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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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von Hochstapplern, Medinegeiern, Paschkusenern u. s. w. (wie von
den frühern Felingern) betrieben wird, wenn sie den Schuck ab-
halten oder Strade halten.



Siebzigstes Kapitel.
b) Das Wahrsagen.

Der schon im fernsten Alterthum erkennbare, zu einer Menge
von Mitteln und Formen der verschiedensten Art greifende Hang
des Menschen, zukünftige Dinge vorherzusehen und dazu eine vor-
zugsweise Begabung zu erlangen, welche besonders den mit der
Gottheit näher in Verbindung stehenden Priestern und Priesterin-
nen zugeschrieben wurde, ist auch schon im ältesten deutschen
Heidenthume sichtbar, wo nicht nur die Alrunen 1) aus dem Blute
der geopferten Gefangenen, sondern auch die Familienväter aus
dem Looswerfen, Vogelflug, Pferdewiehern, Begegnen von Thieren
u. s. w. weissagten. Neben diesem Göttercultus bildete sich jedoch,
wie Grimm, a. a. O., S. 579, treffend bemerkt, ausnahms-
weise,
nicht als Gegensatz, die Zauberei aus, welche höhere ge-
heime Kräfte schädlich wirken läßt. Die Zauberei wurde im ger-
manischen Heidenthum vorzugsweise den Frauen zugeschrieben,
welche sich zusammenthaten und in größern Versammlungen ihr
Wesen trieben. Das Christenthum bildete diese vorgefundene,
durchaus heidnische Erscheinung weiter aus, und gab manche Zu-
thaten dazu. 2) Allmählich drängte sich die dem deutschen Heiden-

1) Vgl. Jakob Grimm, "Deutsche Mythologie", S. 224 fg.
2) Merkwürdig ist "Lex Salic.", Tit. 67, wo zuerst von Zusammen-
künften der Hexen und vom Kochen im Hexenkessel die Rede ist (I) und wo
(III) die stria, quae hominem comederit, 200 solidi büßen soll. Georgisch,
C. J. G. A., S. 126 u. 127. Grimm beweist a. a. O., S. 587 fg., daß
bis auf die jüngste Zeit in dem ganzen Hexenwesen noch ein offenbarer Zu-
sammenhang mit den Opfern, Volksversammlungen und der Geisterwelt der
alten Deutschen zu erkennen ist.

von Hochſtapplern, Medinegeiern, Paſchkuſenern u. ſ. w. (wie von
den frühern Felingern) betrieben wird, wenn ſie den Schuck ab-
halten oder Strade halten.



Siebzigſtes Kapitel.
β) Das Wahrſagen.

Der ſchon im fernſten Alterthum erkennbare, zu einer Menge
von Mitteln und Formen der verſchiedenſten Art greifende Hang
des Menſchen, zukünftige Dinge vorherzuſehen und dazu eine vor-
zugsweiſe Begabung zu erlangen, welche beſonders den mit der
Gottheit näher in Verbindung ſtehenden Prieſtern und Prieſterin-
nen zugeſchrieben wurde, iſt auch ſchon im älteſten deutſchen
Heidenthume ſichtbar, wo nicht nur die Alrunen 1) aus dem Blute
der geopferten Gefangenen, ſondern auch die Familienväter aus
dem Looswerfen, Vogelflug, Pferdewiehern, Begegnen von Thieren
u. ſ. w. weiſſagten. Neben dieſem Göttercultus bildete ſich jedoch,
wie Grimm, a. a. O., S. 579, treffend bemerkt, ausnahms-
weiſe,
nicht als Gegenſatz, die Zauberei aus, welche höhere ge-
heime Kräfte ſchädlich wirken läßt. Die Zauberei wurde im ger-
maniſchen Heidenthum vorzugsweiſe den Frauen zugeſchrieben,
welche ſich zuſammenthaten und in größern Verſammlungen ihr
Weſen trieben. Das Chriſtenthum bildete dieſe vorgefundene,
durchaus heidniſche Erſcheinung weiter aus, und gab manche Zu-
thaten dazu. 2) Allmählich drängte ſich die dem deutſchen Heiden-

1) Vgl. Jakob Grimm, „Deutſche Mythologie“, S. 224 fg.
2) Merkwürdig iſt „Lex Salic.“, Tit. 67, wo zuerſt von Zuſammen-
künften der Hexen und vom Kochen im Hexenkeſſel die Rede iſt (I) und wo
(III) die stria, quae hominem comederit, 200 solidi büßen ſoll. Georgiſch,
C. J. G. A., S. 126 u. 127. Grimm beweiſt a. a. O., S. 587 fg., daß
bis auf die jüngſte Zeit in dem ganzen Hexenweſen noch ein offenbarer Zu-
ſammenhang mit den Opfern, Volksverſammlungen und der Geiſterwelt der
alten Deutſchen zu erkennen iſt.
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[249/0261] von Hochſtapplern, Medinegeiern, Paſchkuſenern u. ſ. w. (wie von den frühern Felingern) betrieben wird, wenn ſie den Schuck ab- halten oder Strade halten. Siebzigſtes Kapitel. β) Das Wahrſagen. Der ſchon im fernſten Alterthum erkennbare, zu einer Menge von Mitteln und Formen der verſchiedenſten Art greifende Hang des Menſchen, zukünftige Dinge vorherzuſehen und dazu eine vor- zugsweiſe Begabung zu erlangen, welche beſonders den mit der Gottheit näher in Verbindung ſtehenden Prieſtern und Prieſterin- nen zugeſchrieben wurde, iſt auch ſchon im älteſten deutſchen Heidenthume ſichtbar, wo nicht nur die Alrunen 1) aus dem Blute der geopferten Gefangenen, ſondern auch die Familienväter aus dem Looswerfen, Vogelflug, Pferdewiehern, Begegnen von Thieren u. ſ. w. weiſſagten. Neben dieſem Göttercultus bildete ſich jedoch, wie Grimm, a. a. O., S. 579, treffend bemerkt, ausnahms- weiſe, nicht als Gegenſatz, die Zauberei aus, welche höhere ge- heime Kräfte ſchädlich wirken läßt. Die Zauberei wurde im ger- maniſchen Heidenthum vorzugsweiſe den Frauen zugeſchrieben, welche ſich zuſammenthaten und in größern Verſammlungen ihr Weſen trieben. Das Chriſtenthum bildete dieſe vorgefundene, durchaus heidniſche Erſcheinung weiter aus, und gab manche Zu- thaten dazu. 2) Allmählich drängte ſich die dem deutſchen Heiden- 1) Vgl. Jakob Grimm, „Deutſche Mythologie“, S. 224 fg. 2) Merkwürdig iſt „Lex Salic.“, Tit. 67, wo zuerſt von Zuſammen- künften der Hexen und vom Kochen im Hexenkeſſel die Rede iſt (I) und wo (III) die stria, quae hominem comederit, 200 solidi büßen ſoll. Georgiſch, C. J. G. A., S. 126 u. 127. Grimm beweiſt a. a. O., S. 587 fg., daß bis auf die jüngſte Zeit in dem ganzen Hexenweſen noch ein offenbarer Zu- ſammenhang mit den Opfern, Volksverſammlungen und der Geiſterwelt der alten Deutſchen zu erkennen iſt.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/261>, abgerufen am 26.04.2024.