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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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das politische Jnstitut des Markgrafenthums und Pfalzgrafenthums
nicht mehr ausreichte. Wie dieser Versuch mislang, zeigt die Ge-
schichte. Das Kaiserthum mußte seine Hoffnung auf die Reichs-
polizei sofort aufgeben, weil die Reichspolizei schon nicht mehr als
einfacher kaiserlicher Jmperativ, sondern nur als flaues Resultat
eines schwerfälligen Transactes mit dem Reich erscheinen konnte.
Wie verworren aber alle politische Verhältnisse, wie gewaltig die
Ereignisse und Bewegungen waren, welche das deutsche Reich er-
schütterten, überall sieht man das Volk mit seiner klaren Treue
vor und mit seinem Fürsten stehen, überall mit seiner Anhänglich-
keit an dem Adel halten, dem es seine Stellung bewahrte und als
social-politischem Factor eine würdige Ausbildung ermöglichte, wie
keine andere Nation sich rühmen kann. Niemals hat die deutsche
Volkspoesie, dieser zuverlässige Ausweis des herrschenden Volks-
geistes, aufgehört, die deutsche Treue und Heldenschaft zu feiern.
Selbst in der bedenklichsten Zeit der Bauernkriege blieben die
Stimmen laut, und die fliegenden Blätter jener Zeit sind ein
redender Beweis von dem Geiste, welcher das deutsche Volk be-
seelte, und von der Fremdartigkeit des Dämons, der von Westen
her nach Deutschland hineinblickte und zum ersten mal Einzug zu
halten drohte. Das deutsche Volk sah nicht auf seine bunten
Territorien, sondern concentrirte den Blick auf den Landesherrn,
suchte und fand in ihm seinen Hort, und befolgte nicht nur ohne
Mäkeln und Widerstand seine Anordnungen, sondern unterstützte
sie auch bereitwillig, weil es seinen Schutz, oder zum mindesten
den guten Willen dazu, in ihnen erblickte. Bei dieser gegenseitigen
Hingebung fand später Fürst und Volk in Deutschland die künst-
liche Polizei Ludwig's XIV. bedenklich, weil sich mit ihr zugleich
auch ihre brutale Gewalt, die ganze französische Flachheit und
arge sittliche Verderbniß zeigte, welche das Volk unter dem glat-
ten, leider aber auch hier und da an die deutschen Höfe gelang-
ten Glanze mit unbefangenem Blick erkannte. Von dem Be-
dürfnisse getrieben fing die stets Gründlichkeit erstrebende deutsche
Gelehrsamkeit an, das bislang nur als ein Ausfluß der Gerichts-
barkeit angesehene und herangebildete Polizeirecht auf Grundlage

das politiſche Jnſtitut des Markgrafenthums und Pfalzgrafenthums
nicht mehr ausreichte. Wie dieſer Verſuch mislang, zeigt die Ge-
ſchichte. Das Kaiſerthum mußte ſeine Hoffnung auf die Reichs-
polizei ſofort aufgeben, weil die Reichspolizei ſchon nicht mehr als
einfacher kaiſerlicher Jmperativ, ſondern nur als flaues Reſultat
eines ſchwerfälligen Transactes mit dem Reich erſcheinen konnte.
Wie verworren aber alle politiſche Verhältniſſe, wie gewaltig die
Ereigniſſe und Bewegungen waren, welche das deutſche Reich er-
ſchütterten, überall ſieht man das Volk mit ſeiner klaren Treue
vor und mit ſeinem Fürſten ſtehen, überall mit ſeiner Anhänglich-
keit an dem Adel halten, dem es ſeine Stellung bewahrte und als
ſocial-politiſchem Factor eine würdige Ausbildung ermöglichte, wie
keine andere Nation ſich rühmen kann. Niemals hat die deutſche
Volkspoeſie, dieſer zuverläſſige Ausweis des herrſchenden Volks-
geiſtes, aufgehört, die deutſche Treue und Heldenſchaft zu feiern.
Selbſt in der bedenklichſten Zeit der Bauernkriege blieben die
Stimmen laut, und die fliegenden Blätter jener Zeit ſind ein
redender Beweis von dem Geiſte, welcher das deutſche Volk be-
ſeelte, und von der Fremdartigkeit des Dämons, der von Weſten
her nach Deutſchland hineinblickte und zum erſten mal Einzug zu
halten drohte. Das deutſche Volk ſah nicht auf ſeine bunten
Territorien, ſondern concentrirte den Blick auf den Landesherrn,
ſuchte und fand in ihm ſeinen Hort, und befolgte nicht nur ohne
Mäkeln und Widerſtand ſeine Anordnungen, ſondern unterſtützte
ſie auch bereitwillig, weil es ſeinen Schutz, oder zum mindeſten
den guten Willen dazu, in ihnen erblickte. Bei dieſer gegenſeitigen
Hingebung fand ſpäter Fürſt und Volk in Deutſchland die künſt-
liche Polizei Ludwig’s XIV. bedenklich, weil ſich mit ihr zugleich
auch ihre brutale Gewalt, die ganze franzöſiſche Flachheit und
arge ſittliche Verderbniß zeigte, welche das Volk unter dem glat-
ten, leider aber auch hier und da an die deutſchen Höfe gelang-
ten Glanze mit unbefangenem Blick erkannte. Von dem Be-
dürfniſſe getrieben fing die ſtets Gründlichkeit erſtrebende deutſche
Gelehrſamkeit an, das bislang nur als ein Ausfluß der Gerichts-
barkeit angeſehene und herangebildete Polizeirecht auf Grundlage

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[349/0361] das politiſche Jnſtitut des Markgrafenthums und Pfalzgrafenthums nicht mehr ausreichte. Wie dieſer Verſuch mislang, zeigt die Ge- ſchichte. Das Kaiſerthum mußte ſeine Hoffnung auf die Reichs- polizei ſofort aufgeben, weil die Reichspolizei ſchon nicht mehr als einfacher kaiſerlicher Jmperativ, ſondern nur als flaues Reſultat eines ſchwerfälligen Transactes mit dem Reich erſcheinen konnte. Wie verworren aber alle politiſche Verhältniſſe, wie gewaltig die Ereigniſſe und Bewegungen waren, welche das deutſche Reich er- ſchütterten, überall ſieht man das Volk mit ſeiner klaren Treue vor und mit ſeinem Fürſten ſtehen, überall mit ſeiner Anhänglich- keit an dem Adel halten, dem es ſeine Stellung bewahrte und als ſocial-politiſchem Factor eine würdige Ausbildung ermöglichte, wie keine andere Nation ſich rühmen kann. Niemals hat die deutſche Volkspoeſie, dieſer zuverläſſige Ausweis des herrſchenden Volks- geiſtes, aufgehört, die deutſche Treue und Heldenſchaft zu feiern. Selbſt in der bedenklichſten Zeit der Bauernkriege blieben die Stimmen laut, und die fliegenden Blätter jener Zeit ſind ein redender Beweis von dem Geiſte, welcher das deutſche Volk be- ſeelte, und von der Fremdartigkeit des Dämons, der von Weſten her nach Deutſchland hineinblickte und zum erſten mal Einzug zu halten drohte. Das deutſche Volk ſah nicht auf ſeine bunten Territorien, ſondern concentrirte den Blick auf den Landesherrn, ſuchte und fand in ihm ſeinen Hort, und befolgte nicht nur ohne Mäkeln und Widerſtand ſeine Anordnungen, ſondern unterſtützte ſie auch bereitwillig, weil es ſeinen Schutz, oder zum mindeſten den guten Willen dazu, in ihnen erblickte. Bei dieſer gegenſeitigen Hingebung fand ſpäter Fürſt und Volk in Deutſchland die künſt- liche Polizei Ludwig’s XIV. bedenklich, weil ſich mit ihr zugleich auch ihre brutale Gewalt, die ganze franzöſiſche Flachheit und arge ſittliche Verderbniß zeigte, welche das Volk unter dem glat- ten, leider aber auch hier und da an die deutſchen Höfe gelang- ten Glanze mit unbefangenem Blick erkannte. Von dem Be- dürfniſſe getrieben fing die ſtets Gründlichkeit erſtrebende deutſche Gelehrſamkeit an, das bislang nur als ein Ausfluß der Gerichts- barkeit angeſehene und herangebildete Polizeirecht auf Grundlage

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/361>, abgerufen am 23.11.2024.