Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Koffer 1) unter dem Kutschersitz angebracht werden, wenn nicht im
Wagen selbst unter den Sitzen, oder in einem mit dem Wagen
verbundenen, nur von innen zugänglichen, mit Blech gefutterten
Magazin hinter dem Wagenkasten. Jst die Anbringung der Koffer
auf dem Packbrete hinter dem Wagen nicht zu vermeiden, so sind
mit spitzen Zinken versehene eiserne Gliederstangen, welche über
den Koffer gelegt und mit einer schließbaren Querstange befestigt
werden, ein sicheres Mittel, dem Golehopser das Aufspringen und
Aufsetzen unmöglich zu machen, weil das Stoßen des Wagens
dem Golehopser keinen festen Sitz auf dem Koffer gewährt und
ihn daher schweren Verwundungen aussetzt, ohne daß er seinen
Zweck erreicht. 2)

Zum Goleschächten sind noch die Diebstähle zu rechnen, welche
auf den Eisenbahnen während der Fahrt in den Gepäckwagen an

stähle noch mehr beschränkt werden. Ueber die Sicherheitsmaßregeln gegen
Posträuber sagt Falkenberg, a. a. O., I, 172--184, viel Vortreffliches und
Beherzigenswerthes. Vgl. Hirt, "Der Diebstahl", S. 88--103.
1) Es ist hier nur von hölzernen Koffern die Rede. Lederne Koffer lassen
sich schwer an den Wagen befestigen, und sind immer leicht ab- oder aufzu-
schneiden. Am besten sind für die Unterbringung von ledernen Koffern und
Reisesäcken hölzerne Magazine, welche an dem Wagen gut befestigt und äußer-
lich gesichert sind.
2) Unter allen Umständen erscheint es bedenklich, unterwegs Reisenden die
Bitte um Aufnahme zur Mitfahrt auf dem Bocke neben dem Kutscher zu ge-
währen. Bei ostentirter Hülflosigkeit mache man jedenfalls lieber Anzeige im
nächsten Orte oder Hause. Die Geschichte der Post- und Reisewagenberau-
bungen lehrt nur zu eindringlich, daß die Aufnahme solcher angeblicher Hülf-
loser oder sogenannter blinder Passagiere nichts weiter war, als ein Vertuss, der
zur Förderung eines räuberischen Ueberfalls durch eine nahe lauernde Bande
gemacht wurde. Besonders wimmelt die französische und englische Gauner-
geschichte von Beispielen hülfloser Frauenzimmer auf der Landstraße, welche
sich später als verkleidete Räuber auswiesen. Noch ganz neuerlich brachten
die Zeitungen einen solchen Fall aus der Nähe von Paris, in welchem der
Besitzer eines Cabriolets die aus Mitleid von ihm aufgenommene Dame als-
bald als Räuber erkannte, durch listiges Niederwerfen seines Schnupftuchs zum
Absteigen bewog, und sodann eiligst davon floh. Zum mindesten kann ein
sogenannter blinder Passagier den Kutscher meistern, daß er den Golehopser
hinten auf dem Wagen nicht bemerkt.

Koffer 1) unter dem Kutſcherſitz angebracht werden, wenn nicht im
Wagen ſelbſt unter den Sitzen, oder in einem mit dem Wagen
verbundenen, nur von innen zugänglichen, mit Blech gefutterten
Magazin hinter dem Wagenkaſten. Jſt die Anbringung der Koffer
auf dem Packbrete hinter dem Wagen nicht zu vermeiden, ſo ſind
mit ſpitzen Zinken verſehene eiſerne Gliederſtangen, welche über
den Koffer gelegt und mit einer ſchließbaren Querſtange befeſtigt
werden, ein ſicheres Mittel, dem Golehopſer das Aufſpringen und
Aufſetzen unmöglich zu machen, weil das Stoßen des Wagens
dem Golehopſer keinen feſten Sitz auf dem Koffer gewährt und
ihn daher ſchweren Verwundungen ausſetzt, ohne daß er ſeinen
Zweck erreicht. 2)

Zum Goleſchächten ſind noch die Diebſtähle zu rechnen, welche
auf den Eiſenbahnen während der Fahrt in den Gepäckwagen an

ſtähle noch mehr beſchränkt werden. Ueber die Sicherheitsmaßregeln gegen
Poſträuber ſagt Falkenberg, a. a. O., I, 172—184, viel Vortreffliches und
Beherzigenswerthes. Vgl. Hirt, „Der Diebſtahl“, S. 88—103.
1) Es iſt hier nur von hölzernen Koffern die Rede. Lederne Koffer laſſen
ſich ſchwer an den Wagen befeſtigen, und ſind immer leicht ab- oder aufzu-
ſchneiden. Am beſten ſind für die Unterbringung von ledernen Koffern und
Reiſeſäcken hölzerne Magazine, welche an dem Wagen gut befeſtigt und äußer-
lich geſichert ſind.
2) Unter allen Umſtänden erſcheint es bedenklich, unterwegs Reiſenden die
Bitte um Aufnahme zur Mitfahrt auf dem Bocke neben dem Kutſcher zu ge-
währen. Bei oſtentirter Hülfloſigkeit mache man jedenfalls lieber Anzeige im
nächſten Orte oder Hauſe. Die Geſchichte der Poſt- und Reiſewagenberau-
bungen lehrt nur zu eindringlich, daß die Aufnahme ſolcher angeblicher Hülf-
loſer oder ſogenannter blinder Paſſagiere nichts weiter war, als ein Vertuſſ, der
zur Förderung eines räuberiſchen Ueberfalls durch eine nahe lauernde Bande
gemacht wurde. Beſonders wimmelt die franzöſiſche und engliſche Gauner-
geſchichte von Beiſpielen hülfloſer Frauenzimmer auf der Landſtraße, welche
ſich ſpäter als verkleidete Räuber auswieſen. Noch ganz neuerlich brachten
die Zeitungen einen ſolchen Fall aus der Nähe von Paris, in welchem der
Beſitzer eines Cabriolets die aus Mitleid von ihm aufgenommene Dame als-
bald als Räuber erkannte, durch liſtiges Niederwerfen ſeines Schnupftuchs zum
Abſteigen bewog, und ſodann eiligſt davon floh. Zum mindeſten kann ein
ſogenannter blinder Paſſagier den Kutſcher meiſtern, daß er den Golehopſer
hinten auf dem Wagen nicht bemerkt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0254" n="242"/>
Koffer <note place="foot" n="1)">Es i&#x017F;t hier nur von hölzernen Koffern die Rede. Lederne Koffer la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chwer an den Wagen befe&#x017F;tigen, und &#x017F;ind immer leicht ab- oder aufzu-<lb/>
&#x017F;chneiden. Am be&#x017F;ten &#x017F;ind für die Unterbringung von ledernen Koffern und<lb/>
Rei&#x017F;e&#x017F;äcken hölzerne Magazine, welche an dem Wagen gut befe&#x017F;tigt und äußer-<lb/>
lich ge&#x017F;ichert &#x017F;ind.</note> unter dem Kut&#x017F;cher&#x017F;itz angebracht werden, wenn nicht im<lb/>
Wagen &#x017F;elb&#x017F;t unter den Sitzen, oder in einem mit dem Wagen<lb/>
verbundenen, nur von innen zugänglichen, mit Blech gefutterten<lb/>
Magazin hinter dem Wagenka&#x017F;ten. J&#x017F;t die Anbringung der Koffer<lb/>
auf dem Packbrete hinter dem Wagen nicht zu vermeiden, &#x017F;o &#x017F;ind<lb/>
mit &#x017F;pitzen Zinken ver&#x017F;ehene ei&#x017F;erne Glieder&#x017F;tangen, welche über<lb/>
den Koffer gelegt und mit einer &#x017F;chließbaren Quer&#x017F;tange befe&#x017F;tigt<lb/>
werden, ein &#x017F;icheres Mittel, dem Golehop&#x017F;er das Auf&#x017F;pringen und<lb/>
Auf&#x017F;etzen unmöglich zu machen, weil das Stoßen des Wagens<lb/>
dem Golehop&#x017F;er keinen fe&#x017F;ten Sitz auf dem Koffer gewährt und<lb/>
ihn daher &#x017F;chweren Verwundungen aus&#x017F;etzt, ohne daß er &#x017F;einen<lb/>
Zweck erreicht. <note place="foot" n="2)">Unter allen Um&#x017F;tänden er&#x017F;cheint es bedenklich, unterwegs Rei&#x017F;enden die<lb/>
Bitte um Aufnahme zur Mitfahrt auf dem Bocke neben dem Kut&#x017F;cher zu ge-<lb/>
währen. Bei o&#x017F;tentirter Hülflo&#x017F;igkeit mache man jedenfalls lieber Anzeige im<lb/>
näch&#x017F;ten Orte oder Hau&#x017F;e. Die Ge&#x017F;chichte der Po&#x017F;t- und Rei&#x017F;ewagenberau-<lb/>
bungen lehrt nur zu eindringlich, daß die Aufnahme &#x017F;olcher angeblicher Hülf-<lb/>
lo&#x017F;er oder &#x017F;ogenannter blinder Pa&#x017F;&#x017F;agiere nichts weiter war, als ein Vertu&#x017F;&#x017F;, der<lb/>
zur Förderung eines räuberi&#x017F;chen Ueberfalls durch eine nahe lauernde Bande<lb/>
gemacht wurde. Be&#x017F;onders wimmelt die franzö&#x017F;i&#x017F;che und engli&#x017F;che Gauner-<lb/>
ge&#x017F;chichte von Bei&#x017F;pielen hülflo&#x017F;er Frauenzimmer auf der Land&#x017F;traße, welche<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;päter als verkleidete Räuber auswie&#x017F;en. Noch ganz neuerlich brachten<lb/>
die Zeitungen einen &#x017F;olchen Fall aus der Nähe von Paris, in welchem der<lb/>
Be&#x017F;itzer eines Cabriolets die aus Mitleid von ihm aufgenommene Dame als-<lb/>
bald als Räuber erkannte, durch li&#x017F;tiges Niederwerfen &#x017F;eines Schnupftuchs zum<lb/>
Ab&#x017F;teigen bewog, und &#x017F;odann eilig&#x017F;t davon floh. Zum minde&#x017F;ten kann ein<lb/>
&#x017F;ogenannter blinder Pa&#x017F;&#x017F;agier den Kut&#x017F;cher mei&#x017F;tern, daß er den Golehop&#x017F;er<lb/>
hinten auf dem Wagen nicht bemerkt.</note></p><lb/>
              <p>Zum Gole&#x017F;chächten &#x017F;ind noch die Dieb&#x017F;tähle zu rechnen, welche<lb/>
auf den Ei&#x017F;enbahnen während der Fahrt in den Gepäckwagen an<lb/><note xml:id="seg2pn_30_2" prev="#seg2pn_30_1" place="foot" n="2)">&#x017F;tähle noch mehr be&#x017F;chränkt werden. Ueber die Sicherheitsmaßregeln gegen<lb/>
Po&#x017F;träuber &#x017F;agt Falkenberg, a. a. O., <hi rendition="#aq">I,</hi> 172&#x2014;184, viel Vortreffliches und<lb/>
Beherzigenswerthes. Vgl. Hirt, &#x201E;Der Dieb&#x017F;tahl&#x201C;, S. 88&#x2014;103.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0254] Koffer 1) unter dem Kutſcherſitz angebracht werden, wenn nicht im Wagen ſelbſt unter den Sitzen, oder in einem mit dem Wagen verbundenen, nur von innen zugänglichen, mit Blech gefutterten Magazin hinter dem Wagenkaſten. Jſt die Anbringung der Koffer auf dem Packbrete hinter dem Wagen nicht zu vermeiden, ſo ſind mit ſpitzen Zinken verſehene eiſerne Gliederſtangen, welche über den Koffer gelegt und mit einer ſchließbaren Querſtange befeſtigt werden, ein ſicheres Mittel, dem Golehopſer das Aufſpringen und Aufſetzen unmöglich zu machen, weil das Stoßen des Wagens dem Golehopſer keinen feſten Sitz auf dem Koffer gewährt und ihn daher ſchweren Verwundungen ausſetzt, ohne daß er ſeinen Zweck erreicht. 2) Zum Goleſchächten ſind noch die Diebſtähle zu rechnen, welche auf den Eiſenbahnen während der Fahrt in den Gepäckwagen an 2) 1) Es iſt hier nur von hölzernen Koffern die Rede. Lederne Koffer laſſen ſich ſchwer an den Wagen befeſtigen, und ſind immer leicht ab- oder aufzu- ſchneiden. Am beſten ſind für die Unterbringung von ledernen Koffern und Reiſeſäcken hölzerne Magazine, welche an dem Wagen gut befeſtigt und äußer- lich geſichert ſind. 2) Unter allen Umſtänden erſcheint es bedenklich, unterwegs Reiſenden die Bitte um Aufnahme zur Mitfahrt auf dem Bocke neben dem Kutſcher zu ge- währen. Bei oſtentirter Hülfloſigkeit mache man jedenfalls lieber Anzeige im nächſten Orte oder Hauſe. Die Geſchichte der Poſt- und Reiſewagenberau- bungen lehrt nur zu eindringlich, daß die Aufnahme ſolcher angeblicher Hülf- loſer oder ſogenannter blinder Paſſagiere nichts weiter war, als ein Vertuſſ, der zur Förderung eines räuberiſchen Ueberfalls durch eine nahe lauernde Bande gemacht wurde. Beſonders wimmelt die franzöſiſche und engliſche Gauner- geſchichte von Beiſpielen hülfloſer Frauenzimmer auf der Landſtraße, welche ſich ſpäter als verkleidete Räuber auswieſen. Noch ganz neuerlich brachten die Zeitungen einen ſolchen Fall aus der Nähe von Paris, in welchem der Beſitzer eines Cabriolets die aus Mitleid von ihm aufgenommene Dame als- bald als Räuber erkannte, durch liſtiges Niederwerfen ſeines Schnupftuchs zum Abſteigen bewog, und ſodann eiligſt davon floh. Zum mindeſten kann ein ſogenannter blinder Paſſagier den Kutſcher meiſtern, daß er den Golehopſer hinten auf dem Wagen nicht bemerkt. 2) ſtähle noch mehr beſchränkt werden. Ueber die Sicherheitsmaßregeln gegen Poſträuber ſagt Falkenberg, a. a. O., I, 172—184, viel Vortreffliches und Beherzigenswerthes. Vgl. Hirt, „Der Diebſtahl“, S. 88—103.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/254
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/254>, abgerufen am 26.04.2024.