in solcher Masse auftauchenden italienischen Reisebeschreibungen. Die meisten dieser als Schriftsteller auftretenden Reisenden haben wir selber kennen gelernt; sie sind uns auf dem Forum, im Vatican oder in irgend einem Salon, bald nur mit dem stummen Eindruck ihrer suchenden unsichern Persönlichkeit, bald auch mit einigen fragenden oder ausrufenden Bemerkungen entgegengetreten; wir haben sie, gleich der neu ankommenden Schaar Wieland'scher Todtenschatten, Schuppen auf Schuppen einen Haufen der mitgebrachten Vorurtheile, von denen wir selber schon lange befreit waren, vor unsern Augen abwerfen sehen: und es ergötzt uns nun in jenen ihren Reisebeschreibungen die staunende Geschichte ihrer theilweisen Entschuppung umständlich vorgetragen zu finden, und den stattlichen Ausdruck des hier gedruckten Autorengesichts mit den verworrenen Gebärden des gestrigen Reisejüngers zu vergleichen. Denn, in der That, das kurze Gedärm, das schon seit Schillers Zeit ein Hauptmerkmal des gewöhnlichen deutschen Schriftstellers abgibt, zeigt sich bei der Spielart des gewöhnlichen italienischen Reisebeschreibers am allermonströsesten; und das wunderbare Schicksal jenes einmal nicht verdauten Jonas ist nichts im Vergleich mit dem Schicksal Italiens, dieses jahr-jährlich von einem Duzend reisender Wallfische stückweise verschlungenen, unverdaut wieder ausgespienen und doch immer reizend bleibenden Wunderlandes. Je seltener aber nun die italienische Reiselitteratur in der breiten Masse ihrer Erzeugnisse etwas wirklich Bedeutendes aufzuweisen hat, desto begieriger greift man nach jedem ihr zugehörigen Werk, das durch irgend ein äußeres Merkmal, zunächst durch den Namen des Verfassers, eine ausnahmsweise wirkliche Bedeutung zu verrathen scheint, und mit solcher Begierde haben wir denn auch nach den kürzlich erschienenen Raumer'schen Briefen über Italien *)*) gegriffen, als herrührend von einem Manne, der nicht nur seit längerer Zeit mit vergleichenden historischen Studien über die politische Gegenwart und Vergangenheit Italiens beschäftigt, sondern auch durch mehrfache andere, gleichfalls von ihm beschriebene Reisen zu dieser seiner letzten nach Italien vorbereitet, durch den wiederholten Anblick dieses Landes, setzten wir voraus, zu einem wirklichen, sey es nur statistisch beschreibenden, sey es vielleicht sogar umfassend schildernden Kunstwerk begeistert worden wäre - von einem Mann überdieß, den wir,

*) Italien. Beiträge zur Kenntniß dieses Landes von Friedrich v. Raumer. 2 Thle. Leipzig, 1840

des Rheins und der Donau gelegenen Landes schon in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, unter den Flaviern; aber erst unter Trajan und Hadrian scheinen eigentliche Niederlassungen und Städte gegründet worden zu seyn. Kein Zweifel, daß der limes schon unter Vespasian begonnen wurde; es bleibt aber völlig dunkel, zu welcher Zeit er in seinem Zusammenhang hergestellt war. Nur so viel ist wohl gewiß, daß die Werke, welche Kaiser Probus zu einer Zeit, wo die römische Herrschaft in diesen Strichen schon sehr gefährdet war (im J. 276), gegen die Alemannen errichten ließ, mit dem limes rhaeticus nichts mehr zu schaffen haben, sondern weiter südwärts, etwa an der schwäbischen Alp, angelegt waren. – Der erste Kaiser, dessen auf einem Steinmonument deutlich erwähnt wird, ist Trajanus, der letzte Gallienus. Die eigentliche Blüthe dieser Niederlassungen fällt in den schönen Nachsommer des Reichs unter den Antoninen, und sie dauerte unzweifelhaft bis zu Severus Alexander gegen das Jahr 234. – Mit Kaiser Maximin beginnen die Einfälle der Alemannen in die römischen Provinzen über dem Rhein. Von den ersten Stürmen derselben scheint der Winkel zwischen Rhein und Donau ziemlich verschont geblieben zu seyn; aber von nun an wuchs mit reißender Schnelligkeit die innere Auflösung im Reich und die Zuversicht der Barbaren. Ihre Streifzüge auf vielen Punkten gingen immer weiter ins Innere, und es war eine geographische Nothwendigkeit, daß das Vorwerk zwischen Rhein und Donau als die erste unwiederbringliche Beute den gegen das Herz des Reichs andrängenden germanischen Völkern zufiel, und nunmehr die schwachen Flüsse selbst vorläufig die mühsam behauptete, und immer häufiger und nachhaltiger überwältigte Reichsgränze wurden. Von der Mitte des dritten Jahrhunders an schwankt, nach den Winken der Geschichtschreiber, das römische Zehntland zwischen Zerstörung und Wiederherstellung, ohne daß sich Näheres ermitteln ließe. Aber die definitive Verheerung der Städte fällt bestimmt ins Jahr 275, wo nach Aurelians Tode die Kunde nach Rom gelangte, „daß die Barbaren den überrheinischen Pfahl durchbrochen und feste, blühende und reiche Städte zerstört haben.“ (Vopiscus.) – Probus jagt zwar die Alemannen wieder „über die Alp und den Neckar“ zurück (im J. 276), legt Städte, Lager und Werke an; aber sein Vallum reichte schwerlich über den Neckar hinüber. Gleich nach seinem Tode (282) wird Alles wieder von den Alemannen verheert; vom Ende des dritten Säculums an verschwinden in der Geschichte alle Spuren römischer Herrschaft auf dem linken Donau- und rechten Rheinufer, und man weiß nur noch von einzelnen Kriegszügen der Römer in das nunmehr wieder barbarische Land. Der wichtigste dieser Züge ist der des Valentinian im J. 368: er zog vom Rhein her wider die Alemannen, wurde, nach dem einzigen Gewährsmann Ammianus, bei einem Ort Namens Solicinium mit ihnen handgemein und schlug sie in einer großen Schlacht. Wie wir sehen werden, ist auch dieses Solicinium in den sonderbaren Namensproceß unserer Römerstadt am obern Neckar verwickelt. – Als nach der Ueberschwemmung durch die Allemannen die gerade Verbindung zwischen Mainz und Straßburg einerseits, und Regensburg und Augsburg andererseits, mitten durch das Zehntland, über den Straßenknoten bei Kannstadt am Neckar, auf immer unterbrochen war, mußten die Römer außer der Donau- und Rheinlinie auch den Landstrich zwischen der obersten Donau und Augusta Rauracorum am Rhein kräftig zu behaupten suchen, um den jetzt einzigen Weg aus Gallien in die Donauprovinzen, um den Rheinwinkel bei Basel herum und am rechten Donauufer weg, frei zu halten. Dieß gelang ihnen im vierten Jahrhundert nur mit Mühe. Diesen Weg machte Kaiser Julian im J. 361 auf seinem eiligen Zug aus Gallien nach Pannonien. Er ging von Augusta Rauracorum aus über den Rhein, zog mit großer Vorsicht wegen der schwierigen Bevölkerung durch den Schwarzwald an die Donau, und sodann auf der Donaustraße am rechten Ufer fort. Diese Linie hielt man früher, und halten Manche noch für den Straßenzug der Peutinger'schen Tafel zwischen Vindonissa und Regensburg, in der Voraussetzung, daß die Tafel ein Bild vom Zustande des Reichs zur Zeit des Theodosius am Schluß des vierten Jahrhunderts gebe.

(Beschluß folgt.)

Fr. v. Raumer über Italien.

Wenn der längere Aufenthalt in Rom, diesem Mittelpunkt gelehrter Welterkenntniß, unserm Geist schon im Allgemeinen bei Beurtheilung des gesammten wissenschaftlichen Treibens der übrigen Welt eine gewisse klarblickende Ueberlegenheit ertheilt, so empfinden die in Rom Lebenden diese Ueberlegenheit insbesondere bei Beurtheilung der jährlich in solcher Masse auftauchenden italienischen Reisebeschreibungen. Die meisten dieser als Schriftsteller auftretenden Reisenden haben wir selber kennen gelernt; sie sind uns auf dem Forum, im Vatican oder in irgend einem Salon, bald nur mit dem stummen Eindruck ihrer suchenden unsichern Persönlichkeit, bald auch mit einigen fragenden oder ausrufenden Bemerkungen entgegengetreten; wir haben sie, gleich der neu ankommenden Schaar Wieland'scher Todtenschatten, Schuppen auf Schuppen einen Haufen der mitgebrachten Vorurtheile, von denen wir selber schon lange befreit waren, vor unsern Augen abwerfen sehen: und es ergötzt uns nun in jenen ihren Reisebeschreibungen die staunende Geschichte ihrer theilweisen Entschuppung umständlich vorgetragen zu finden, und den stattlichen Ausdruck des hier gedruckten Autorengesichts mit den verworrenen Gebärden des gestrigen Reisejüngers zu vergleichen. Denn, in der That, das kurze Gedärm, das schon seit Schillers Zeit ein Hauptmerkmal des gewöhnlichen deutschen Schriftstellers abgibt, zeigt sich bei der Spielart des gewöhnlichen italienischen Reisebeschreibers am allermonströsesten; und das wunderbare Schicksal jenes einmal nicht verdauten Jonas ist nichts im Vergleich mit dem Schicksal Italiens, dieses jahr-jährlich von einem Duzend reisender Wallfische stückweise verschlungenen, unverdaut wieder ausgespienen und doch immer reizend bleibenden Wunderlandes. Je seltener aber nun die italienische Reiselitteratur in der breiten Masse ihrer Erzeugnisse etwas wirklich Bedeutendes aufzuweisen hat, desto begieriger greift man nach jedem ihr zugehörigen Werk, das durch irgend ein äußeres Merkmal, zunächst durch den Namen des Verfassers, eine ausnahmsweise wirkliche Bedeutung zu verrathen scheint, und mit solcher Begierde haben wir denn auch nach den kürzlich erschienenen Raumer'schen Briefen über Italien *)*) gegriffen, als herrührend von einem Manne, der nicht nur seit längerer Zeit mit vergleichenden historischen Studien über die politische Gegenwart und Vergangenheit Italiens beschäftigt, sondern auch durch mehrfache andere, gleichfalls von ihm beschriebene Reisen zu dieser seiner letzten nach Italien vorbereitet, durch den wiederholten Anblick dieses Landes, setzten wir voraus, zu einem wirklichen, sey es nur statistisch beschreibenden, sey es vielleicht sogar umfassend schildernden Kunstwerk begeistert worden wäre – von einem Mann überdieß, den wir,

*) Italien. Beiträge zur Kenntniß dieses Landes von Friedrich v. Raumer. 2 Thle. Leipzig, 1840
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des Rheins und der Donau gelegenen Landes schon in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, unter den Flaviern; aber erst unter Trajan und Hadrian scheinen eigentliche Niederlassungen und Städte gegründet worden zu seyn. Kein Zweifel, daß der limes schon unter Vespasian begonnen wurde; es bleibt aber völlig dunkel, zu welcher Zeit er in seinem Zusammenhang hergestellt war. Nur so viel ist wohl gewiß, daß die Werke, welche Kaiser Probus zu einer Zeit, wo die römische Herrschaft in diesen Strichen schon sehr gefährdet war (im J. 276), gegen die Alemannen errichten ließ, mit dem limes rhaeticus nichts mehr zu schaffen haben, sondern weiter südwärts, etwa an der schwäbischen Alp, angelegt waren. &#x2013; Der erste Kaiser, dessen auf einem Steinmonument deutlich erwähnt wird, ist Trajanus, der letzte Gallienus. Die eigentliche Blüthe dieser Niederlassungen fällt in den schönen Nachsommer des Reichs unter den Antoninen, und sie dauerte unzweifelhaft bis zu Severus Alexander gegen das Jahr 234. &#x2013; Mit Kaiser Maximin beginnen die Einfälle der Alemannen in die römischen Provinzen über dem Rhein. Von den ersten Stürmen derselben scheint der Winkel zwischen Rhein und Donau ziemlich verschont geblieben zu seyn; aber von nun an wuchs mit reißender Schnelligkeit die innere Auflösung im Reich und die Zuversicht der Barbaren. Ihre Streifzüge auf vielen Punkten gingen immer weiter ins Innere, und es war eine geographische Nothwendigkeit, daß das Vorwerk zwischen Rhein und Donau als die erste unwiederbringliche Beute den gegen das Herz des Reichs andrängenden germanischen Völkern zufiel, und nunmehr die schwachen Flüsse selbst vorläufig die mühsam behauptete, und immer häufiger und nachhaltiger überwältigte Reichsgränze wurden. Von der Mitte des dritten Jahrhunders an schwankt, nach den Winken der Geschichtschreiber, das römische Zehntland zwischen Zerstörung und Wiederherstellung, ohne daß sich Näheres ermitteln ließe. Aber die definitive Verheerung der Städte fällt bestimmt ins Jahr 275, wo nach Aurelians Tode die Kunde nach Rom gelangte, &#x201E;daß die Barbaren den überrheinischen Pfahl durchbrochen und feste, blühende und reiche Städte zerstört haben.&#x201C; (Vopiscus.) &#x2013; Probus jagt zwar die Alemannen wieder &#x201E;über die Alp und den Neckar&#x201C; zurück (im J. 276), legt Städte, Lager und Werke an; aber sein Vallum reichte schwerlich über den Neckar hinüber. Gleich nach seinem Tode (282) wird Alles wieder von den Alemannen verheert; vom Ende des dritten Säculums an verschwinden in der Geschichte alle Spuren römischer Herrschaft auf dem linken Donau- und rechten Rheinufer, und man weiß nur noch von einzelnen Kriegszügen der Römer in das nunmehr wieder barbarische Land. Der wichtigste dieser Züge ist der des Valentinian im J. 368: er zog vom Rhein her wider die Alemannen, wurde, nach dem einzigen Gewährsmann Ammianus, bei einem Ort Namens <hi rendition="#g">Solicinium</hi> mit ihnen handgemein und schlug sie in einer großen Schlacht. Wie wir sehen werden, ist auch dieses Solicinium in den sonderbaren Namensproceß unserer Römerstadt am obern Neckar verwickelt. &#x2013; Als nach der Ueberschwemmung durch die Allemannen die gerade Verbindung zwischen Mainz und Straßburg einerseits, und Regensburg und Augsburg andererseits, mitten durch das Zehntland, über den Straßenknoten bei Kannstadt am Neckar, auf immer unterbrochen war, mußten die Römer außer der Donau- und Rheinlinie auch den Landstrich zwischen der obersten Donau und Augusta Rauracorum am Rhein kräftig zu behaupten suchen, um den jetzt einzigen Weg aus Gallien in die Donauprovinzen, um den Rheinwinkel bei Basel herum und am rechten Donauufer weg, frei zu halten. Dieß gelang ihnen im vierten Jahrhundert nur mit Mühe. Diesen Weg machte Kaiser Julian im J. 361 auf seinem eiligen Zug aus Gallien nach Pannonien. Er ging von Augusta Rauracorum aus über den Rhein, zog mit großer Vorsicht wegen der schwierigen Bevölkerung durch den Schwarzwald an die Donau, und sodann auf der Donaustraße am rechten Ufer fort. Diese Linie hielt man früher, und halten Manche noch für den Straßenzug der Peutinger'schen Tafel zwischen Vindonissa und Regensburg, in der Voraussetzung, daß die Tafel ein Bild vom Zustande des Reichs zur Zeit des Theodosius am Schluß des vierten Jahrhunderts gebe.</p><lb/>
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[1091/0011] des Rheins und der Donau gelegenen Landes schon in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, unter den Flaviern; aber erst unter Trajan und Hadrian scheinen eigentliche Niederlassungen und Städte gegründet worden zu seyn. Kein Zweifel, daß der limes schon unter Vespasian begonnen wurde; es bleibt aber völlig dunkel, zu welcher Zeit er in seinem Zusammenhang hergestellt war. Nur so viel ist wohl gewiß, daß die Werke, welche Kaiser Probus zu einer Zeit, wo die römische Herrschaft in diesen Strichen schon sehr gefährdet war (im J. 276), gegen die Alemannen errichten ließ, mit dem limes rhaeticus nichts mehr zu schaffen haben, sondern weiter südwärts, etwa an der schwäbischen Alp, angelegt waren. – Der erste Kaiser, dessen auf einem Steinmonument deutlich erwähnt wird, ist Trajanus, der letzte Gallienus. Die eigentliche Blüthe dieser Niederlassungen fällt in den schönen Nachsommer des Reichs unter den Antoninen, und sie dauerte unzweifelhaft bis zu Severus Alexander gegen das Jahr 234. – Mit Kaiser Maximin beginnen die Einfälle der Alemannen in die römischen Provinzen über dem Rhein. Von den ersten Stürmen derselben scheint der Winkel zwischen Rhein und Donau ziemlich verschont geblieben zu seyn; aber von nun an wuchs mit reißender Schnelligkeit die innere Auflösung im Reich und die Zuversicht der Barbaren. Ihre Streifzüge auf vielen Punkten gingen immer weiter ins Innere, und es war eine geographische Nothwendigkeit, daß das Vorwerk zwischen Rhein und Donau als die erste unwiederbringliche Beute den gegen das Herz des Reichs andrängenden germanischen Völkern zufiel, und nunmehr die schwachen Flüsse selbst vorläufig die mühsam behauptete, und immer häufiger und nachhaltiger überwältigte Reichsgränze wurden. Von der Mitte des dritten Jahrhunders an schwankt, nach den Winken der Geschichtschreiber, das römische Zehntland zwischen Zerstörung und Wiederherstellung, ohne daß sich Näheres ermitteln ließe. Aber die definitive Verheerung der Städte fällt bestimmt ins Jahr 275, wo nach Aurelians Tode die Kunde nach Rom gelangte, „daß die Barbaren den überrheinischen Pfahl durchbrochen und feste, blühende und reiche Städte zerstört haben.“ (Vopiscus.) – Probus jagt zwar die Alemannen wieder „über die Alp und den Neckar“ zurück (im J. 276), legt Städte, Lager und Werke an; aber sein Vallum reichte schwerlich über den Neckar hinüber. Gleich nach seinem Tode (282) wird Alles wieder von den Alemannen verheert; vom Ende des dritten Säculums an verschwinden in der Geschichte alle Spuren römischer Herrschaft auf dem linken Donau- und rechten Rheinufer, und man weiß nur noch von einzelnen Kriegszügen der Römer in das nunmehr wieder barbarische Land. Der wichtigste dieser Züge ist der des Valentinian im J. 368: er zog vom Rhein her wider die Alemannen, wurde, nach dem einzigen Gewährsmann Ammianus, bei einem Ort Namens Solicinium mit ihnen handgemein und schlug sie in einer großen Schlacht. Wie wir sehen werden, ist auch dieses Solicinium in den sonderbaren Namensproceß unserer Römerstadt am obern Neckar verwickelt. – Als nach der Ueberschwemmung durch die Allemannen die gerade Verbindung zwischen Mainz und Straßburg einerseits, und Regensburg und Augsburg andererseits, mitten durch das Zehntland, über den Straßenknoten bei Kannstadt am Neckar, auf immer unterbrochen war, mußten die Römer außer der Donau- und Rheinlinie auch den Landstrich zwischen der obersten Donau und Augusta Rauracorum am Rhein kräftig zu behaupten suchen, um den jetzt einzigen Weg aus Gallien in die Donauprovinzen, um den Rheinwinkel bei Basel herum und am rechten Donauufer weg, frei zu halten. Dieß gelang ihnen im vierten Jahrhundert nur mit Mühe. Diesen Weg machte Kaiser Julian im J. 361 auf seinem eiligen Zug aus Gallien nach Pannonien. Er ging von Augusta Rauracorum aus über den Rhein, zog mit großer Vorsicht wegen der schwierigen Bevölkerung durch den Schwarzwald an die Donau, und sodann auf der Donaustraße am rechten Ufer fort. Diese Linie hielt man früher, und halten Manche noch für den Straßenzug der Peutinger'schen Tafel zwischen Vindonissa und Regensburg, in der Voraussetzung, daß die Tafel ein Bild vom Zustande des Reichs zur Zeit des Theodosius am Schluß des vierten Jahrhunderts gebe. (Beschluß folgt.) Fr. v. Raumer über Italien. _ Rom, 1 Mai. Wenn der längere Aufenthalt in Rom, diesem Mittelpunkt gelehrter Welterkenntniß, unserm Geist schon im Allgemeinen bei Beurtheilung des gesammten wissenschaftlichen Treibens der übrigen Welt eine gewisse klarblickende Ueberlegenheit ertheilt, so empfinden die in Rom Lebenden diese Ueberlegenheit insbesondere bei Beurtheilung der jährlich in solcher Masse auftauchenden italienischen Reisebeschreibungen. Die meisten dieser als Schriftsteller auftretenden Reisenden haben wir selber kennen gelernt; sie sind uns auf dem Forum, im Vatican oder in irgend einem Salon, bald nur mit dem stummen Eindruck ihrer suchenden unsichern Persönlichkeit, bald auch mit einigen fragenden oder ausrufenden Bemerkungen entgegengetreten; wir haben sie, gleich der neu ankommenden Schaar Wieland'scher Todtenschatten, Schuppen auf Schuppen einen Haufen der mitgebrachten Vorurtheile, von denen wir selber schon lange befreit waren, vor unsern Augen abwerfen sehen: und es ergötzt uns nun in jenen ihren Reisebeschreibungen die staunende Geschichte ihrer theilweisen Entschuppung umständlich vorgetragen zu finden, und den stattlichen Ausdruck des hier gedruckten Autorengesichts mit den verworrenen Gebärden des gestrigen Reisejüngers zu vergleichen. Denn, in der That, das kurze Gedärm, das schon seit Schillers Zeit ein Hauptmerkmal des gewöhnlichen deutschen Schriftstellers abgibt, zeigt sich bei der Spielart des gewöhnlichen italienischen Reisebeschreibers am allermonströsesten; und das wunderbare Schicksal jenes einmal nicht verdauten Jonas ist nichts im Vergleich mit dem Schicksal Italiens, dieses jahr-jährlich von einem Duzend reisender Wallfische stückweise verschlungenen, unverdaut wieder ausgespienen und doch immer reizend bleibenden Wunderlandes. Je seltener aber nun die italienische Reiselitteratur in der breiten Masse ihrer Erzeugnisse etwas wirklich Bedeutendes aufzuweisen hat, desto begieriger greift man nach jedem ihr zugehörigen Werk, das durch irgend ein äußeres Merkmal, zunächst durch den Namen des Verfassers, eine ausnahmsweise wirkliche Bedeutung zu verrathen scheint, und mit solcher Begierde haben wir denn auch nach den kürzlich erschienenen Raumer'schen Briefen über Italien *) *) gegriffen, als herrührend von einem Manne, der nicht nur seit längerer Zeit mit vergleichenden historischen Studien über die politische Gegenwart und Vergangenheit Italiens beschäftigt, sondern auch durch mehrfache andere, gleichfalls von ihm beschriebene Reisen zu dieser seiner letzten nach Italien vorbereitet, durch den wiederholten Anblick dieses Landes, setzten wir voraus, zu einem wirklichen, sey es nur statistisch beschreibenden, sey es vielleicht sogar umfassend schildernden Kunstwerk begeistert worden wäre – von einem Mann überdieß, den wir, *) Italien. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 137. Augsburg, 16. Mai 1840, S. 1091. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_137_18400516/11>, abgerufen am 28.04.2024.