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Allgemeine Zeitung. Nr. 153. Augsburg, 1. Juni 1840.

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dahin zurückgeschickt. Im Jahr 1839 kam Th. Abbadie aus Axum zurück, und brachte einen Brief des Königs von Tigre an Ludwig Philipp, in welchem er einen Handelsvertrag vorschlug. Der Marschall Soult schickte hierauf Combes mit einer kleinen Expedition nach Abyssinien zurück. Abbadie, nachdem er sich mit den nöthigen Instrumenten zu wissenschaftlichen Beobachtungen versehen hatte, ging gegen Ende des letzten Jahres auch zurück, und der Kriegsminister schickte fast zu gleicher Zeit zwei Stabsofficiere zum Aufnehmen einer Karte dahin. Die Jesuiten schickten ihrerseits Missionäre und einen apostolischen Vicar dahin. Lefevre ist kürzlich mit vier Abyssiniern und einem Handelsvertrag zurückgekommen, und die Gebrüder Balguerie von Bordeaux haben eines ihrer Schiffe, Ankober, nach der Hauptstadt von Schoa genannt, nach Zeyla an der abyssinischen Küste geschickt, um dort einen Handel zu eröffnen. Man sagt zwar seit einigen Tagen, daß der Pascha von Aegypten kürzlich Zeyla besetzt habe, weil er fand, daß die Zölle von Massowa, das in seiner Hand ist und bisher der Haupthafen für Abyssinien war, durch die Concurrenz von Zeyla abgenommen hätten; aber die Nachricht ist sehr ungewiß. Es wäre ein Unglück, wenn sie wahr wäre; denn der ägyptische Commandant von Massowa diente zu wenig mehr, als von dem elenden abyssinischen Handel 30,000 spanische Thaler Durchgangszoll zu erheben, ohne daß er dafür die Passage der Karawanen und Reisenden durch den kleinen Strich, der zwischen dem Meer und dem Gebirg liegt, hätte frei halten können. Dasselbe würde ohne Zweifel in Zeyla ebenfalls stattfinden, und es wäre zu wünschen, daß eine europäische Macht dort ein kleines Etablissement anlegte, um einen Freihafen zu errichten und durch Verträge mit den Somalis die Passage ins Innere frei zu halten, was leicht wäre. Die Gegend umher ist hauptsächlich von Somalis und Gallas bewohnt, einer friedlichen und unternehmenden Race, welche unter dem Sultan von Harra steht, einer acht Tagereisen im Innern liegenden beträchtlichen Stadt. Zeyla ist der Hafen, an dem die Karawanenstraße von Ankober in Schoa ans Meer stößt, und das natürliche Emporium für alle Producte von Südabyssinien und den Theilen von Sudan, welche mit Ankober in Verbindung stehen. Die Karawanen bringen Sklaven, vortrefflichen Kaffee, Elfenbein, abyssinische Häute, Myrten, arabisches Gummi und Straußenfedern aus dem Innern, und nehmen Tuch, Stahlwaaren, Baumwollenwaaren und Feuergewehre dagegen. Die Handelsstraße ist bisweilen durch herumstreifende Araberhorden gefährdet, welche das ganze platte Land vom Cap Gardafui bis Massowa theilweise inne haben; aber es wäre nicht schwer, sie in Verbindung mit dem Sultan von Harra in Ordnung zu halten, oder sich mit ihnen vermöge eines mäßigen Transitzolls abzufinden. Zeyla ist eine ziemlich bedeutende Stadt und liegt außerhalb der Meerenge von Bab el Mandeb, gegenüber von Aden. Die Engländer haben einen großen Fehler gemacht, als sie Aden besetzten, nicht sogleich ein Comptoir in Zeyla anzulegen; Lord Valentia hatte schon vor 30 Jahren dazu gerathen, und Canning hatte Salt nach Abyssinien geschickt, um ein Etablissement dieser Art vorzubereiten; aber es ist wahrscheinlich, daß ihnen Frankreich jetzt zuvorkommen wird. Eine andere und vielleicht noch wichtigere Station ist die von Berbera, östlich von Zeyla, das bis jetzt nichts ist als eine offene Bucht, an die eine Ebene stößt, auf welcher sich zur Zeit der Ankunft der Karawanen eine temporäre Stadt oder vielmehr ein großes Lager bildet, das 20,000-50,000 Menschen enthält, und wohin sich eine Menge arabischer Schiffe von Mokka, Hodeida und Maskat begeben, welche die Producte von Aethiopien und dem Lande der Somalis gegen europäische und indische Fabricate austauschen.

Der Handel ist bis jetzt ganz in Händen arabischer Mäkler, und noch in einem sehr barbarischen Zustande; Flinten werden z. B. nach der Spanne gekauft, jede Spanne der Länge des Laufs wird mit 1 1/2 Dollars bezahlt, und die Mäkler haben die Gewohnheit, sich die Sehne zwischen dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand durchzuschneiden, um eine größere Spanne zu erhalten. Die Somalis sind eine sehr civilisirbare Race, wie Jedermann bezeugt, der ihr Land betreten hat, von den portugiesischen Jesuiten an bis auf die neuesten englischen Schiffscapitäne herab, und es wäre nichts leichter, als die Production des Landes und den Handel mit dem Sudan durch sie auf einen hohen Grad von Entwicklung zu treiben. Das große Uebel in dieser Localität sind ebenfalls die nomadischen Araber, welche die Ebene beunruhigen; aber einige Posten im Innern, um den Weg bis Harra zu schützen und den Karawanen Escorten zu geben, wären hinreichend. Bis jetzt hat es den Somalis an nichts gefehlt, als Einheit, um eine Nation zu werden; sie sind in kleine Stämme gespalten, und dieß hat ihre Entwicklung gehindert. Seit einigen Jahren ist der Markt von Berbera, der vom September bis April währt, von vielen englischen Schiffen besucht worden, und sie sind immer mit großer Freude von den Eingebornen empfangen worden, obgleich die arabischen Mäkler diese Concurrenz hassen. Bordeaux wird künftig diesen Handel mit Liverpool theilen; aber es ist durchaus nothwendig, daß die englische und französische Regierung sich über Maaßregeln verständigen, um den Sklavenhandel dort zu erschweren, indem sonst jede Zunahme der Einführung europäischer Waaren Kriege und Verwüstungen im Innern von Sudan zur Folge hätte, während sie, wenn keine Sklaven, sondern nur Landesproducte zum Austausch angenommen werden, ein mächtiges Instrument zur Beförderung friedlicher Industrie und Civilisation im Innern werden würde.

Großbritannien.

Das zweite Verhör über die Ermordung Lord William Russells hat am 22 Mai (10 Uhr Morgens) in Bowstreet stattgefunden, und im Ganzen die schon früher von uns erwähnten neuen Verdachtsgründe gegen Courvoisier nur zu sehr bestätigt. Wir theilen daraus alles, was uns für die Geschichte der That und die Charakterisirung des wahrscheinlichen Thäters wichtig scheint, unsern Lesern mit. Die zu vernehmenden Zeugen waren Schließerin und Köchin (zum zweitenmal), der Kutscher Lord Williams und der des Hrn. Fector (der früheren Herrschaft Courvoisiers), die beiden Kellner des anstoßenden und des gegenüber liegenden Hauses, zwei Wundärzte und mehrere Polizeibeamte. Courvoisier selbst, in schwarzem Frack, erschien mit gewohnter Ruhe an den Schranken. Aus dem übereinstimmenden nachträglichen Bericht der Schließerin und Köchin entnehmen wir Folgendes: "Courvoisier that in den letzten Wochen mehreremale die Aeußerung, der alte Billy (William) sey ein steinalter Knochen (rum-old chap), und wenn er, Courvoisier, sein Geld hätte, würde er nicht lange in England bleiben. "Aber Se. Lordschaft ist nicht reich," sagte die Schließerin. "O ja doch, antwortete Courvoisier, er hat Geld, und wenn ich's hätte, würde ich nicht lange in England bleiben." - Am Mittwoch und Donnerstag, den beiden Tagen nach dem Mord, wo die Dienstboten noch in Lord Williams Hause zusammen waren, erschien das Betragen Courvoisiers fortwährend sehr auffallend:

dahin zurückgeschickt. Im Jahr 1839 kam Th. Abbadie aus Axum zurück, und brachte einen Brief des Königs von Tigré an Ludwig Philipp, in welchem er einen Handelsvertrag vorschlug. Der Marschall Soult schickte hierauf Combes mit einer kleinen Expedition nach Abyssinien zurück. Abbadie, nachdem er sich mit den nöthigen Instrumenten zu wissenschaftlichen Beobachtungen versehen hatte, ging gegen Ende des letzten Jahres auch zurück, und der Kriegsminister schickte fast zu gleicher Zeit zwei Stabsofficiere zum Aufnehmen einer Karte dahin. Die Jesuiten schickten ihrerseits Missionäre und einen apostolischen Vicar dahin. Lefevre ist kürzlich mit vier Abyssiniern und einem Handelsvertrag zurückgekommen, und die Gebrüder Balguerie von Bordeaux haben eines ihrer Schiffe, Ankober, nach der Hauptstadt von Schoa genannt, nach Zeyla an der abyssinischen Küste geschickt, um dort einen Handel zu eröffnen. Man sagt zwar seit einigen Tagen, daß der Pascha von Aegypten kürzlich Zeyla besetzt habe, weil er fand, daß die Zölle von Massowa, das in seiner Hand ist und bisher der Haupthafen für Abyssinien war, durch die Concurrenz von Zeyla abgenommen hätten; aber die Nachricht ist sehr ungewiß. Es wäre ein Unglück, wenn sie wahr wäre; denn der ägyptische Commandant von Massowa diente zu wenig mehr, als von dem elenden abyssinischen Handel 30,000 spanische Thaler Durchgangszoll zu erheben, ohne daß er dafür die Passage der Karawanen und Reisenden durch den kleinen Strich, der zwischen dem Meer und dem Gebirg liegt, hätte frei halten können. Dasselbe würde ohne Zweifel in Zeyla ebenfalls stattfinden, und es wäre zu wünschen, daß eine europäische Macht dort ein kleines Etablissement anlegte, um einen Freihafen zu errichten und durch Verträge mit den Somalis die Passage ins Innere frei zu halten, was leicht wäre. Die Gegend umher ist hauptsächlich von Somalis und Gallas bewohnt, einer friedlichen und unternehmenden Race, welche unter dem Sultan von Harra steht, einer acht Tagereisen im Innern liegenden beträchtlichen Stadt. Zeyla ist der Hafen, an dem die Karawanenstraße von Ankober in Schoa ans Meer stößt, und das natürliche Emporium für alle Producte von Südabyssinien und den Theilen von Sudan, welche mit Ankober in Verbindung stehen. Die Karawanen bringen Sklaven, vortrefflichen Kaffee, Elfenbein, abyssinische Häute, Myrten, arabisches Gummi und Straußenfedern aus dem Innern, und nehmen Tuch, Stahlwaaren, Baumwollenwaaren und Feuergewehre dagegen. Die Handelsstraße ist bisweilen durch herumstreifende Araberhorden gefährdet, welche das ganze platte Land vom Cap Gardafui bis Massowa theilweise inne haben; aber es wäre nicht schwer, sie in Verbindung mit dem Sultan von Harra in Ordnung zu halten, oder sich mit ihnen vermöge eines mäßigen Transitzolls abzufinden. Zeyla ist eine ziemlich bedeutende Stadt und liegt außerhalb der Meerenge von Bab el Mandeb, gegenüber von Aden. Die Engländer haben einen großen Fehler gemacht, als sie Aden besetzten, nicht sogleich ein Comptoir in Zeyla anzulegen; Lord Valentia hatte schon vor 30 Jahren dazu gerathen, und Canning hatte Salt nach Abyssinien geschickt, um ein Etablissement dieser Art vorzubereiten; aber es ist wahrscheinlich, daß ihnen Frankreich jetzt zuvorkommen wird. Eine andere und vielleicht noch wichtigere Station ist die von Berbera, östlich von Zeyla, das bis jetzt nichts ist als eine offene Bucht, an die eine Ebene stößt, auf welcher sich zur Zeit der Ankunft der Karawanen eine temporäre Stadt oder vielmehr ein großes Lager bildet, das 20,000-50,000 Menschen enthält, und wohin sich eine Menge arabischer Schiffe von Mokka, Hodeida und Maskat begeben, welche die Producte von Aethiopien und dem Lande der Somalis gegen europäische und indische Fabricate austauschen.

Der Handel ist bis jetzt ganz in Händen arabischer Mäkler, und noch in einem sehr barbarischen Zustande; Flinten werden z. B. nach der Spanne gekauft, jede Spanne der Länge des Laufs wird mit 1 1/2 Dollars bezahlt, und die Mäkler haben die Gewohnheit, sich die Sehne zwischen dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand durchzuschneiden, um eine größere Spanne zu erhalten. Die Somalis sind eine sehr civilisirbare Race, wie Jedermann bezeugt, der ihr Land betreten hat, von den portugiesischen Jesuiten an bis auf die neuesten englischen Schiffscapitäne herab, und es wäre nichts leichter, als die Production des Landes und den Handel mit dem Sudan durch sie auf einen hohen Grad von Entwicklung zu treiben. Das große Uebel in dieser Localität sind ebenfalls die nomadischen Araber, welche die Ebene beunruhigen; aber einige Posten im Innern, um den Weg bis Harra zu schützen und den Karawanen Escorten zu geben, wären hinreichend. Bis jetzt hat es den Somalis an nichts gefehlt, als Einheit, um eine Nation zu werden; sie sind in kleine Stämme gespalten, und dieß hat ihre Entwicklung gehindert. Seit einigen Jahren ist der Markt von Berbera, der vom September bis April währt, von vielen englischen Schiffen besucht worden, und sie sind immer mit großer Freude von den Eingebornen empfangen worden, obgleich die arabischen Mäkler diese Concurrenz hassen. Bordeaux wird künftig diesen Handel mit Liverpool theilen; aber es ist durchaus nothwendig, daß die englische und französische Regierung sich über Maaßregeln verständigen, um den Sklavenhandel dort zu erschweren, indem sonst jede Zunahme der Einführung europäischer Waaren Kriege und Verwüstungen im Innern von Sudan zur Folge hätte, während sie, wenn keine Sklaven, sondern nur Landesproducte zum Austausch angenommen werden, ein mächtiges Instrument zur Beförderung friedlicher Industrie und Civilisation im Innern werden würde.

Großbritannien.

Das zweite Verhör über die Ermordung Lord William Russells hat am 22 Mai (10 Uhr Morgens) in Bowstreet stattgefunden, und im Ganzen die schon früher von uns erwähnten neuen Verdachtsgründe gegen Courvoisier nur zu sehr bestätigt. Wir theilen daraus alles, was uns für die Geschichte der That und die Charakterisirung des wahrscheinlichen Thäters wichtig scheint, unsern Lesern mit. Die zu vernehmenden Zeugen waren Schließerin und Köchin (zum zweitenmal), der Kutscher Lord Williams und der des Hrn. Fector (der früheren Herrschaft Courvoisiers), die beiden Kellner des anstoßenden und des gegenüber liegenden Hauses, zwei Wundärzte und mehrere Polizeibeamte. Courvoisier selbst, in schwarzem Frack, erschien mit gewohnter Ruhe an den Schranken. Aus dem übereinstimmenden nachträglichen Bericht der Schließerin und Köchin entnehmen wir Folgendes: „Courvoisier that in den letzten Wochen mehreremale die Aeußerung, der alte Billy (William) sey ein steinalter Knochen (rum-old chap), und wenn er, Courvoisier, sein Geld hätte, würde er nicht lange in England bleiben. „Aber Se. Lordschaft ist nicht reich,“ sagte die Schließerin. „O ja doch, antwortete Courvoisier, er hat Geld, und wenn ich's hätte, würde ich nicht lange in England bleiben.“ – Am Mittwoch und Donnerstag, den beiden Tagen nach dem Mord, wo die Dienstboten noch in Lord Williams Hause zusammen waren, erschien das Betragen Courvoisiers fortwährend sehr auffallend:

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dahin zurückgeschickt. Im Jahr 1839 kam Th. Abbadie aus Axum zurück, und brachte einen Brief des Königs von Tigré an Ludwig Philipp, in welchem er einen Handelsvertrag vorschlug. Der Marschall Soult schickte hierauf Combes mit einer kleinen Expedition nach Abyssinien zurück. Abbadie, nachdem er sich mit den nöthigen Instrumenten zu wissenschaftlichen Beobachtungen versehen hatte, ging gegen Ende des letzten Jahres auch zurück, und der Kriegsminister schickte fast zu gleicher Zeit zwei Stabsofficiere zum Aufnehmen einer Karte dahin. Die Jesuiten schickten ihrerseits Missionäre und einen apostolischen Vicar dahin. Lefevre ist kürzlich mit vier Abyssiniern und einem Handelsvertrag zurückgekommen, und die Gebrüder Balguerie von Bordeaux haben eines ihrer Schiffe, Ankober, nach der Hauptstadt von Schoa genannt, nach Zeyla an der abyssinischen Küste geschickt, um dort einen Handel zu eröffnen. Man sagt zwar seit einigen Tagen, daß der Pascha von Aegypten kürzlich Zeyla besetzt habe, weil er fand, daß die Zölle von Massowa, das in seiner Hand ist und bisher der Haupthafen für Abyssinien war, durch die Concurrenz von Zeyla abgenommen hätten; aber die Nachricht ist sehr ungewiß. Es wäre ein Unglück, wenn sie wahr wäre; denn der ägyptische Commandant von Massowa diente zu wenig mehr, als von dem elenden abyssinischen Handel 30,000 spanische Thaler Durchgangszoll zu erheben, ohne daß er dafür die Passage der Karawanen und Reisenden durch den kleinen Strich, der zwischen dem Meer und dem Gebirg liegt, hätte frei halten können. Dasselbe würde ohne Zweifel in Zeyla ebenfalls stattfinden, und es wäre zu wünschen, daß eine europäische Macht dort ein kleines Etablissement anlegte, um einen Freihafen zu errichten und durch Verträge mit den Somalis die Passage ins Innere frei zu halten, was leicht wäre. Die Gegend umher ist hauptsächlich von Somalis und Gallas bewohnt, einer friedlichen und unternehmenden Race, welche unter dem Sultan von Harra steht, einer acht Tagereisen im Innern liegenden beträchtlichen Stadt. Zeyla ist der Hafen, an dem die Karawanenstraße von Ankober in Schoa ans Meer stößt, und das natürliche Emporium für alle Producte von Südabyssinien und den Theilen von Sudan, welche mit Ankober in Verbindung stehen. Die Karawanen bringen Sklaven, vortrefflichen Kaffee, Elfenbein, abyssinische Häute, Myrten, arabisches Gummi und Straußenfedern aus dem Innern, und nehmen Tuch, Stahlwaaren, Baumwollenwaaren und Feuergewehre dagegen. Die Handelsstraße ist bisweilen durch herumstreifende Araberhorden gefährdet, welche das ganze platte Land vom Cap Gardafui bis Massowa theilweise inne haben; aber es wäre nicht schwer, sie in Verbindung mit dem Sultan von Harra in Ordnung zu halten, oder sich mit ihnen vermöge eines mäßigen Transitzolls abzufinden. Zeyla ist eine ziemlich bedeutende Stadt und liegt außerhalb der Meerenge von Bab el Mandeb, gegenüber von Aden. Die Engländer haben einen großen Fehler gemacht, als sie Aden besetzten, nicht sogleich ein Comptoir in Zeyla anzulegen; Lord Valentia hatte schon vor 30 Jahren dazu gerathen, und Canning hatte Salt nach Abyssinien geschickt, um ein Etablissement dieser Art vorzubereiten; aber es ist wahrscheinlich, daß ihnen Frankreich jetzt zuvorkommen wird. Eine andere und vielleicht noch wichtigere Station ist die von Berbera, östlich von Zeyla, das bis jetzt nichts ist als eine offene Bucht, an die eine Ebene stößt, auf welcher sich zur Zeit der Ankunft der Karawanen eine temporäre Stadt oder vielmehr ein großes Lager bildet, das 20,000-50,000 Menschen enthält, und wohin sich eine Menge arabischer Schiffe von Mokka, Hodeida und Maskat begeben, welche die Producte von Aethiopien und dem Lande der Somalis gegen europäische und indische Fabricate austauschen.</p><lb/>
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[1219/0011] dahin zurückgeschickt. Im Jahr 1839 kam Th. Abbadie aus Axum zurück, und brachte einen Brief des Königs von Tigré an Ludwig Philipp, in welchem er einen Handelsvertrag vorschlug. Der Marschall Soult schickte hierauf Combes mit einer kleinen Expedition nach Abyssinien zurück. Abbadie, nachdem er sich mit den nöthigen Instrumenten zu wissenschaftlichen Beobachtungen versehen hatte, ging gegen Ende des letzten Jahres auch zurück, und der Kriegsminister schickte fast zu gleicher Zeit zwei Stabsofficiere zum Aufnehmen einer Karte dahin. Die Jesuiten schickten ihrerseits Missionäre und einen apostolischen Vicar dahin. Lefevre ist kürzlich mit vier Abyssiniern und einem Handelsvertrag zurückgekommen, und die Gebrüder Balguerie von Bordeaux haben eines ihrer Schiffe, Ankober, nach der Hauptstadt von Schoa genannt, nach Zeyla an der abyssinischen Küste geschickt, um dort einen Handel zu eröffnen. Man sagt zwar seit einigen Tagen, daß der Pascha von Aegypten kürzlich Zeyla besetzt habe, weil er fand, daß die Zölle von Massowa, das in seiner Hand ist und bisher der Haupthafen für Abyssinien war, durch die Concurrenz von Zeyla abgenommen hätten; aber die Nachricht ist sehr ungewiß. Es wäre ein Unglück, wenn sie wahr wäre; denn der ägyptische Commandant von Massowa diente zu wenig mehr, als von dem elenden abyssinischen Handel 30,000 spanische Thaler Durchgangszoll zu erheben, ohne daß er dafür die Passage der Karawanen und Reisenden durch den kleinen Strich, der zwischen dem Meer und dem Gebirg liegt, hätte frei halten können. Dasselbe würde ohne Zweifel in Zeyla ebenfalls stattfinden, und es wäre zu wünschen, daß eine europäische Macht dort ein kleines Etablissement anlegte, um einen Freihafen zu errichten und durch Verträge mit den Somalis die Passage ins Innere frei zu halten, was leicht wäre. Die Gegend umher ist hauptsächlich von Somalis und Gallas bewohnt, einer friedlichen und unternehmenden Race, welche unter dem Sultan von Harra steht, einer acht Tagereisen im Innern liegenden beträchtlichen Stadt. Zeyla ist der Hafen, an dem die Karawanenstraße von Ankober in Schoa ans Meer stößt, und das natürliche Emporium für alle Producte von Südabyssinien und den Theilen von Sudan, welche mit Ankober in Verbindung stehen. Die Karawanen bringen Sklaven, vortrefflichen Kaffee, Elfenbein, abyssinische Häute, Myrten, arabisches Gummi und Straußenfedern aus dem Innern, und nehmen Tuch, Stahlwaaren, Baumwollenwaaren und Feuergewehre dagegen. Die Handelsstraße ist bisweilen durch herumstreifende Araberhorden gefährdet, welche das ganze platte Land vom Cap Gardafui bis Massowa theilweise inne haben; aber es wäre nicht schwer, sie in Verbindung mit dem Sultan von Harra in Ordnung zu halten, oder sich mit ihnen vermöge eines mäßigen Transitzolls abzufinden. Zeyla ist eine ziemlich bedeutende Stadt und liegt außerhalb der Meerenge von Bab el Mandeb, gegenüber von Aden. Die Engländer haben einen großen Fehler gemacht, als sie Aden besetzten, nicht sogleich ein Comptoir in Zeyla anzulegen; Lord Valentia hatte schon vor 30 Jahren dazu gerathen, und Canning hatte Salt nach Abyssinien geschickt, um ein Etablissement dieser Art vorzubereiten; aber es ist wahrscheinlich, daß ihnen Frankreich jetzt zuvorkommen wird. Eine andere und vielleicht noch wichtigere Station ist die von Berbera, östlich von Zeyla, das bis jetzt nichts ist als eine offene Bucht, an die eine Ebene stößt, auf welcher sich zur Zeit der Ankunft der Karawanen eine temporäre Stadt oder vielmehr ein großes Lager bildet, das 20,000-50,000 Menschen enthält, und wohin sich eine Menge arabischer Schiffe von Mokka, Hodeida und Maskat begeben, welche die Producte von Aethiopien und dem Lande der Somalis gegen europäische und indische Fabricate austauschen. Der Handel ist bis jetzt ganz in Händen arabischer Mäkler, und noch in einem sehr barbarischen Zustande; Flinten werden z. B. nach der Spanne gekauft, jede Spanne der Länge des Laufs wird mit 1 1/2 Dollars bezahlt, und die Mäkler haben die Gewohnheit, sich die Sehne zwischen dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand durchzuschneiden, um eine größere Spanne zu erhalten. Die Somalis sind eine sehr civilisirbare Race, wie Jedermann bezeugt, der ihr Land betreten hat, von den portugiesischen Jesuiten an bis auf die neuesten englischen Schiffscapitäne herab, und es wäre nichts leichter, als die Production des Landes und den Handel mit dem Sudan durch sie auf einen hohen Grad von Entwicklung zu treiben. Das große Uebel in dieser Localität sind ebenfalls die nomadischen Araber, welche die Ebene beunruhigen; aber einige Posten im Innern, um den Weg bis Harra zu schützen und den Karawanen Escorten zu geben, wären hinreichend. Bis jetzt hat es den Somalis an nichts gefehlt, als Einheit, um eine Nation zu werden; sie sind in kleine Stämme gespalten, und dieß hat ihre Entwicklung gehindert. Seit einigen Jahren ist der Markt von Berbera, der vom September bis April währt, von vielen englischen Schiffen besucht worden, und sie sind immer mit großer Freude von den Eingebornen empfangen worden, obgleich die arabischen Mäkler diese Concurrenz hassen. Bordeaux wird künftig diesen Handel mit Liverpool theilen; aber es ist durchaus nothwendig, daß die englische und französische Regierung sich über Maaßregeln verständigen, um den Sklavenhandel dort zu erschweren, indem sonst jede Zunahme der Einführung europäischer Waaren Kriege und Verwüstungen im Innern von Sudan zur Folge hätte, während sie, wenn keine Sklaven, sondern nur Landesproducte zum Austausch angenommen werden, ein mächtiges Instrument zur Beförderung friedlicher Industrie und Civilisation im Innern werden würde. Großbritannien. Das zweite Verhör über die Ermordung Lord William Russells hat am 22 Mai (10 Uhr Morgens) in Bowstreet stattgefunden, und im Ganzen die schon früher von uns erwähnten neuen Verdachtsgründe gegen Courvoisier nur zu sehr bestätigt. Wir theilen daraus alles, was uns für die Geschichte der That und die Charakterisirung des wahrscheinlichen Thäters wichtig scheint, unsern Lesern mit. Die zu vernehmenden Zeugen waren Schließerin und Köchin (zum zweitenmal), der Kutscher Lord Williams und der des Hrn. Fector (der früheren Herrschaft Courvoisiers), die beiden Kellner des anstoßenden und des gegenüber liegenden Hauses, zwei Wundärzte und mehrere Polizeibeamte. Courvoisier selbst, in schwarzem Frack, erschien mit gewohnter Ruhe an den Schranken. Aus dem übereinstimmenden nachträglichen Bericht der Schließerin und Köchin entnehmen wir Folgendes: „Courvoisier that in den letzten Wochen mehreremale die Aeußerung, der alte Billy (William) sey ein steinalter Knochen (rum-old chap), und wenn er, Courvoisier, sein Geld hätte, würde er nicht lange in England bleiben. „Aber Se. Lordschaft ist nicht reich,“ sagte die Schließerin. „O ja doch, antwortete Courvoisier, er hat Geld, und wenn ich's hätte, würde ich nicht lange in England bleiben.“ – Am Mittwoch und Donnerstag, den beiden Tagen nach dem Mord, wo die Dienstboten noch in Lord Williams Hause zusammen waren, erschien das Betragen Courvoisiers fortwährend sehr auffallend:

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 153. Augsburg, 1. Juni 1840, S. 1219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_153_18400601/11>, abgerufen am 21.11.2024.