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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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tungen der Polizei, namentlich von der Gensdarmerie, nur im
offenen Treiben behindert, aber nicht aufgehoben, sondern nur
versprengt; sie haben sich als Parasiten an das Bürgerthum ge-
hängt, und haben für alle dessen Schwächen ihre augenblickliche
Bereitschaft zum alten offenen Aufstand, sodaß man sich nicht
wundern darf, wie rasch und wie nachhaltig die Räuberbanden
vor unsern Augen zusammentreten, sobald irgendeine große oder
stürmische Bewegung den mühsam und mit großen Opfern auf-
rechterhaltenen Gang der gewohnten Ordnung unterbricht. Trotz
der obsolet gewordenen Unterscheidung zwischen Schränkern und
zierlichen Schränkern existiren, zum Zeugniß der unvergessenen
Praxis, alle Räuberterminologien fort, von welchen hier noch die
wesentlichsten angeführt werden sollen.

Chassne, eigentlich Chassune, vom hebräischen [fremdsprachliches Material - fehlt], Ver-
mählung, Hochzeit und Kofchess 1), Jnitialbuchstaben (krumme
Kof, [fremdsprachliches Material - fehlt], Krummkopf, und Chess, [fremdsprachliches Material - fehlt]) von Chessen oder Chassne,
ist der lärmende offene nächtliche Ueberfall, wie er von den Rhei-
nischen Banden verübt wurde, durch Einrennen der Thüren mit
dem Drong, mit Erleuchtung des erstürmten Hauses durch
Lichter (Neiress) und mit Knebelung, Mishandlung oder Er-
mordung der Bewohner. Chassnegänger sind die Räuber,
welche auf diese Weise verfahren. Koochegehen (vgl. oben be-
kauach
) von Kauach, die Gewalt, auf nächtlichen Einbruch, auf
Räuberei ausgehen. Perkoochhändler, Pessucher, Einbrecher,
Schränker. Gaslan, von [fremdsprachliches Material - fehlt], wegreißen, rauben, ist allgemeiner
Ausdruck für Räuber, Gasel, der Raub, Gaslonuss, die
Räuberei. Kuffer (von Kippe, Kuppe, Schrank, Verschluß)
ist allgemeiner Ausdruck für Räuber, aber auch für Nachschlüsseldieb

Gensdarmerie in Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen, die mit offener Gewalt in
die einzeln gelegenen Pachthöfe und Dörfer dringenden Räuberbanden auszu-
rotten, wie ja denn noch jetzt im Centralpolizeiblatte solche Ueberfälle nicht
selten angezeigt werden.
1) Nach dem Zahlenwerthe von Kofchess (28) wird der Einbruch zur
Nachtzeit in der oben angegebenen Weise auch Achtundzwanziger ge-
nannt.

tungen der Polizei, namentlich von der Gensdarmerie, nur im
offenen Treiben behindert, aber nicht aufgehoben, ſondern nur
verſprengt; ſie haben ſich als Paraſiten an das Bürgerthum ge-
hängt, und haben für alle deſſen Schwächen ihre augenblickliche
Bereitſchaft zum alten offenen Aufſtand, ſodaß man ſich nicht
wundern darf, wie raſch und wie nachhaltig die Räuberbanden
vor unſern Augen zuſammentreten, ſobald irgendeine große oder
ſtürmiſche Bewegung den mühſam und mit großen Opfern auf-
rechterhaltenen Gang der gewohnten Ordnung unterbricht. Trotz
der obſolet gewordenen Unterſcheidung zwiſchen Schränkern und
zierlichen Schränkern exiſtiren, zum Zeugniß der unvergeſſenen
Praxis, alle Räuberterminologien fort, von welchen hier noch die
weſentlichſten angeführt werden ſollen.

Chaſſne, eigentlich Chaſſune, vom hebräiſchen [fremdsprachliches Material – fehlt], Ver-
mählung, Hochzeit und Kofcheſſ 1), Jnitialbuchſtaben (krumme
Kof, [fremdsprachliches Material – fehlt], Krummkopf, und Cheſſ, [fremdsprachliches Material – fehlt]) von Cheſſen oder Chaſſne,
iſt der lärmende offene nächtliche Ueberfall, wie er von den Rhei-
niſchen Banden verübt wurde, durch Einrennen der Thüren mit
dem Drong, mit Erleuchtung des erſtürmten Hauſes durch
Lichter (Neireſſ) und mit Knebelung, Mishandlung oder Er-
mordung der Bewohner. Chaſſnegänger ſind die Räuber,
welche auf dieſe Weiſe verfahren. Koochegehen (vgl. oben be-
kauach
) von Kauach, die Gewalt, auf nächtlichen Einbruch, auf
Räuberei ausgehen. Perkoochhändler, Peſſucher, Einbrecher,
Schränker. Gaſlan, von [fremdsprachliches Material – fehlt], wegreißen, rauben, iſt allgemeiner
Ausdruck für Räuber, Gaſel, der Raub, Gaſlonuſſ, die
Räuberei. Kuffer (von Kippe, Kuppe, Schrank, Verſchluß)
iſt allgemeiner Ausdruck für Räuber, aber auch für Nachſchlüſſeldieb

Gensdarmerie in Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen, die mit offener Gewalt in
die einzeln gelegenen Pachthöfe und Dörfer dringenden Räuberbanden auszu-
rotten, wie ja denn noch jetzt im Centralpolizeiblatte ſolche Ueberfälle nicht
ſelten angezeigt werden.
1) Nach dem Zahlenwerthe von Kofcheſſ (28) wird der Einbruch zur
Nachtzeit in der oben angegebenen Weiſe auch Achtundzwanziger ge-
nannt.
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[148/0160] tungen der Polizei, namentlich von der Gensdarmerie, nur im offenen Treiben behindert, aber nicht aufgehoben, ſondern nur verſprengt; ſie haben ſich als Paraſiten an das Bürgerthum ge- hängt, und haben für alle deſſen Schwächen ihre augenblickliche Bereitſchaft zum alten offenen Aufſtand, ſodaß man ſich nicht wundern darf, wie raſch und wie nachhaltig die Räuberbanden vor unſern Augen zuſammentreten, ſobald irgendeine große oder ſtürmiſche Bewegung den mühſam und mit großen Opfern auf- rechterhaltenen Gang der gewohnten Ordnung unterbricht. Trotz der obſolet gewordenen Unterſcheidung zwiſchen Schränkern und zierlichen Schränkern exiſtiren, zum Zeugniß der unvergeſſenen Praxis, alle Räuberterminologien fort, von welchen hier noch die weſentlichſten angeführt werden ſollen. Chaſſne, eigentlich Chaſſune, vom hebräiſchen _ , Ver- mählung, Hochzeit und Kofcheſſ 1), Jnitialbuchſtaben (krumme Kof, _ , Krummkopf, und Cheſſ, _ ) von Cheſſen oder Chaſſne, iſt der lärmende offene nächtliche Ueberfall, wie er von den Rhei- niſchen Banden verübt wurde, durch Einrennen der Thüren mit dem Drong, mit Erleuchtung des erſtürmten Hauſes durch Lichter (Neireſſ) und mit Knebelung, Mishandlung oder Er- mordung der Bewohner. Chaſſnegänger ſind die Räuber, welche auf dieſe Weiſe verfahren. Koochegehen (vgl. oben be- kauach) von Kauach, die Gewalt, auf nächtlichen Einbruch, auf Räuberei ausgehen. Perkoochhändler, Peſſucher, Einbrecher, Schränker. Gaſlan, von _ , wegreißen, rauben, iſt allgemeiner Ausdruck für Räuber, Gaſel, der Raub, Gaſlonuſſ, die Räuberei. Kuffer (von Kippe, Kuppe, Schrank, Verſchluß) iſt allgemeiner Ausdruck für Räuber, aber auch für Nachſchlüſſeldieb 1) 1) Nach dem Zahlenwerthe von Kofcheſſ (28) wird der Einbruch zur Nachtzeit in der oben angegebenen Weiſe auch Achtundzwanziger ge- nannt. 1) Gensdarmerie in Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen, die mit offener Gewalt in die einzeln gelegenen Pachthöfe und Dörfer dringenden Räuberbanden auszu- rotten, wie ja denn noch jetzt im Centralpolizeiblatte ſolche Ueberfälle nicht ſelten angezeigt werden.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/160>, abgerufen am 24.04.2024.