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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Fünfundsiebzigstes Kapitel.
e) Die Rochlim.

Das durch die heimlichen Hausirer, Pascher oder Pasch-
kusener, Medinegeier
(vgl. die Etymologie, Kap. 89) in die-
sem oder jenem Kunstzweige mehr oder minder cultivirte Jedionen
wird auch noch als besondere Quacksalberei von den Rochlim
betrieben. Rochel oder Rauchel 1), Plural Rochlim, ist der
umherziehende Kräuter-, Olitäten- und Spezereihändler, ambu-
lanter Apotheker, Quacksalber, Wunderdoctor. Schon im Mittel-
alter, und ganz besonders später im 17. und 18. Jahrhundert bis
tief in das 19. Jahrhundert hinein, spielten die ambulanten Ta-
buletkrämer unter dem Namen Felinger (vgl. Kap. 60) eine
große Rolle, und trieben den ärgsten Betrug als Quacksalber,
Zauberer, Schatzgräber, Beschwörer u. dgl., welchem Treiben
freilich seit der Einführung einer bessern polizeilichen Aufsicht, und
besonders durch die neuerliche Einführung tüchtiger Medicinal-
ordnungen, allerdings sehr bedeutender Abbruch gethan ist, während
noch zu Anfang dieses Jahrhunderts die "Staatsfelinger", von
Komödianten, Seiltänzern, Gauklern, Affen und Hunden be-
gleitet, in Equipagen einherfuhren, und mit Attestaten und Con-
cessionen versehen, mitten in den Städten auf offenen Plätzen ihre

1) Das jüdisch-deutsche [fremdsprachliches Material - fehlt] (rochel), Plural [fremdsprachliches Material - fehlt] (rochlim), ist vom
hebräischen [fremdsprachliches Material - fehlt] (rogal), herumlaufen, verleumden, zwischentragen, auskund-
schaften, abzuleiten und bedeutet zunächst den Verleumder, Zwischenträger,
Klätscher, und davon, weil die Tabuletkrämer in ihrer Beweglichkeit schon
frühe als besondere Neuigkeitskrämer und Zwischenträger auftraten und ange-
sehen wurden, den Hausirer, Tabuletkrämer, besonders Olitätenhändler. Für
Apotheker ist im Jüdisch-Deutschen das vom hebräischen [fremdsprachliches Material - fehlt] (rokach), wür-
zen, Oel, Salben bereiten, abzuleitende Raukeach mit den übrigen Deriva-
ten: Maisse raukeach, Apothekergeschäft; Raukach und Rikkuach, Sal-
ben; Rakkach, Plural Rakkochim, Salbenbereiter; Rikkocho, Plural
Rikkochoss, Salbenbereiterin; Rekach, und Merkocho, Confitüren; Mer-
kachoss,
wohlriechende Salben und Merkochim, Apothekerwaaren, Con-
fitüren u. s. w. Vgl. Selig, a. a. O., S. 290 u. 294. Ueber das Hausiren
vgl. Kap. 89.
Fünfundſiebzigſtes Kapitel.
η) Die Rochlim.

Das durch die heimlichen Hauſirer, Paſcher oder Paſch-
kuſener, Medinegeier
(vgl. die Etymologie, Kap. 89) in die-
ſem oder jenem Kunſtzweige mehr oder minder cultivirte Jedionen
wird auch noch als beſondere Quackſalberei von den Rochlim
betrieben. Rochel oder Rauchel 1), Plural Rochlim, iſt der
umherziehende Kräuter-, Olitäten- und Spezereihändler, ambu-
lanter Apotheker, Quackſalber, Wunderdoctor. Schon im Mittel-
alter, und ganz beſonders ſpäter im 17. und 18. Jahrhundert bis
tief in das 19. Jahrhundert hinein, ſpielten die ambulanten Ta-
buletkrämer unter dem Namen Felinger (vgl. Kap. 60) eine
große Rolle, und trieben den ärgſten Betrug als Quackſalber,
Zauberer, Schatzgräber, Beſchwörer u. dgl., welchem Treiben
freilich ſeit der Einführung einer beſſern polizeilichen Aufſicht, und
beſonders durch die neuerliche Einführung tüchtiger Medicinal-
ordnungen, allerdings ſehr bedeutender Abbruch gethan iſt, während
noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts die „Staatsfelinger“, von
Komödianten, Seiltänzern, Gauklern, Affen und Hunden be-
gleitet, in Equipagen einherfuhren, und mit Atteſtaten und Con-
ceſſionen verſehen, mitten in den Städten auf offenen Plätzen ihre

1) Das jüdiſch-deutſche [fremdsprachliches Material – fehlt] (rochel), Plural [fremdsprachliches Material – fehlt] (rochlim), iſt vom
hebräiſchen [fremdsprachliches Material – fehlt] (rogal), herumlaufen, verleumden, zwiſchentragen, auskund-
ſchaften, abzuleiten und bedeutet zunächſt den Verleumder, Zwiſchenträger,
Klätſcher, und davon, weil die Tabuletkrämer in ihrer Beweglichkeit ſchon
frühe als beſondere Neuigkeitskrämer und Zwiſchenträger auftraten und ange-
ſehen wurden, den Hauſirer, Tabuletkrämer, beſonders Olitätenhändler. Für
Apotheker iſt im Jüdiſch-Deutſchen das vom hebräiſchen [fremdsprachliches Material – fehlt] (rokach), wür-
zen, Oel, Salben bereiten, abzuleitende Raukeach mit den übrigen Deriva-
ten: Maiſſe raukeach, Apothekergeſchäft; Raukach und Rikkuach, Sal-
ben; Rakkach, Plural Rakkochim, Salbenbereiter; Rikkocho, Plural
Rikkochoſſ, Salbenbereiterin; Rekach, und Merkocho, Confitüren; Mer-
kachoſſ,
wohlriechende Salben und Merkochim, Apothekerwaaren, Con-
fitüren u. ſ. w. Vgl. Selig, a. a. O., S. 290 u. 294. Ueber das Hauſiren
vgl. Kap. 89.
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[270/0282] Fünfundſiebzigſtes Kapitel. η) Die Rochlim. Das durch die heimlichen Hauſirer, Paſcher oder Paſch- kuſener, Medinegeier (vgl. die Etymologie, Kap. 89) in die- ſem oder jenem Kunſtzweige mehr oder minder cultivirte Jedionen wird auch noch als beſondere Quackſalberei von den Rochlim betrieben. Rochel oder Rauchel 1), Plural Rochlim, iſt der umherziehende Kräuter-, Olitäten- und Spezereihändler, ambu- lanter Apotheker, Quackſalber, Wunderdoctor. Schon im Mittel- alter, und ganz beſonders ſpäter im 17. und 18. Jahrhundert bis tief in das 19. Jahrhundert hinein, ſpielten die ambulanten Ta- buletkrämer unter dem Namen Felinger (vgl. Kap. 60) eine große Rolle, und trieben den ärgſten Betrug als Quackſalber, Zauberer, Schatzgräber, Beſchwörer u. dgl., welchem Treiben freilich ſeit der Einführung einer beſſern polizeilichen Aufſicht, und beſonders durch die neuerliche Einführung tüchtiger Medicinal- ordnungen, allerdings ſehr bedeutender Abbruch gethan iſt, während noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts die „Staatsfelinger“, von Komödianten, Seiltänzern, Gauklern, Affen und Hunden be- gleitet, in Equipagen einherfuhren, und mit Atteſtaten und Con- ceſſionen verſehen, mitten in den Städten auf offenen Plätzen ihre 1) Das jüdiſch-deutſche _ (rochel), Plural _ (rochlim), iſt vom hebräiſchen _ (rogal), herumlaufen, verleumden, zwiſchentragen, auskund- ſchaften, abzuleiten und bedeutet zunächſt den Verleumder, Zwiſchenträger, Klätſcher, und davon, weil die Tabuletkrämer in ihrer Beweglichkeit ſchon frühe als beſondere Neuigkeitskrämer und Zwiſchenträger auftraten und ange- ſehen wurden, den Hauſirer, Tabuletkrämer, beſonders Olitätenhändler. Für Apotheker iſt im Jüdiſch-Deutſchen das vom hebräiſchen _ (rokach), wür- zen, Oel, Salben bereiten, abzuleitende Raukeach mit den übrigen Deriva- ten: Maiſſe raukeach, Apothekergeſchäft; Raukach und Rikkuach, Sal- ben; Rakkach, Plural Rakkochim, Salbenbereiter; Rikkocho, Plural Rikkochoſſ, Salbenbereiterin; Rekach, und Merkocho, Confitüren; Mer- kachoſſ, wohlriechende Salben und Merkochim, Apothekerwaaren, Con- fitüren u. ſ. w. Vgl. Selig, a. a. O., S. 290 u. 294. Ueber das Hauſiren vgl. Kap. 89.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/282>, abgerufen am 24.04.2024.