Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

oder die Zarge mit herausreißt. Diese Procedur geht bei der
ungeheuern Hebelkraft des Drong meistens ohne große Schwie-
rigkeit vor sich, und wird theils durch die häufig schlechte Ver-
mauerung der Gitter und Zargen, theils durch die schlechte Be-
festigung der Gitter in den Zargen selbst sehr erleichtert. 1) Einzelne
Stangen lassen sich noch leichter herausbrechen. Am sichersten
wählt man verbundene Gitter, bei denen das Eisenwerk sich gegen-
seitig steift und trägt, verwirft die hölzernen Zargen ganz, wählt
dafür eine steinerne Einfassung, oder vermauert die dicken hölzernen
Zargen wenigstens so, daß sie gehörig tief und in der Mitte des
Mauerwerks zu stehen kommen, um weder nach innen, noch nach
außen bewegt werden zu können. Zu aller Vorsicht ist es gut,
das Eisenwerk stets in Oelfarbe zu halten, da der geübte Blick
des Schränkers an dem matten faserigten Ansehen das gute nnd
an dem glänzenden glatten Ansehen das schlechte Eisen sehr wohl
zu unterscheiden weiß.

Soll ein Vorhängeschloß, eine Tole (von [fremdsprachliches Material - fehlt] [tolo], aufhän-
gen), erbrochen werden, so wird der Schabber oder Krummkopf durch
den Hals oder Bügel des Schlosses gesteckt und das Schloß, dessen
Riegel und Niete leicht der großen Gewalt nachgeben, abgedreht,
gewürgt. Bei sehr starken und schweren Schlössern, welche dieser
Gewalt etwa Widerstand leisten sollten, wird der Bügel mit der
Säge durchschnitten oder mit der Feile durchgefeilt. Die Billig-
keit und Feinheit, mit welcher die Feilen jetzt gearbeitet werden,
macht es möglich, daß die Schränker, welche früher selbst aus
Uhrfedern 2) nur unvollkommene Sägen zurichteten, oder sich mit
groben Feilen oder Bruchstücken davon behelfen mußten, mit den
verschiedensten Sorten feiner Feilen und Sägen reichlich versehen

1) Meistens werden die Stangenden umgeschmiedet, durchlocht und von
innen gegen das Zargenholz genagelt, oder auch nur in die halbe Holzdicke
eingelassen, wobei die Gitter sehr leicht aus der Zarge gerissen werden können.
2) Eine solche noch aus einer Uhrfeder hergerichtete Säge wurde hier in
Lübeck noch vor drei Jahren einem gefährlichen Schränker abgenommen. Die
Zähne waren unregelmäßig angehauen wie bei Feilen, und griffen sehr stark
in Eisen hinein.

oder die Zarge mit herausreißt. Dieſe Procedur geht bei der
ungeheuern Hebelkraft des Drong meiſtens ohne große Schwie-
rigkeit vor ſich, und wird theils durch die häufig ſchlechte Ver-
mauerung der Gitter und Zargen, theils durch die ſchlechte Be-
feſtigung der Gitter in den Zargen ſelbſt ſehr erleichtert. 1) Einzelne
Stangen laſſen ſich noch leichter herausbrechen. Am ſicherſten
wählt man verbundene Gitter, bei denen das Eiſenwerk ſich gegen-
ſeitig ſteift und trägt, verwirft die hölzernen Zargen ganz, wählt
dafür eine ſteinerne Einfaſſung, oder vermauert die dicken hölzernen
Zargen wenigſtens ſo, daß ſie gehörig tief und in der Mitte des
Mauerwerks zu ſtehen kommen, um weder nach innen, noch nach
außen bewegt werden zu können. Zu aller Vorſicht iſt es gut,
das Eiſenwerk ſtets in Oelfarbe zu halten, da der geübte Blick
des Schränkers an dem matten faſerigten Anſehen das gute nnd
an dem glänzenden glatten Anſehen das ſchlechte Eiſen ſehr wohl
zu unterſcheiden weiß.

Soll ein Vorhängeſchloß, eine Tole (von [fremdsprachliches Material – fehlt] [tolo], aufhän-
gen), erbrochen werden, ſo wird der Schabber oder Krummkopf durch
den Hals oder Bügel des Schloſſes geſteckt und das Schloß, deſſen
Riegel und Niete leicht der großen Gewalt nachgeben, abgedreht,
gewürgt. Bei ſehr ſtarken und ſchweren Schlöſſern, welche dieſer
Gewalt etwa Widerſtand leiſten ſollten, wird der Bügel mit der
Säge durchſchnitten oder mit der Feile durchgefeilt. Die Billig-
keit und Feinheit, mit welcher die Feilen jetzt gearbeitet werden,
macht es möglich, daß die Schränker, welche früher ſelbſt aus
Uhrfedern 2) nur unvollkommene Sägen zurichteten, oder ſich mit
groben Feilen oder Bruchſtücken davon behelfen mußten, mit den
verſchiedenſten Sorten feiner Feilen und Sägen reichlich verſehen

1) Meiſtens werden die Stangenden umgeſchmiedet, durchlocht und von
innen gegen das Zargenholz genagelt, oder auch nur in die halbe Holzdicke
eingelaſſen, wobei die Gitter ſehr leicht aus der Zarge geriſſen werden können.
2) Eine ſolche noch aus einer Uhrfeder hergerichtete Säge wurde hier in
Lübeck noch vor drei Jahren einem gefährlichen Schränker abgenommen. Die
Zähne waren unregelmäßig angehauen wie bei Feilen, und griffen ſehr ſtark
in Eiſen hinein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0144" n="132"/>
oder die Zarge mit herausreißt. Die&#x017F;e Procedur geht bei der<lb/>
ungeheuern Hebelkraft des Drong mei&#x017F;tens ohne große Schwie-<lb/>
rigkeit vor &#x017F;ich, und wird theils durch die häufig &#x017F;chlechte Ver-<lb/>
mauerung der Gitter und Zargen, theils durch die &#x017F;chlechte Be-<lb/>
fe&#x017F;tigung der Gitter in den Zargen &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr erleichtert. <note place="foot" n="1)">Mei&#x017F;tens werden die Stangenden umge&#x017F;chmiedet, durchlocht und von<lb/>
innen gegen das Zargenholz genagelt, oder auch nur in die halbe Holzdicke<lb/>
eingela&#x017F;&#x017F;en, wobei die Gitter &#x017F;ehr leicht aus der Zarge geri&#x017F;&#x017F;en werden können.</note> Einzelne<lb/>
Stangen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich noch leichter herausbrechen. Am &#x017F;icher&#x017F;ten<lb/>
wählt man verbundene Gitter, bei denen das Ei&#x017F;enwerk &#x017F;ich gegen-<lb/>
&#x017F;eitig &#x017F;teift und trägt, verwirft die hölzernen Zargen ganz, wählt<lb/>
dafür eine &#x017F;teinerne Einfa&#x017F;&#x017F;ung, oder vermauert die dicken hölzernen<lb/>
Zargen wenig&#x017F;tens &#x017F;o, daß &#x017F;ie gehörig tief und in der Mitte des<lb/>
Mauerwerks zu &#x017F;tehen kommen, um weder nach innen, noch nach<lb/>
außen bewegt werden zu können. Zu aller Vor&#x017F;icht i&#x017F;t es gut,<lb/>
das Ei&#x017F;enwerk &#x017F;tets in Oelfarbe zu halten, da der geübte Blick<lb/>
des Schränkers an dem matten fa&#x017F;erigten An&#x017F;ehen das gute nnd<lb/>
an dem glänzenden glatten An&#x017F;ehen das &#x017F;chlechte Ei&#x017F;en &#x017F;ehr wohl<lb/>
zu unter&#x017F;cheiden weiß.</p><lb/>
            <p>Soll ein Vorhänge&#x017F;chloß, eine <hi rendition="#g">Tole</hi> (von <gap reason="fm" unit="words"/> [<hi rendition="#aq">tolo</hi>], aufhän-<lb/>
gen), erbrochen werden, &#x017F;o wird der Schabber oder Krummkopf durch<lb/>
den Hals oder Bügel des Schlo&#x017F;&#x017F;es ge&#x017F;teckt und das Schloß, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Riegel und Niete leicht der großen Gewalt nachgeben, abgedreht,<lb/><hi rendition="#g">gewürgt.</hi> Bei &#x017F;ehr &#x017F;tarken und &#x017F;chweren Schlö&#x017F;&#x017F;ern, welche die&#x017F;er<lb/>
Gewalt etwa Wider&#x017F;tand lei&#x017F;ten &#x017F;ollten, wird der Bügel mit der<lb/>
Säge durch&#x017F;chnitten oder mit der Feile durchgefeilt. Die Billig-<lb/>
keit und Feinheit, mit welcher die Feilen jetzt gearbeitet werden,<lb/>
macht es möglich, daß die Schränker, welche früher &#x017F;elb&#x017F;t aus<lb/>
Uhrfedern <note place="foot" n="2)">Eine &#x017F;olche noch aus einer Uhrfeder hergerichtete Säge wurde hier in<lb/>
Lübeck noch vor drei Jahren einem gefährlichen Schränker abgenommen. Die<lb/>
Zähne waren unregelmäßig <hi rendition="#g">angehauen</hi> wie bei Feilen, und griffen &#x017F;ehr &#x017F;tark<lb/>
in Ei&#x017F;en hinein.</note> nur unvollkommene Sägen zurichteten, oder &#x017F;ich mit<lb/>
groben Feilen oder Bruch&#x017F;tücken davon behelfen mußten, mit den<lb/>
ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Sorten feiner Feilen und Sägen reichlich ver&#x017F;ehen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0144] oder die Zarge mit herausreißt. Dieſe Procedur geht bei der ungeheuern Hebelkraft des Drong meiſtens ohne große Schwie- rigkeit vor ſich, und wird theils durch die häufig ſchlechte Ver- mauerung der Gitter und Zargen, theils durch die ſchlechte Be- feſtigung der Gitter in den Zargen ſelbſt ſehr erleichtert. 1) Einzelne Stangen laſſen ſich noch leichter herausbrechen. Am ſicherſten wählt man verbundene Gitter, bei denen das Eiſenwerk ſich gegen- ſeitig ſteift und trägt, verwirft die hölzernen Zargen ganz, wählt dafür eine ſteinerne Einfaſſung, oder vermauert die dicken hölzernen Zargen wenigſtens ſo, daß ſie gehörig tief und in der Mitte des Mauerwerks zu ſtehen kommen, um weder nach innen, noch nach außen bewegt werden zu können. Zu aller Vorſicht iſt es gut, das Eiſenwerk ſtets in Oelfarbe zu halten, da der geübte Blick des Schränkers an dem matten faſerigten Anſehen das gute nnd an dem glänzenden glatten Anſehen das ſchlechte Eiſen ſehr wohl zu unterſcheiden weiß. Soll ein Vorhängeſchloß, eine Tole (von _ [tolo], aufhän- gen), erbrochen werden, ſo wird der Schabber oder Krummkopf durch den Hals oder Bügel des Schloſſes geſteckt und das Schloß, deſſen Riegel und Niete leicht der großen Gewalt nachgeben, abgedreht, gewürgt. Bei ſehr ſtarken und ſchweren Schlöſſern, welche dieſer Gewalt etwa Widerſtand leiſten ſollten, wird der Bügel mit der Säge durchſchnitten oder mit der Feile durchgefeilt. Die Billig- keit und Feinheit, mit welcher die Feilen jetzt gearbeitet werden, macht es möglich, daß die Schränker, welche früher ſelbſt aus Uhrfedern 2) nur unvollkommene Sägen zurichteten, oder ſich mit groben Feilen oder Bruchſtücken davon behelfen mußten, mit den verſchiedenſten Sorten feiner Feilen und Sägen reichlich verſehen 1) Meiſtens werden die Stangenden umgeſchmiedet, durchlocht und von innen gegen das Zargenholz genagelt, oder auch nur in die halbe Holzdicke eingelaſſen, wobei die Gitter ſehr leicht aus der Zarge geriſſen werden können. 2) Eine ſolche noch aus einer Uhrfeder hergerichtete Säge wurde hier in Lübeck noch vor drei Jahren einem gefährlichen Schränker abgenommen. Die Zähne waren unregelmäßig angehauen wie bei Feilen, und griffen ſehr ſtark in Eiſen hinein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/144
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/144>, abgerufen am 21.11.2024.