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Allgemeine Zeitung. Nr. 166. Augsburg, 14. Juni 1840.

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den Zolltarif in Hinsicht derjenigen englischen Einfuhrgegenstände zu ermäßigen, von denen in den Unterhandlungen zunächst die Rede ist. Da hiernach das Cabinet keinen Widerspruch der Kammer gegen einen solchen Entwurf zu fürchten hat, so wird derselbe wohl sicher vorgelegt werden. - Laut den [l]etzten hier angekommenen Nachrichten aus Neapel wird der König in allen Punkten die Forderung Englands zugestehen, ohne daß es eines Ausspruchs des Hrn. Thiers bedürfte. - Eben lese ich den in Ihrem Blatte vom 5 d. veröffentlichten Brief aus Lyon vom 30 Mai. Ich kann aus eigener Erfahrung dessen Inhalt bestätigen, und füge hinzu, daß Hr. Cousin in diesen Tagen einen Hrn. L........ nach Deutschland expedirt, um die dortigen Rechtsfacultäten zu exploitiren.

Odilon-Barrot ist einige Tage wegen eines Handelsprocesses in unserer Stadt gewesen. Derselbe Mann, welcher früher durch ein großes Bankett gefeiert wurde, hat sich im Ganzen nur weniger Besuche zu erfreuen gehabt. Seine Rolle neben Thiers, obgleich sie sich mit dem Titel eines rechtlichen Mannes vertragen mag, ist doch sehr unpolitisch und beweist von seiner Unbedeutenheit. Die Napoleon'sche Partei wächst in unserer Stadt. Das Journal du Commerce, Organ dieser Partei, erscheint, statt dreimal wöchentlich, jetzt täglich. Es kämpft in eigenen Artikeln gegen die von St. Simon, Owen und Fourrier gepredigten Doctrinen. "Nach unserer Meinung, sagt es gestern, ist das Princip jeder socialen Reform in dem Respect für den Genius der Humanität zu suchen. Es findet nur in den Gränzen dessen, was möglich zu realisiren ist, seine Anwendung, d. h. in den Bedingungen der Ordnung und Gerechtigkeit." - Im Volke gehen wieder die alten Sagen von einer Wiederkehr des Kaisers, nicht als Herrschers noch Gesetzgebers, sondern als eines neuen Religionsgründers, um. Bewundern Sie nicht mit mir den Schwung der Mythe?

Ein Gerücht grauenvoller Art durchläuft seit gestern unsere Stadt. Gebe der Himmel, daß es sich nicht erwahre! - Jedenfalls glaube ich es Ihnen nicht vorenthalten zu dürfen. Elicabide hatte schon vorlängst erklärt, daß er wichtige Bekenntnisse ablegen werde, falls sein Proceß zu Bordeaux fortgeführt würde, er dagegen zu hartnäckigem Schweigen entschlossen sey, wenn man darauf bestehen sollte, ihn nach Paris zu überführen. Seitdem hat man sich für Bordeaux entschieden und die einbalsamirte Leiche des Knaben Anizat ist bereits vor drei Tagen hier angelangt. Da soll nun Elicabide, sein Versprechen erfüllend und sich fortwährend als willenloses Opfer eines furchtbaren Geschicks und einer innern satanischen Macht, die ihn unaufhaltbar zu dem Schrecklichsten forttreibe, darstellend, mehrere neue Ermordungen, denen von La Villette und Artigues ähnlich, gestanden haben. So wäre z. B. einer seiner Freunde unter seinen Streichen gefallen, ohne daß je der geringste Verdacht ihn getroffen hätte; ja, die bei Anlaß des plötzlichen Todes des Erzbischofs von Bordeaux, Cardinals Cheverus, der vor etwa zwei Jahren in der Blüthe seines Alters und seiner Gesundheit seiner Heerde entrissen wurde, *) gewalteten unbestimmten Zweifel möglicher Vergiftung würden nun zur schrecklichsten Gewißheit - denn Elicabide hätte sich auch dieser Gräuelthat schuldig erklärt! - Noch einmal, möchte ich meine Nachricht widerrufen müssen!

Italien.

Französische Blätter schreiben: "Paganini hat ein Alter von 58 Jahren erreicht. Da er sich weigerte, die Tröstungen der Religion nachzusuchen (nach einigen, weil er den Tod nicht so nahe glaubte), versagte ihm der Bischof von Nizza ein Begräbniß nach katholischem Ritus; nach einigen fruchtlosen Unterhandlungen mit den Freunden des Verstorbenen wurde beschlossen, die Leiche nach Genua zu bringen. Es steht nun dahin, was die dortige Geistlichkeit thun wird."

Deutschland.

Gestern Abend kam ein russischer Feldjäger in Biederstein an, wie verlautet, mit der Nachricht, daß Ihre Maj. die Kaiserin von Rußland und der Thronfolger Alexander schon am nächsten Dienstag auf ihrer Reise nach Ems in Frankfurt eintreffen werden. II. HH. der Erbgroßherzog und die Prinzessin Marie von Hessen haben darauf, ersterer heute am frühen Morgen, letztere Vormittags 11 Uhr die Rückreise nach Darmstadt angetreten. - Gestern kamen Briefe vom Herzog von Leuchtenberg hier an, datirt aus Stockholm vom 29 Mai. Se. kaiserl. Hoh. hatte nämlich von St. Petersburg aus mit dem Dampfboot einen Abstecher dahin gemacht, um einige Tage zum Besuch bei seiner erlauchten Schwester, der Kronprinzessin von Schweden, zu verweilen. In diesem Augenblick ist der Herzog wahrscheinlich schon wieder in St. Petersburg zurück. - Die Passionsvorstellungen in Oberammergau waren kaum jemals so besucht, wie in diesem Jahr, zur letzten Vorstellung wurden, wie man hört, mehr als 7000 Eintrittskarten ausgegeben; man rühmt die zweckmäßige Anordnung und das Geschick der Darsteller. - Gestern ist der k. bayerische Ministerresident bei den freien und Hanse-Städten, Freiherr v. Hormayr, hier eingetroffen.

Preußen.

Die Preußische Staatszeitung enthält folgenden Bericht: "Berlin, 9 Jun. Die schmerzliche Aufregung, die seit den vorgestrigen Nachmittagsstunden sich aller Gemüther bemächtigte, gibt jetzt erst die Fassung, um einen Bericht über die letzten Augenblicke des vielgeliebten, von dem ganzen Volk betrauerten Monarchen zu erstatten. Am Morgen des ersten Pfingstfeiertags, wo jede Hoffnung, das Leben Sr. Maj. erhalten zu sehen, bereits völlig verschwunden war, versammelten sich alle Mitglieder des königlichen Hauses im Palais zu einem besondern Familiengottesdienst, um Kraft und Stärke für den bevorstehenden schweren Moment von oben zu erflehen. Durch die tröstenden Worte der Religion gehoben und vorbereitet, verfügte sich die königliche Familie in das Nebenzimmer des königlichen Krankengemachs. Hier wurde Sr. Maj. dem jetzt regierenden König die tief erschütternde Botschaft überbracht, daß der gefürchtete traurigste Augenblick herannahe. Es begaben sich nunmehr die sämmtlichen Mitglieder des königlichen Hauses in das Krankenzimmer, mit ihnen Se. Maj. der Kaiser von Rußland, und blieben von hier ab um das Bett des scheidenden Monarchen versammelt. So in der Mitte der Seinigen, die eine Hand seinem königlichen Nachfolger reichend, die andere gehalten von Ihrer Durchl. der Fürstin von Liegnitz, hauchte er, der beste und väterlichste der Könige, seinen edlen Geist aus, so ruhig und sanft, daß es erst eines Zeichens der anwesenden Leibärzte bedurfte, um den Umstehenden zu verkünden, daß ihr königlicher Vater bereits einer besseren Welt angehöre. Se. Maj. der jetzt regierende König drückten darauf dem geliebten Vater die Augen zu. Getroffen von dem ganzen Gewicht dieses unersetzlichen Verlustes, sanken alle Anwesenden

*) Der Cardinal Cheverus war ein Engel an Duldsamkeit, Hingebung und Wohlthun, eine glänzende Zierde der gallicanischen Kirche. Seine ganze Habe opferte er zur Linderung menschlicher Leiden. Cardinal und Erzbischof der zweiten Stadt des Reichs sah man ihn immer und überall zu Fuß, überall Thränen trocknend, überall Trost und Hülfe spendend.
Anm. d. Corresp.

den Zolltarif in Hinsicht derjenigen englischen Einfuhrgegenstände zu ermäßigen, von denen in den Unterhandlungen zunächst die Rede ist. Da hiernach das Cabinet keinen Widerspruch der Kammer gegen einen solchen Entwurf zu fürchten hat, so wird derselbe wohl sicher vorgelegt werden. – Laut den [l]etzten hier angekommenen Nachrichten aus Neapel wird der König in allen Punkten die Forderung Englands zugestehen, ohne daß es eines Ausspruchs des Hrn. Thiers bedürfte. – Eben lese ich den in Ihrem Blatte vom 5 d. veröffentlichten Brief aus Lyon vom 30 Mai. Ich kann aus eigener Erfahrung dessen Inhalt bestätigen, und füge hinzu, daß Hr. Cousin in diesen Tagen einen Hrn. L........ nach Deutschland expedirt, um die dortigen Rechtsfacultäten zu exploitiren.

Odilon-Barrot ist einige Tage wegen eines Handelsprocesses in unserer Stadt gewesen. Derselbe Mann, welcher früher durch ein großes Bankett gefeiert wurde, hat sich im Ganzen nur weniger Besuche zu erfreuen gehabt. Seine Rolle neben Thiers, obgleich sie sich mit dem Titel eines rechtlichen Mannes vertragen mag, ist doch sehr unpolitisch und beweist von seiner Unbedeutenheit. Die Napoleon'sche Partei wächst in unserer Stadt. Das Journal du Commerce, Organ dieser Partei, erscheint, statt dreimal wöchentlich, jetzt täglich. Es kämpft in eigenen Artikeln gegen die von St. Simon, Owen und Fourrier gepredigten Doctrinen. „Nach unserer Meinung, sagt es gestern, ist das Princip jeder socialen Reform in dem Respect für den Genius der Humanität zu suchen. Es findet nur in den Gränzen dessen, was möglich zu realisiren ist, seine Anwendung, d. h. in den Bedingungen der Ordnung und Gerechtigkeit.“ – Im Volke gehen wieder die alten Sagen von einer Wiederkehr des Kaisers, nicht als Herrschers noch Gesetzgebers, sondern als eines neuen Religionsgründers, um. Bewundern Sie nicht mit mir den Schwung der Mythe?

Ein Gerücht grauenvoller Art durchläuft seit gestern unsere Stadt. Gebe der Himmel, daß es sich nicht erwahre! – Jedenfalls glaube ich es Ihnen nicht vorenthalten zu dürfen. Eliçabide hatte schon vorlängst erklärt, daß er wichtige Bekenntnisse ablegen werde, falls sein Proceß zu Bordeaux fortgeführt würde, er dagegen zu hartnäckigem Schweigen entschlossen sey, wenn man darauf bestehen sollte, ihn nach Paris zu überführen. Seitdem hat man sich für Bordeaux entschieden und die einbalsamirte Leiche des Knaben Anizat ist bereits vor drei Tagen hier angelangt. Da soll nun Eliçabide, sein Versprechen erfüllend und sich fortwährend als willenloses Opfer eines furchtbaren Geschicks und einer innern satanischen Macht, die ihn unaufhaltbar zu dem Schrecklichsten forttreibe, darstellend, mehrere neue Ermordungen, denen von La Villette und Artigues ähnlich, gestanden haben. So wäre z. B. einer seiner Freunde unter seinen Streichen gefallen, ohne daß je der geringste Verdacht ihn getroffen hätte; ja, die bei Anlaß des plötzlichen Todes des Erzbischofs von Bordeaux, Cardinals Cheverus, der vor etwa zwei Jahren in der Blüthe seines Alters und seiner Gesundheit seiner Heerde entrissen wurde, *) gewalteten unbestimmten Zweifel möglicher Vergiftung würden nun zur schrecklichsten Gewißheit – denn Eliçabide hätte sich auch dieser Gräuelthat schuldig erklärt! – Noch einmal, möchte ich meine Nachricht widerrufen müssen!

Italien.

Französische Blätter schreiben: „Paganini hat ein Alter von 58 Jahren erreicht. Da er sich weigerte, die Tröstungen der Religion nachzusuchen (nach einigen, weil er den Tod nicht so nahe glaubte), versagte ihm der Bischof von Nizza ein Begräbniß nach katholischem Ritus; nach einigen fruchtlosen Unterhandlungen mit den Freunden des Verstorbenen wurde beschlossen, die Leiche nach Genua zu bringen. Es steht nun dahin, was die dortige Geistlichkeit thun wird.“

Deutschland.

Gestern Abend kam ein russischer Feldjäger in Biederstein an, wie verlautet, mit der Nachricht, daß Ihre Maj. die Kaiserin von Rußland und der Thronfolger Alexander schon am nächsten Dienstag auf ihrer Reise nach Ems in Frankfurt eintreffen werden. II. HH. der Erbgroßherzog und die Prinzessin Marie von Hessen haben darauf, ersterer heute am frühen Morgen, letztere Vormittags 11 Uhr die Rückreise nach Darmstadt angetreten. – Gestern kamen Briefe vom Herzog von Leuchtenberg hier an, datirt aus Stockholm vom 29 Mai. Se. kaiserl. Hoh. hatte nämlich von St. Petersburg aus mit dem Dampfboot einen Abstecher dahin gemacht, um einige Tage zum Besuch bei seiner erlauchten Schwester, der Kronprinzessin von Schweden, zu verweilen. In diesem Augenblick ist der Herzog wahrscheinlich schon wieder in St. Petersburg zurück. – Die Passionsvorstellungen in Oberammergau waren kaum jemals so besucht, wie in diesem Jahr, zur letzten Vorstellung wurden, wie man hört, mehr als 7000 Eintrittskarten ausgegeben; man rühmt die zweckmäßige Anordnung und das Geschick der Darsteller. – Gestern ist der k. bayerische Ministerresident bei den freien und Hanse-Städten, Freiherr v. Hormayr, hier eingetroffen.

Preußen.

Die Preußische Staatszeitung enthält folgenden Bericht: „Berlin, 9 Jun. Die schmerzliche Aufregung, die seit den vorgestrigen Nachmittagsstunden sich aller Gemüther bemächtigte, gibt jetzt erst die Fassung, um einen Bericht über die letzten Augenblicke des vielgeliebten, von dem ganzen Volk betrauerten Monarchen zu erstatten. Am Morgen des ersten Pfingstfeiertags, wo jede Hoffnung, das Leben Sr. Maj. erhalten zu sehen, bereits völlig verschwunden war, versammelten sich alle Mitglieder des königlichen Hauses im Palais zu einem besondern Familiengottesdienst, um Kraft und Stärke für den bevorstehenden schweren Moment von oben zu erflehen. Durch die tröstenden Worte der Religion gehoben und vorbereitet, verfügte sich die königliche Familie in das Nebenzimmer des königlichen Krankengemachs. Hier wurde Sr. Maj. dem jetzt regierenden König die tief erschütternde Botschaft überbracht, daß der gefürchtete traurigste Augenblick herannahe. Es begaben sich nunmehr die sämmtlichen Mitglieder des königlichen Hauses in das Krankenzimmer, mit ihnen Se. Maj. der Kaiser von Rußland, und blieben von hier ab um das Bett des scheidenden Monarchen versammelt. So in der Mitte der Seinigen, die eine Hand seinem königlichen Nachfolger reichend, die andere gehalten von Ihrer Durchl. der Fürstin von Liegnitz, hauchte er, der beste und väterlichste der Könige, seinen edlen Geist aus, so ruhig und sanft, daß es erst eines Zeichens der anwesenden Leibärzte bedurfte, um den Umstehenden zu verkünden, daß ihr königlicher Vater bereits einer besseren Welt angehöre. Se. Maj. der jetzt regierende König drückten darauf dem geliebten Vater die Augen zu. Getroffen von dem ganzen Gewicht dieses unersetzlichen Verlustes, sanken alle Anwesenden

*) Der Cardinal Cheverus war ein Engel an Duldsamkeit, Hingebung und Wohlthun, eine glänzende Zierde der gallicanischen Kirche. Seine ganze Habe opferte er zur Linderung menschlicher Leiden. Cardinal und Erzbischof der zweiten Stadt des Reichs sah man ihn immer und überall zu Fuß, überall Thränen trocknend, überall Trost und Hülfe spendend.
Anm. d. Corresp.
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[1323/0003] den Zolltarif in Hinsicht derjenigen englischen Einfuhrgegenstände zu ermäßigen, von denen in den Unterhandlungen zunächst die Rede ist. Da hiernach das Cabinet keinen Widerspruch der Kammer gegen einen solchen Entwurf zu fürchten hat, so wird derselbe wohl sicher vorgelegt werden. – Laut den letzten hier angekommenen Nachrichten aus Neapel wird der König in allen Punkten die Forderung Englands zugestehen, ohne daß es eines Ausspruchs des Hrn. Thiers bedürfte. – Eben lese ich den in Ihrem Blatte vom 5 d. veröffentlichten Brief aus Lyon vom 30 Mai. Ich kann aus eigener Erfahrung dessen Inhalt bestätigen, und füge hinzu, daß Hr. Cousin in diesen Tagen einen Hrn. L........ nach Deutschland expedirt, um die dortigen Rechtsfacultäten zu exploitiren. _ Lyon, 6 Jun. Odilon-Barrot ist einige Tage wegen eines Handelsprocesses in unserer Stadt gewesen. Derselbe Mann, welcher früher durch ein großes Bankett gefeiert wurde, hat sich im Ganzen nur weniger Besuche zu erfreuen gehabt. Seine Rolle neben Thiers, obgleich sie sich mit dem Titel eines rechtlichen Mannes vertragen mag, ist doch sehr unpolitisch und beweist von seiner Unbedeutenheit. Die Napoleon'sche Partei wächst in unserer Stadt. Das Journal du Commerce, Organ dieser Partei, erscheint, statt dreimal wöchentlich, jetzt täglich. Es kämpft in eigenen Artikeln gegen die von St. Simon, Owen und Fourrier gepredigten Doctrinen. „Nach unserer Meinung, sagt es gestern, ist das Princip jeder socialen Reform in dem Respect für den Genius der Humanität zu suchen. Es findet nur in den Gränzen dessen, was möglich zu realisiren ist, seine Anwendung, d. h. in den Bedingungen der Ordnung und Gerechtigkeit.“ – Im Volke gehen wieder die alten Sagen von einer Wiederkehr des Kaisers, nicht als Herrschers noch Gesetzgebers, sondern als eines neuen Religionsgründers, um. Bewundern Sie nicht mit mir den Schwung der Mythe? _ Bordeaux, 7 Jun. Ein Gerücht grauenvoller Art durchläuft seit gestern unsere Stadt. Gebe der Himmel, daß es sich nicht erwahre! – Jedenfalls glaube ich es Ihnen nicht vorenthalten zu dürfen. Eliçabide hatte schon vorlängst erklärt, daß er wichtige Bekenntnisse ablegen werde, falls sein Proceß zu Bordeaux fortgeführt würde, er dagegen zu hartnäckigem Schweigen entschlossen sey, wenn man darauf bestehen sollte, ihn nach Paris zu überführen. Seitdem hat man sich für Bordeaux entschieden und die einbalsamirte Leiche des Knaben Anizat ist bereits vor drei Tagen hier angelangt. Da soll nun Eliçabide, sein Versprechen erfüllend und sich fortwährend als willenloses Opfer eines furchtbaren Geschicks und einer innern satanischen Macht, die ihn unaufhaltbar zu dem Schrecklichsten forttreibe, darstellend, mehrere neue Ermordungen, denen von La Villette und Artigues ähnlich, gestanden haben. So wäre z. B. einer seiner Freunde unter seinen Streichen gefallen, ohne daß je der geringste Verdacht ihn getroffen hätte; ja, die bei Anlaß des plötzlichen Todes des Erzbischofs von Bordeaux, Cardinals Cheverus, der vor etwa zwei Jahren in der Blüthe seines Alters und seiner Gesundheit seiner Heerde entrissen wurde, *) gewalteten unbestimmten Zweifel möglicher Vergiftung würden nun zur schrecklichsten Gewißheit – denn Eliçabide hätte sich auch dieser Gräuelthat schuldig erklärt! – Noch einmal, möchte ich meine Nachricht widerrufen müssen! Italien. Französische Blätter schreiben: „Paganini hat ein Alter von 58 Jahren erreicht. Da er sich weigerte, die Tröstungen der Religion nachzusuchen (nach einigen, weil er den Tod nicht so nahe glaubte), versagte ihm der Bischof von Nizza ein Begräbniß nach katholischem Ritus; nach einigen fruchtlosen Unterhandlungen mit den Freunden des Verstorbenen wurde beschlossen, die Leiche nach Genua zu bringen. Es steht nun dahin, was die dortige Geistlichkeit thun wird.“ Deutschland. _ München, 12 Jun. Gestern Abend kam ein russischer Feldjäger in Biederstein an, wie verlautet, mit der Nachricht, daß Ihre Maj. die Kaiserin von Rußland und der Thronfolger Alexander schon am nächsten Dienstag auf ihrer Reise nach Ems in Frankfurt eintreffen werden. II. HH. der Erbgroßherzog und die Prinzessin Marie von Hessen haben darauf, ersterer heute am frühen Morgen, letztere Vormittags 11 Uhr die Rückreise nach Darmstadt angetreten. – Gestern kamen Briefe vom Herzog von Leuchtenberg hier an, datirt aus Stockholm vom 29 Mai. Se. kaiserl. Hoh. hatte nämlich von St. Petersburg aus mit dem Dampfboot einen Abstecher dahin gemacht, um einige Tage zum Besuch bei seiner erlauchten Schwester, der Kronprinzessin von Schweden, zu verweilen. In diesem Augenblick ist der Herzog wahrscheinlich schon wieder in St. Petersburg zurück. – Die Passionsvorstellungen in Oberammergau waren kaum jemals so besucht, wie in diesem Jahr, zur letzten Vorstellung wurden, wie man hört, mehr als 7000 Eintrittskarten ausgegeben; man rühmt die zweckmäßige Anordnung und das Geschick der Darsteller. – Gestern ist der k. bayerische Ministerresident bei den freien und Hanse-Städten, Freiherr v. Hormayr, hier eingetroffen. Preußen. Die Preußische Staatszeitung enthält folgenden Bericht: „Berlin, 9 Jun. Die schmerzliche Aufregung, die seit den vorgestrigen Nachmittagsstunden sich aller Gemüther bemächtigte, gibt jetzt erst die Fassung, um einen Bericht über die letzten Augenblicke des vielgeliebten, von dem ganzen Volk betrauerten Monarchen zu erstatten. Am Morgen des ersten Pfingstfeiertags, wo jede Hoffnung, das Leben Sr. Maj. erhalten zu sehen, bereits völlig verschwunden war, versammelten sich alle Mitglieder des königlichen Hauses im Palais zu einem besondern Familiengottesdienst, um Kraft und Stärke für den bevorstehenden schweren Moment von oben zu erflehen. Durch die tröstenden Worte der Religion gehoben und vorbereitet, verfügte sich die königliche Familie in das Nebenzimmer des königlichen Krankengemachs. Hier wurde Sr. Maj. dem jetzt regierenden König die tief erschütternde Botschaft überbracht, daß der gefürchtete traurigste Augenblick herannahe. Es begaben sich nunmehr die sämmtlichen Mitglieder des königlichen Hauses in das Krankenzimmer, mit ihnen Se. Maj. der Kaiser von Rußland, und blieben von hier ab um das Bett des scheidenden Monarchen versammelt. So in der Mitte der Seinigen, die eine Hand seinem königlichen Nachfolger reichend, die andere gehalten von Ihrer Durchl. der Fürstin von Liegnitz, hauchte er, der beste und väterlichste der Könige, seinen edlen Geist aus, so ruhig und sanft, daß es erst eines Zeichens der anwesenden Leibärzte bedurfte, um den Umstehenden zu verkünden, daß ihr königlicher Vater bereits einer besseren Welt angehöre. Se. Maj. der jetzt regierende König drückten darauf dem geliebten Vater die Augen zu. Getroffen von dem ganzen Gewicht dieses unersetzlichen Verlustes, sanken alle Anwesenden *) Der Cardinal Cheverus war ein Engel an Duldsamkeit, Hingebung und Wohlthun, eine glänzende Zierde der gallicanischen Kirche. Seine ganze Habe opferte er zur Linderung menschlicher Leiden. Cardinal und Erzbischof der zweiten Stadt des Reichs sah man ihn immer und überall zu Fuß, überall Thränen trocknend, überall Trost und Hülfe spendend. Anm. d. Corresp.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 166. Augsburg, 14. Juni 1840, S. 1323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_166_18400614/3>, abgerufen am 21.11.2024.