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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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tigkeit und Willkürlichkeit, mit welcher man die Eigennamen
häufig bis zur Unkenntlichkeit ihres wahren Ursprungs behandelt
hat. Schon der oben angeführte Schottelius gibt lib. V, in einem
eigenen Tractat, eine ausführliche Erklärung der deutschen Eigen-
namen, die nicht minder überraschend als verdienstlich und werth-
voll ist. 1)

Somit erscheint es überhaupt geschichtlich wie besonders sprach-
geschichtlich gerechtfertigt, wenn man das Wort Gauner für eine
Verkürzung des Wortes Zigeuner nimmt.

Außer den angeführten Bezeichnungen hat die deutsche Sprache
keine andern, welche vollständig dem Begriff des Gauners ent-
sprechen, obschon es eine Menge Ausdrücke für herumstreichendes
bettlerisches und verbrecherisches Gesindel gibt, z. B. starke Bett-
ler (validi mendicantes, über welche schon der heilige Ambrosius,
"De off. minist.", lib. II, c. 16, bittere Klage führt und der wackere
Felix Hemmerlin in seinem trefflichen Schreiben, 1438, an Bi-
schof Heinrich von Konstanz eifert), Landtfahrer, Alchbrüder (von
[fremdsprachliches Material - fehlt], halach, gehen, umhergehen), gardende Knechte, Gardenbrü-
der, Gardeschwestern, Gardegänger (von Gvardie, Guardie, cu-
stodia
), Landsknechte, Schnalzer, Störger, Partirer, Schnapp-
hähne, Breger, Stabuler, Loßner, Klenckner, Dobisser, Kame-
sirer, Vagerer, Grantener, Dutzer, Schlepper, Zickissen, Schwan-
felder, Vopper, Dallinger, Dutzbetterinen, Sündfeger, Billträger,
Jungfrawen, Mumsen, Sontzen, Kandirer, Veraner, Christianer,
Seffer, Schweiger, Burckartbettler, Blatschirer u. s. w., über

1) Ebenso beachtenswerth ist lib. V, tract. 6, p. 1269 -- 1450, von den
"Stammwörtern der Teutschen Sprache". Abgeschmackt ist die Ableitung,
welche Ahasv. Fritsch in seiner "Diatribe Historico-Politica de Zygenorum
origine vita et moribus
" (Jena 1660), membr. 1, gibt, indem er sagt: No-
strates Germani eos adpellitant
"Zigeuner" quasi dicas "zig oder ziehe
einher
" h. e. vagantes et vagabundos. Dieselbe wunderliche Ableitung
adoptirt, gestützt auf Wehner, "Obs. pr.", lit. II, Weißenbruch, "Ausführliche
Relation von der famosen Zigeunerbande u. s. w." (s. d. Lit.), mit dem Zu-
satz: "zumalen man auch die vagabundos et errones schon in vorigen Zei-
ten, ehe die Zigeuner bekandt worden, Zih-Gau (?) genennet hat."

tigkeit und Willkürlichkeit, mit welcher man die Eigennamen
häufig bis zur Unkenntlichkeit ihres wahren Urſprungs behandelt
hat. Schon der oben angeführte Schottelius gibt lib. V, in einem
eigenen Tractat, eine ausführliche Erklärung der deutſchen Eigen-
namen, die nicht minder überraſchend als verdienſtlich und werth-
voll iſt. 1)

Somit erſcheint es überhaupt geſchichtlich wie beſonders ſprach-
geſchichtlich gerechtfertigt, wenn man das Wort Gauner für eine
Verkürzung des Wortes Zigeuner nimmt.

Außer den angeführten Bezeichnungen hat die deutſche Sprache
keine andern, welche vollſtändig dem Begriff des Gauners ent-
ſprechen, obſchon es eine Menge Ausdrücke für herumſtreichendes
bettleriſches und verbrecheriſches Geſindel gibt, z. B. ſtarke Bett-
ler (validi mendicantes, über welche ſchon der heilige Ambroſius,
„De off. minist.“, lib. II, c. 16, bittere Klage führt und der wackere
Felix Hemmerlin in ſeinem trefflichen Schreiben, 1438, an Bi-
ſchof Heinrich von Konſtanz eifert), Landtfahrer, Alchbrüder (von
[fremdsprachliches Material – fehlt], halach, gehen, umhergehen), gardende Knechte, Gardenbrü-
der, Gardeſchweſtern, Gardegänger (von Gvardie, Guardie, cu-
stodia
), Landsknechte, Schnalzer, Störger, Partirer, Schnapp-
hähne, Breger, Stabuler, Loßner, Klenckner, Dobiſſer, Kame-
ſirer, Vagerer, Grantener, Dutzer, Schlepper, Zickiſſen, Schwan-
felder, Vopper, Dallinger, Dutzbetterinen, Sündfeger, Billträger,
Jungfrawen, Mumſen, Sontzen, Kandirer, Veraner, Chriſtianer,
Seffer, Schweiger, Burckartbettler, Blatſchirer u. ſ. w., über

1) Ebenſo beachtenswerth iſt lib. V, tract. 6, p. 1269 — 1450, von den
„Stammwörtern der Teutſchen Sprache“. Abgeſchmackt iſt die Ableitung,
welche Ahasv. Fritſch in ſeiner „Diatribe Historico-Politica de Zygenorum
origine vita et moribus
“ (Jena 1660), membr. 1, gibt, indem er ſagt: No-
strates Germani eos adpellitant
„Zigeuner“ quasi dicaszig oder ziehe
einher
h. e. vagantes et vagabundos. Dieſelbe wunderliche Ableitung
adoptirt, geſtützt auf Wehner, „Obs. pr.“, lit. II, Weißenbruch, „Ausführliche
Relation von der famoſen Zigeunerbande u. ſ. w.“ (ſ. d. Lit.), mit dem Zu-
ſatz: „zumalen man auch die vagabundos et errones ſchon in vorigen Zei-
ten, ehe die Zigeuner bekandt worden, Zih-Gau (?) genennet hat.“
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[11/0027] tigkeit und Willkürlichkeit, mit welcher man die Eigennamen häufig bis zur Unkenntlichkeit ihres wahren Urſprungs behandelt hat. Schon der oben angeführte Schottelius gibt lib. V, in einem eigenen Tractat, eine ausführliche Erklärung der deutſchen Eigen- namen, die nicht minder überraſchend als verdienſtlich und werth- voll iſt. 1) Somit erſcheint es überhaupt geſchichtlich wie beſonders ſprach- geſchichtlich gerechtfertigt, wenn man das Wort Gauner für eine Verkürzung des Wortes Zigeuner nimmt. Außer den angeführten Bezeichnungen hat die deutſche Sprache keine andern, welche vollſtändig dem Begriff des Gauners ent- ſprechen, obſchon es eine Menge Ausdrücke für herumſtreichendes bettleriſches und verbrecheriſches Geſindel gibt, z. B. ſtarke Bett- ler (validi mendicantes, über welche ſchon der heilige Ambroſius, „De off. minist.“, lib. II, c. 16, bittere Klage führt und der wackere Felix Hemmerlin in ſeinem trefflichen Schreiben, 1438, an Bi- ſchof Heinrich von Konſtanz eifert), Landtfahrer, Alchbrüder (von _ , halach, gehen, umhergehen), gardende Knechte, Gardenbrü- der, Gardeſchweſtern, Gardegänger (von Gvardie, Guardie, cu- stodia), Landsknechte, Schnalzer, Störger, Partirer, Schnapp- hähne, Breger, Stabuler, Loßner, Klenckner, Dobiſſer, Kame- ſirer, Vagerer, Grantener, Dutzer, Schlepper, Zickiſſen, Schwan- felder, Vopper, Dallinger, Dutzbetterinen, Sündfeger, Billträger, Jungfrawen, Mumſen, Sontzen, Kandirer, Veraner, Chriſtianer, Seffer, Schweiger, Burckartbettler, Blatſchirer u. ſ. w., über 1) Ebenſo beachtenswerth iſt lib. V, tract. 6, p. 1269 — 1450, von den „Stammwörtern der Teutſchen Sprache“. Abgeſchmackt iſt die Ableitung, welche Ahasv. Fritſch in ſeiner „Diatribe Historico-Politica de Zygenorum origine vita et moribus“ (Jena 1660), membr. 1, gibt, indem er ſagt: No- strates Germani eos adpellitant „Zigeuner“ quasi dicas „zig oder ziehe einher“ h. e. vagantes et vagabundos. Dieſelbe wunderliche Ableitung adoptirt, geſtützt auf Wehner, „Obs. pr.“, lit. II, Weißenbruch, „Ausführliche Relation von der famoſen Zigeunerbande u. ſ. w.“ (ſ. d. Lit.), mit dem Zu- ſatz: „zumalen man auch die vagabundos et errones ſchon in vorigen Zei- ten, ehe die Zigeuner bekandt worden, Zih-Gau (?) genennet hat.“

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/27>, abgerufen am 21.11.2024.