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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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und er also den Diebstahl desto kecker leugnen kann. Besteht der
Diebstahl in Geld, so wirft der Torfdrucker das Behältniß, Beutel,
Portemonnaie, baldthunlichst von sich, und ist gewiß, daß ihn der
Besitz des bloßen Geldes nicht mehr verdächtigen oder überführen
kann, als jeden Andern in der Nähe, welcher Geld in der Tasche
hat. 1) Werthvolle kleinere Sachen, wie Brillantsteine, Perlen
u. s. w., werden auch wol in den Mund gesteckt, oder gar ver-
schluckt 2), oder auch wol in die Nasenhöhlen oder in die Ohren
und sonstige Cavitäten gesteckt 3), oder heimlich dem wohldressirten
Hunde hingeworfen, der damit fortläuft und nur von seinem
Herrn oder dessen bekannten Genossen sich anhalten läßt.

Dem offenen geselligen deutschen Wesen widerstrebt der Zwang,
den ihm die Sorge für die Sicherheit der Person und des Ei-
genthums im socialen Verkehr auflegt. Es erfüllt den Deutschen
vor allem mit Misbehagen, wenn er an Bahnhöfen, Meßplätzen
und an andern öffentlichen Orten, ja selbst in Gasthöfen, die ihm
das eigene sichere Haus ersetzen sollen, auf den gedruckten War-
nungstafeln die Unsicherheit und Schutzlosigkeit des socialen Lebens
proclamirt findet, dessen behaglichen Frieden er gerade von der
warnenden Person oder Behörde zunächst verlangt. Aber eben-

1) Natürlich feiert aber auch hier die Kunst ihre Triumphe im Zuplanten
der geleerten Geldbörsen. Die fast jedem großen Taschendieb nacherzählte be-
rühmte Anekdote von der Verwandelung des Geldes in Koth stammt von dem
1707 zu Tyburn hingerichteten John Hall her, der auf dem Viehmarkt zu
Smithfield einem Viehhändler einen Beutel mit 30 Pfund Sterling stahl, und
ihm den darauf, zur Ehre der Kunst, mit Koth gefüllten Beutel wieder so
geschickt in die Tasche zu prakticiren wußte, daß der Viehhändler hoch und
heilig schwur, noch vor einer kleinen Weile 30 Pfund gehabt zu haben, und
steif an die Einwirkung des Teufels glaubte.
2) Als der berüchtigte Sawney Douglas einmal der Tochter des Apo-
thekers Knowles in Westminster 32 Perlen gestohlen und verschluckt hatte,
wurde er gezwungen zwei heroische Dosen eines Vomitivs einzunehmen, wo-
durch er denn freilich mit der qualvollsten Anstrengung die Perlen, von denen
die letzte besonders hartnäckig war, wieder in den Besitz der Damnificatin
brachte (vgl. Smith, S. 714 fg., der die Geschichte mit großem Humor in
der Biographie des Douglas erzählt).
3) Vgl. Kapitel 24, 34 u. 58.

und er alſo den Diebſtahl deſto kecker leugnen kann. Beſteht der
Diebſtahl in Geld, ſo wirft der Torfdrucker das Behältniß, Beutel,
Portemonnaie, baldthunlichſt von ſich, und iſt gewiß, daß ihn der
Beſitz des bloßen Geldes nicht mehr verdächtigen oder überführen
kann, als jeden Andern in der Nähe, welcher Geld in der Taſche
hat. 1) Werthvolle kleinere Sachen, wie Brillantſteine, Perlen
u. ſ. w., werden auch wol in den Mund geſteckt, oder gar ver-
ſchluckt 2), oder auch wol in die Naſenhöhlen oder in die Ohren
und ſonſtige Cavitäten geſteckt 3), oder heimlich dem wohldreſſirten
Hunde hingeworfen, der damit fortläuft und nur von ſeinem
Herrn oder deſſen bekannten Genoſſen ſich anhalten läßt.

Dem offenen geſelligen deutſchen Weſen widerſtrebt der Zwang,
den ihm die Sorge für die Sicherheit der Perſon und des Ei-
genthums im ſocialen Verkehr auflegt. Es erfüllt den Deutſchen
vor allem mit Misbehagen, wenn er an Bahnhöfen, Meßplätzen
und an andern öffentlichen Orten, ja ſelbſt in Gaſthöfen, die ihm
das eigene ſichere Haus erſetzen ſollen, auf den gedruckten War-
nungstafeln die Unſicherheit und Schutzloſigkeit des ſocialen Lebens
proclamirt findet, deſſen behaglichen Frieden er gerade von der
warnenden Perſon oder Behörde zunächſt verlangt. Aber eben-

1) Natürlich feiert aber auch hier die Kunſt ihre Triumphe im Zuplanten
der geleerten Geldbörſen. Die faſt jedem großen Taſchendieb nacherzählte be-
rühmte Anekdote von der Verwandelung des Geldes in Koth ſtammt von dem
1707 zu Tyburn hingerichteten John Hall her, der auf dem Viehmarkt zu
Smithfield einem Viehhändler einen Beutel mit 30 Pfund Sterling ſtahl, und
ihm den darauf, zur Ehre der Kunſt, mit Koth gefüllten Beutel wieder ſo
geſchickt in die Taſche zu prakticiren wußte, daß der Viehhändler hoch und
heilig ſchwur, noch vor einer kleinen Weile 30 Pfund gehabt zu haben, und
ſteif an die Einwirkung des Teufels glaubte.
2) Als der berüchtigte Sawney Douglas einmal der Tochter des Apo-
thekers Knowles in Weſtminſter 32 Perlen geſtohlen und verſchluckt hatte,
wurde er gezwungen zwei heroiſche Doſen eines Vomitivs einzunehmen, wo-
durch er denn freilich mit der qualvollſten Anſtrengung die Perlen, von denen
die letzte beſonders hartnäckig war, wieder in den Beſitz der Damnificatin
brachte (vgl. Smith, S. 714 fg., der die Geſchichte mit großem Humor in
der Biographie des Douglas erzählt).
3) Vgl. Kapitel 24, 34 u. 58.
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[231/0243] und er alſo den Diebſtahl deſto kecker leugnen kann. Beſteht der Diebſtahl in Geld, ſo wirft der Torfdrucker das Behältniß, Beutel, Portemonnaie, baldthunlichſt von ſich, und iſt gewiß, daß ihn der Beſitz des bloßen Geldes nicht mehr verdächtigen oder überführen kann, als jeden Andern in der Nähe, welcher Geld in der Taſche hat. 1) Werthvolle kleinere Sachen, wie Brillantſteine, Perlen u. ſ. w., werden auch wol in den Mund geſteckt, oder gar ver- ſchluckt 2), oder auch wol in die Naſenhöhlen oder in die Ohren und ſonſtige Cavitäten geſteckt 3), oder heimlich dem wohldreſſirten Hunde hingeworfen, der damit fortläuft und nur von ſeinem Herrn oder deſſen bekannten Genoſſen ſich anhalten läßt. Dem offenen geſelligen deutſchen Weſen widerſtrebt der Zwang, den ihm die Sorge für die Sicherheit der Perſon und des Ei- genthums im ſocialen Verkehr auflegt. Es erfüllt den Deutſchen vor allem mit Misbehagen, wenn er an Bahnhöfen, Meßplätzen und an andern öffentlichen Orten, ja ſelbſt in Gaſthöfen, die ihm das eigene ſichere Haus erſetzen ſollen, auf den gedruckten War- nungstafeln die Unſicherheit und Schutzloſigkeit des ſocialen Lebens proclamirt findet, deſſen behaglichen Frieden er gerade von der warnenden Perſon oder Behörde zunächſt verlangt. Aber eben- 1) Natürlich feiert aber auch hier die Kunſt ihre Triumphe im Zuplanten der geleerten Geldbörſen. Die faſt jedem großen Taſchendieb nacherzählte be- rühmte Anekdote von der Verwandelung des Geldes in Koth ſtammt von dem 1707 zu Tyburn hingerichteten John Hall her, der auf dem Viehmarkt zu Smithfield einem Viehhändler einen Beutel mit 30 Pfund Sterling ſtahl, und ihm den darauf, zur Ehre der Kunſt, mit Koth gefüllten Beutel wieder ſo geſchickt in die Taſche zu prakticiren wußte, daß der Viehhändler hoch und heilig ſchwur, noch vor einer kleinen Weile 30 Pfund gehabt zu haben, und ſteif an die Einwirkung des Teufels glaubte. 2) Als der berüchtigte Sawney Douglas einmal der Tochter des Apo- thekers Knowles in Weſtminſter 32 Perlen geſtohlen und verſchluckt hatte, wurde er gezwungen zwei heroiſche Doſen eines Vomitivs einzunehmen, wo- durch er denn freilich mit der qualvollſten Anſtrengung die Perlen, von denen die letzte beſonders hartnäckig war, wieder in den Beſitz der Damnificatin brachte (vgl. Smith, S. 714 fg., der die Geſchichte mit großem Humor in der Biographie des Douglas erzählt). 3) Vgl. Kapitel 24, 34 u. 58.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/243>, abgerufen am 28.11.2024.