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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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neueste Zeit noch sehr zweifelhaft geblieben, wie das aus der
Darstellung des Nachschlüsseldiebstahls erhellen wird.

Das Makkenen ist der Diebstahl aus Verschlüssen -- ohne
Einbruch, oder ohne ganze oder theilweise Zerstörung der Ver-
schlüsse -- mit Anwendung von Schlüsseln, welche dem für das
Schloß ursprünglich gearbeiteten Schlüssel mehr oder minder voll-
ständig nachgearbeitet sind, und daher Nachschlüssel, Diebsschlüssel
oder auch Dietriche genannt werden. Die Kunst des Makkenens
hat daher die zwiefache Aufgabe, die Herstellung der Nach-
schlüssel, und die heimliche und geschickte Anwendung der Nach-
schlüssel. Beide Aufgaben weiß das Gaunerthum vollständig zu
lösen. Keine gaunerische Kunst ist verlässiger und ergiebiger, keine
Kunst hat eine einfachere Basis und eine breitere Cultur als das
Makkenen. Es ist wol das Gaunerthum gewesen, welches zu-
erst
über das Princip des Schlosses und seiner einfachen Be-
wegung nachgedacht hat, während der bürgerliche Betrieb das alte,
durch viele Jahrhunderte auf die neueste Zeit gelangte Gewerbe
wie eine alte Erbschaft hingenommen hat, ohne es für die An-
forderungen des inzwischen in materieller und sittlicher Hinsicht
unendlich künstlicher gewordenen Verkehrs genau und ausreichend
zu berechnen und auszubeuten. Eine einfache Beschreibung des
Schlosses, seiner Construction und Bewegung wird den Scharf-
blick des Gaunerthums, aber auch die Einfachheit des Makkenens
in ein helleres Licht treten lassen. Vorher jedoch eine kurze Er-
läuterung der wesentlichsten, beim Makkenen vorkommenden gauner-
technischen Ausdrücke.

Makkenen ist allgemeiner Ausdruck für den Nachschlüssel-
diebstahl überhaupt, sowie für die Operation des Oeffnens von
Verschlüssen mit Nachschlüsseln; Makkener, der Nachschlüsseldieb,
beides von [fremdsprachliches Material - fehlt] (nakach), Hiphil [fremdsprachliches Material - fehlt] (hikko), er hat geschlagen,
davon [fremdsprachliches Material - fehlt] (makko), der Schlag, Streich, Plage, Sünde, Fehler,
falscher Stich der falschen Spieler (Freischupper) im Kartenspiel;
daher auch im Kartenspiel: makkenen, das Stechen einer Karte,
besonders das falsche Stechen. Ferner Jommakkener, auch
Jommakker (von [fremdsprachliches Material - fehlt] [jom], der Tag), der Dieb, der bei Tage

neueſte Zeit noch ſehr zweifelhaft geblieben, wie das aus der
Darſtellung des Nachſchlüſſeldiebſtahls erhellen wird.

Das Makkenen iſt der Diebſtahl aus Verſchlüſſen — ohne
Einbruch, oder ohne ganze oder theilweiſe Zerſtörung der Ver-
ſchlüſſe — mit Anwendung von Schlüſſeln, welche dem für das
Schloß urſprünglich gearbeiteten Schlüſſel mehr oder minder voll-
ſtändig nachgearbeitet ſind, und daher Nachſchlüſſel, Diebsſchlüſſel
oder auch Dietriche genannt werden. Die Kunſt des Makkenens
hat daher die zwiefache Aufgabe, die Herſtellung der Nach-
ſchlüſſel, und die heimliche und geſchickte Anwendung der Nach-
ſchlüſſel. Beide Aufgaben weiß das Gaunerthum vollſtändig zu
löſen. Keine gauneriſche Kunſt iſt verläſſiger und ergiebiger, keine
Kunſt hat eine einfachere Baſis und eine breitere Cultur als das
Makkenen. Es iſt wol das Gaunerthum geweſen, welches zu-
erſt
über das Princip des Schloſſes und ſeiner einfachen Be-
wegung nachgedacht hat, während der bürgerliche Betrieb das alte,
durch viele Jahrhunderte auf die neueſte Zeit gelangte Gewerbe
wie eine alte Erbſchaft hingenommen hat, ohne es für die An-
forderungen des inzwiſchen in materieller und ſittlicher Hinſicht
unendlich künſtlicher gewordenen Verkehrs genau und ausreichend
zu berechnen und auszubeuten. Eine einfache Beſchreibung des
Schloſſes, ſeiner Conſtruction und Bewegung wird den Scharf-
blick des Gaunerthums, aber auch die Einfachheit des Makkenens
in ein helleres Licht treten laſſen. Vorher jedoch eine kurze Er-
läuterung der weſentlichſten, beim Makkenen vorkommenden gauner-
techniſchen Ausdrücke.

Makkenen iſt allgemeiner Ausdruck für den Nachſchlüſſel-
diebſtahl überhaupt, ſowie für die Operation des Oeffnens von
Verſchlüſſen mit Nachſchlüſſeln; Makkener, der Nachſchlüſſeldieb,
beides von [fremdsprachliches Material – fehlt] (nakach), Hiphil [fremdsprachliches Material – fehlt] (hikko), er hat geſchlagen,
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daher auch im Kartenſpiel: makkenen, das Stechen einer Karte,
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[154/0166] neueſte Zeit noch ſehr zweifelhaft geblieben, wie das aus der Darſtellung des Nachſchlüſſeldiebſtahls erhellen wird. Das Makkenen iſt der Diebſtahl aus Verſchlüſſen — ohne Einbruch, oder ohne ganze oder theilweiſe Zerſtörung der Ver- ſchlüſſe — mit Anwendung von Schlüſſeln, welche dem für das Schloß urſprünglich gearbeiteten Schlüſſel mehr oder minder voll- ſtändig nachgearbeitet ſind, und daher Nachſchlüſſel, Diebsſchlüſſel oder auch Dietriche genannt werden. Die Kunſt des Makkenens hat daher die zwiefache Aufgabe, die Herſtellung der Nach- ſchlüſſel, und die heimliche und geſchickte Anwendung der Nach- ſchlüſſel. Beide Aufgaben weiß das Gaunerthum vollſtändig zu löſen. Keine gauneriſche Kunſt iſt verläſſiger und ergiebiger, keine Kunſt hat eine einfachere Baſis und eine breitere Cultur als das Makkenen. Es iſt wol das Gaunerthum geweſen, welches zu- erſt über das Princip des Schloſſes und ſeiner einfachen Be- wegung nachgedacht hat, während der bürgerliche Betrieb das alte, durch viele Jahrhunderte auf die neueſte Zeit gelangte Gewerbe wie eine alte Erbſchaft hingenommen hat, ohne es für die An- forderungen des inzwiſchen in materieller und ſittlicher Hinſicht unendlich künſtlicher gewordenen Verkehrs genau und ausreichend zu berechnen und auszubeuten. Eine einfache Beſchreibung des Schloſſes, ſeiner Conſtruction und Bewegung wird den Scharf- blick des Gaunerthums, aber auch die Einfachheit des Makkenens in ein helleres Licht treten laſſen. Vorher jedoch eine kurze Er- läuterung der weſentlichſten, beim Makkenen vorkommenden gauner- techniſchen Ausdrücke. Makkenen iſt allgemeiner Ausdruck für den Nachſchlüſſel- diebſtahl überhaupt, ſowie für die Operation des Oeffnens von Verſchlüſſen mit Nachſchlüſſeln; Makkener, der Nachſchlüſſeldieb, beides von _ (nakach), Hiphil _ (hikko), er hat geſchlagen, davon _ (makko), der Schlag, Streich, Plage, Sünde, Fehler, falſcher Stich der falſchen Spieler (Freiſchupper) im Kartenſpiel; daher auch im Kartenſpiel: makkenen, das Stechen einer Karte, beſonders das falſche Stechen. Ferner Jommakkener, auch Jommakker (von _ [jom], der Tag), der Dieb, der bei Tage

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/166>, abgerufen am 20.04.2024.