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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zinken, der gewöhnlich in dem lauten Rufe "Lampen!" besteht,
alles die Flucht ergreift. Das Gestörtwerden des Unternehmens
in dieser Weise nennt der Schränker: Lampen bekommen.



Einundvierzigstes Kapitel.
z) Das Massemattenhandeln.

Sowie der Einbruch hergestellt, durch die Schmiren gedeckt
und der Eingang in das Gebäude gewonnen ist, begeben sich
die Schränker auf Strümpfen, in Filzschuhen, oder auch wol bar-
fuß in das erbrochene Gebäude. 1) Nicht selten, namentlich wenn
die Besorgniß vorhanden ist, daß die Schränker im Hause be-
lauert werden, wird auf einem Stocke zunächst eine Mütze durch
die Einbruchstelle gesteckt, um zu erwarten, ob etwa ein Hieb auf
dieselbe geführt wird. 2) Jst alles soweit sicher, so besteht die
erste Sorge der durchgekrochenen Schränker darin, den schleunigen
Rückzug auf alle Fälle dadurch zu ermöglichen, daß die Haken
und Riegel gelegener Thüren oder Fenster abgehängt und zurück-
geschoben werden. Das hat auch den Zweck, daß, wenn erforder-
lich, die draußen befindlichen Chawern Eingang finden, oder die

1) Von der Behendigkeit, mit der geübte Schränker sich unbemerkt neben
Schläfern und sogar Hunden vorbeischleichen können, ist das bei Thiele, a. a. O.,
I, 164, erzählte Beispiel des Meyer Tiller ein erstaunlicher Beleg. Bei einem
Einbruch nahe bei Lübeck fand ich, daß der Schränker eine Uhr, welche auf
einer Fensterbank gelegen hatte, von dort weggenommen und den Weg zum
Fenster und von da zurück durch die ganze Schlafstube zwischen den nur vier
Fuß breit voneinander getrennten Betten des bestohlenen Ehepaars hindurch
genommen hatte. Noch dazu war das Kind des Bestohlenen krank, und eine
Wärterin schlief im Vorzimmer, durch welches der Schränker gehen mußte.
2) Diese Vorsicht, welche der Konstanzer Hans einmal auf den Rath des
berüchtigten Schleiferbärbele bei einem Einbruch anwandte, bei welcher Ge-
legenheit im Dunkeln ein schwerer Hieb auf seine durchgesteckte Mütze fiel,
rettete dem Konstanzer Hans das Leben. Das war auch der Anlaß, warum
der dankbare Konstanzer Hans sich an das Schleiferbärbele gebunden erachtete,
das auf sein ganzes Leben einen fast unbegreiflichen Einfluß übte.

Zinken, der gewöhnlich in dem lauten Rufe „Lampen!“ beſteht,
alles die Flucht ergreift. Das Geſtörtwerden des Unternehmens
in dieſer Weiſe nennt der Schränker: Lampen bekommen.



Einundvierzigſtes Kapitel.
ζ) Das Maſſemattenhandeln.

Sowie der Einbruch hergeſtellt, durch die Schmiren gedeckt
und der Eingang in das Gebäude gewonnen iſt, begeben ſich
die Schränker auf Strümpfen, in Filzſchuhen, oder auch wol bar-
fuß in das erbrochene Gebäude. 1) Nicht ſelten, namentlich wenn
die Beſorgniß vorhanden iſt, daß die Schränker im Hauſe be-
lauert werden, wird auf einem Stocke zunächſt eine Mütze durch
die Einbruchſtelle geſteckt, um zu erwarten, ob etwa ein Hieb auf
dieſelbe geführt wird. 2) Jſt alles ſoweit ſicher, ſo beſteht die
erſte Sorge der durchgekrochenen Schränker darin, den ſchleunigen
Rückzug auf alle Fälle dadurch zu ermöglichen, daß die Haken
und Riegel gelegener Thüren oder Fenſter abgehängt und zurück-
geſchoben werden. Das hat auch den Zweck, daß, wenn erforder-
lich, die draußen befindlichen Chawern Eingang finden, oder die

1) Von der Behendigkeit, mit der geübte Schränker ſich unbemerkt neben
Schläfern und ſogar Hunden vorbeiſchleichen können, iſt das bei Thiele, a. a. O.,
I, 164, erzählte Beiſpiel des Meyer Tiller ein erſtaunlicher Beleg. Bei einem
Einbruch nahe bei Lübeck fand ich, daß der Schränker eine Uhr, welche auf
einer Fenſterbank gelegen hatte, von dort weggenommen und den Weg zum
Fenſter und von da zurück durch die ganze Schlafſtube zwiſchen den nur vier
Fuß breit voneinander getrennten Betten des beſtohlenen Ehepaars hindurch
genommen hatte. Noch dazu war das Kind des Beſtohlenen krank, und eine
Wärterin ſchlief im Vorzimmer, durch welches der Schränker gehen mußte.
2) Dieſe Vorſicht, welche der Konſtanzer Hans einmal auf den Rath des
berüchtigten Schleiferbärbele bei einem Einbruch anwandte, bei welcher Ge-
legenheit im Dunkeln ein ſchwerer Hieb auf ſeine durchgeſteckte Mütze fiel,
rettete dem Konſtanzer Hans das Leben. Das war auch der Anlaß, warum
der dankbare Konſtanzer Hans ſich an das Schleiferbärbele gebunden erachtete,
das auf ſein ganzes Leben einen faſt unbegreiflichen Einfluß übte.
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[140/0152] Zinken, der gewöhnlich in dem lauten Rufe „Lampen!“ beſteht, alles die Flucht ergreift. Das Geſtörtwerden des Unternehmens in dieſer Weiſe nennt der Schränker: Lampen bekommen. Einundvierzigſtes Kapitel. ζ) Das Maſſemattenhandeln. Sowie der Einbruch hergeſtellt, durch die Schmiren gedeckt und der Eingang in das Gebäude gewonnen iſt, begeben ſich die Schränker auf Strümpfen, in Filzſchuhen, oder auch wol bar- fuß in das erbrochene Gebäude. 1) Nicht ſelten, namentlich wenn die Beſorgniß vorhanden iſt, daß die Schränker im Hauſe be- lauert werden, wird auf einem Stocke zunächſt eine Mütze durch die Einbruchſtelle geſteckt, um zu erwarten, ob etwa ein Hieb auf dieſelbe geführt wird. 2) Jſt alles ſoweit ſicher, ſo beſteht die erſte Sorge der durchgekrochenen Schränker darin, den ſchleunigen Rückzug auf alle Fälle dadurch zu ermöglichen, daß die Haken und Riegel gelegener Thüren oder Fenſter abgehängt und zurück- geſchoben werden. Das hat auch den Zweck, daß, wenn erforder- lich, die draußen befindlichen Chawern Eingang finden, oder die 1) Von der Behendigkeit, mit der geübte Schränker ſich unbemerkt neben Schläfern und ſogar Hunden vorbeiſchleichen können, iſt das bei Thiele, a. a. O., I, 164, erzählte Beiſpiel des Meyer Tiller ein erſtaunlicher Beleg. Bei einem Einbruch nahe bei Lübeck fand ich, daß der Schränker eine Uhr, welche auf einer Fenſterbank gelegen hatte, von dort weggenommen und den Weg zum Fenſter und von da zurück durch die ganze Schlafſtube zwiſchen den nur vier Fuß breit voneinander getrennten Betten des beſtohlenen Ehepaars hindurch genommen hatte. Noch dazu war das Kind des Beſtohlenen krank, und eine Wärterin ſchlief im Vorzimmer, durch welches der Schränker gehen mußte. 2) Dieſe Vorſicht, welche der Konſtanzer Hans einmal auf den Rath des berüchtigten Schleiferbärbele bei einem Einbruch anwandte, bei welcher Ge- legenheit im Dunkeln ein ſchwerer Hieb auf ſeine durchgeſteckte Mütze fiel, rettete dem Konſtanzer Hans das Leben. Das war auch der Anlaß, warum der dankbare Konſtanzer Hans ſich an das Schleiferbärbele gebunden erachtete, das auf ſein ganzes Leben einen faſt unbegreiflichen Einfluß übte.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/152>, abgerufen am 28.03.2024.