Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.Teufel war nunmehr nicht nur dogmatisch, sondern auch juristisch 1) Eine Menge Beispiele gibt Horst, "Zauberbibliothek", besonders III, 233 fg., und IV, 245 fg. Vgl. in der Literatur "Schauplatz der Be- trieger", "Wunderseltzame Historien" u. s. w. Ganz besonders merkwürdig ist noch das 1587 zu Frankfurt bei Peter Schmid erschienene "Theatrum dia- boli", das auf 1366 Folioseiten den Teufel in allen Formen und Beziehungen abhandelt, und den herrschenden sittlichen Verfall, die Gebrechen und die Verbrechen der Zeit als Teufelswerk und mit einer Teufelsterminologie be- zeichnet, die sogar bis zum "Hosenteufel" hinabgeht. 2) Bemerkenswerth ist, daß in der heutigen Volkssprache der Ausdruck:
"verteufelter Kerl" oder "Teufelskerl" nicht so sehr die moralische Schlech- tigkeit als die Verwegenheit, Unternehmungslust und Geschicklichkeit bezeichnet. -- Eckoldt, der Genosse Lips Tullian's, hatte, als er am 7. Juni 1714 verhört werden sollte, sechs Kugeln in seiner Hutkrämpe, die vom Amts- phyfikus "gar genau untersucht" wurden. Es heißt weiter in den gedruckten Acten, II. 158: "Vermuthlich solten diese Kugeln des Teufels Hülffs-Mittel in der Tortur und vor die Schmertzen derselben sein." Teufel war nunmehr nicht nur dogmatiſch, ſondern auch juriſtiſch 1) Eine Menge Beiſpiele gibt Horſt, „Zauberbibliothek“, beſonders III, 233 fg., und IV, 245 fg. Vgl. in der Literatur „Schauplatz der Be- trieger“, „Wunderſeltzame Hiſtorien“ u. ſ. w. Ganz beſonders merkwürdig iſt noch das 1587 zu Frankfurt bei Peter Schmid erſchienene „Theatrum dia- boli“, das auf 1366 Folioſeiten den Teufel in allen Formen und Beziehungen abhandelt, und den herrſchenden ſittlichen Verfall, die Gebrechen und die Verbrechen der Zeit als Teufelswerk und mit einer Teufelsterminologie be- zeichnet, die ſogar bis zum „Hoſenteufel“ hinabgeht. 2) Bemerkenswerth iſt, daß in der heutigen Volksſprache der Ausdruck:
„verteufelter Kerl“ oder „Teufelskerl“ nicht ſo ſehr die moraliſche Schlech- tigkeit als die Verwegenheit, Unternehmungsluſt und Geſchicklichkeit bezeichnet. — Eckoldt, der Genoſſe Lips Tullian’s, hatte, als er am 7. Juni 1714 verhört werden ſollte, ſechs Kugeln in ſeiner Hutkrämpe, die vom Amts- phyfikus „gar genau unterſucht“ wurden. Es heißt weiter in den gedruckten Acten, II. 158: „Vermuthlich ſolten dieſe Kugeln des Teufels Hülffs-Mittel in der Tortur und vor die Schmertzen derſelben ſein.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0033" n="21"/> Teufel war nunmehr nicht nur dogmatiſch, ſondern auch juriſtiſch<lb/> ſtatuirt, und was jene Dogmen und Scheinwiſſenſchaften zum<lb/> Vorſchein gebracht und verbreitet hatten, wurde nun von ihnen<lb/> ſelbſt fürchterlich gerichtet. Jede auffällige Erſcheinung, jede be-<lb/> ſondere Fertigkeit, jedes unverſtändliche Wort hatte den Schein<lb/> und Verdacht des Teufelsbündniſſes, und war auch der Teufels-<lb/> juſtiz verfallen. Die Chiromanten, Alchymiſten u. ſ. w. glaubten<lb/> an den Teufel und betrogen mit ihm. Kein Wunder, wenn die<lb/> Bauchredner und Wettermacher des 15. u. 16. Jahrhunderts des<lb/> Teufels waren, kein Wunder, daß man den Betrug vor dem<lb/> Aberglauben unbeachtet ließ, und kurz und bündig jeden Verdäch-<lb/> tigen auf der Tortur zwang, ſich zum Teufelsverbündeten zu be-<lb/> kennen. Es iſt bemerkenswerth, daß der raffinirteſte und ſchlaueſte<lb/> Exeget und Protector des Hexenhammers, del Rio, die Zigeuner,<lb/> welche noch zu ſeiner Zeit als die weſentlichſten Repräſentanten<lb/> des Gaunerthums galten, gerade in der Quäſtion von der Chiro-<lb/> mantie abhandelt, nicht zu gedenken der zahlloſen Zauber-, Teufels-<lb/> und Geſpenſtergeſchichten des 17. u. 18. Jahrhunderts, in denen<lb/> meiſtens ſchon die „Gauckelei“ offen zu Tage gelegt wird. <note place="foot" n="1)">Eine Menge Beiſpiele gibt Horſt, „Zauberbibliothek“, beſonders<lb/><hi rendition="#aq">III,</hi> 233 fg., und <hi rendition="#aq">IV,</hi> 245 fg. Vgl. in der Literatur „Schauplatz der Be-<lb/> trieger“, „Wunderſeltzame Hiſtorien“ u. ſ. w. Ganz beſonders merkwürdig<lb/> iſt noch das 1587 zu Frankfurt bei Peter Schmid erſchienene „<hi rendition="#aq">Theatrum dia-<lb/> boli</hi>“, das auf 1366 Folioſeiten den Teufel in allen Formen und Beziehungen<lb/> abhandelt, und den herrſchenden ſittlichen Verfall, die Gebrechen und die<lb/> Verbrechen der Zeit als Teufelswerk und mit einer Teufelsterminologie be-<lb/> zeichnet, die ſogar bis zum „Hoſenteufel“ hinabgeht.</note><lb/> Kein Räuber im Dreißigjährigen Kriege war ohne Bündniß mit<lb/> dem Teufel. <note place="foot" n="2)">Bemerkenswerth iſt, daß in der heutigen Volksſprache der Ausdruck:<lb/> „verteufelter Kerl“ oder „Teufelskerl“ nicht ſo ſehr die moraliſche Schlech-<lb/> tigkeit als die Verwegenheit, Unternehmungsluſt und Geſchicklichkeit bezeichnet.<lb/> — Eckoldt, der Genoſſe Lips Tullian’s, hatte, als er am 7. Juni 1714<lb/> verhört werden ſollte, ſechs Kugeln in ſeiner Hutkrämpe, die vom Amts-<lb/> phyfikus „gar genau unterſucht“ wurden. Es heißt weiter in den gedruckten<lb/> Acten, <hi rendition="#aq">II.</hi> 158: „Vermuthlich ſolten dieſe Kugeln des Teufels Hülffs-Mittel<lb/> in der Tortur und vor die Schmertzen derſelben ſein.“</note> Noch vor hundert Jahren führte der Hundsſattler<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0033]
Teufel war nunmehr nicht nur dogmatiſch, ſondern auch juriſtiſch
ſtatuirt, und was jene Dogmen und Scheinwiſſenſchaften zum
Vorſchein gebracht und verbreitet hatten, wurde nun von ihnen
ſelbſt fürchterlich gerichtet. Jede auffällige Erſcheinung, jede be-
ſondere Fertigkeit, jedes unverſtändliche Wort hatte den Schein
und Verdacht des Teufelsbündniſſes, und war auch der Teufels-
juſtiz verfallen. Die Chiromanten, Alchymiſten u. ſ. w. glaubten
an den Teufel und betrogen mit ihm. Kein Wunder, wenn die
Bauchredner und Wettermacher des 15. u. 16. Jahrhunderts des
Teufels waren, kein Wunder, daß man den Betrug vor dem
Aberglauben unbeachtet ließ, und kurz und bündig jeden Verdäch-
tigen auf der Tortur zwang, ſich zum Teufelsverbündeten zu be-
kennen. Es iſt bemerkenswerth, daß der raffinirteſte und ſchlaueſte
Exeget und Protector des Hexenhammers, del Rio, die Zigeuner,
welche noch zu ſeiner Zeit als die weſentlichſten Repräſentanten
des Gaunerthums galten, gerade in der Quäſtion von der Chiro-
mantie abhandelt, nicht zu gedenken der zahlloſen Zauber-, Teufels-
und Geſpenſtergeſchichten des 17. u. 18. Jahrhunderts, in denen
meiſtens ſchon die „Gauckelei“ offen zu Tage gelegt wird. 1)
Kein Räuber im Dreißigjährigen Kriege war ohne Bündniß mit
dem Teufel. 2) Noch vor hundert Jahren führte der Hundsſattler
1) Eine Menge Beiſpiele gibt Horſt, „Zauberbibliothek“, beſonders
III, 233 fg., und IV, 245 fg. Vgl. in der Literatur „Schauplatz der Be-
trieger“, „Wunderſeltzame Hiſtorien“ u. ſ. w. Ganz beſonders merkwürdig
iſt noch das 1587 zu Frankfurt bei Peter Schmid erſchienene „Theatrum dia-
boli“, das auf 1366 Folioſeiten den Teufel in allen Formen und Beziehungen
abhandelt, und den herrſchenden ſittlichen Verfall, die Gebrechen und die
Verbrechen der Zeit als Teufelswerk und mit einer Teufelsterminologie be-
zeichnet, die ſogar bis zum „Hoſenteufel“ hinabgeht.
2) Bemerkenswerth iſt, daß in der heutigen Volksſprache der Ausdruck:
„verteufelter Kerl“ oder „Teufelskerl“ nicht ſo ſehr die moraliſche Schlech-
tigkeit als die Verwegenheit, Unternehmungsluſt und Geſchicklichkeit bezeichnet.
— Eckoldt, der Genoſſe Lips Tullian’s, hatte, als er am 7. Juni 1714
verhört werden ſollte, ſechs Kugeln in ſeiner Hutkrämpe, die vom Amts-
phyfikus „gar genau unterſucht“ wurden. Es heißt weiter in den gedruckten
Acten, II. 158: „Vermuthlich ſolten dieſe Kugeln des Teufels Hülffs-Mittel
in der Tortur und vor die Schmertzen derſelben ſein.“
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