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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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und Platten in Kellern, so versteckte Räumlichkeiten angebracht 1),
daß nur ein sehr scharfes geübtes Auge den geheimen Versteck
entdecken kann. Auf dem Lande werden Scheunen, Ställe, Keller-
verschläge, Heuschober, Kartoffelgruben u. s. w. zu Depots benutzt;
ja sogar hohle Bäume, Fuchshöhlen und Dachsbaue dienen nicht
selten zu einstweiligen Verwahrungsörtern. 2) Besonders arme
und isolirt wohnende Bauern und Tagelöhner wissen die Gauner
durch Versprechungen und Geschenke dahin zu bringen, daß sie
sich zu Depositaren gestohlener Sachen nur zu oft hergeben. 3)

Bei diesem sorgfältigen Versteck hat dennoch der Schärfen-
spielerverkehr und Umsatz eine unglaubliche unstete Beweglichkeit,
welche, aller strengen Unterdrückung und Verfolgung zum Trotz,
gerade im Hausirhandel ihren reißenden Abfluß findet. Die
Dorfjahrmärkte sind für den Schärfenspieler nur die Stationen,
auf welchen er mit dreister Sicherheit seine geschärften Waaren
unter dem Schein des ehrlichen erlaubten Verkaufs ausbietet.
Hauptsächlich benutzt er aber die Jahrmärkte, um von einem zum
andern zu ziehen, und ganz vorzüglich unterwegs, allen Ver-
boten, Siegeln und Plomben zum Trotz, aus seinen Waarenpacken

1) Nur durch sehr genaue Untersuchung und Aufmerksamkeit können die
heimlichen Zugänge zu solchen Gelassen entdeckt werden. Man muß sich daran
gewöhnen, das Unscheinliche niemals für unerheblich und geringfügig zu halten,
und es nicht von sich weisen, Recherchen selbst zu leiten, bei denen man jedes-
mal um manche Erfahrungen reicher wird, und immer mehr begreifen lernt,
daß die Belehrung wahrlich nicht allein am Verhörtisch gewonnen wird. Bei
Recherchen in Kellern ist es oft von Nutzen, Wasser auf den Fußboden zu
gießen und an den Stellen, wo die gelockerten Fugen das Wasser einsaugen
und Luftblasen werfen, die Steine herauszuheben, um den Zugang zu einer
Kawure zu finden.
2) Solche Höhlen haben sogar zu dem specifischen Ausdruck die Lege
Anlaß gegeben (vgl. Bischoff, a. a. O., S. 49).
3) Eigenthümlich ist dabei, daß die Zigeunersprache für den Begriff Hehler
nur das eine Wort sorolo gatscho, d. i. starker, fester, sicherer Bauer, hat
(vgl. Bischoff, "Zigeunerisches Wörterbuch", S. 56, und Pott, a. a. O., II,
253, unter Zor). Eine offenbare Nachahmung davon ist die unter den reußi-
schen Gaunern übliche Bezeichnung Kochemer Kaffer für Diebshehler
(vgl. Bischoff, "Kochemer Waldiwerei", S. 36).

und Platten in Kellern, ſo verſteckte Räumlichkeiten angebracht 1),
daß nur ein ſehr ſcharfes geübtes Auge den geheimen Verſteck
entdecken kann. Auf dem Lande werden Scheunen, Ställe, Keller-
verſchläge, Heuſchober, Kartoffelgruben u. ſ. w. zu Depots benutzt;
ja ſogar hohle Bäume, Fuchshöhlen und Dachsbaue dienen nicht
ſelten zu einſtweiligen Verwahrungsörtern. 2) Beſonders arme
und iſolirt wohnende Bauern und Tagelöhner wiſſen die Gauner
durch Verſprechungen und Geſchenke dahin zu bringen, daß ſie
ſich zu Depoſitaren geſtohlener Sachen nur zu oft hergeben. 3)

Bei dieſem ſorgfältigen Verſteck hat dennoch der Schärfen-
ſpielerverkehr und Umſatz eine unglaubliche unſtete Beweglichkeit,
welche, aller ſtrengen Unterdrückung und Verfolgung zum Trotz,
gerade im Hauſirhandel ihren reißenden Abfluß findet. Die
Dorfjahrmärkte ſind für den Schärfenſpieler nur die Stationen,
auf welchen er mit dreiſter Sicherheit ſeine geſchärften Waaren
unter dem Schein des ehrlichen erlaubten Verkaufs ausbietet.
Hauptſächlich benutzt er aber die Jahrmärkte, um von einem zum
andern zu ziehen, und ganz vorzüglich unterwegs, allen Ver-
boten, Siegeln und Plomben zum Trotz, aus ſeinen Waarenpacken

1) Nur durch ſehr genaue Unterſuchung und Aufmerkſamkeit können die
heimlichen Zugänge zu ſolchen Gelaſſen entdeckt werden. Man muß ſich daran
gewöhnen, das Unſcheinliche niemals für unerheblich und geringfügig zu halten,
und es nicht von ſich weiſen, Recherchen ſelbſt zu leiten, bei denen man jedes-
mal um manche Erfahrungen reicher wird, und immer mehr begreifen lernt,
daß die Belehrung wahrlich nicht allein am Verhörtiſch gewonnen wird. Bei
Recherchen in Kellern iſt es oft von Nutzen, Waſſer auf den Fußboden zu
gießen und an den Stellen, wo die gelockerten Fugen das Waſſer einſaugen
und Luftblaſen werfen, die Steine herauszuheben, um den Zugang zu einer
Kawure zu finden.
2) Solche Höhlen haben ſogar zu dem ſpecifiſchen Ausdruck die Lege
Anlaß gegeben (vgl. Biſchoff, a. a. O., S. 49).
3) Eigenthümlich iſt dabei, daß die Zigeunerſprache für den Begriff Hehler
nur das eine Wort sórŏlo gátscho, d. i. ſtarker, feſter, ſicherer Bauer, hat
(vgl. Biſchoff, „Zigeuneriſches Wörterbuch“, S. 56, und Pott, a. a. O., II,
253, unter Zor). Eine offenbare Nachahmung davon iſt die unter den reußi-
ſchen Gaunern übliche Bezeichnung Kochemer Kaffer für Diebshehler
(vgl. Biſchoff, „Kochemer Waldiwerei“, S. 36).
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[319/0331] und Platten in Kellern, ſo verſteckte Räumlichkeiten angebracht 1), daß nur ein ſehr ſcharfes geübtes Auge den geheimen Verſteck entdecken kann. Auf dem Lande werden Scheunen, Ställe, Keller- verſchläge, Heuſchober, Kartoffelgruben u. ſ. w. zu Depots benutzt; ja ſogar hohle Bäume, Fuchshöhlen und Dachsbaue dienen nicht ſelten zu einſtweiligen Verwahrungsörtern. 2) Beſonders arme und iſolirt wohnende Bauern und Tagelöhner wiſſen die Gauner durch Verſprechungen und Geſchenke dahin zu bringen, daß ſie ſich zu Depoſitaren geſtohlener Sachen nur zu oft hergeben. 3) Bei dieſem ſorgfältigen Verſteck hat dennoch der Schärfen- ſpielerverkehr und Umſatz eine unglaubliche unſtete Beweglichkeit, welche, aller ſtrengen Unterdrückung und Verfolgung zum Trotz, gerade im Hauſirhandel ihren reißenden Abfluß findet. Die Dorfjahrmärkte ſind für den Schärfenſpieler nur die Stationen, auf welchen er mit dreiſter Sicherheit ſeine geſchärften Waaren unter dem Schein des ehrlichen erlaubten Verkaufs ausbietet. Hauptſächlich benutzt er aber die Jahrmärkte, um von einem zum andern zu ziehen, und ganz vorzüglich unterwegs, allen Ver- boten, Siegeln und Plomben zum Trotz, aus ſeinen Waarenpacken 1) Nur durch ſehr genaue Unterſuchung und Aufmerkſamkeit können die heimlichen Zugänge zu ſolchen Gelaſſen entdeckt werden. Man muß ſich daran gewöhnen, das Unſcheinliche niemals für unerheblich und geringfügig zu halten, und es nicht von ſich weiſen, Recherchen ſelbſt zu leiten, bei denen man jedes- mal um manche Erfahrungen reicher wird, und immer mehr begreifen lernt, daß die Belehrung wahrlich nicht allein am Verhörtiſch gewonnen wird. Bei Recherchen in Kellern iſt es oft von Nutzen, Waſſer auf den Fußboden zu gießen und an den Stellen, wo die gelockerten Fugen das Waſſer einſaugen und Luftblaſen werfen, die Steine herauszuheben, um den Zugang zu einer Kawure zu finden. 2) Solche Höhlen haben ſogar zu dem ſpecifiſchen Ausdruck die Lege Anlaß gegeben (vgl. Biſchoff, a. a. O., S. 49). 3) Eigenthümlich iſt dabei, daß die Zigeunerſprache für den Begriff Hehler nur das eine Wort sórŏlo gátscho, d. i. ſtarker, feſter, ſicherer Bauer, hat (vgl. Biſchoff, „Zigeuneriſches Wörterbuch“, S. 56, und Pott, a. a. O., II, 253, unter Zor). Eine offenbare Nachahmung davon iſt die unter den reußi- ſchen Gaunern übliche Bezeichnung Kochemer Kaffer für Diebshehler (vgl. Biſchoff, „Kochemer Waldiwerei“, S. 36).

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/331>, abgerufen am 29.03.2024.