Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 180. Augsburg, 28. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
St. Helena und Napoleons Grab.

Aus der (noch ungedruckten) Reise von München nach China, von Professor Dr. Neumann.

Am 15 März des Jahrs 1831 waren wir mit einem leichten Winde der Südspitze Afrika's vorübergesegelt, und nach einer ermüdenden Fahrt von vierzehn Tagen erblickten wir ferne am Horizonte die kahlen, ins Röthliche spielenden Scheitel der Felseninsel St. Helena. Möchten doch die Geologen, welche auch jetzt noch der veralteten neptunischen Ansicht huldigen, nach St. Helena wallfahren; sie würden sicherlich von ihrem Irrthume geheilt zurückkehren. Die Insel, welche einen Umfang von ungefähr fünf deutschen Meilen haben mag, bietet vornehmlich den von Osten Heransegelnden einen höchst unerquicklichen düstern Anblick: spitzige Basaltklippen mit röthlich gelben Bergschluchten. Noch erkennt man die Spuren der furchtbaren vulcanischen Erschütterungen, welchen das Eiland sein Daseyn verdankt, von dem höchsten Felsen bis hinab zu den unterirdischen Höhlen, in welche mit betäubendem Geräusch die schäumende Brandung sich stürzt. Heutigen Tags findet man aber daselbst weder Vulcane noch Kennzeichen derselben, wie Krater und Lavaströme, deren die benachbarten Inseln Ascension und Tristan da Cunha mehrere aufzuweisen haben. Der vorzüglichste Berg in der Mitte der Insel, welcher den Reisenden von weiter Ferne sein gelblich rothes Haupt entgegenstreckt, erhebt sich kaum zu 2200 Fuß über den Meeresspiegel, er wird von den Engländern der Gipfel der Diana genannt. Nahe daran steigt, nicht ganz zu derselben Höhe, ein anderer spitziger Felsen empor, gemeinhin bloß die hohe Kuppe geheißen. Nach bedeutenden Hochebenen sieht man sich hier vergebens um. Zwischen den Felsen und Klippen ziehen sich aber tiefe Schluchten und schmale Thäler hin, welche, das ganze Jahr hindurch von den wilden Berggewässern durchnäßt, das Auge mit einem frischen lebendigen Grün erquicken. Ein kleines Tafelland, drei solche Thäler und einige der niedrigern Hügel, auf welchen die von den Passatwinden dahingetriebenen Wolken in leichten Regenschauern sich herablassen, bilden die einzigen, fruchtbaren, des Anbaues fähigen Räume dieses, in weiter Ferne von den nährenden Länderstrichen in den einsamen Ocean hinausgeschleuderten Eilandes. Vergebens hat man eine Anzahl Chinesen kommen lassen, unter deren unermüdlichen Händen die Inseln des östlichen Archipelagus, Bali, Borneo und Singapura emporblühen; auch dem beharrlichsten erfindungsreichsten Fleiße der Bewohner der Mitte war es unmöglich, das kahle abschüssige Gestein mit Erde zu bekleiden.

An dem Nordrande der Insel steigt senkrecht aus dem Meere ein Berg empor, pyramidenweise gestaltet, gemeinhin der Zuckerhut genannt, auf welchem ein Wachtposten angebracht wurde. Am Fuße dieses Berges befinden sich, unfern von einander, drei Batterien; südwestlich von ihnen ist die mit schwerem Geschütze versehene Rupperts-Batterie in dem gleichnamigen Thale, welches durch einen Hügelrücken von dem Capell- oder James-Thale getrennt wird, worin die heitere Jamesstadt erbaut wurde - die einzige der Insel. Auf diesem Hügelrücken ward ein Fort erbaut und mit mehreren Kanonen versehen, welche die eine Seite des James-Thales beherrschen. Gen Südwest erhebt sich, in senkrechter Richtung, zu einer Höhe von 800 Fuß ein Berg empor, von den daran angebrachten Leitern der Leiterhügel genannt, mit einer Batterie von schwerem Geschütze, welche die andere Seite, den südwestlichen Eingang zum Thale und den Ankerplatz beherrscht. Es befindet sich überdieß ganz nahe an der See am Thore des Thales eine starkbefestigte mit Kanonen versehene Schanze. An allen andern Punkten, wo nur immer ein Boot zu landen vermag, sind Castelle, Batterien und Kanonen angebracht und auf den Spitzen der zahlreichen Hügel und Höhen Wachen aufgestellt, welche vermittelst Telegraphen unter sich wie mit dem Schlosse, worin der Gouverneur der Insel residirt, sich verständigen. Erblickt irgend ein Posten ein Schiff am Horizonte, so feuert er augenblicklich seine Flinte ab; dasselbe thun dann alle Wachen ringsum auf der Insel bis hin zum Schlosse. Dieß nennt man einen Alarm. Erscheinen mehrere Schiffe zu gleicher Zeit, so wird für jedes ein eigener Schuß abgefeuert und so bis zu fünf; alsdann wird aber das für eine Flotte bestimmte Signal gemacht. Steuern mehr denn zwei Schiffe zu gleicher Zeit auf die Insel, so wird ein allgemeiner Alarm geschlagen. Jeder ergreift die Waffen und nimmt den ihm angewiesenen Posten ein, bis der Gouverneur durch ausgesandte Boote erfahren hat, welcher Nation die Schiffe angehören und was sie wollen. Mit solcher Sorgfalt wird dieses kahle, aber unschätzbare Eiland mitten im Ocean bewacht. St. Helena und das Cap sind ja die einzigen Punkte zwischen dem alten und dem neuen Continente, wo im Fall eines Weltkrieges große Flotten vor Anker liegen und mit allen Bedürfnissen sich versehen können. Ward doch selbst das traurige, von hagern Ziegen, von Ratten und Mäusen bewohnte kleine Felseiland Ascension, auf welchem man sich erst vermittelst artesischer Brunnen trinkbares Wasser verschaffen mußte, vor einigen Jahren durch Großbritannien in Besitz genommen, aus Furcht, es möchten sich hier die Amerikaner oder andere Völker einen Waffenplatz errichten.

Als wir der Batterie beim Zuckerhut gegenüber kamen, ward uns durch ein gewaltiges Sprachrohr befohlen, beizulegen und zu erklären, wer wir wären und woher wir kämen. "Das Compagnieschiff Sir David Scott, von Capitän Ward commandirt, von China kommend," brummte durch ein ähnliches Sprachungeheuer der erste Schiffsofficier, Hr. Moor, dem Fragenden entgegen. "Seyd ihr frei von jeder ansteckenden Krankheit?" Als auch diese Frage mit einem betäubenden "Gesund" beantwortet war, ward uns gestattet, ein Boot nach der Jamesstadt zu senden, um dem Befehlshaber die nothwendigen Papiere vorzulegen; dann erst, wenn wir von ihm die Erlaubniß zu landen erhalten hätten, dann würde uns gestattet seyn, weiter landeinwärts zu segeln.

Wir waren natürlich alle sehr gespannt auf Nachrichten aus Europa. Wir wurden in Canton durch eine mexicanische Brigg von dem Ausbruche der Juliusrevolution unterrichtet; aber wir wußten bloß die Begebenheiten des ersten der drei Tage. Die mexicanische Regierungszeitung versprach die Fortsetzung am folgenden Tage zu liefern. Siehe, da erhob sich des Abends ein günstiger Wind: Capitän Sampago ließ die Segel aufziehen und fuhr von dannen. Der Mann betreibt sein Gewerbe und ihn kümmert es natürlich wenig, ob das Haus Orleans oder die Bourbone in Frankreich regieren, ob die Souveränetät dem Volk oder dem Monarchen zuerkannt werde. Mit banger Sehnsucht sahen wir deßhalb der Rückkehr unseres Bootes entgegen; denn wir mußten ja befürchten, daß in Folge der französischen Umwälzung die Kriegsfackel von neuem über die Welt geschwungen würde, wo wir dann Gefahr liefen, den gesetzlichen Piraten, gemeinhin Caper genannt, in den Rachen

St. Helena und Napoleons Grab.

Aus der (noch ungedruckten) Reise von München nach China, von Professor Dr. Neumann.

Am 15 März des Jahrs 1831 waren wir mit einem leichten Winde der Südspitze Afrika's vorübergesegelt, und nach einer ermüdenden Fahrt von vierzehn Tagen erblickten wir ferne am Horizonte die kahlen, ins Röthliche spielenden Scheitel der Felseninsel St. Helena. Möchten doch die Geologen, welche auch jetzt noch der veralteten neptunischen Ansicht huldigen, nach St. Helena wallfahren; sie würden sicherlich von ihrem Irrthume geheilt zurückkehren. Die Insel, welche einen Umfang von ungefähr fünf deutschen Meilen haben mag, bietet vornehmlich den von Osten Heransegelnden einen höchst unerquicklichen düstern Anblick: spitzige Basaltklippen mit röthlich gelben Bergschluchten. Noch erkennt man die Spuren der furchtbaren vulcanischen Erschütterungen, welchen das Eiland sein Daseyn verdankt, von dem höchsten Felsen bis hinab zu den unterirdischen Höhlen, in welche mit betäubendem Geräusch die schäumende Brandung sich stürzt. Heutigen Tags findet man aber daselbst weder Vulcane noch Kennzeichen derselben, wie Krater und Lavaströme, deren die benachbarten Inseln Ascension und Tristan da Cunha mehrere aufzuweisen haben. Der vorzüglichste Berg in der Mitte der Insel, welcher den Reisenden von weiter Ferne sein gelblich rothes Haupt entgegenstreckt, erhebt sich kaum zu 2200 Fuß über den Meeresspiegel, er wird von den Engländern der Gipfel der Diana genannt. Nahe daran steigt, nicht ganz zu derselben Höhe, ein anderer spitziger Felsen empor, gemeinhin bloß die hohe Kuppe geheißen. Nach bedeutenden Hochebenen sieht man sich hier vergebens um. Zwischen den Felsen und Klippen ziehen sich aber tiefe Schluchten und schmale Thäler hin, welche, das ganze Jahr hindurch von den wilden Berggewässern durchnäßt, das Auge mit einem frischen lebendigen Grün erquicken. Ein kleines Tafelland, drei solche Thäler und einige der niedrigern Hügel, auf welchen die von den Passatwinden dahingetriebenen Wolken in leichten Regenschauern sich herablassen, bilden die einzigen, fruchtbaren, des Anbaues fähigen Räume dieses, in weiter Ferne von den nährenden Länderstrichen in den einsamen Ocean hinausgeschleuderten Eilandes. Vergebens hat man eine Anzahl Chinesen kommen lassen, unter deren unermüdlichen Händen die Inseln des östlichen Archipelagus, Bali, Borneo und Singapura emporblühen; auch dem beharrlichsten erfindungsreichsten Fleiße der Bewohner der Mitte war es unmöglich, das kahle abschüssige Gestein mit Erde zu bekleiden.

An dem Nordrande der Insel steigt senkrecht aus dem Meere ein Berg empor, pyramidenweise gestaltet, gemeinhin der Zuckerhut genannt, auf welchem ein Wachtposten angebracht wurde. Am Fuße dieses Berges befinden sich, unfern von einander, drei Batterien; südwestlich von ihnen ist die mit schwerem Geschütze versehene Rupperts-Batterie in dem gleichnamigen Thale, welches durch einen Hügelrücken von dem Capell- oder James-Thale getrennt wird, worin die heitere Jamesstadt erbaut wurde – die einzige der Insel. Auf diesem Hügelrücken ward ein Fort erbaut und mit mehreren Kanonen versehen, welche die eine Seite des James-Thales beherrschen. Gen Südwest erhebt sich, in senkrechter Richtung, zu einer Höhe von 800 Fuß ein Berg empor, von den daran angebrachten Leitern der Leiterhügel genannt, mit einer Batterie von schwerem Geschütze, welche die andere Seite, den südwestlichen Eingang zum Thale und den Ankerplatz beherrscht. Es befindet sich überdieß ganz nahe an der See am Thore des Thales eine starkbefestigte mit Kanonen versehene Schanze. An allen andern Punkten, wo nur immer ein Boot zu landen vermag, sind Castelle, Batterien und Kanonen angebracht und auf den Spitzen der zahlreichen Hügel und Höhen Wachen aufgestellt, welche vermittelst Telegraphen unter sich wie mit dem Schlosse, worin der Gouverneur der Insel residirt, sich verständigen. Erblickt irgend ein Posten ein Schiff am Horizonte, so feuert er augenblicklich seine Flinte ab; dasselbe thun dann alle Wachen ringsum auf der Insel bis hin zum Schlosse. Dieß nennt man einen Alarm. Erscheinen mehrere Schiffe zu gleicher Zeit, so wird für jedes ein eigener Schuß abgefeuert und so bis zu fünf; alsdann wird aber das für eine Flotte bestimmte Signal gemacht. Steuern mehr denn zwei Schiffe zu gleicher Zeit auf die Insel, so wird ein allgemeiner Alarm geschlagen. Jeder ergreift die Waffen und nimmt den ihm angewiesenen Posten ein, bis der Gouverneur durch ausgesandte Boote erfahren hat, welcher Nation die Schiffe angehören und was sie wollen. Mit solcher Sorgfalt wird dieses kahle, aber unschätzbare Eiland mitten im Ocean bewacht. St. Helena und das Cap sind ja die einzigen Punkte zwischen dem alten und dem neuen Continente, wo im Fall eines Weltkrieges große Flotten vor Anker liegen und mit allen Bedürfnissen sich versehen können. Ward doch selbst das traurige, von hagern Ziegen, von Ratten und Mäusen bewohnte kleine Felseiland Ascension, auf welchem man sich erst vermittelst artesischer Brunnen trinkbares Wasser verschaffen mußte, vor einigen Jahren durch Großbritannien in Besitz genommen, aus Furcht, es möchten sich hier die Amerikaner oder andere Völker einen Waffenplatz errichten.

Als wir der Batterie beim Zuckerhut gegenüber kamen, ward uns durch ein gewaltiges Sprachrohr befohlen, beizulegen und zu erklären, wer wir wären und woher wir kämen. „Das Compagnieschiff Sir David Scott, von Capitän Ward commandirt, von China kommend,“ brummte durch ein ähnliches Sprachungeheuer der erste Schiffsofficier, Hr. Moor, dem Fragenden entgegen. „Seyd ihr frei von jeder ansteckenden Krankheit?“ Als auch diese Frage mit einem betäubenden „Gesund“ beantwortet war, ward uns gestattet, ein Boot nach der Jamesstadt zu senden, um dem Befehlshaber die nothwendigen Papiere vorzulegen; dann erst, wenn wir von ihm die Erlaubniß zu landen erhalten hätten, dann würde uns gestattet seyn, weiter landeinwärts zu segeln.

Wir waren natürlich alle sehr gespannt auf Nachrichten aus Europa. Wir wurden in Canton durch eine mexicanische Brigg von dem Ausbruche der Juliusrevolution unterrichtet; aber wir wußten bloß die Begebenheiten des ersten der drei Tage. Die mexicanische Regierungszeitung versprach die Fortsetzung am folgenden Tage zu liefern. Siehe, da erhob sich des Abends ein günstiger Wind: Capitän Sampago ließ die Segel aufziehen und fuhr von dannen. Der Mann betreibt sein Gewerbe und ihn kümmert es natürlich wenig, ob das Haus Orleans oder die Bourbone in Frankreich regieren, ob die Souveränetät dem Volk oder dem Monarchen zuerkannt werde. Mit banger Sehnsucht sahen wir deßhalb der Rückkehr unseres Bootes entgegen; denn wir mußten ja befürchten, daß in Folge der französischen Umwälzung die Kriegsfackel von neuem über die Welt geschwungen würde, wo wir dann Gefahr liefen, den gesetzlichen Piraten, gemeinhin Caper genannt, in den Rachen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0009" n="1425"/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">St</hi>. <hi rendition="#g">Helena und Napoleons Grab</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Aus der (noch ungedruckten) Reise von München nach China, von Professor Dr. <hi rendition="#g">Neumann</hi>.</p><lb/>
        <p>Am 15 März des Jahrs 1831 waren wir mit einem leichten Winde der Südspitze Afrika's vorübergesegelt, und nach einer ermüdenden Fahrt von vierzehn Tagen erblickten wir ferne am Horizonte die kahlen, ins Röthliche spielenden Scheitel der Felseninsel St. Helena. Möchten doch die Geologen, welche auch jetzt noch der veralteten neptunischen Ansicht huldigen, nach St. Helena wallfahren; sie würden sicherlich von ihrem Irrthume geheilt zurückkehren. Die Insel, welche einen Umfang von ungefähr fünf deutschen Meilen haben mag, bietet vornehmlich den von Osten Heransegelnden einen höchst unerquicklichen düstern Anblick: spitzige Basaltklippen mit röthlich gelben Bergschluchten. Noch erkennt man die Spuren der furchtbaren vulcanischen Erschütterungen, welchen das Eiland sein Daseyn verdankt, von dem höchsten Felsen bis hinab zu den unterirdischen Höhlen, in welche mit betäubendem Geräusch die schäumende Brandung sich stürzt. Heutigen Tags findet man aber daselbst weder Vulcane noch Kennzeichen derselben, wie Krater und Lavaströme, deren die benachbarten Inseln Ascension und Tristan da Cunha mehrere aufzuweisen haben. Der vorzüglichste Berg in der Mitte der Insel, welcher den Reisenden von weiter Ferne sein gelblich rothes Haupt entgegenstreckt, erhebt sich kaum zu 2200 Fuß über den Meeresspiegel, er wird von den Engländern <hi rendition="#g">der Gipfel der Diana</hi> genannt. Nahe daran steigt, nicht ganz zu derselben Höhe, ein anderer spitziger Felsen empor, gemeinhin bloß die hohe Kuppe geheißen. Nach bedeutenden Hochebenen sieht man sich hier vergebens um. Zwischen den Felsen und Klippen ziehen sich aber tiefe Schluchten und schmale Thäler hin, welche, das ganze Jahr hindurch von den wilden Berggewässern durchnäßt, das Auge mit einem frischen lebendigen Grün erquicken. Ein kleines Tafelland, drei solche Thäler und einige der niedrigern Hügel, auf welchen die von den Passatwinden dahingetriebenen Wolken in leichten Regenschauern sich herablassen, bilden die einzigen, fruchtbaren, des Anbaues fähigen Räume dieses, in weiter Ferne von den nährenden Länderstrichen in den einsamen Ocean hinausgeschleuderten Eilandes. Vergebens hat man eine Anzahl Chinesen kommen lassen, unter deren unermüdlichen Händen die Inseln des östlichen Archipelagus, Bali, Borneo und Singapura emporblühen; auch dem beharrlichsten erfindungsreichsten Fleiße der Bewohner der Mitte war es unmöglich, das kahle abschüssige Gestein mit Erde zu bekleiden.</p><lb/>
        <p>An dem Nordrande der Insel steigt senkrecht aus dem Meere ein Berg empor, pyramidenweise gestaltet, gemeinhin der <hi rendition="#g">Zuckerhut</hi> genannt, auf welchem ein Wachtposten angebracht wurde. Am Fuße dieses Berges befinden sich, unfern von einander, drei Batterien; südwestlich von ihnen ist die mit schwerem Geschütze versehene Rupperts-Batterie in dem gleichnamigen Thale, welches durch einen Hügelrücken von dem Capell- oder James-Thale getrennt wird, worin die heitere Jamesstadt erbaut wurde &#x2013; die einzige der Insel. Auf diesem Hügelrücken ward ein Fort erbaut und mit mehreren Kanonen versehen, welche die eine Seite des James-Thales beherrschen. Gen Südwest erhebt sich, in senkrechter Richtung, zu einer Höhe von 800 Fuß ein Berg empor, von den daran angebrachten Leitern der <hi rendition="#g">Leiterhügel</hi> genannt, mit einer Batterie von schwerem Geschütze, welche die andere Seite, den südwestlichen Eingang zum Thale und den Ankerplatz beherrscht. Es befindet sich überdieß ganz nahe an der See am Thore des Thales eine starkbefestigte mit Kanonen versehene Schanze. An allen andern Punkten, wo nur immer ein Boot zu landen vermag, sind Castelle, Batterien und Kanonen angebracht und auf den Spitzen der zahlreichen Hügel und Höhen Wachen aufgestellt, welche vermittelst Telegraphen unter sich wie mit dem Schlosse, worin der Gouverneur der Insel residirt, sich verständigen. Erblickt irgend ein Posten ein Schiff am Horizonte, so feuert er augenblicklich seine Flinte ab; dasselbe thun dann alle Wachen ringsum auf der Insel bis hin zum Schlosse. Dieß nennt man einen <hi rendition="#g">Alarm</hi>. Erscheinen mehrere Schiffe zu gleicher Zeit, so wird für jedes ein eigener Schuß abgefeuert und so bis zu fünf; alsdann wird aber das für eine Flotte bestimmte Signal gemacht. Steuern mehr denn zwei Schiffe zu gleicher Zeit auf die Insel, so wird ein <hi rendition="#g">allgemeiner Alarm</hi> geschlagen. Jeder ergreift die Waffen und nimmt den ihm angewiesenen Posten ein, bis der Gouverneur durch ausgesandte Boote erfahren hat, welcher Nation die Schiffe angehören und was sie wollen. Mit solcher Sorgfalt wird dieses kahle, aber unschätzbare Eiland mitten im Ocean bewacht. St. Helena und das Cap sind ja die einzigen Punkte zwischen dem alten und dem neuen Continente, wo im Fall eines Weltkrieges große Flotten vor Anker liegen und mit allen Bedürfnissen sich versehen können. Ward doch selbst das traurige, von hagern Ziegen, von Ratten und Mäusen bewohnte kleine Felseiland Ascension, auf welchem man sich erst vermittelst artesischer Brunnen trinkbares Wasser verschaffen mußte, vor einigen Jahren durch Großbritannien in Besitz genommen, aus Furcht, es möchten sich hier die Amerikaner oder andere Völker einen Waffenplatz errichten.</p><lb/>
        <p>Als wir der Batterie beim Zuckerhut gegenüber kamen, ward uns durch ein gewaltiges Sprachrohr befohlen, beizulegen und zu erklären, wer wir wären und woher wir kämen. &#x201E;Das Compagnieschiff Sir David Scott, von Capitän Ward commandirt, von China kommend,&#x201C; brummte durch ein ähnliches Sprachungeheuer der erste Schiffsofficier, Hr. Moor, dem Fragenden entgegen. &#x201E;Seyd ihr frei von jeder ansteckenden Krankheit?&#x201C; Als auch diese Frage mit einem betäubenden &#x201E;Gesund&#x201C; beantwortet war, ward uns gestattet, ein Boot nach der Jamesstadt zu senden, um dem Befehlshaber die nothwendigen Papiere vorzulegen; dann erst, wenn wir von ihm die Erlaubniß zu landen erhalten hätten, dann würde uns gestattet seyn, weiter landeinwärts zu segeln.</p><lb/>
        <p>Wir waren natürlich alle sehr gespannt auf Nachrichten aus Europa. Wir wurden in Canton durch eine mexicanische Brigg von dem Ausbruche der Juliusrevolution unterrichtet; aber wir wußten bloß die Begebenheiten des ersten der drei Tage. Die mexicanische Regierungszeitung versprach die Fortsetzung am folgenden Tage zu liefern. Siehe, da erhob sich des Abends ein günstiger Wind: Capitän Sampago ließ die Segel aufziehen und fuhr von dannen. Der Mann betreibt sein Gewerbe und ihn kümmert es natürlich wenig, ob das Haus Orleans oder die Bourbone in Frankreich regieren, ob die Souveränetät dem Volk oder dem Monarchen zuerkannt werde. Mit banger Sehnsucht sahen wir deßhalb der Rückkehr unseres Bootes entgegen; denn wir mußten ja befürchten, daß in Folge der französischen Umwälzung die Kriegsfackel von neuem über die Welt geschwungen würde, wo wir dann Gefahr liefen, den gesetzlichen Piraten, gemeinhin Caper genannt, in den Rachen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1425/0009] St. Helena und Napoleons Grab. Aus der (noch ungedruckten) Reise von München nach China, von Professor Dr. Neumann. Am 15 März des Jahrs 1831 waren wir mit einem leichten Winde der Südspitze Afrika's vorübergesegelt, und nach einer ermüdenden Fahrt von vierzehn Tagen erblickten wir ferne am Horizonte die kahlen, ins Röthliche spielenden Scheitel der Felseninsel St. Helena. Möchten doch die Geologen, welche auch jetzt noch der veralteten neptunischen Ansicht huldigen, nach St. Helena wallfahren; sie würden sicherlich von ihrem Irrthume geheilt zurückkehren. Die Insel, welche einen Umfang von ungefähr fünf deutschen Meilen haben mag, bietet vornehmlich den von Osten Heransegelnden einen höchst unerquicklichen düstern Anblick: spitzige Basaltklippen mit röthlich gelben Bergschluchten. Noch erkennt man die Spuren der furchtbaren vulcanischen Erschütterungen, welchen das Eiland sein Daseyn verdankt, von dem höchsten Felsen bis hinab zu den unterirdischen Höhlen, in welche mit betäubendem Geräusch die schäumende Brandung sich stürzt. Heutigen Tags findet man aber daselbst weder Vulcane noch Kennzeichen derselben, wie Krater und Lavaströme, deren die benachbarten Inseln Ascension und Tristan da Cunha mehrere aufzuweisen haben. Der vorzüglichste Berg in der Mitte der Insel, welcher den Reisenden von weiter Ferne sein gelblich rothes Haupt entgegenstreckt, erhebt sich kaum zu 2200 Fuß über den Meeresspiegel, er wird von den Engländern der Gipfel der Diana genannt. Nahe daran steigt, nicht ganz zu derselben Höhe, ein anderer spitziger Felsen empor, gemeinhin bloß die hohe Kuppe geheißen. Nach bedeutenden Hochebenen sieht man sich hier vergebens um. Zwischen den Felsen und Klippen ziehen sich aber tiefe Schluchten und schmale Thäler hin, welche, das ganze Jahr hindurch von den wilden Berggewässern durchnäßt, das Auge mit einem frischen lebendigen Grün erquicken. Ein kleines Tafelland, drei solche Thäler und einige der niedrigern Hügel, auf welchen die von den Passatwinden dahingetriebenen Wolken in leichten Regenschauern sich herablassen, bilden die einzigen, fruchtbaren, des Anbaues fähigen Räume dieses, in weiter Ferne von den nährenden Länderstrichen in den einsamen Ocean hinausgeschleuderten Eilandes. Vergebens hat man eine Anzahl Chinesen kommen lassen, unter deren unermüdlichen Händen die Inseln des östlichen Archipelagus, Bali, Borneo und Singapura emporblühen; auch dem beharrlichsten erfindungsreichsten Fleiße der Bewohner der Mitte war es unmöglich, das kahle abschüssige Gestein mit Erde zu bekleiden. An dem Nordrande der Insel steigt senkrecht aus dem Meere ein Berg empor, pyramidenweise gestaltet, gemeinhin der Zuckerhut genannt, auf welchem ein Wachtposten angebracht wurde. Am Fuße dieses Berges befinden sich, unfern von einander, drei Batterien; südwestlich von ihnen ist die mit schwerem Geschütze versehene Rupperts-Batterie in dem gleichnamigen Thale, welches durch einen Hügelrücken von dem Capell- oder James-Thale getrennt wird, worin die heitere Jamesstadt erbaut wurde – die einzige der Insel. Auf diesem Hügelrücken ward ein Fort erbaut und mit mehreren Kanonen versehen, welche die eine Seite des James-Thales beherrschen. Gen Südwest erhebt sich, in senkrechter Richtung, zu einer Höhe von 800 Fuß ein Berg empor, von den daran angebrachten Leitern der Leiterhügel genannt, mit einer Batterie von schwerem Geschütze, welche die andere Seite, den südwestlichen Eingang zum Thale und den Ankerplatz beherrscht. Es befindet sich überdieß ganz nahe an der See am Thore des Thales eine starkbefestigte mit Kanonen versehene Schanze. An allen andern Punkten, wo nur immer ein Boot zu landen vermag, sind Castelle, Batterien und Kanonen angebracht und auf den Spitzen der zahlreichen Hügel und Höhen Wachen aufgestellt, welche vermittelst Telegraphen unter sich wie mit dem Schlosse, worin der Gouverneur der Insel residirt, sich verständigen. Erblickt irgend ein Posten ein Schiff am Horizonte, so feuert er augenblicklich seine Flinte ab; dasselbe thun dann alle Wachen ringsum auf der Insel bis hin zum Schlosse. Dieß nennt man einen Alarm. Erscheinen mehrere Schiffe zu gleicher Zeit, so wird für jedes ein eigener Schuß abgefeuert und so bis zu fünf; alsdann wird aber das für eine Flotte bestimmte Signal gemacht. Steuern mehr denn zwei Schiffe zu gleicher Zeit auf die Insel, so wird ein allgemeiner Alarm geschlagen. Jeder ergreift die Waffen und nimmt den ihm angewiesenen Posten ein, bis der Gouverneur durch ausgesandte Boote erfahren hat, welcher Nation die Schiffe angehören und was sie wollen. Mit solcher Sorgfalt wird dieses kahle, aber unschätzbare Eiland mitten im Ocean bewacht. St. Helena und das Cap sind ja die einzigen Punkte zwischen dem alten und dem neuen Continente, wo im Fall eines Weltkrieges große Flotten vor Anker liegen und mit allen Bedürfnissen sich versehen können. Ward doch selbst das traurige, von hagern Ziegen, von Ratten und Mäusen bewohnte kleine Felseiland Ascension, auf welchem man sich erst vermittelst artesischer Brunnen trinkbares Wasser verschaffen mußte, vor einigen Jahren durch Großbritannien in Besitz genommen, aus Furcht, es möchten sich hier die Amerikaner oder andere Völker einen Waffenplatz errichten. Als wir der Batterie beim Zuckerhut gegenüber kamen, ward uns durch ein gewaltiges Sprachrohr befohlen, beizulegen und zu erklären, wer wir wären und woher wir kämen. „Das Compagnieschiff Sir David Scott, von Capitän Ward commandirt, von China kommend,“ brummte durch ein ähnliches Sprachungeheuer der erste Schiffsofficier, Hr. Moor, dem Fragenden entgegen. „Seyd ihr frei von jeder ansteckenden Krankheit?“ Als auch diese Frage mit einem betäubenden „Gesund“ beantwortet war, ward uns gestattet, ein Boot nach der Jamesstadt zu senden, um dem Befehlshaber die nothwendigen Papiere vorzulegen; dann erst, wenn wir von ihm die Erlaubniß zu landen erhalten hätten, dann würde uns gestattet seyn, weiter landeinwärts zu segeln. Wir waren natürlich alle sehr gespannt auf Nachrichten aus Europa. Wir wurden in Canton durch eine mexicanische Brigg von dem Ausbruche der Juliusrevolution unterrichtet; aber wir wußten bloß die Begebenheiten des ersten der drei Tage. Die mexicanische Regierungszeitung versprach die Fortsetzung am folgenden Tage zu liefern. Siehe, da erhob sich des Abends ein günstiger Wind: Capitän Sampago ließ die Segel aufziehen und fuhr von dannen. Der Mann betreibt sein Gewerbe und ihn kümmert es natürlich wenig, ob das Haus Orleans oder die Bourbone in Frankreich regieren, ob die Souveränetät dem Volk oder dem Monarchen zuerkannt werde. Mit banger Sehnsucht sahen wir deßhalb der Rückkehr unseres Bootes entgegen; denn wir mußten ja befürchten, daß in Folge der französischen Umwälzung die Kriegsfackel von neuem über die Welt geschwungen würde, wo wir dann Gefahr liefen, den gesetzlichen Piraten, gemeinhin Caper genannt, in den Rachen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 180. Augsburg, 28. Juni 1840, S. 1425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_180_18400628/9>, abgerufen am 04.05.2024.