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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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und gezwungen diese auch sehr oft erscheint. Die christliche Zauber-
mystik war und blieb aber eine ungeheuere Verblendung und
Verwirrung, sodaß kaum ein einziger gesunder klarer Gedanke aus
ihr herausgezogen werden kann. Die ganze Menge deutscher
Zauberbücher, und die aus diesen entsprungene, ungeheuere, sinn-
verwirrende Literatur ist daher völlig unverständlich. Nur in
einzelnen Formen und Charakteren erkennt man hier und da die
kabbalistische Form und Eigenheit, aber ohne Beziehung, ohne
Zusammenhang zu und mit einem Ganzen. Gerade in diesen
einzelnen, unverstandenen und verstümmelten kabbalistischen Apho-
rismen liegt der Beweis, wie tief das Geheimniß der Kabbala
von den jüdischen Gelehrten bewahrt, und wie wenig die Kabbala
außer ihnen gekannt und verstanden wurde. 1) Jene kümmerlichen
Brocken konnten aber so wenig der christlichen Zaubermystik Halt
und Consistenz, wie dem Gaunerthum eine überall bestimmte Ge-
legenheit geben, sich darin festzusetzen und die ungeheuere Schwäche
gewerblich auszubeuten. Selbst die von den Jndiern, Arabern
und Chaldäern cultivirte, und als fertige Wissenschaft besonders
durch die Zigeuner repräsentirte und ausgebeutete Chiromantie
verfiel so sehr der verworrenen deutschen Zaubermystik und ihrer
breitgelehrten Behandlung, daß sie, obschon sie sogar als beson-
dere Wissenschaft auf deutschen Universitäten noch zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts gelehrt und in Lehrbüchern, wie z. B. von
Christian Schalitz 2) (1724) als "vom Aberglauben, Vanitäten
und Teuscherey gereinigte Wissenschaft", oder noch später (1769)
von C. A. Peuschel 3) mit der Physiognomie, Metoposkopie u. s. w.

1) So sehr auch der "Schem hamphorasch regis Salamonis" mit christ-
lich-zaubermystischen Zuthaten versetzt ist, so entschieden verräth er doch seinen
Ursprung aus der Kabbala und ist daher, mindestens in vielen einzelnen For-
men, faßlicher und erklärlicher als jedes andere im 16. Jahrhundert und später
zum Vorschein gekommene Zauberbuch.
2) "Die Vom Aberglauben, Vanitaeten und Teuscherey gereinigte Chi-
romantia
und Physiognomia Christian Schalitzens, L. L. A. A. Cultori"
(Frankfurt und Leipzig 1729).
3) "Abhandlung der Physiognomie, Metoposkopie und Chiromantie"
(Leipzig 1769).

und gezwungen dieſe auch ſehr oft erſcheint. Die chriſtliche Zauber-
myſtik war und blieb aber eine ungeheuere Verblendung und
Verwirrung, ſodaß kaum ein einziger geſunder klarer Gedanke aus
ihr herausgezogen werden kann. Die ganze Menge deutſcher
Zauberbücher, und die aus dieſen entſprungene, ungeheuere, ſinn-
verwirrende Literatur iſt daher völlig unverſtändlich. Nur in
einzelnen Formen und Charakteren erkennt man hier und da die
kabbaliſtiſche Form und Eigenheit, aber ohne Beziehung, ohne
Zuſammenhang zu und mit einem Ganzen. Gerade in dieſen
einzelnen, unverſtandenen und verſtümmelten kabbaliſtiſchen Apho-
rismen liegt der Beweis, wie tief das Geheimniß der Kabbala
von den jüdiſchen Gelehrten bewahrt, und wie wenig die Kabbala
außer ihnen gekannt und verſtanden wurde. 1) Jene kümmerlichen
Brocken konnten aber ſo wenig der chriſtlichen Zaubermyſtik Halt
und Conſiſtenz, wie dem Gaunerthum eine überall beſtimmte Ge-
legenheit geben, ſich darin feſtzuſetzen und die ungeheuere Schwäche
gewerblich auszubeuten. Selbſt die von den Jndiern, Arabern
und Chaldäern cultivirte, und als fertige Wiſſenſchaft beſonders
durch die Zigeuner repräſentirte und ausgebeutete Chiromantie
verfiel ſo ſehr der verworrenen deutſchen Zaubermyſtik und ihrer
breitgelehrten Behandlung, daß ſie, obſchon ſie ſogar als beſon-
dere Wiſſenſchaft auf deutſchen Univerſitäten noch zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts gelehrt und in Lehrbüchern, wie z. B. von
Chriſtian Schalitz 2) (1724) als „vom Aberglauben, Vanitäten
und Teuſcherey gereinigte Wiſſenſchaft“, oder noch ſpäter (1769)
von C. A. Peuſchel 3) mit der Phyſiognomie, Metopoſkopie u. ſ. w.

1) So ſehr auch der „Schem hamphorasch regis Salamonis“ mit chriſt-
lich-zaubermyſtiſchen Zuthaten verſetzt iſt, ſo entſchieden verräth er doch ſeinen
Urſprung aus der Kabbala und iſt daher, mindeſtens in vielen einzelnen For-
men, faßlicher und erklärlicher als jedes andere im 16. Jahrhundert und ſpäter
zum Vorſchein gekommene Zauberbuch.
2) „Die Vom Aberglauben, Vanitaeten und Teuſcherey gereinigte Chi-
romantia
und Physiognomia Chriſtian Schalitzens, L. L. A. A. Cultori
(Frankfurt und Leipzig 1729).
3) „Abhandlung der Phyſiognomie, Metopoſkopie und Chiromantie“
(Leipzig 1769).
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[254/0266] und gezwungen dieſe auch ſehr oft erſcheint. Die chriſtliche Zauber- myſtik war und blieb aber eine ungeheuere Verblendung und Verwirrung, ſodaß kaum ein einziger geſunder klarer Gedanke aus ihr herausgezogen werden kann. Die ganze Menge deutſcher Zauberbücher, und die aus dieſen entſprungene, ungeheuere, ſinn- verwirrende Literatur iſt daher völlig unverſtändlich. Nur in einzelnen Formen und Charakteren erkennt man hier und da die kabbaliſtiſche Form und Eigenheit, aber ohne Beziehung, ohne Zuſammenhang zu und mit einem Ganzen. Gerade in dieſen einzelnen, unverſtandenen und verſtümmelten kabbaliſtiſchen Apho- rismen liegt der Beweis, wie tief das Geheimniß der Kabbala von den jüdiſchen Gelehrten bewahrt, und wie wenig die Kabbala außer ihnen gekannt und verſtanden wurde. 1) Jene kümmerlichen Brocken konnten aber ſo wenig der chriſtlichen Zaubermyſtik Halt und Conſiſtenz, wie dem Gaunerthum eine überall beſtimmte Ge- legenheit geben, ſich darin feſtzuſetzen und die ungeheuere Schwäche gewerblich auszubeuten. Selbſt die von den Jndiern, Arabern und Chaldäern cultivirte, und als fertige Wiſſenſchaft beſonders durch die Zigeuner repräſentirte und ausgebeutete Chiromantie verfiel ſo ſehr der verworrenen deutſchen Zaubermyſtik und ihrer breitgelehrten Behandlung, daß ſie, obſchon ſie ſogar als beſon- dere Wiſſenſchaft auf deutſchen Univerſitäten noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts gelehrt und in Lehrbüchern, wie z. B. von Chriſtian Schalitz 2) (1724) als „vom Aberglauben, Vanitäten und Teuſcherey gereinigte Wiſſenſchaft“, oder noch ſpäter (1769) von C. A. Peuſchel 3) mit der Phyſiognomie, Metopoſkopie u. ſ. w. 1) So ſehr auch der „Schem hamphorasch regis Salamonis“ mit chriſt- lich-zaubermyſtiſchen Zuthaten verſetzt iſt, ſo entſchieden verräth er doch ſeinen Urſprung aus der Kabbala und iſt daher, mindeſtens in vielen einzelnen For- men, faßlicher und erklärlicher als jedes andere im 16. Jahrhundert und ſpäter zum Vorſchein gekommene Zauberbuch. 2) „Die Vom Aberglauben, Vanitaeten und Teuſcherey gereinigte Chi- romantia und Physiognomia Chriſtian Schalitzens, L. L. A. A. Cultori“ (Frankfurt und Leipzig 1729). 3) „Abhandlung der Phyſiognomie, Metopoſkopie und Chiromantie“ (Leipzig 1769).

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/266>, abgerufen am 26.11.2024.