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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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über die große Menge und Mannichfaltigkeit aller nur denkbarer
Handelsgegenstände erstaunen muß 1), welche man darin findet,
so ist es doch noch erstaunlicher zu sehen, wie in solchen Lagern,
namentlich Manufacturwaarenlagern, so vollständige Assortiments
vorhanden sind, daß man weit eher auf einen bedachten handels-
mäßigen Nachkauf des Defecten, als auf die gelegentliche Comple-
tirung durch Diebstahl schließen sollte. Aus Fabriken und Fabrik-
lagern werden besonders in ganz unglaublicher Menge solche Diebs-
lager begründet und ergänzt. Der Handel der Schärfenspieler
bietet sogar dem Kleinhandel eine sehr ernstliche Concurrenz, welche
in kleinern Binnenstädten, wo der ganze Handel kaum mehr als
Detailhandel ist, schwer empfunden wird, während sie in größern
Handelsstädten, wo der Kleinhandel, als natürlicher und nothwen-
diger Ausfluß des Großhandels, von letzterm gestützt und getragen
wird, weniger fühlbar ist, obgleich auch in den Handelsstädten die
leidige Concurrenz zwischen dem Kleinhandel und dem Schärfen-
spielerhandel den erstern leicht zur Schleuderei überführt.

Trotz der bunten Reichhaltigkeit der Schärfenspielerlager findet
man selten den ganzen Vorrath eines Schärfenspielers an einem
Orte vereinigt. Bei der Gefahr der Entdeckung gebietet die Klug-
heit, die Vorräthe zu vertheilen, die oft in irgendeinem Privat-
hause, in einer nahen Ortschaft oder auf dem Lande, mit oder
ohne Durchstecherei des Vermiethers, untergebracht sind. Jn den
Gaunerherbergen sind hinter Panälen, tapezirten Breterwänden,
zwischen den Zimmerdecken, unter den Fußböden, unter den Steinen

1) Man kann nichts Bunteres und Jnteressanteres sehen, als ein solches
Lager, das auch an Curiositäten, Antiquitäten, Kunstsachen, Hausgeräth, phy-
sikalischen, musikalischen und andern Jnstrumenten, Drucken, Bildern und Stoffen
aller Art oft die Cultur und Jndustrie mehrerer Jahrhunderte repräsentirt, und
für den Sammler eine nicht unwichtige Quelle darbieten würde, wenn diese
Sachen durch den langen und verderblichen Versteck weniger ruinirt wären,
aus welchem sie nur gelegentlich zum Vorschein und Verkauf gebracht werden.
Ebenso sehr ist zu bedauern, daß solche Sachen auch im Depositum der Be-
hörden nicht mit der gehörigen Sorgsamkeit erhalten werden, und daß die
gelegentliche Aufräumung sehr oft auch noch das gänzlich ruinirt, was bis
dahin noch einigermaßen zusammenhielt.

über die große Menge und Mannichfaltigkeit aller nur denkbarer
Handelsgegenſtände erſtaunen muß 1), welche man darin findet,
ſo iſt es doch noch erſtaunlicher zu ſehen, wie in ſolchen Lagern,
namentlich Manufacturwaarenlagern, ſo vollſtändige Aſſortiments
vorhanden ſind, daß man weit eher auf einen bedachten handels-
mäßigen Nachkauf des Defecten, als auf die gelegentliche Comple-
tirung durch Diebſtahl ſchließen ſollte. Aus Fabriken und Fabrik-
lagern werden beſonders in ganz unglaublicher Menge ſolche Diebs-
lager begründet und ergänzt. Der Handel der Schärfenſpieler
bietet ſogar dem Kleinhandel eine ſehr ernſtliche Concurrenz, welche
in kleinern Binnenſtädten, wo der ganze Handel kaum mehr als
Detailhandel iſt, ſchwer empfunden wird, während ſie in größern
Handelsſtädten, wo der Kleinhandel, als natürlicher und nothwen-
diger Ausfluß des Großhandels, von letzterm geſtützt und getragen
wird, weniger fühlbar iſt, obgleich auch in den Handelsſtädten die
leidige Concurrenz zwiſchen dem Kleinhandel und dem Schärfen-
ſpielerhandel den erſtern leicht zur Schleuderei überführt.

Trotz der bunten Reichhaltigkeit der Schärfenſpielerlager findet
man ſelten den ganzen Vorrath eines Schärfenſpielers an einem
Orte vereinigt. Bei der Gefahr der Entdeckung gebietet die Klug-
heit, die Vorräthe zu vertheilen, die oft in irgendeinem Privat-
hauſe, in einer nahen Ortſchaft oder auf dem Lande, mit oder
ohne Durchſtecherei des Vermiethers, untergebracht ſind. Jn den
Gaunerherbergen ſind hinter Panälen, tapezirten Breterwänden,
zwiſchen den Zimmerdecken, unter den Fußböden, unter den Steinen

1) Man kann nichts Bunteres und Jntereſſanteres ſehen, als ein ſolches
Lager, das auch an Curioſitäten, Antiquitäten, Kunſtſachen, Hausgeräth, phy-
ſikaliſchen, muſikaliſchen und andern Jnſtrumenten, Drucken, Bildern und Stoffen
aller Art oft die Cultur und Jnduſtrie mehrerer Jahrhunderte repräſentirt, und
für den Sammler eine nicht unwichtige Quelle darbieten würde, wenn dieſe
Sachen durch den langen und verderblichen Verſteck weniger ruinirt wären,
aus welchem ſie nur gelegentlich zum Vorſchein und Verkauf gebracht werden.
Ebenſo ſehr iſt zu bedauern, daß ſolche Sachen auch im Depoſitum der Be-
hörden nicht mit der gehörigen Sorgſamkeit erhalten werden, und daß die
gelegentliche Aufräumung ſehr oft auch noch das gänzlich ruinirt, was bis
dahin noch einigermaßen zuſammenhielt.
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[318/0330] über die große Menge und Mannichfaltigkeit aller nur denkbarer Handelsgegenſtände erſtaunen muß 1), welche man darin findet, ſo iſt es doch noch erſtaunlicher zu ſehen, wie in ſolchen Lagern, namentlich Manufacturwaarenlagern, ſo vollſtändige Aſſortiments vorhanden ſind, daß man weit eher auf einen bedachten handels- mäßigen Nachkauf des Defecten, als auf die gelegentliche Comple- tirung durch Diebſtahl ſchließen ſollte. Aus Fabriken und Fabrik- lagern werden beſonders in ganz unglaublicher Menge ſolche Diebs- lager begründet und ergänzt. Der Handel der Schärfenſpieler bietet ſogar dem Kleinhandel eine ſehr ernſtliche Concurrenz, welche in kleinern Binnenſtädten, wo der ganze Handel kaum mehr als Detailhandel iſt, ſchwer empfunden wird, während ſie in größern Handelsſtädten, wo der Kleinhandel, als natürlicher und nothwen- diger Ausfluß des Großhandels, von letzterm geſtützt und getragen wird, weniger fühlbar iſt, obgleich auch in den Handelsſtädten die leidige Concurrenz zwiſchen dem Kleinhandel und dem Schärfen- ſpielerhandel den erſtern leicht zur Schleuderei überführt. Trotz der bunten Reichhaltigkeit der Schärfenſpielerlager findet man ſelten den ganzen Vorrath eines Schärfenſpielers an einem Orte vereinigt. Bei der Gefahr der Entdeckung gebietet die Klug- heit, die Vorräthe zu vertheilen, die oft in irgendeinem Privat- hauſe, in einer nahen Ortſchaft oder auf dem Lande, mit oder ohne Durchſtecherei des Vermiethers, untergebracht ſind. Jn den Gaunerherbergen ſind hinter Panälen, tapezirten Breterwänden, zwiſchen den Zimmerdecken, unter den Fußböden, unter den Steinen 1) Man kann nichts Bunteres und Jntereſſanteres ſehen, als ein ſolches Lager, das auch an Curioſitäten, Antiquitäten, Kunſtſachen, Hausgeräth, phy- ſikaliſchen, muſikaliſchen und andern Jnſtrumenten, Drucken, Bildern und Stoffen aller Art oft die Cultur und Jnduſtrie mehrerer Jahrhunderte repräſentirt, und für den Sammler eine nicht unwichtige Quelle darbieten würde, wenn dieſe Sachen durch den langen und verderblichen Verſteck weniger ruinirt wären, aus welchem ſie nur gelegentlich zum Vorſchein und Verkauf gebracht werden. Ebenſo ſehr iſt zu bedauern, daß ſolche Sachen auch im Depoſitum der Be- hörden nicht mit der gehörigen Sorgſamkeit erhalten werden, und daß die gelegentliche Aufräumung ſehr oft auch noch das gänzlich ruinirt, was bis dahin noch einigermaßen zuſammenhielt.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/330>, abgerufen am 21.11.2024.