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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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lochner sind. Ferner bedient man sich zum Siegeln gerade in
den größten Bureaux am meisten des schlechtesten weichen Siegel-
lacks von schmuziger brauner Farbe, welches gar nicht einmal das
Siegel deutlich und anständig ausdrückt. Zeichnung und Jnschrift
wird auch schon durch den geringen Druck des Falzens oder durch
die Postverpackung verunstaltet, und das Siegel sogar mit andern
Briefen in unzertrennliche Gemeinschaft zusammengeklebt. Auch
die Farbedrucke sind selten leserlich, weil die Stempel nicht ordent-
lich aufgesetzt, sondern, zu ihrem raschen vollständigen Ruin, hastig
aufgeschlagen werden, und dazu auch die Farbe auf den Tupfballen
selten ordentlich behandelt und gehalten wird.

Alle diese offenbaren, nur scheinbar unbedeutenden Nachlässig-
keiten machen den Fleppenmelochnern das Chassimemelochnen sehr
leicht, sodaß nur zu oft sogar ganz plumpe Siegelfälschungen
unbeachtet bleiben. Der Besitz eines Siegelabdrucks oder Gips-
abgusses genügt dem als Graveur auf den Jahrmärkten umher-
reisenden Chassimemelochner, um in unglaublich kurzer Zeit ein
Petschaft besonders auf Zinn und Schiefer 1) herzustellen, das
für eine Menge linker Fleppen ausreicht. Besonders viel werden
die Siegel größerer Bureaux nachgestochen, weil von diesen die
meisten Legitimationsurkunden ausgehen, und im raschen Geschäfts-

1) Bei dem am 17. Juli 1852 zu Bremen verhafteten Fleppenmelochner
Stahlheuer fand die bremer Polizei an Siegeln, welche zum Schwarzdruck auf
Schiefer gravirt waren: das Siegel des königlichen preußischen Ministeriums
des Jnnern; der Polizeidirection zu Bremen, der Stadt Greifswald, der Stadt
Stade; der königlichen Regierung zu Potsdam; des königlichen Polizeipräsi-
diums zu Berlin; des Polizeiamts zu Wittenberge; der Polizeidirection zu
Basel, München, Köln; des Kammergerichts zu Berlin; der königlichen preußi-
schen Regierung zu Stralsund; der Polizeidirection zu Trier; des mecklenburgi-
schen Amts Mirow; der Polizeibehörde zu Hamburg; der Stadt Woldegk und
Neubrandenburg. Allerdings verdient auch die Sapographie, d. h. die von
Ferguson Branson in Sheffield erfundene Kunst, mit großer Leichtigkeit Zeich-
nungen in gewöhnliche Seife zu schneiden und davon Abgüsse von Guttapercha
oder Siegellack zu nehmen, oder auf galvanoplastischem Wege Abdrücke auch
zum Schwarzdruck zu erhalten, große Beachtung (vgl. Percy, a. a. O., S. 517).
Nicht minder beachtenswerth ist das bei Percy, S. 789, dargestellte Verfahren,
mittels der Thermographie Gegenstände durch directes Abdrucken abzubilden.

lochner ſind. Ferner bedient man ſich zum Siegeln gerade in
den größten Bureaux am meiſten des ſchlechteſten weichen Siegel-
lacks von ſchmuziger brauner Farbe, welches gar nicht einmal das
Siegel deutlich und anſtändig ausdrückt. Zeichnung und Jnſchrift
wird auch ſchon durch den geringen Druck des Falzens oder durch
die Poſtverpackung verunſtaltet, und das Siegel ſogar mit andern
Briefen in unzertrennliche Gemeinſchaft zuſammengeklebt. Auch
die Farbedrucke ſind ſelten leſerlich, weil die Stempel nicht ordent-
lich aufgeſetzt, ſondern, zu ihrem raſchen vollſtändigen Ruin, haſtig
aufgeſchlagen werden, und dazu auch die Farbe auf den Tupfballen
ſelten ordentlich behandelt und gehalten wird.

Alle dieſe offenbaren, nur ſcheinbar unbedeutenden Nachläſſig-
keiten machen den Fleppenmelochnern das Chaſſimemelochnen ſehr
leicht, ſodaß nur zu oft ſogar ganz plumpe Siegelfälſchungen
unbeachtet bleiben. Der Beſitz eines Siegelabdrucks oder Gips-
abguſſes genügt dem als Graveur auf den Jahrmärkten umher-
reiſenden Chaſſimemelochner, um in unglaublich kurzer Zeit ein
Petſchaft beſonders auf Zinn und Schiefer 1) herzuſtellen, das
für eine Menge linker Fleppen ausreicht. Beſonders viel werden
die Siegel größerer Bureaux nachgeſtochen, weil von dieſen die
meiſten Legitimationsurkunden ausgehen, und im raſchen Geſchäfts-

1) Bei dem am 17. Juli 1852 zu Bremen verhafteten Fleppenmelochner
Stahlheuer fand die bremer Polizei an Siegeln, welche zum Schwarzdruck auf
Schiefer gravirt waren: das Siegel des königlichen preußiſchen Miniſteriums
des Jnnern; der Polizeidirection zu Bremen, der Stadt Greifswald, der Stadt
Stade; der königlichen Regierung zu Potsdam; des königlichen Polizeipräſi-
diums zu Berlin; des Polizeiamts zu Wittenberge; der Polizeidirection zu
Baſel, München, Köln; des Kammergerichts zu Berlin; der königlichen preußi-
ſchen Regierung zu Stralſund; der Polizeidirection zu Trier; des mecklenburgi-
ſchen Amts Mirow; der Polizeibehörde zu Hamburg; der Stadt Woldegk und
Neubrandenburg. Allerdings verdient auch die Sapographie, d. h. die von
Ferguſon Branſon in Sheffield erfundene Kunſt, mit großer Leichtigkeit Zeich-
nungen in gewöhnliche Seife zu ſchneiden und davon Abgüſſe von Guttapercha
oder Siegellack zu nehmen, oder auf galvanoplaſtiſchem Wege Abdrücke auch
zum Schwarzdruck zu erhalten, große Beachtung (vgl. Percy, a. a. O., S. 517).
Nicht minder beachtenswerth iſt das bei Percy, S. 789, dargeſtellte Verfahren,
mittels der Thermographie Gegenſtände durch directes Abdrucken abzubilden.
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[311/0323] lochner ſind. Ferner bedient man ſich zum Siegeln gerade in den größten Bureaux am meiſten des ſchlechteſten weichen Siegel- lacks von ſchmuziger brauner Farbe, welches gar nicht einmal das Siegel deutlich und anſtändig ausdrückt. Zeichnung und Jnſchrift wird auch ſchon durch den geringen Druck des Falzens oder durch die Poſtverpackung verunſtaltet, und das Siegel ſogar mit andern Briefen in unzertrennliche Gemeinſchaft zuſammengeklebt. Auch die Farbedrucke ſind ſelten leſerlich, weil die Stempel nicht ordent- lich aufgeſetzt, ſondern, zu ihrem raſchen vollſtändigen Ruin, haſtig aufgeſchlagen werden, und dazu auch die Farbe auf den Tupfballen ſelten ordentlich behandelt und gehalten wird. Alle dieſe offenbaren, nur ſcheinbar unbedeutenden Nachläſſig- keiten machen den Fleppenmelochnern das Chaſſimemelochnen ſehr leicht, ſodaß nur zu oft ſogar ganz plumpe Siegelfälſchungen unbeachtet bleiben. Der Beſitz eines Siegelabdrucks oder Gips- abguſſes genügt dem als Graveur auf den Jahrmärkten umher- reiſenden Chaſſimemelochner, um in unglaublich kurzer Zeit ein Petſchaft beſonders auf Zinn und Schiefer 1) herzuſtellen, das für eine Menge linker Fleppen ausreicht. Beſonders viel werden die Siegel größerer Bureaux nachgeſtochen, weil von dieſen die meiſten Legitimationsurkunden ausgehen, und im raſchen Geſchäfts- 1) Bei dem am 17. Juli 1852 zu Bremen verhafteten Fleppenmelochner Stahlheuer fand die bremer Polizei an Siegeln, welche zum Schwarzdruck auf Schiefer gravirt waren: das Siegel des königlichen preußiſchen Miniſteriums des Jnnern; der Polizeidirection zu Bremen, der Stadt Greifswald, der Stadt Stade; der königlichen Regierung zu Potsdam; des königlichen Polizeipräſi- diums zu Berlin; des Polizeiamts zu Wittenberge; der Polizeidirection zu Baſel, München, Köln; des Kammergerichts zu Berlin; der königlichen preußi- ſchen Regierung zu Stralſund; der Polizeidirection zu Trier; des mecklenburgi- ſchen Amts Mirow; der Polizeibehörde zu Hamburg; der Stadt Woldegk und Neubrandenburg. Allerdings verdient auch die Sapographie, d. h. die von Ferguſon Branſon in Sheffield erfundene Kunſt, mit großer Leichtigkeit Zeich- nungen in gewöhnliche Seife zu ſchneiden und davon Abgüſſe von Guttapercha oder Siegellack zu nehmen, oder auf galvanoplaſtiſchem Wege Abdrücke auch zum Schwarzdruck zu erhalten, große Beachtung (vgl. Percy, a. a. O., S. 517). Nicht minder beachtenswerth iſt das bei Percy, S. 789, dargeſtellte Verfahren, mittels der Thermographie Gegenſtände durch directes Abdrucken abzubilden.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/323>, abgerufen am 21.11.2024.